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Atlans kosmische Odyssee, die ihren Anfang nahm, als Pthor, der Dimensionsfahrstuhl, das Vorfeld der Schwarzen Galaxis erreichte, geht weiter. Während Pthor und die Pthorer es immer wieder mit neuen Beherrschern, Besatzern und Invasoren zu tun haben, trachtet der Arkonide danach, die Geheimnisse der Schwarzen Galaxis auszuspähen und die Kreise der Mächtigen zu stören. Gegenwärtig geht es Atlan und seinen Gefährten Razamon und Kennon/Axton allerdings nicht darum, den Machthabern der Schwarzen Galaxis zu schaden, sondern es geht ihnen ganz einfach ums nackte Überleben - und das seit der Stunde, da sie auf Geheiß des Duuhl Larx im "Land ohne Sonne" ohne Ausrüstung und Hilfsmittel ausgesetzt wurden. Die Welt, auf der die drei Männer aus ihrer Betäubung erwachen, ist Dorkh, eine Welt der Schrecken und der tödlichen Überraschungen. Kaum sind Atlan und seine Gefährten den Nachstellungen der riesigen Raubvögel und der seltsamen Gnomen entgangen, da müssen sie auch schon vor den katzenartigen Mavinen die Flucht ergreifen. Sie verschwinden im Dschungel und erreichen den "Jagdteppich" der Nomaden, wo für sie erneut eine abenteuerliche Flucht beginnt. Der weitere Weg führt die drei von Pthor in die Todeswüste, die Burg der Geheimnisse und auf den PFAD DER TITANEN ...
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Nr. 452
Pfad der Titanen
Auf dem Weg nach Turgan
von Detlev G. Winter
Atlans kosmische Odyssee, die ihren Anfang nahm, als Pthor, der Dimensionsfahrstuhl, das Vorfeld der Schwarzen Galaxis erreichte, geht weiter. Während Pthor und die Pthorer es immer wieder mit neuen Beherrschern, Besatzern und Invasoren zu tun haben, trachtet der Arkonide danach, die Geheimnisse der Schwarzen Galaxis auszuspähen und die Kreise der Mächtigen zu stören.
Gegenwärtig geht es Atlan und seinen Gefährten Razamon und Kennon/Axton allerdings nicht darum, den Machthabern der Schwarzen Galaxis zu schaden, sondern es geht ihnen ganz einfach ums nackte Überleben – und das seit der Stunde, da sie auf Geheiß des Duuhl Larx im »Land ohne Sonne« ohne Ausrüstung und Hilfsmittel ausgesetzt wurden.
Die Welt, auf der die drei Männer aus ihrer Betäubung erwachen, ist Dorkh, eine Welt der Schrecken und der tödlichen Überraschungen.
Kaum sind Atlan und seine Gefährten den Nachstellungen der riesigen Raubvögel und der seltsamen Gnomen entgangen, da müssen sie auch schon vor den katzenartigen Mavinen die Flucht ergreifen. Sie verschwinden im Dschungel und erreichen den »Jagdteppich« der Nomaden, wo für sie erneut eine abenteuerliche Flucht beginnt.
Atlan – Der Arkonide begibt sich in das Labyrinth des Titanenpfads.
Razamon und Kennon/Grizzard – Atlans Begleiter.
Martok – Ein Gorjashe in der Gewalt der Mirrn.
Paltka – Martoks zänkische Gefährtin.
Topalm
Sie hatten sich getäuscht – sehr gründlich sogar.
Nachdem der wahnsinnige Dhosh sich von ihnen getrennt hatte, waren sie der Überzeugung gewesen, ihr Ziel schnell und ohne Schwierigkeiten erreichen zu können. Aber sie unterlagen einem Irrtum. Unermüdlich wanderte der Strahl der Handlampe über die Wände aus schwarzem Marmor, doch alles, was er Stück für Stück freilegte, waren weitere Abschnitte gegeneinander versetzter und sich kreuzender Korridore.
Es mochte bereits eine Stunde her sein, dass sie zum ersten Mal das verhaltene Rauschen hörten, das ihnen die Nähe der gesuchten Quellhöhle anzeigte. Gefunden hatten sie sie noch nicht.
Sie waren dem Geräusch nachgegangen, waren immer wieder ins Leere gelaufen und hatten schließlich feststellen müssen, dass das Echo ein verwirrendes Spiel mit ihnen trieb.
Das System aus großen und kleinen Höhlen, aus endlos vielen Stollen und Verbindungsschächten wurde zum Albtraum. Mittlerweile hatten sie längst die Orientierung verloren. Keiner von ihnen wäre noch in der Lage gewesen, die Route zurück zur Burg zu bestimmen. Odiara, der Marmorberg, hielt sie fest.
Irgendwann blieb Atlan stehen und schwenkte den Arm, der die Lampe hielt.
»So kommen wir nicht weiter«, sagte der Arkonide resignierend. »Wir drehen uns im Kreis und vergeuden unsere Kraft. Wir müssen die Sache anders angehen.«
»Gewiss«, knurrte Kennon mit unüberhörbarem Spott. Der Körper, den er besaß und der doch nicht sein Eigentum war, bewegte sich einige Schritte aus der Dunkelheit in den von der Lampe angestrahlten Bereich. »Sicher hast du bereits konkrete Vorstellungen über unser weiteres Vorgehen.«
»Die wird er wohl haben«, ließ sich Razamon vernehmen. Es klang nicht weniger ironisch. »Glaubst du, er würde uns sonst ans Herz legen, die Suche auf andere Weise als bisher fortzusetzen? Also los, Arkonide, was sind deine Vorschläge?«
Atlan reagierte gereizt. »Spart euch euren Zynismus«, entgegnete er heftig. »Ich weiß, dass ich Unsinn geredet habe.«
Natürlich war auch er sich darüber im Klaren, dass sie, wenn sie das Innere des Berges jemals wieder verlassen wollten, keine andere Möglichkeit hatten, als das Labyrinth weiter zu durchstreifen – mehr oder weniger ziellos und in der Hoffnung, die Quellen jener beiden Flüsse, die angeblich ins Freie führten, irgendwann doch noch zu entdecken. Die Chancen dazu waren gegeben, solange sie sich in Hörweite des Rauschens hielten, das von irgendwoher auf sie eindrang. Aber die Suche zerrte, je länger sie erfolglos verlief, zunehmend an den Nerven der drei Männer.
Kennon hob die Schultern und wandte sich um. Langsam ging er weiter, den Rücken von Atlans Lampe angestrahlt. Die Sohlen seiner Sandalen erzeugten auf dem marmornen Untergrund ein schlurfendes Geräusch.
»Still ...!«, zischte Razamon in plötzlicher Erregung. Er stand in der Dunkelheit hinter dem Arkoniden, und sein Flüstern klang wie das eines Verschwörers.
Sofort hielt Kennon inne. Seine Schritte verstummten.
»Was ist los?«, wollte Atlan, immer noch leicht verärgert, wissen. »Hat es dich jetzt auch erwischt?«
»Sei still, zum Teufel! Und mach das Licht aus!«
Die Dringlichkeit, die der Berserker in seine Stimme legte, ließ Atlan seinen Zorn vergessen. Er schaltete die Handlampe ab.
Niemand sprach. Inmitten der undurchdringlichen Finsternis bildete das entfernte Rauschen der Quellen einen geheimnisvollen akustischen Hintergrund. Atlan rührte sich nicht. Noch hatte er keine Ahnung, was sein pthorischer Freund überhaupt bezweckte. Er fühlte sich zunehmend unbehaglich, von einer imaginären Gefahr bedrängt ... und als eine Hand seinen Arm berührte, fuhr er zusammen.
»Hörst du es?«, flüsterte Razamon leise.
Erst jetzt, als er die vertraute Stimme vernahm, gelang es Atlan, seine Gedanken wieder in vernünftige Bahnen zu lenken. Er lauschte. Irgendwo, ganz in der Nähe, war ein schabendes Kratzen, leise und verhalten zwar, aber vom gleichmäßigen Brausen des Wassers sich deutlich abhebend. Razamon musste bereits vorher darauf aufmerksam geworden sein.
Ein Tier vermutlich, signalisierte der Logiksektor. Es braucht Wasser zum Leben und wird instinktiv die gesuchte Richtung einschlagen, wenn man es in die Flucht treibt.
Seltsamerweise entstand das kratzende Geräusch an einem Punkt, der nur knapp unterhalb der Decke liegen musste. Atlan versuchte krampfhaft, die Dunkelheit mit den Blicken zu durchdringen. Je länger er sich konzentrierte, desto klarer erkannte er zwei schwach phosphoreszierende Punkte, die links über ihm durch die Nacht schimmerten. Wieder rieselte ein Schauer seinen Rücken hinab. Hier, in der abgeschiedenen Höhlenwelt des Berges Odiara, in einer Umgebung, die so fremd und unbekannt war, dass sie sie bisher erfolgreich in die Irre geleitet hatte, wirkten die leuchtenden Augen doppelt furchteinflößend und unheimlich.
Aber er hatte nicht die Zeit, sich diesem Eindruck hinzugeben. Er reagierte augenblicklich. Blitzartig richtete er die Lampe nach oben und schaltete sie ein.
Razamon und Kennon waren nicht weniger schnell. Fast gleichzeitig flammten drei grelle Lichtstrahlen auf und vereinigten sich an dem Punkt, der als Ausgangsort des Kratzens lokalisiert worden war. Atlan unterdrückte einen Schrei der Überraschung, als er sah, dass dort ein Durchlass in der Wand existierte, eine Röhre, die sich durch das Gestein zog und die sie bisher, weil sie sich von der Farbe und den Reflexen des umgebenden Marmors nicht deutlich genug absetzte, übersehen hatten. Das Tier, durch die plötzliche Helligkeit aufgeschreckt, zog sich mit einem schnellen Satz in den Gang zurück. Ein dicker, buschiger Schwanz war alles, was sie noch von ihm zu Gesicht bekamen.
»Das soll einer ahnen«, murmelte Atlan, nachdem er seine anfängliche Verblüffung überwunden hatte, »dass es auch Korridore gibt, die oberhalb des normalen Bodenniveaus in den Berg hineinführen! Wir hätten eher darauf achten müssen.«
»Es könnte der Weg zur Quellhöhle sein«, vermutete Kennon. Er schaltete seine Lampe wieder ab und fuchtelte aufgeregt damit herum. »Wir sollten es ausprobieren.«
»Wir werden es ausprobieren!«, versicherte Razamon grimmig. »Eine andere Wahl haben wir ohnehin nicht.«
Atlan warf einen skeptischen Blick nach oben. Die untere Kante des Einstiegs befand sich schätzungsweise dreieinhalb bis vier Meter über dem Boden des Ganges, in dem sie sich aufhielten. Für einen normal gewachsenen Menschen war es nahezu unmöglich, sie zu erreichen.
»Es ist ziemlich hoch«, sagte der Arkonide. »Wir dürften unsere liebe Not haben, dort hineinzukommen.«
»Halb so schlimm«, war Razamons optimistischer Kommentar. Dem Terraner warf er einen bedeutsamen Blick zu. »Wer von uns beiden kann höher springen?«
Die Rhetorik, die in der Frage lag, erfasste Atlan sofort.
»Vielleicht tragt ihr einen Wettkampf aus, um es festzustellen«, meinte er deshalb sarkastisch. Zwar wusste er, dass auch der athletische Körper Grizzards über erhebliche Kräfte verfügte, aber es gab keinen Zweifel, dass der Berserker sehr viel stärker und zäher war und damit die größeren Chancen hatte, den Einstieg mit einem Sprung aus dem Stand zu erreichen. Zudem war Kennon durch die Nachwirkungen der gerade überstandenen Krankheit immer noch geschwächt.
Im Gegensatz zu Atlan schien der Terraner die feine Ironie in dem Gesagten nicht wahrzunehmen.
»Ich versuche es«, verkündete er und legte kurzentschlossen seinen Rucksack ab.
»Nichts da!«, fuhr Atlan ihn an und packte ihn am Arm. »Auch wenn du nicht mehr in deinem Gnomenkörper lebst, solltest du dich hüten, deine Fähigkeiten zu überschätzen! Razamon wird springen.«
Wer Kennons Lebensgeschichte kannte, der spürte den Hauch von Tragik, der in seiner Bereitschaft lag, etwas auch für ihn Unmögliches in einem Akt der Selbstbestätigung dennoch zu versuchen. Dem Berserker ging das Gespür dafür in diesem Moment jedoch ab. Er grinste anzüglich.
»Das war die faire Entscheidung eines Unparteiischen«, lobte er in gespieltem Enthusiasmus. Atlans Geste, die ihm bedeutete, mit dem Unsinn endlich aufzuhören, ignorierte er. Er hatte ohnehin nicht die Absicht, weitere Zeit zu verschwenden.
Bedächtig entledigte er sich des Proviants, den er, in Tücher gewickelt, auf dem Rücken trug. Die Lampe und das Messer reichte er dem Arkoniden. Das Seil, das ebenfalls zu seiner Ausrüstung gehörte, warf er achtlos auf den Boden. Alle diese Utensilien, die jeder von ihnen mit sich herumschleppte und die ihnen schon manchen wertvollen Dienst erwiesen hatten, würden ihn bei seinem Versuch nur behindern.
Noch einmal wandte er den Blick nach oben, wo die Öffnung, von Atlans Strahler beleuchtet, in der Wand gähnte. Er duckte sich etwas, federte in den Knien auf und ab, sammelte sich ... und sprang.
Kraftvoll und geschmeidig, die Arme weit von sich gestreckt, schoss sein Körper, wie von einem Katapult geschleudert, hoch. Die Hände bekamen die Unterkante des Einstiegs zu fassen, aber sie fanden kaum Halt, weil der Marmor zu glatt war und wenig Reibungswiderstand bot. Razamon drohte abzurutschen. Er ruderte mit den Beinen und versuchte sich in die Öffnung hineinzuwuchten, indem er die Füße wieder und wieder von der Wand abstieß.
Atlan und Kennon beobachteten seine aussichtslos erscheinenden Bemühungen und begriffen, dass er scheitern würde, wenn er keine Hilfe bekam. Mit einem Satz waren sie bei ihm und packten seine Fußgelenke. So lieferten sie ihm die nötige Stütze nach unten und sorgten gleichzeitig für aufwärts gerichteten Druck. Der Arkonide spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Razamons Körper war schwer, und er konnte nur eine Hand benutzen, weil er mit der anderen weiterhin die Lampe hielt. Auch Kennon begann vor Anstrengung heftiger zu atmen. Stück für Stück arbeitete sich der Berserker, von seinen Freunden abgestützt, weiter in den Schacht hinein.
»In Ordnung«, rief er schließlich. »Ihr könnt loslassen.«
Ohne weitere Hilfe verschwand Razamon in der Öffnung. Atlan wischte sich den Schweiß von der Stirn und lockerte mit schüttelnden Bewegungen die schmerzenden Armmuskeln. Er hatte sich, ebenso wie Kennon, erheblich strecken müssen.
Abermals richtete er das Licht nach oben. Razamon stand aufrecht im Einstieg und vollführte mit den Händen winkende Bewegungen.
»Werft mir ein Seil hoch«, rief der Pthorer. »Wir müssen sehen, dass wir weiterkommen.«
Während Atlan weiter für die Beleuchtung sorgte, übernahm es Kennon, den Transport ihrer Ausrüstung einzuleiten. An dem Seil, das von Razamon sicher gefangen wurde und nun aufgerollt herabbaumelte, befestigte er die miteinander verknoteten Proviantbeutel, verstaute Lampen, Messer und die beiden anderen Seile darin und wartete, bis der Berserker das Material zu sich hinaufgezogen hatte.
»Sehr schön«, lobte Razamon, während er die Gegenstände löste. Er drehte sich um, führte das Tau über die Schulter und schlang das Ende um seine Handgelenke. »Jetzt ist die Reihe an euch.«
Das Seil fiel wieder herab, und Kennon zögerte nicht, danach zu greifen und sich nach oben zu hangeln. Problemlos erreichte der Terraner den Einstieg.
Auch Atlan hatte wenig Mühe, nach oben zu gelangen. Die Lampe befestigte er am Gürtel seines Kilts. Der Schein des Lichts, das die anderen eingeschaltet hatten, reichte ihm zur Orientierung. Kennon griff ihm hilfreich unter die Arme und zog ihn in die Öffnung hinein.
Obwohl der Aufstieg relativ problemlos vonstatten gegangen war, hatte er die Männer viel Anstrengung gekostet. Atlan spürte es, als er sich neben Razamon niederließ und den Rücken gegen die Wand lehnte. Dabei hatte er es noch am leichtesten, denn der Zellaktivator sandte erfrischende Wellen neuer Energie in seinen Körper. Die anderen brauchten länger, um sich zu erholen. Sie aßen eine Kleinigkeit, bevor sie ihren Weg fortsetzten.
Der Stollen war nicht so hoch wie die übrigen Korridore, die sie bisher passiert hatten, aber er gestattete es immerhin, die Männer aufrecht gehen zu lassen. Von dem hellen Strahl einer Handlampe leidlich ausgeleuchtet, zog er sich scheinbar endlos in vielen Winkeln und Kurven dahin. Zahlreiche Gänge, die von der Hauptrichtung abzweigten, ließen sie unbeachtet. Von dem Tier, das sie hergelockt hatte, war nichts zu sehen. Der einzige Anhaltspunkt, dass sie sich auf dem richtigen Weg befanden, war das Rauschen der Quellen, das weiterhin an ihre Ohren drang.
»Es wird lauter«, stellte Razamon fest, nachdem sie bereits zwanzig Minuten marschiert waren. »Anscheinend nähern wir uns tatsächlich der Quellhöhle.«
»Sag das nicht zu laut«, bat Kennon lustlos, der zunehmend schwächer wirkte. »Es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns täuschen.«
Atlan enthielt sich jedes Kommentars. Er glaubte, dass Razamon diesmal Recht behalten würde. Mit jedem Schritt schwoll das Rauschen weiter an, erschien lauter und näher ... Dann, nach einer neuerlichen Kurve, spiegelte sich matte Helligkeit an den Wänden, und der Stollen öffnete sich in ein gewaltiges, vor Leben strotzendes Gewölbe.
*
Überrascht blieben sie stehen. Während er sich umsah, schaltete Atlan die Lampe aus. Durch mehrere Schächte, die offensichtlich geradlinig durch den Berg ins Freie führten, fiel genügend Licht, um die Höhle in ein dämmriges Halbdunkel zu tauchen. Das menschliche Auge gewöhnte sich schnell an die herrschenden Verhältnisse.
Der Anblick war überwältigend.
Allein die Ausdehnung des Gewölbes war imposant. Bis zur gegenüberliegenden Wand mochten es hundert oder mehr Meter sein, und in der Längsrichtung waren die Abmessungen noch um ein Vielfaches größer. Zur Linken brachen die beiden Quellen schäumend und tosend aus dem Marmor und ergossen sich in breiten Sturzbächen über den Höhlenboden. Die aufgewirbelte Gischt reflektierte das einfallende Licht in vielfältigen Farben. Überall waren die Wände von blassem, seidigem Moos und exotischen Blüten bewachsen. Die unterschiedlichsten Lebewesen tummelten sich an den Ufern der Flüsse. Unterarmlange, libellenähnliche Insekten schwebten über dem Wasser.
Es war ein Bild der Ursprünglichkeit, der ungezähmten Natur und der friedlichen Gegensätze. Eine kraftvolle, überirdische Schönheit schien von ihm auszustrahlen.
»Seht euch das an«, murmelte Atlan und trat einige Schritte vor. Einige Tiere hoben witternd die Köpfe. »Was immer ich mir unter einer Quellhöhle vorgestellt habe – so etwas bestimmt nicht. Es ist gewaltig.«
»Ja«, bestätigte Razamon einsilbig.
Vorsicht!, drang der warnende Impuls des Logiksektors in die Gedanken des Arkoniden. Lass dich von dem harmonischen Anblick nicht täuschen. Hier können tödliche Gefahren lauern.
Die Erfahrung hatte Atlan gelehrt, dass es in der Regel ratsam war, auf die Einwände des Extrasinns zu hören. Diesmal begann er jedoch innerlich zu fluchen. Er schien wie geblendet. Ein friedliches, natürliches Bild sah er vor sich, und impulsiv weigerte er sich zu glauben, dass gerade diese Umgebung sich als verhängnisvoll für ihre Sicherheit erweisen könnte.
Sei kein Narr! Analysiere logisch, was du siehst, und du wirst zu dem Ergebnis kommen, dass nichts, was dir auf den ersten Blick so natürlich erscheint, dies auch sein muss.
Immer noch war Atlan bereit, die Warnungen des Zusatzgehirns zu ignorieren. Er wusste selbst, dass dieses Verhalten absolut untypisch für ihn war, aber seine tiefverwurzelte Sehnsucht nach einem Ort, an dem man sich gefahrlos entspannen und von den vergangenen Strapazen auch seelisch erholen konnte, überschattete im Moment jede logische Überlegung.
Erst Razamon, der in dieser Situation die größere Übersicht bewies, gelang es, ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen. Der Berserker hatte sich einige Schritte nach links entfernt und deutete auf die mit ungeheurem Druck aus der Wand schießenden Flüssigkeitsmassen.
»Es sieht so aus«, rief er über das Tosen hinweg, »als würde das Wasser künstlich in die Flussbetten geleitet.«
Na bitte! Der Kommentar des Extrasinns war kurz und trocken.
Plötzlich waren Atlans Entdeckergeist und sein Sinn für außergewöhnliche Begebenheiten wieder geweckt. Er trat zu seinem Freund und beobachtete den Durchlass, aus dem die ihnen am nächsten liegende Quelle hervorbrach. Auf der Haut spürte er den feuchten Schleier winzigster Tröpfchen, die ihm entgegenwehten. Viel war nicht zu erkennen, weil die aufschäumende Gischt die Sicht weitgehend versperrte. Tatsächlich hatte es jedoch den Anschein, dass der Durchbruch im Marmor künstlich behauen war und eine leichte Seitenneigung aufwies.
»Ich werde mir die andere Quelle ansehen«, schlug der Aktivatorträger vor.