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Arbeit nimmt eine Schlüsselstellung im Leben ein. Deshalb ist die Integration ins Erwerbsleben nach überstandener Krankheit eine vordringliche Aufgabe, zu der Psychotherapie beitragen kann. Erstmals werden Konzepte für arbeitsplatzbezogene Psychotherapie in einem Band vorgelegt. Die besonderen arbeitsplatzbezogenen Probleme und deren Lösungswege im Rahmen strukturierter Psychotherapie werden systematisch dargestellt. Für praktisch tätige Psychotherapeuten ist ein Manual für eine arbeitsplatzbezogene Psychotherapie integriert.
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Seitenzahl: 441
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1. Auflage 2017
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-028501-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-028502-6
epub: ISBN 978-3-17-028503-3
mobi: ISBN 978-3-17-028504-0
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Rufen bestimmte Entwicklungen der modernen Arbeitswelt in größerem Umfang kollektive Erschöpfung hervor oder sind es die Beschäftigtenselbst, die durch ihre gesteigerte Verletzlichkeit hierzu entscheidend beitragen? Der um das Thema »Burnout« entstandene Medienhype hat sicherlich dazu beigetragen, ein komplexes Thema auf diese einfache – zu einfache – Frage zu reduzieren. Denn stets durchdringen sich die mit den zentralen sozialen Rollen des Erwachsenenlebens – wie derjenigen des Berufs – gegebenen Anforderungen und Zwänge mit den persönlichen Dispositionen der Menschen, die im Kontext dieser Rollen ihr Leben zu meistern haben. Es stimmt zwar, dass die Forschung den Einfluss einzelner Komponenten isoliert betrachten und gewichten muss, aber letztlich ist es das Zusammenspiel sozialer und personaler Merkmale, welches den Weg zu gesundheitlicher Gefährdung bahnt.
Dass dieses Zusammenspiel sozialer und personaler Merkmale auch die Gestaltung therapeutischer und präventiver Arbeit auf innovative Weise bestimmen kann, verdeutlicht der vorliegende Band am Beispiel psychischer Störungen auf eindrucksvolle Weise. Drei Ansätze werden dabei verfolgt.
Erstens wird gezeigt, dass sich der Arbeitsplatz als Ort eignet, an dem direkt oder indirekt therapeutisches und gesundheitsförderndes Handeln erfolgt. Beispiele direkten Handelns sind betriebliche Sport- und Präventionsprogramme sowie Coaching-Maßnahmen am Arbeitsplatz. Als indirektes Handeln können jene psychotherapeutischen Verfahren betrachtet werden, die leidende Menschen dazu befähigen, mit den spezifischen Beanspruchungen ihres Arbeitsplatzes erfolgreich umzugehen. Zielgruppen sind hierbei vor allem an depressiven oder Angststörungen erkrankte Beschäftigte sowie Personen mit Abhängigkeitserkrankungen.
Ein zweiter Ansatz befasst sich mit der optimalen Gestaltung des Rückkehrprozesses Erkrankter an ihren Arbeitsplatz, speziell mit Programmen vernetzter Versorgung. Dabei besteht ein besonderer Handlungsbedarf bei Beschäftigten mit einer behandlungsbedürftigen Depression. Hierbei steht nicht nur das Problem langer Arbeitsunfähigkeitsdauer im Vordergrund, sondern auch dasjenige erhöhter Rückfallraten und der damit gegebenen Gefahr krankheitsbedingter Frühberentung. Wissenschaftliche Studien haben wiederholt gezeigt, dass eine frühe, schrittweise Wiedereingliederung vor dem Hintergrund kontinuierlicher therapeutischer Begleitung die beste Gewähr für eine erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung bietet. In einem solchen therapeutisch-rehabilitativen Prozess werden die Ressourcen und Vulnerabilitäten der Person ebenso berücksichtigt wie die belastenden Aspekte des Arbeitsplatzes, auf den sich die Rückkehr bezieht.
Radikaler – und längerfristig möglicherweise wirksamer – ist ein dritter Ansatz, der allerdings in dem vorliegenden Buch nur begrenzt zum Ausdruck kommt. Er befasst sich mit der Frage, welche Aspekte der Arbeits- und Beschäftigungssituation einen direkten Einfluss auf gesteigerte Erkrankungsrisiken der Beschäftigten haben und wie diese Aspekte verändert werden können, um die Gesundheit der Betroffenen besser zu schützen und zu stärken. Zur Beantwortung dieser Frage liegen heute aus soziologischen und epidemiologischen Forschungen gesicherte Erkenntnisse vor. Demnach sind insbesondere Beschäftigte an Arbeitsplätzen gefährdet, welche einen permanent hohen Leistungsdruck erzeugen, ohne die Möglichkeit zu eigener Steuerung und Kontrolle zu bieten. Ebenso beschädigen jene Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse die Gesundheit, die von den Betroffenen wiederkehrend einen hohen Einsatz verlangen, ohne eine faire Gegenleistung in Form materieller und immaterieller Anerkennung sowie in Form von Aufstieg und Arbeitsplatzsicherheit zu bieten. Die Tatsache, dass von diesen Formen belastender Arbeit in den entwickelten westlichen Leistungsgesellschaften gegenwärtig etwa jede vierte vollbeschäftigte Person betroffen ist, verweist auf einen hohen Handlungsbedarf im Bereich von Arbeitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung. Es ist zwar hilfreich zu wissen, dass aus den vorliegenden Erkenntnissen konkrete Maßnahmen der Organisations- und Personalentwicklung hergeleitet werden können, deren Wirksamkeit in ersten betrieblichen Interventionsstudien bereits belegt worden ist. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass dieses Wissen bisher nicht in gebührendem Maß in die präventive und therapeutische Praxis umgesetzt wird.
Daher verdienen alle drei hier skizzierten therapeutischen und präventiven Ansätze vermehrt Beachtung, deren gemeinsames Kennzeichen darin besteht, dass sie sowohl die arbeitende Person berücksichtigen als auch den Kontext, in welchem ihre Arbeitsleistung erbracht wird. Verstärkte Bemühungen um gesunde Arbeit sind gegenwärtig auf allen Ebenen angezeigt, nicht nur, weil alternde Belegschaften sowie hohe indirekte und direkte Kosten einer arbeitsbedingten Krankheitslast den Problemdruck erhöhen. Erforderlich sind sie ebenso, weil sich in Zeiten neoliberaler Wirtschaftspolitik und verantwortungsloser Praktiken der Finanzwirtschaft der kollektive Leidensdruck in der arbeitenden Bevölkerung spürbar verdichtet. Dieses Leiden überall dort, wo es vermeidbar ist, zu verringern, ist zugleich eine politische wie eine moralische Verpflichtung.
Düsseldorf, Johannes Siegrist
Geleitwort
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
1 Psychische Gesundheit und Arbeit
1.1 Burnout: Modelle und Kontroversen
Kai G. Kahl und Lotta Winter
1.2 Arbeitsbelastung und psychische Erkrankungen
Christian Bock
1.3 Auswirkungen psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz
Ulrich Schweiger und Valerija Sipos
1.4 Arbeitsplatzängste und Arbeitsplatzphobie. Diagnostik, Therapie und sozialmedizinische Relevanz
Beate Muschalla und Michael Linden
1.5 Die Rolle von Alkohol in der Arbeitswelt
Michael Soyka
1.6 Diagnostik psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz
Guido Engelhardt und Klaus Kimpel
2 Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie: Konzepte
2.1 Rückkehr ins Erwerbsleben: Ein Therapiemodul zur Integration in die Kognitiv-Behaviorale Therapie
Lotta Winter, Julia Geldmacher und Katharina Boss
2.2 Interpersonelle Psychotherapie für arbeitsbezogene psychische Störungen am Beispiel der Depression
Elisabeth Schramm und Nicola Thiel
2.3 Verbitterung und Arbeitsplatz
Beate Muschalla und Michael Linden
2.4 Interaktionsfokussierte Behandlung arbeitsplatzbezogener Störungen
Jan Philipp Klein und Lotta Winter
2.5 Arbeitsplatzbezogene Akzeptanz- und Commitment-Therapie
Maria Kensche und Thorsten Kienast
2.6 Psychotherapie von Abhängigkeitserkrankungen am Arbeitsplatz: Alkoholabhängigkeit und pathologisches Spielen
Gregor R. Szycik und Felix Wedegärtner
2.7 Internetbasierte Interventionen bei arbeitsbezogenen psychischen Störungen
Björn Meyer
2.8 Möglichkeiten der psychosomatischen Rehabilitation
Markus Bassler
3 Vernetzte Versorgung und betriebliche Prävention: Beispiele
3.1 Vernetzte Versorgung – Erfahrungen aus der Praxis
Birgit Leineweber
3.2 Das MHH-BKK Projekt als Beispiel für institutionenübergreifende Integierte Versorgung
Janina Nielsen, Lotta Winter, Jana Lehmann, Kai G. Kahl und Birgit Leineweber
3.3 Fit for Work and Life: Das betriebliche Präventionsprogramm an der Medizinischen Hochschule Hannover
Heike Fuhr, Juliane Briest, Christoph Egen, Julia Gottschalk, Julia Geldmacher und Michael Born
3.4 JobFit – Eine arbeitsplatzorientierte ärztlich-therapeutische Intensivmaßnahme an der Schnittstelle zwischen Prävention und Rehabilitation
Christoph Egen, Katrin Höpner, Juliane Briest, Christoph Korallus, Peter Klug und Christoph Gutenbrunner
3.5 ELAN: Gesund durch mentale Fitness – Ein Präventionsprogramm
Julia Gottschalk und Lotta Winter
3.6 Sport- und Trainingstherapie
Uwe Tegtbur
3.7 Betriebliche Prävention am Beispiel der SZAG
Bernd Marquardt
4 Ausblick
Michael Born
4.1 Fachkräftemangel/Arbeitgeberattraktivität
4.2 Optimale Personalperformance
4.3 Die gute Führung
4.4 Die demografische Entwicklung
4.5 Das Generation-Resources-Management
5 Therapiemodul – Return-to-work bei psychischen Erkrankungen (KBT-A) Ein ergänzendes Therapiemanual
Suzanne Lagerveld und Roland Blonk Deutsche Version übersetzt von: Julia Geldmacher, Lotta Winter und Katharina Boss
Vorwort
5.1 Einleitung
5.2 Rückkehr an den Arbeitsplatz im Falle psychischer Probleme: ein schrittweiser Behandlungsplan
5.3 Erläuterung des stufenweisen Behandlungsplans
5.4 Anhang
Prof. Dr. med. Kai G. Kahl
Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Ärztlicher Leiter des Ausbildungsinstituts für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dr. Dipl. Psych. Lotta Winter
Fachbereichsleitung Psychotherapie an der Ambulanzzentrum der MHH GmbH
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Prof. Dr. med. Markus Bassler
Ärztlicher Direktor
Rehazentrum Oberharz, Schwarzenbacher Str. 19-21, 38678 Clausthal-Zellerfeld
Reha-Zentrum Bad Pyrmont, Therapiezentrum Friedrichshöhe, Forstweg 2, 31812 Bad Pyrmont
Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover
Dipl. Psych. Christian Bock
Kompetenzzentrum Arbeit und Arbeitsumgebung
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Michael Born
Geschäftsführer Personal
Klinikum Region Hannover GmbH
Constantinstr. 40, 30177 Hannover
Dipl. Psych. Katharina Boss
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dipl. Psych. Juliane Briest
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Christoph Egen
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dr. med. Guido Engelhardt
Leiter Gesundheitsmanagement
BMW Group Leipzig/Eisenach
BMW Allee 1, 04349 Leipzig
Heike Fuhr
Personalentwicklung
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dipl. Psych. Julia Geldmacher
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dipl. Psych. Julia Gottschalk
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Prof. Dr. med. Christoph Gutenbrunner
Chefarzt und Abteilungsleiter
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Katrin Höpner
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dr. med. Maria Kensche
EOS Klinik für Psychotherapie, Alexianer GmbH Münster
Hammer Straße 18, 48153 Münster
PD Dr. med. Thorsten Kienast, MBA
Praxis Leopoldshof, Poststrasse 3, 20354 Hamburg
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Charité Campus Mitte, Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Klaus Kimpel
Komm. Leitender Betriebsarzt
Salzgitter Flachstahl GmbH
Eisenhüttenstraße 99, 38239 Salzgitter
Dr. med. Philip Klein
Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinik zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck
Dipl. Sportwissenschaftler Peter Klug
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dr. med. Christoph Korallus
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Jana Lehmann
BKK MedPlus Center
BKK Salzgitter, BKK Public, TUI BKK
Thiestr. 15, 38226 Salzgitter
Dr. med. Birgit Leineweber
Leiterin des BKK MedPlus Centers
BKK Salzgitter, BKK Public, TUI BKK
Thiestr. 15, 38226 Salzgitter
Prof. Dr. med. Michael Linden
Leitender Arzt der Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am
Rehabilitationszentrum Seehof, Deutschen Rentenversicherung, Teltow/Berlin
Leiter der Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin Berlin
Lichterfelder Allee 55, 14513 Teltow
Berndt Marquardt
Betriebsarzt
Salzgitter Flachstahl GmbH
Eisenhüttenstraße 99, 38239 Salzgitter
Dr. Dipl. Psych. Björn Meyer
GAIA AG
Gertigstraße 12-14, 22303 Hamburg
Dr. phil. Beate Muschalla
Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Potsdam
Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin Berlin
Lichterfelder Allee 55, 14513 Teltow
Dipl. Psych. Janina Nielsen
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Prof. Dr. phil. Elisbeth Schramm
Leiterin der Sektion »Psychotherapie in der Psychiatrie«
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Freiburg
Hauptstraße 5, 79104 Freiburg
Prof. Dr. med. Ulrich Schweiger
Stellvertretender Klinikdirektor
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinik zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck
Prof. Dr. Johannes Siegrist
Seniorprofessur für »Work Stress Research«
Institut für Medizinische Soziologie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Dr. Dipl. Psych. Valerija Sipos
Leitende Psychologin
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinik zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck
Prof. Dr. med. Michael Soyka
Ärztlicher Direktor
Zentrum für Seelische Gesundheit
Privatklinik Meiringen, 3860 Meiringen, Schweiz
PD Dr. Dipl. Psych. Gregor Szycik
Ausbildungskoordinator
Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Prof. Dr. med. Uwe Tegtbur
Direktor
Institut für Sportmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Dr. Dipl. Psych. Nicola Thiel
Psychologische Psychotherapeutin
Eschholzstraße 7a, 79106 Freiburg
PD. Dr. Dr. Felix Wedegärtner
Oberarzt
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover
Die Zunahme von prekären Entlohnungen und Arbeitsplatzunsicherheit ist ein Zeichen der modernen Arbeitsweise. Waren in den 1960er und 1970er Jahren die »Doppelverdiener« noch eine teils belächelte, teils durch starre Rollenbilder stigmatisierte Gruppe von Arbeitnehmern, gehört das doppelte Einkommen speziell bei Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen heute zu den notwendigen Überlebensstrategien (Kahl et al. 2014). Die Integration älterer und leistungseingeschränkter Personen ist problematisch, zumal für diese ein sehr begrenztes und wenig differenziertes Angebot an Arbeitsplätzen zur Verfügung steht. Rationalisierungsprozesse, Personalabbau, Entlassungen, Auslagerung von Arbeitsbereichen und Umstrukturierungen werden voraussichtlich zur Intensivierung der Arbeitsleistung, zu Einbußen in Lohn und Gehalt, und einer weiteren Zunahme von Arbeitsplatzunsicherheit führen. Vor diesem Hintergrund scheint das »Ausgebranntsein durch Arbeit« (Burnout) eine geradezu folgerichtige Konsequenz, denn der Burnout-Begriff suggeriert das Ergebnis einer Problemanalyse: Arbeit macht krank.
Burnout wurde 1974 erstmals von dem Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger bei ehrenamtlichen Mitarbeitern von Hilfsorganisationen beschrieben, frühe empirisch fundierte Symptombeschreibungen sind eng mit den Namen Christina Maslach und Ayala Pines verbunden (Freudenberger 1982; Maslach 1982; Pines 1981). Ursprünglich wurde das Burnout-Syndrom auf den drei Ebenen »Emotionale Erschöpfung«, »Depersonalisation« und »Leistungsmangel« konzeptualisiert. Eine dynamische Beschreibung dieses frühen Modells folgt dem Buch von Mathias Burisch: Professionelle Helfer erleben häufig mit ihren Klienten emotional aufgeladene Situationen und müssen diese aushalten. Die asymmetrische Beziehung (»immer nur geben müssen«), bürokratische Hürden und teilweise Undank auf Seiten der Klienten führt zu emotionaler Erschöpfung, die darauf folgende »Schutzreaktion« durch Distanzierung von emotional belastenden Themen führt zu »Depersonalisierung und Zynismus«. Sobald die veränderte persönliche Haltung des Helfers (Therapeuten) für sein Gegenüber spürbar wird, bleiben Erfolgserlebnisse aus, mit der Folge von Unzufriedenheit über das eigene Leistungsvermögen (Burisch 2006).
Der klinische Stellenwert von Burnout ist umstritten. Burnout ist keine von den Krankenkassen anerkannte Hauptdiagnose, und wurde in der 5. Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-V) nicht berücksichtigt. In der 10. Ausgabe der International Classification of Disease (ICD 10) wird Burnout als Zustand vitaler Erschöpfung definiert und unter den Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen, als Z73 codiert (ICD 10). Im Gegensatz dazu wird über Burnout in der Forschung vermehrt publiziert. Im Zeitraum zwischen 2005 und 2014 stieg die Anzahl der Einträge in PubMed von 83 im Jahr 2005 auf 291 in 2014, was als Beleg für das rege Interesse an arbeitsassoziierten Stress-Syndromen interpretiert werden kann. Die Verbindung zwischen Burnout und körperlichen Erkrankungen, vor allem des Herz-Kreislauf-Systems ist ein weiterer Grund für das wachsende Interesse am »Ausgebranntsein« ( Abb. 1.1). Interessanterweise nahm im selben Zeitraum das Interesse an Projekten zu, die sich mit der gezielten Wiedereingliederung in das Berufsleben beschäftigten (»Return to work«). Die Anzahl der Studien, in der Hauptsache zur Wiedereingliederung nach körperlicher Erkrankung, verdoppelte sich zwischen 2005 und 2014. Dem gegenüber ist die Thematik »Wiedereingliederung nach psychischer Erkrankung« bislang ein Stiefkind der Forschung. Dies verwundert umso mehr, da Burnout als »mentale Erschöpfung« konzipiert wurde, und eine hohe Überlappung mit psychischen Erkrankungen wie Depression vorliegt ( Abb. 1.1).
Abb. 1.1: Anzahl der Einträge in PubMed nach den Suchbegriffen »Burnout«, »Return to work« und »Return to work mental«
Aufgrund der mangelnden Anerkennung als Krankheit und definitorischer Schwächen des Begriffs – Burnout umfasst in den unterschiedlichen Definitionen mehr als 100 Symptome – existieren keine allgemein gültigen Zahlen zur Prävalenz. In der vom Robert Koch-Institut durchgeführten repräsentativen Studie zur »Gesundheit Erwachsener in Deutschland« (DEGS) gaben 4,2% der Befragten an, dass bei ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben einmal von einem Arzt oder Psychotherapeuten ein Burnout-Syndrom festgestellt worden war. Bei den älteren Befragten stieg diese Schätzung auf 6,6% (Kurth 2006).
Burnout Betroffene schildern häufig Symptome, die auch bei psychischen Erkrankungen wie beispielsweise der Depression gefunden werden – und Patienten mit einer Depression fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz häufig überfordert und erschöpft. Die Überlappung von Symptomen, aber auch die Überlappung der Auswirkungen einer Depression mit den Folgen von Burnout können die Ergebnisse von Burnout-Studien verzerren.
Demonstriert wird die unscharfe Trennung zwischen Burnout und Depression durch Studien, in denen mit standardisierten Instrumenten eine Erfassung depressiver Symptome erfolgt. Hierzu zwei Beispiele: In einer repräsentativen populationsbasierten Untersuchung, der finnländischen »Health 2000 Studie«, wurde 3276 Arbeitnehmern zwischen 30 und 64 Jahren das Maslach-Burnout Inventory (MBI) vorgelegt. Parallel wurde die Diagnose einer Major Depression auf der Grundlage eines diagnostischen Interviews gestellt. Es zeigte sich, dass die Hälfte der Burnout-Betroffenen an einer Depression litt, und diejenigen mit einer Depression häufiger über schwere Burnout-Beschwerden berichteten (Ahola et al. 2005). In einer weiteren Untersuchung an 1386 Lehrern in den USA wurde eine starke Korrelation von 0.77 zwischen Burnout und Depression gefunden. Zum Vergleich: Ein Korrelationskoeffizient von 1.0 würde auf eine vollständige Deckungsgleichheit zwischen zwei Merkmalen hinweisen. Bei 86% der untersuchten Lehrer mit Burnout bestand ebenfalls eine depressive Symptomatik. Darüber hinaus wurde eine hohe Korrelation zwischen Burnout oder Depression mit unterschiedlichen Stressoren gefunden, nämlich mit aktuellen kritischen Lebensereignissen (»stressful life events«), Unterstützung am Arbeitsplatz und mit Widrigkeiten am Arbeitsplatz (»job adversities«) (Schonfeldt et al. 2015).
Aus diesen Studien lässt sich ableiten, dass die Überlappung zwischen Burnout und Symptomen einer Depression groß ist, dass beide sich schwer voneinander abgrenzen lassen, und dass die Empfehlung ausgesprochen werden sollte, bei Vorliegen eines Burnouts immer auch die Möglichkeit des Vorliegens einer Depression in Betracht zu ziehen und diese gezielt zu verifizieren oder auszuschließen.
Kritikpunkte beziehen sich ebenfalls auf die Konstruktvalidität des Burnout-Begriffs. In den zugrunde liegenden Originalarbeiten, die den Begriff des Burnout prägten, wurde das Vorliegen von bekannten stressassoziierten kognitiven, emotionalen oder verhaltensbezogenen Faktoren nicht systematisch erfasst (nach Bianchi et al. 2015). Entsprechend ist das in vielen Studien eingesetzte Maslach-Burnout Inventory (MBI) nicht klinik-geleitet oder theorie-geleitet entstanden, sondern induktiv durch Faktorenanalyse. Folgerichtig wird Burnout häufig definiert als das, was das Maslach-Burnout-Inventory misst. Diese zirkuläre Argumentation schwächt die Aussagefähigkeit des Konstrukts. Kritik wurde auch an der dreidimensionalen Struktur von Burnout geäußert, zumal das Kernsymptom von Burnout, die emotionale Erschöpfung, besonders stark mit depressiven Symptomen korreliert (Bianchi 2015).
Ein weiteres Argument in der Debatte, ob Burnout eine Erkrankung ist, bezieht sich auf die zugrunde liegende Nosologie. Burnout wird als Arbeitsstress-assoziiertes Syndrom gesehen, obwohl die Zuordnung eines Syndroms zu einer Subgruppe von psychischen Stressoren keine nosologisch unterscheidbare Erkrankung rechtfertigt. So ist auch die Depression, die im Kontext von Schichtarbeit auftritt, weiterhin eine Depression, und keine ätiologisch neue Erkrankung.
Die Beschränkung von Burnout auf arbeitsplatzbezogene Stressoren verschließt darüber hinaus den Blick darauf, dass die Ursachen für emotionale Erschöpfung, mangelnde Leistungsfähigkeit und Depersonalisation – sei es allein oder in Kombination – vielfältig sind, und keineswegs eine exklusive Folge arbeitsplatzbezogener Stressoren ist. Andere Formen von psychischen und körperlichen Stressoren, beispielsweise konfliktreiche Beziehungen, können dementsprechend zu denselben Symptomen führen, wie arbeitsplatzassoziierter Stress.
Zusammengefasst bestehen Zweifeln daran, Burnout in den Status einer eigenständigen, unterscheidbaren Erkrankung zu heben. Neben den klassifikatorischen Problemen und der Abgrenzbarkeit von psychischen Erkrankungen ist zu bedenken, dass Burnout-Zeichen die Folge körperlicher Erkrankungen sein können. Daher ist beim Feststellen von Burnout eine körperliche Untersuchung mit gegebenenfalls somatischen Zusatzuntersuchungen zu empfehlen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat sich entsprechend in einem Positionspapier zu Burnout festgelegt: » Die DGPPN warnt vor einem unwissenschaftlichen und unkritischen Gebrauch des Begriffs Burnout für quasi sämtliche psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung stehen« (DGPPN 2012) .
Alternativ (oder je nach Standpunkt ergänzend) zum Burnout-Konzept stehen Verhaltens- und Verhältnisfaktoren im Zentrum aktueller Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit, Stressfaktoren und psychischer Gesundheit/Krankheit. Das zentrale Element in der Diskussion, ob und wann die Anforderungen der Arbeitswelt gesundheitsgefährdend sind, ist die Frage, ob die individuellen Bewältigungskompetenzen eines Arbeitnehmers auf der Grundlage seiner biologischen Disposition und seiner psychischen und physischen Konstitution überschritten werden. Hierzu wurden verschiedene Modelle entwickelt, von denen die wichtigsten im Folgenden vorgestellt werden.
Beim Modell der beruflichen Gratifikationskrisen wird der Fokus auf das Beschäftigungsverhältnis gelegt. Stressbelastung ergibt sich aus einem Missverhältnis aus Arbeitsaufwand und Belohnung in Form von Gehalt, Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit oder Karrierechancen. Kommt dieses Gleichgewicht außer Balance, kann dies mit nachteiligen psychischen, und langfristig auch körperlichen, Gesundheitsfolgen verbunden sein (Siegrist 2013).
Im Anforderungs-Kontroll-Model nach Karasek und Theorell stehen demgegenüber die Arbeitsaufgaben im Fokus: Eine hohe Stressbelastung resultiert nach diesem Modell auf einem Missverhältnis von Arbeitsbelastung und Entscheidungsspielraum. Liegen hohe Anforderungen und gleichzeitig ein geringer Entscheidungsspielraum vor, beispielsweise bei neuen Aufgaben im Rahmen eines Change-Management-Prozesses, kann dies als pathogener Stressor wirken. Fehlende soziale Unterstützung erhöht in diesem Modell die Stressbelastung (Karasek 1979).
Beim Modell der Organisationsgerechtigkeit von Greenberg und Eloviano stehen Verfahrensweisen von Organisationen im Fokus. Zentrale Begriffe sind die Gerechtigkeit in Organisationen, Werte (bspw. Nachhaltigkeit) und eine transparente Unternehmenskultur. Gerechtigkeit in Organisationen zeigt sich an Verteilungsgerechtigkeit, beispielsweise der Frage nach dem gleichen Einkommen für beide Geschlechter für die gleiche Arbeit. Einen weiteren Aspekt stellt die Verfahrensgerechtigkeit oder prozedurale Gerechtigkeit dar, also die Frage von fairen Regeln und deren Umsetzung. Fragen des kommunikativen Stils zwischen Vorgesetzten und Untergebenen werden als Interaktionsgerechtigkeit bezeichnet (Greenberg & Liebman 1990).
Andere Modelle für arbeitsplatzbezogenen Stress stellen die emotionale Belastung durch den Beruf, beispielsweise bei Mitarbeitern in Hospizen oder in onkologischen Abteilungen, in den Mittelpunkt. Entsprechend sind diese Modelle besonders im Gesundheitswesen von Bedeutung. Als zusätzliche Risikofaktoren am Arbeitsplatz sind Rollenkonflikte, zu hohe Erfolgserwartungen der Beschäftigten, mangelnde Anerkennung und mangelnde soziale Unterstützung zu nennen (Zapf et al. 2001).
In letzter Zeit werden die Faktoren »wertschätzender Führungsstil« und der Aspekt der Integration älterer Arbeitnehmer hervorgehoben. Wertschätzender Führungsstil kann gelernt werden, auch wenn – wie die Erfahrung zeigt – es für Führungskräfte ungewöhnlich erscheinen mag, sich in die Rolle des Lernenden bei einer »Selbstverständlichkeit« wie Kommunikation zu begeben.
Aus den dargestellten Modellen zum Zusammenhang zwischen Arbeit, Stress und psychischer Belastung lassen sich strategische Handlungsfelder ableiten, wie ein »idealer« Arbeitsplatz aussehen könnte. Hierzu zählen: eine individuell angepasste Arbeitsbelastung, die Überprüfung von individuellen Handlungsspielräumen, Raum für Anerkennung, Herstellen von Gruppenkohärenz und Gemeinschaftsgefühl, ein verlässlicher Wertekanon und die Sicherstellung der Gleichbehandlung von Mitarbeitern (Gerechtigkeit). Diese Faktoren gilt es selbstverständlich auch für die (Re-)Integration psychisch Kranker in die betrieblichen Prozesse zu nutzen. Allerdings sind gezielte Programme zur Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses nach überstandener psychischer Erkrankung derzeit noch Mangelware. Die in diesem Buch zusammengestellten psychotherapeutischen Ansätze stellen eine Auswahl dar, die sicherlich an der einen oder anderen Stelle ergänzt werden könnte. Allen Ansätzen ist gemeinsam, dass bislang wenig empirische Evidenz für deren Wirksamkeit vorliegt. Dabei können, wie dieses Buch zeigt, psychotherapeutische Verfahren durch spezifische »Return-to-work«-Module ergänzt werden, oder aber die Verfahren und Methoden selbst in den Dienst der Arbeitseingliederung gestellt werden.
In seiner ursprünglichen Konzeption war Burnout definiert als ein Erschöpfungszustand, der Mitarbeiter vor allem in »sozialen« Berufen erfassen kann, infolge hohen persönlichen Arbeitseinsatzes in Verbindung mit Frustration durch bspw. administrative Fallstricke. Aufgrund der inflationären Anwendung des Begriffs, des wissenschaftlich unklaren Stellenwerts, der problematischen Messung des Konstrukts »Burnout«, der Vermischung zwischen einem wissenschaftlichen Konstrukt und einem Modebegriff und nicht zuletzt der Überlappung von »Burnout-Zeichen« mit den Symptomen affektiver Störungen ist Burnout aus wissenschaftlicher Sicht ein problematischer Begriff. Dazu kommt, dass aus der »Diagnose Burnout« keine Handlungsanleitung für die Therapie folgt, da Burnout keine anerkannte Diagnose ist.
Als Risikokonstellation mit den Kernmerkmalen »Erschöpfung«, veränderte oder negative »Einstellung zur Arbeit« und »Leistungseinbußen« ist das Burnout-Konstrukt möglicherweise hilfreich. Bei Vorliegen dieser Erschöpfungszeichen ist eine psychologische, psychiatrische und somatische Diagnostik anzuraten, da eine Vielzahl unterschiedlicher pathogenetischer Faktoren zu dieser Merkmalskombination führen kann.
In Hinsicht auf die (Re-)Integration psychisch Kranker in ein Beschäftigungsverhältnis haben sich die Konzepte von arbeitsplatzassoziierten Stressoren (Gratifikationskrisenmodell, Anforderungs-Kontroll-Modell, Modell der Organisationsgerechtigkeit) als hilfreich erwiesen, um eine grobe Richtschnur für individuell angepasste Arbeitsplätze zu schaffen.
Ein weiterer Baustein für die geglückte Rückführung ins Erwerbsleben, die mit dem Begriff » Recovery« (Wiederherstellung der Rollenfunktion) eng verbunden ist, sind psychotherapeutische Ansätze mit dem Ziel, den Faktor Arbeit so zu gestalten, dass eine erfolgreiche Arbeitsbiografie wahrscheinlicher wird. Auch wenn in diesem Buch vor allem von bezahlten Arbeitsverhältnissen die Rede ist, soll nicht unerwähnt bleiben, dass Arbeit selbstverständlich auch im Kontext der Familie und im Kontext mit der Versorgung kranker Angehöriger (um nur zwei Beispiele zu nennen) geleistet wird. Wir denken, dass die hier dargestellten psychotherapeutischen Methoden auch auf diese Bereiche der bislang noch viel zu wenig wertgeschätzten Rollenfunktionen anwendbar sein sollten.
Ahola K, Honkonen T, Isometsa E et al. (2005). The relationship between job-related burnout and depressive disorders-results from the Finnish Health 2000 Study. J Affect Disord 88:55-62.
Bianchi R (2015) A reflection on the measurement of the burnout syndrome. Acad Emerg Med 22:378.
Bianchi R, Schonfeld IS, Laurent E (2015) Is it Time to Consider the »Burnout Syndrome« A Distinct Illness? Front Public Health 3:158.
Burisch M (2006) Das Burnout-Syndrom. Springer: Heidelberg.
Freudenberger HJ (1986) The issues of staff burnout in therapeutic communities. J Psychoactive Drugs 18:247-251.
Greenberg J, Liebman M (1990) Incentives: the missing link in strategic performance. J Bus Strategy 11:8-11.
Kahl KG, Winter L (2014) Stress, Burnout, Depression. Wann macht Arbeit krank, und wann nicht? Nervenheilkunde 10:669-752.
Karasek A (1979) Job demands, job decision latitude and mental strain: implications for job redesign. Adm Sci Q 24:285-308.
Kurth BM (2012) Erste Ergebnisse aus der »Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland« (DEGS). Bundesgesundheitsbl 55:980–990.
Maslach C (1982). Burnout – the cost of caring. Englewood Cliffs, NY: Prentice Hall.
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Obwohl Arbeit seit Jahrzehnten als stabilisierender, sinnstiftender und bereichernder Faktor im menschlichen Leben beschrieben wird (vgl. Jahoda 1983; Leithäuser 1983; Lohmann-Haislah 2012; Schimank 1981, 2002), steigt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen kontinuierlich an. Zahlreiche Autoren weisen auf Zusammenhänge zwischen psychischer (Arbeits-)Belastung und psychischen Erkrankungen hin (Madsen et al. 2010, 2015; Rau & Henkel 2013; Rugulies et al. 2006, 2012; Theorell et al. 2015; Virtanen et al. 2012). Dennoch kann nicht von einem stets proportionalen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und psychischen Erkrankungen ausgegangen werden, da für die Entstehung psychischer Erkrankungen stets auch personale Faktoren zur berücksichtigen sind und sich psychische Belastungen auch somatisch äußern können (Lohmann-Haislah 2012, S. 12f).
In diesem Kapitel soll der Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und psychischen Erkrankungen aufgezeigt werden. Nach einer kurzen Annäherung an die Begriffe »Belastung« und »Beanspruchung« werden die wichtigsten Faktoren für Arbeitsbelastung theoretisch und anhand von Fallbeispielen aus der arbeitspsychologischen Praxis des Autors erläutert. Anschließend erfolgt die Verdeutlichung gesundheitlicher Konsequenzen bei dauerhafter Einwirkung psychischer Fehlbelastung mit Empfehlungen für die Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung.
In der internationalen Norm DIN EN ISO 10075-1 wird der Begriff »psychische Belastung« als »die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken« definiert, »Psychische Beanspruchung« als »die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategie«. Beide Begriffe sind ausdrücklich wertneutral zu betrachten, trotz ihrer zumeist negativen Konnotation in der öffentlichen Wahrnehmung. »Arbeitsbelastung« ist folglich die Bezeichnung für alle kognitiv zu verarbeitenden und emotionalen Einflüsse auf den Menschen an seinem Arbeitsplatz. Während auf eine Person ein bestimmtes Anspruchsniveau bei der Arbeit positiv fordernd und motivierend wirkt, kann dasselbe Anspruchsniveau für einen anderen Menschen zu einer Beanspruchung führen, welche sich schädlich auf seine psychische Konstitution und allgemein auf seine Gesundheit auswirkt (vgl. Lazarus 1999). Bezüglich der psychischen Beanspruchung treten im positiven Zusammenhang aktivierende Anregungseffekte, im negativen Zusammenhang beeinträchtigende Effekte wie Aufmerksamkeitsverlust oder Müdigkeit auf.
Welche Arbeitsbelastungen sind im Kontext von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen relevant? Für die Betrachtung von Arbeitsbelastung schlagen Morschhäuser, Beck und Lohmann-Haislah (2014, S. 32) die Faktoren »Arbeitsintensität«, »Handlungsspielraum«, »soziale Unterstützung« und »Arbeitszeit« als besonders relevant vor. Auch Rau und Henkel (2013, S. 798) identifizieren Arbeitsintensität, Handlungsspielraum und (mangelnde) soziale Unterstützung als für die psychische Gesundheit bedeutsame Faktoren und ergänzen um die Faktoren »wahrgenommener Rollenstress« und »Effort-Reward-Imbalance« (gering erlebte berufliche Anerkennung bei gleichzeitig hohen Anforderungen, auch: Gratifikationskrise). Im »Stressreport Deutschland 2012« (Lohmann-Haislah 2012) findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher gesundheitsrelevanter Belastungen, welche insbesondere in dem Betrachtungsfeld »Arbeitsinhalt und -organisation« sowie »Arbeitszeit« verortet sind. Im Folgenden werden die einzelnen gesundheitsrelevanten Belastungsfaktoren näher erläutert:
Stress gilt allgemein als das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen äußeren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten (vgl. Lohmann-Haislah 2012). Der Begriff »Stress« soll hier weniger als eigenständiger Belastungsfaktor genannt sein, sondern eher Symptom für eine Vielzahl von auftretenden Belastungsfaktoren. Während kurzzeitige Stressreaktionen gesundheitlich als unproblematisch gelten und eher eine aktivierende Wirkung auf Psyche und Physis haben, führen anhaltende Stresssituationen irgendwann zu psychischen Erschöpfungserscheinungen und körperlichen Erkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Lohmann-Haislah 2012, S. 18). Überforderung kann ebenso zu Stress führen wie Unterforderung. Als besonders relevant für die Entstehung von Stress werden laut Lohmann-Haislah (2012, S. 35) folgende Belastungen erachtet:
• verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen,
• starker Termin- und Leistungsdruck
• ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge
• bei der Arbeit gestört bzw. unterbrochen werden,
• sehr schnell arbeiten müssen
• immer wieder neue Aufgaben erledigen müssen
Die Erhöhung des Arbeitsvolumens bei gleichzeitig weitgehender Konstanz der Ressourcen steht für den Begriff »Arbeitsverdichtung« bzw. einen starken Termin- und Leistungsdruck. Dieser wird durch den Umstand verstärkt, die Arbeit nicht komplett autonom planen und durchführen zu können, sondern immer wieder aus der Arbeitsroutine »herausgerissen« zu werden. Durch diese Einschränkung des Handlungsspielraums wird der arbeitende Mensch nach eigenem Empfinden zu einem Objekt im Produktionsprozess, dessen Anwesenheit als Person mit individuellen Fertigkeiten und Bedürfnissen scheinbar nichts zählt. Verstärkt wird diese Wahrnehmung, wenn seitens der Führungskräfte die Chance vertan wird, die Beschäftigten mit ihrer Expertise in die Veränderungen ihres Arbeitsbereiches aktiv einzubeziehen. Dieser Mangel an Partizipation bei gleichzeitig ausbleibender Transparenz (warum haben wir so entschieden?) gilt ebenfalls als stressauslösend. Ist eine Mitbestimmung nicht möglich, sollte zumindest transparent über anstehende Veränderungen berichtet werden. Transparenz hilft Beschäftigten, die Beweggründe ihrer Vorgesetzten besser zu verstehen und letztlich auch mittragen zu können (vgl. Prexl 2010, S. 348). Wo eine Mitbestimmung aber ermöglicht werden kann, sollte sie erfolgen. »Kreisende Gedanken« und das »Nicht-abschalten-Können« überschreiten darüber hinaus die Grenze der Arbeit zum Privatleben und verhindern eine nachhaltige Erholung in der Freizeit. Die Teamintegrität wird auf eine Probe gestellt, wenn Menschen stressbedingt nur noch auf das eigene Wohlergehen fokussieren können und den Blick für die Bedürfnisse ihrer Kolleginnen und Kollegen verlieren. Psychosomatische Beschwerden und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten sind Frühfolgen einer Einwirkung von dauerhaftem Stress. In einer solchen Phase sind grundlegende Änderungen in der Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, vor allem aber eine Unterstützung der Mitarbeiter/innen und deren enge Einbindung in Veränderungsprozesse notwendig, um dem Bedürfnis nach Autonomie am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen.
Arbeitsintensität beschreibt allgemein die Arbeitsmenge und Aufgabenkomplexität im Zusammenhang mit der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit (ebd.). Von Arbeitsverdichtung wird gesprochen, sobald die verfügbare Arbeitszeit nicht mehr zur Bewältigung der geforderten Arbeitsmenge ausreicht. Müssen Menschen vermehrt unter Zeit- und hohem Leistungsdruck arbeiten, ist bereits ein bedeutsamer Faktor für das Erleben von Stress gegeben, insbesondere im Zusammenspiel mit geringen Handlungsspielräumen und fehlender sozialer Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte (vgl. Richter 2000).
Der Handlungsspielraum beschreibt laut Morschhäuser et al. (2014) den Grad der Freiheit in der Ausgestaltung von Tätigkeiten, also sowohl deren zeitliche Abfolge als auch das Ausmaß der selbstständigen Planung und Einteilung der Arbeit (Arbeitsinhalte, Arbeitsschritte, Arbeitspensum, Arbeitsweise etc.). Büssing und Glaser (2002) schlagen hingegen den Begriff Tätigkeitsspielraum zur näheren Differenzierung von Freiheitsgraden bei der Arbeit vor. Demnach setzt sich der Tätigkeitsspielraum aus dem Entscheidungsspielraum (Auswahl von Aufgaben, Aufgabenverteilung), dem Gestaltungsspielraum (Entwurf und Ausgestaltung von Verfahrensweisen und Arbeitsschritten) und dem Handlungsspielraum (Auswahl aus Verfahrensweisen und Arbeitsmitteln, zeitliche Abfolge der Arbeitsschritte) zusammen. Beide Vorschläge zielen auf ein zentrales Konzept: die Bedeutung der Autonomie für Leistungsfähigkeit und Motivation von Menschen an ihren Arbeitsplätzen. Gewissermaßen als Gegenentwurf zu der als »Taylorismus« bezeichneten Trennung von Kopf- und Handarbeit stellt bereits Lipmann (1932) fest:
»Arbeitsfreude im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es nur da, wo der Arbeiter eine zielgerichtete Tätigkeit zu verrichten hat, deren Ziel oder deren Ablauf er autonom bestimmen oder regulieren kann und deren […] Merkmale seiner Arbeitsneigung entsprechen […]« (Lipmann 1932, zitiert nach Ulich 2011, S. 37).
Die Möglichkeit, autonom zu handeln, stärkt das Selbstwertgefühl eines Menschen und dessen Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung (vgl. Ulich 2011, S. 206). Autonomie ist folglich als ein bedeutsamer Motivationsfaktor zu betrachten, dessen Ausbleiben zu psychischer Belastung mit negativen Folgen führt und somit eine gesundheitliche Gefährdung der Betroffenen Beschäftigten darstellt. Auch Lohmann-Haislah (2012, S. 68 ff.) verweist auf den Handlungsspielraum als Ressource und nennt dabei insbesondere die Faktoren »Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die eigene Arbeitsplanung und -einteilung«, »Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Pausenzeitpunkt und »Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Arbeitsmenge« als besonders bedeutsam für das Erleben von Handlungsspielraum bei der Arbeit. In Form von teilautonomen Produktionsstrukturen (z. B. Fertigungsinseln), Verbesserungsgruppen oder eines betrieblichen Vorschlagswesens erhalten Beschäftigte die Möglichkeit, aktiv ihre Arbeit mitzugestalten. Beschäftigten kann so das Gefühl vermittelt werden, eine Bedeutung für ihren Arbeitsplatz und ihren Arbeitgeber zu haben, welcher über die reine Erbringung der Arbeitsleistung hinausgeht.
Der sozialen Unterstützung kommt auch laut Morschhäuser et al. (2014) eine zentrale Bedeutung im Erleben psychischer Belastungen zu. Renneberg und Hammelstein (2006, S. 114) fassen zusammen: »Da die soziale Unterstützung als Ressource fungieren kann, ist anzunehmen, dass Menschen, die über ein hohes Maß an Unterstützung verfügen, zum einen generell seltener in den Stressprozess eintreten und zum anderen ein insgesamt höheres Wohlbefinden aufweisen«. Auch Lohmann-Haislah (2012, S. 76 ff.) verweist auf die soziale Unterstützung als Bewältigungsmittel bei beruflichem Stress und differenziert die Aspekte »gute Zusammenarbeit mit Kollegen«, »sich am Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft fühlen«, »Hilfe/Unterstützung durch Kollegen« und »Hilfe/Unterstützung durch den/die direkte/n Vorgesetzte/n«. Die Möglichkeiten, konkrete soziale Unterstützung am Arbeitsplatz zu leisten, sind vielfältig. Es geht hierbei sowohl um die empathische und konstruktive Lösung von Problemen am Arbeitsplatz als auch um das Verständnis persönlicher Anliegen, welche nicht unmittelbar die Arbeit betreffen, aber einen direkten Einfluss auf sie haben (z. B. Krankheit von Familienangehörigen oder weitere bedeutsame Lebensereignisse). Bleibt die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz in schwierigen Lebenssituationen aus, droht nicht nur der temporäre Verlust von Arbeitsleistung, sondern auch der dauerhafte Verlust einer Arbeitskraft, welche sich in Enttäuschung und unter Stressempfinden von ihrem Arbeitgeber distanziert. Darüber hinaus bestehen sichere empirische Erkenntnisse bezüglich des Zusammenhangs von Arbeitsstress bei gleichzeitig ausbleibender sozialer Unterstützung (hier: im Privatleben) und Depressionen (vgl. Madsen et al. 2014). Es muss folglich ein Anliegen des Arbeitgebers sein, die schützende und verbindende Funktion der Gruppen und Teams zu erhalten und zu fördern. Erreicht werden kann dies beispielsweise durch multiprofessionelle Arbeitsgruppen sowie Möglichkeiten des informellen Austauschs (gemeinsame Pausen, Betriebsfeiern, Betriebsausflüge etc.). Aber auch soziale Unterstütung im Privatleben kann negativen gesundlichen Folgen beruflichen Stresses vorbeugen.
Die Arbeitszeit ist ein Belastungsfaktor in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur die Dauer von Arbeit und deren Verteilung auf unterschiedliche Tageszeiten wird durch sie geregelt, letztlich hat sie auch einen bedeutsamen Einfluss auf Art und Umfang der Freizeit. Inwieweit ein Mensch Erholung und Ausgleich von der Arbeit erfährt, hängt im Wesentlichen auch von seinen Arbeitszeiten ab. Insbesondere bei Wechselschichtarbeit und Nachtschichtarbeit sind Erholungswert und Planbarkeit der Freizeit bzw. des gesamten sozialen Lebens eingeschränkt (vgl. Morschhäuser et al. 2014, S. 34; Ulich 2011, S. 530 f.). Insbesondere die Dauer der Arbeitszeit steht laut Lohmann-Haislah (2012, S. 113) in deutlichem Zusammenhang mit der Nennung psychischer Belastungen. Im Rahmen einer BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung (ebd.) waren bei neun der zwölf in der Befragung erfassten Kriterien zu Aspekten der psychischen Belastung der Anteil der betroffenen Beschäftigten mit Arbeitszeiten von 48 Stunden und mehr am höchsten. Herauszuheben sind insbesondere die Zunahmen der wahrgenommenen Belastung für »starken Termin- und Leistungsdruck«, »verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen« und »arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit« (ebd.). Schichtarbeit, insbesondere unter Einbeziehung der Nachtarbeit, gilt als zusätzlich auf die Beschäftigten einwirkender Belastungsfaktor, der bei langjähriger Durchführung nicht selten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden ist (Lohmann-Haislah 2012, S. 117). Deutlich wird der Einfluss der Arbeitszeit auf die Einwirkung von Belastungen zusätzlich, wenn die Lage und Dauer der Arbeitszeit im Kontext der Arbeitsanforderungen betrachtet werden. Laut Lohmann-Haislah (2012, S. 119) ist der Anteil der Beschäftigten, die sich durch die Arbeitsmenge überfordert fühlen, bei Arbeitszeiten von 48 Stunden und mehr am höchsten, unabhängig davon, ob Schichtarbeit geleistet wird. Selbst bei Teilzeitarbeit ist im Kontext von Schichtarbeit eine mengenmäßige Überforderung der Beschäftigten festzustellen, nicht aber bei »normaler« Arbeitszeit ohne Schichtarbeit (ebd.).
Rollenstress entsteht laut Rau und Henkel (2013, S. 795) »entweder, wenn Erwartungen an die jeweilige Rolle nicht klar definiert sind und der Beschäftigte daher keine eindeutigen Informationen über seine Rolle hat (Rollenambiguität) und/oder wenn konflikthafte Rollenanforderungen an den Beschäftigten durch Mitarbeiter oder Vorgesetzte bestehen«. Folglich muss es ein Anliegen an Arbeitsplätzen sein, Rollenklarheit für die Beschäftigten herzustellen, beispielsweise in Form von eindeutigen Stellenbeschreibungen oder Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche.
Ein weiterer relevanter Aspekt von Arbeitsstress ist die berufliche Gratifikationskrise (vgl. Siegrist & Siegrist 2014a, S. 67 f.). Die Gratifikationskrise tritt vor allem dann auf, wenn für eine hohe Verausgabung keine angemessene Belohnung gewährt wird. Dabei muss die Belohnung nicht unbedingt materieller Natur sein. Auch Aufstiegsmöglichkeiten oder das Erleben von Wertschätzung für die geleistete Arbeit können als angemessene Gratifikationen gewertet werden. Bleibt die Belohnung aus, geht damit eine Verletzung des zentralen psychischen Bedürfnisses nach sozialer Anerkennung einher. Das Erleben von Stress ist die Folge, was auch im folgenden Fallbeispiel verdeutlicht werden soll:
Herr D. wird als ausgewiesener Experte in seinem Fachgebiet als Führungskraft in einem kleinen Unternehmen eingestellt. Sein Arbeitsengagement ist hoch: Trotz eines 40-Stunden-Vertrags arbeitet er bis zu 60 Stunden pro Woche, ohne zusätzlichen Freizeitausgleich zu erhalten. Sein Privatleben ordnet in weiten Teilen der Arbeit unter. Dennoch entstehen schon nach kurzer Zeit erste Konflikte mit dem Geschäftsführer. Dieser verlangt von Herrn D., jede Entscheidung, die er in seinem Handlungsfeld zu treffen beabsichtigt, zuvor mit ihm abzustimmen. Häufig werden seine Entscheidungen kommentarlos revidiert. Darüber hinaus muss Herr D. Tätigkeiten ausüben, welche er seiner Position nicht angemessen erachtet und welche seiner Ansicht nach nicht vorab abgesprochen waren, beispielsweise Fahr- und Servicetätigkeiten für den Geschäftsführer. Für die vermeintlich sehr attraktive Stelle verzichtete er auf einen Teil seines vorherigen Gehaltes, was er mehr und mehr als schwer erträglich empfindet. Die Gratifikationskrise äußert sich zunächst in empfundener Frustration, häufiger Müdigkeit und schnellen Reizbarkeit, physisch insbesondere in einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Infektionserkrankungen und starken Schwankungen der Herzfrequenz. Nach einem erfolgten Arbeitsplatzwechsel ist ein vollständiger Rückgang dieser Symptome festzustellen.
Das Fallbeispiel zeigt, wie ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Belohnung entstehen kann. Die Belohnungserwartung bezieht sich hier nicht auf das Gehalt, sondern die vermeintlich attraktive Stelle mit der Möglichkeit der Ausschöpfung des eigenen fachlichen Potenzials. Das Gehalt fungiert allerdings nach wie vor als Hygienefaktor (vgl. Herzberg et al. 1959) und wird als Demotivator in Erscheinung treten, wenn es zum einen als zu niedrig empfunden wird, zum anderen die potenziellen Motivatoren wie Anerkennung, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Verantwortung ausbleiben.
Laut Siegrist und Siegrist (2014, S. 84.) sind von allen psychischen Erkrankungen depressive Erkrankungen und Angststörungen im Zusammenhang mit psychosozialen Arbeitsbelastungen am besten erforscht. Kommen mehrere berufliche Stressfaktoren zusammen, ist das Erkrankungsrisiko nach Erkenntnissen der Autoren erheblich höher (ebd.). Demnach erweist sich Arbeitsstress als ein Prädiktor für das Burnout-Syndrom, welches häufig ein Vorläufer für Depressionen ist. Diese Sichtweise wird in der Forschung allerdings kontrovers diskutiert (vgl. Schramm & Berger 2013). Die Autoren warnen vor einer Vermischung oder Gleichstellung der Begriffe »Burnout« und »Depression« und beziehen sich auf die Studie von Ahola et al. (2007), in welcher festgestellt wurde, dass Personen mit leichtem Burnout in 20% der Fälle und Personen mit schwerem Burnout in mehr als 50% der Fälle die Kriterien einer Depression aufweisen. Trotz einer 2,6-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten drei Jahre eine Depression zu entwickeln, stellte sich auch bei Menschen mit ausgeprägten Formen eines Burnouts diese Entwicklung nicht ein, wenn berufliche Belastungsquellen abgebaut wurden.
Auch laut Berger et al. (2012) wird bei Beschäftigten mit hohem Empfinden von »High Strain« – hoher Arbeitsbelastung bei gleichzeitig geringem Handlungsspielraum – ein stark erhöhtes Risiko für die Entstehung psychischer Störungen bestehen. Die Autoren weisen darüber hinaus auf die Bedeutung der genetischen Disposition, der frühkindlichen Prägung, der Persönlichkeitsmerkmale sowie der Sozialisations- und Lebensbedingungen für die Entstehung psychischer Störungen hin.
Die gesundheitlichen Folgen der erlebten Arbeitsbelastung können laut Lohmann-Haislah (2012, S. 102) wie folgt differenziert werden:
• Eine Zunahme von muskuloskelettalen Beschwerden ist insbesondere bei starkem Termin- und Leistungsdruck, bei häufigen Störungen und Unterbrechungen während der Arbeit, bei schnellem Arbeiten sowie beim Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit erkennbar.
• Psychovegetative Beschwerden und Erschöpfung nehmen demnach bei der Betreuung verschiedener Arbeiten zur gleichen Zeit, starkem Termin- und Leistungsdruck, Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit, schnellem Arbeiten sowie Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit zu.
Dabei ist eine Zunahme der empfundenen Belastungen bei »starkem Termin- und Leistungsdruck«, »verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen« und »Arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit« bei zunehmender Dauer der Arbeitszeit am deutlichsten ausgeprägt (ebd.). Madsen et al. (2014) beschreiben darüber hinaus einen signifikanten Zusammenhang zwischen Depressionen und beruflichem Stress bei gleichzeitiger niedriger sozialer Unterstützung im Privatleben, wohingegen sie keine Hinweise auf eine signifikante Erhöhung des Depressionsrisikos bei beruflichem Stress und hoher sozialer Unterstützung im Privatleben fanden. Demnach kann der Faktor »soziale Unterstützung« im Privatleben, wie es schon seit Jahrzehnten in der Resilienzforschung beschrieben wird (vgl. Renneberg & Hammelstein 2006, S. 18ff), als psychisch stabilisierend auch bei hohem beruflichen Stress angenommen werden.
In Bezug auf die Arbeitszeit ergeben sich insbesondere im Bereich der psychovegetativen Beeinträchtigungen die höchsten Belastungswerte bei Beschäftigen in Schichtarbeit mit Nachtarbeit, in der Regel gefolgt von der Schichtarbeit ohne Nachtarbeit und der versetzten Arbeitszeit. Gesundheitliche Beeinträchtigungen in Bezug auf die Arbeitszeit sind insbesondere im Bereich psychischer Beschwerden zu finden, wie z. B. emotionale Erschöpfung sowie Reizbarkeit (ebd., S. 117ff). Wie bereits erwähnt, gibt es empirische Hinweise auf eine erhöhte psychische Belastung bei Beschäftigten, die 48 Stunden und mehr pro Woche arbeiten (vgl. Lohmann-Haislah 2012, S. 119). In diesem Zusammenhang beschreiben Virtanen et al. (2014) einen signifikanten Zusammenhang zwischen Überstunden bzw. regelmäßigen Arbeitszeiten von mehr als 11 Stunden täglich und auftretenden Episoden einer »Major Depression«. Dieser Zusammenhang scheint robust gegenüber sozio-demografischen Daten, Lebensgewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum sowie unterschiedlichen Arbeitsbedingungen zu sein.
Rugulies et al. (2012) verweisen auf Basis einer repräsentativen Studie unter dänischen Beschäftigten auf ein erhöhtes Risiko beginnender akuter Symptome einer Depression insbesondere bei gering qualifizierten Beschäftigten mit »Effort-Reward-Imbalance«. Insbesondere bei gering qualifizierten Beschäftigten empfehlen sie daher Interventionen zur Verbesserung der psychosozialen Arbeitsbedingungen. Ebenfalls eine dänische Beschäftigtenpopulation betrachtend fanden Madsen et al. (2010) Hinweise auf einen erhöhten Gebrauch von Antidepressiva bei Personen, die mit Menschen und insbesondere im Gesundheitswesen arbeiten, im Vergleich zu Personen, die nicht mit Menschen arbeiten.
Ähnliche Ergebnisse zeigen sich bei Rau und Henkel (2013), welche aus den Ergebnissen mehrerer Metaanalysen subsummieren:
»Die Zunahme von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen kann eine Folge zunehmender Arbeitsbelastungen sein. So gibt es eine Vielzahl metaanalytischer Studien (z. T. über Längsschnittuntersuchungen), die darauf hindeuten, dass insbesondere
• eine objektiv und subjektiv als hoch bewertete Arbeitsintensität,
• ein geringer wahrgenommener Handlungsspielraum,
• eine gering erlebte berufliche Anerkennung bei gleichzeitig hohen Anforderungen,
• mangelnde erlebte soziale Unterstützung und
• wahrgenommener Rollenstress
das Risiko psychischer Beeinträchtigungen bis hin zu Störungen erhöhen« (Rau & Henkel 2013, S. 798).
Insbesondere zeigt die Analyse der Autoren, dass die objektiv bestehende (durch Experten gemessene) Arbeitsintensität, nicht aber der objektiv gegebene Handlungsspielraum mit psychischen Störungen in Beziehung steht. Das Erleben von Handlungsspielraum, unabhängig von dessen objektivem Vorhandensein, habe aber einen puffernden Effekt auf das Störungsrisiko (ebd., S. 797). Hingegen wurde keine Beziehung zwischen den objektiv bewerteten Arbeitsbelastungen und Angst gefunden. Psychische Beeinträchtigungen wie Angst und Panik treten umso häufiger auf, je höher die wahrgenommene Arbeitsintensität bei gleichzeitig als gering wahrgenommenem Handlungsspielraum ist (ebd.). Aber auch die als hoch erlebte Arbeitsintensität und der als gering erlebte Handlungsspielraum können einzeln für sich das Störungsrisiko erhöhen (ebd.). Folglich spielen für das Auftreten einer Angststörung am Arbeitsplatz weniger objektiv messbare Arbeitsbedingungen wie z. B. eine vorhandene Arbeitsmenge eine Rolle, sondern vielmehr die subjektive Bewertung dieser Arbeitsmenge und einer daraus resultierenden empfundenen Arbeitsbelastung durch die Beschäftigten.
Des Weiteren erhöhe Nachtschichtarbeit das Depressions- und Angstrisiko bei Männern und Frauen, auch Arbeitsplatzunsicherheit und lange Arbeitszeiten/Überstunden steigerten das Risiko psychischer Beeinträchtigungen (ebd., S. 795 f.). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Theorell et al. (2015) im Rahmen einer Metaanalyse. Die Autoren weisen empirische Belege aus, dass Beschäftigte mit geringem Handlungsspielraum, hoher Arbeitsintensität und Mobbingempfinden bei der Arbeit mit der Zeit ansteigende depressive Symptome erleben. Darüber hinaus betonen sie, dass die beschriebenen defizitären Arbeitsbedingungen von der Organisation beeinflussbar seien. Es kann folglich angenommen werden, dass selbst bei vorhandener Prädisposition für Depressionen und weitere psychische Erkrankungen eine Krankheit nicht bedeutsam am Arbeitsplatz in Erscheinung treten muss, solange Arbeitsbedingungen vorherrschen, welche sich positiv auf das psychische Befinden des Menschen auswirken. Dabei spielen aber nicht immer objektiv messbare Arbeitsbedingungen eine Rolle, sondern insbesondere subjektiv empfundene erhöhte Arbeitsbelastungen.
Die Empirie verweist auf eine Vielzahl von Arbeitsbelastung, welche im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen stehen.
Berufliche Stressbelastung mit Erhöhung des Risikos psychovegetativer und muskuloskelettalen Erkrankungen wird vor allem beschrieben bei
• der Betreuung verschiedener Arbeiten gleichzeitig (nur Erhöhung des Risikos psychovegetativer Erkrankungen),
• starkem Termin- und Leistungsdruck,
• Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit,
• schnellem Arbeiten und
• Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit.
Eine Erhöhung des Depressionsrisikos wird beschrieben bei
• hoher Arbeitsintensität,
• geringem Handlungsspielraum,
• geringer beruflicher Anerkennung bei gleichzeitig hohen Anforderungen,
• mangelnder sozialer Unterstützung (beruflich wie privat),
• wahrgenommenem Rollenstress,
• Mobbing,
• Nachtschichtarbeit und
• regelmäßigen Überstunden bzw. Arbeitszeiten von mehr als 11 Stunden pro Tag oder 48 Stunden pro Woche
Eine Erhöhung des Risikos von Angststörungen ist beschrieben bei Beschäftigten mit
• hoher Arbeitsintensität,
• geringem Handlungsspielraum,
• geringer beruflicher Anerkennung bei gleichzeitig hohen Anforderungen und
• Nachtschichtarbeit.
Bei der Bewertung der Störungsrisiken müssen allerdings auch individuelle genetische und sozialisationsbedingte Voraussetzungen berücksichtigt werden, um das tatsächliche individuelle Risiko definieren zu können.
Als bedeutsame Ressource zur Verringerung einer Erkrankungswahrscheinlichkeit gelten vor allem ein hoher Handlungsspielraum sowie eine beruflich wie private hohe soziale Unterstützung. Aber auch die Fähigkeit zum Erkennen eigener Grenzen und zur Übernahme von Selbstfürsorge wirken sich auf die psychische Konstitution stabilisierend aus. Weitere Möglichkeiten zum Handeln auf der Verhaltensebene sind regelmäßige sportliche Aktivitäten und ein gutes Stressmanagement, beispielsweise durch die Absolvierung eines metakognitiven Trainings.
Doch es ist in erster Linie die Verhältnisebene, welche entweder den Boden für psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz ebnet oder, bei positiver Ausprägung, ein Erkrankungsrisiko mindert. Die Verhältnisebene kann zu großen Teilen von den Arbeitgebern direkt beeinflusst werden, sei es durch eine auf die individuellen Möglichkeiten der Beschäftigten angepasste Zuweisung der Arbeitsmenge oder Ermöglichung von Handlungsspielraum. Auch eine Vermeidung zu häufiger Überschreitung der festgelegten Arbeitszeit, die Entbindung von Beschäftigten mit Prädisposition für depressive Erkrankungen von Schicht- und Nachtarbeit, aber auch die positive Beeinflussung des sozialen Miteinanders in den Arbeitsbereichen fallen in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Durch eine intensive Zusammenarbeit insbesondere zwischen Arbeitgebern, Arbeitsmedizinern, Arbeitspsychologen, Sicherheitsfachkräften, Personalvertretungen und externen Institutionen (z. B. Krankenkassen, Rentenversicherung) – unter kontinuierlicher Beteiligung der Beschäftigten – können betriebsintern individuelle und flächendeckende psychosoziale Belastungen und Beanspruchungen identifiziert und behoben werden. Das Ziel dieser Interventionen muss sein, den Arbeitsplatz generell als eine wichtige, den Menschen bereichernde Ressource im Leben zu erhalten oder psychisch erkrankte Mitarbeiter/innen wieder an diese bedeutende Ressource heranzuführen. Hinsichtlich der Erkenntnisse, dass das subjektive Erleben beispielsweise von hoher Arbeitsintensität und geringen Handlungsspielräumen, aber auch Schichtarbeit das psychische Störungsrisiko erhöhen können, muss kritisch hinterfragt werden, inwieweit Arbeitsanforderungen für alle Beschäftigen eines vergleichbaren Arbeitsplatzes in gleichem Maße gelten müssen. Vielmehr sollten Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen an die jeweiligen Möglichkeiten eines Menschen angepasst werden sowie Beschäftigte dabei Unterstützung erfahren, die für ihre individuellen Voraussetzungen passenden Arbeitsumfelder zu finden. Im Rahmen regelmäßiger Mitarbeitergespräche können Beschäftigte und Vorgesetzte individuelle Möglichkeiten und Ressourcen erfassen und individuelle Vereinbarungen für die Zusammenarbeit treffen.
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