Aufregung um Andrea - Toni Waidacher - E-Book

Aufregung um Andrea E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Xaver Burgsmüller schaute suchend über den Saal. Ob sie wohl da sein würde? Auf dem samstäglichen Tanzabend, im Hotel ›Zum Löwen‹ in St. Johann, herrschte der übliche Trubel. Die ganze Woche schon freuten sich die Wachnertaler darauf, bei dieser Gaudi für ein paar Stunden den Stress und die Sorgen des Alltags vergessen zu können. Auf der Empore spielten die ›Wachnertaler Bu'am‹ was das Zeug hielt, und auf der Tanzfläche drehte sich Alt und Jung. In der Nähe der Musiker standen die Tische, an denen das junge Volk saß. Laut ging es hier zu, denn man musste fast schreien, um sich zu verständigen. Doch das machte den Burschen und Madeln nichts aus. Ganz im Gegenteil, wie ein Ritual gehörte es zu einem gelungenen Abend dazu. Die Honoratioren des Dorfes hatten an den Tischen weiter vorne, in der Nähe des Ausgangs, ihre Plätze. Und dorthin ließ Xaver seinen Blick schweifen. Die letzten Male hatte Andrea da immer gesessen, zusammen mit Dr. Wiesinger und dessen Frau, in deren Haushalt sie beschäftigt war. Xavers Herz klopfte unwillkürlich schneller, als er das kornblonde Madel an der Seite des Arztehepaares den Saal betreten sah. auf den Tanzabend, wusste der Bauernsohn. an einem Samstagabend aufpasste, konnte sich das Kindermädchen freinehmen. Allerdings war hier der kleine Sebastian Trenker gemeint, der Sohn von Claudia und Max, die ihren Bub nach dem Onkel Sebastian benannt hatten. Claudia Trenker arbeitete als Journalistin in Garmisch Partenkirchen, beim ›Kurier‹, Elena Wiesinger war Tierärztin in St. Johann.

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Der Bergpfarrer – 279 –

Aufregung um Andrea

Ist sie ein Fall für Max Trenker?

Toni Waidacher

Xaver Burgsmüller schaute suchend über den Saal.

Ob sie wohl da sein würde?

Auf dem samstäglichen Tanzabend, im Hotel ›Zum Löwen‹ in St. Johann, herrschte der übliche Trubel. Die ganze Woche schon freuten sich die Wachnertaler darauf, bei dieser Gaudi für ein paar Stunden den Stress und die Sorgen des Alltags vergessen zu können. Auf der Empore spielten die ›Wachnertaler Bu’am‹ was das Zeug hielt, und auf der Tanzfläche drehte sich Alt und Jung.

In der Nähe der Musiker standen die Tische, an denen das junge Volk saß. Laut ging es hier zu, denn man musste fast schreien, um sich zu verständigen. Doch das machte den Burschen und Madeln nichts aus. Ganz im Gegenteil, wie ein Ritual gehörte es zu einem gelungenen Abend dazu.

Die Honoratioren des Dorfes hatten an den Tischen weiter vorne, in der Nähe des Ausgangs, ihre Plätze. Und dorthin ließ Xaver seinen Blick schweifen. Die letzten Male hatte Andrea da immer gesessen, zusammen mit Dr. Wiesinger und dessen Frau, in deren Haushalt sie beschäftigt war. Xavers Herz klopfte unwillkürlich schneller, als er das kornblonde Madel an der Seite des Arztehepaares den Saal betreten sah.

Immer kam Andrea nicht mit

auf den Tanzabend, wusste der Bauernsohn. Nur wenn die Haushälterin des Bergpfarrers auf Antonia Wiesinger und Sebastian Trenker

an einem Samstagabend aufpasste, konnte sich das Kindermädchen freinehmen.

Allerdings war hier der kleine Sebastian Trenker gemeint, der Sohn von Claudia und Max, die ihren Bub nach dem Onkel Sebastian benannt hatten.

Claudia Trenker arbeitete als Journalistin in Garmisch Partenkirchen, beim ›Kurier‹, Elena Wiesinger war Tierärztin in St. Johann. Um wieder arbeiten zu können, hatten die beiden Freundinnen gemeinsam Andrea Klein als Kindermädchen engagiert.

Xaver wartete einen Moment, bis er sich an den Tisch traute. Freilich wollte er sie nicht gleich überfallen. Aber immerhin musste er schneller sein, als die anderen Burschen, die bei dem bildhübschen Madel Schlange standen …

Vor drei Wochen hatte er sich ein Herz gefasst und Andrea zum Tanzen aufgefordert. Dabei hatte er sie schon lange im Blick gehabt und mit Genugtuung festgestellt, dass es offenbar keinen Freund gab, denn sie kam immer in Begleitung der Wiesingers auf den Tanzabend.

Schnell waren sie ins Gespräch gekommen, und Xaver frohlockte, als sie die Einladung zu einem Glas Sekt nicht ablehnte. Zweimal hatten sie dann noch miteinander getanzt, und beim Abschied hatte sie ihn lächelnd angesehen.

»Auf bald mal.«

Diese Worte an ihn waren unvergessen.

Auf bald – aber wann würde das sein?

Die nächsten beiden Samstage hatte er vergeblich auf ein Wiedersehen gehofft, und die Tage dazwischen waren voller Hoffnungen und Ängste.

Verrückt, was man sich alles ausmalte, wenn man verliebt war! Hand in Hand mit ihr spazieren gehen, verliebt auf dem Tanzabend tanzend …

Aber dann sah er sie mit einem anderen Burschen … Gott sei Dank auch nur in seiner Vorstellung. Doch nun war sie wirklich da, und er nahm all seinen Mut zusammen.

»Darf ich bitten?«

Xaver machte eine formvollendete Verbeugung, als er an ihrem Stuhl stand. Andrea sah ihn an, erkannte ihn sofort und lächelte.

»Na, das geht ja fix«, meinte Toni Wiesinger schmunzelnd, als die beiden auf die Tanzfläche gingen.

Die Tierärztin stieß ihrem Mann den Ellenbogen in die Seite.

»Ich hoff’, du nimmst dir ein Beispiel an dem jungen Mann«, sagte Elena und blickte ihn auffordernd an.

»Das gilt auch für dich!«, stieß Claudia Trenker sofort in dasselbe Horn.

Max grinste breit.

»Freilich, Spatzl«, erwiderte er. »Du kennst mich doch.«

»Eben drum«, konterte seine Frau.

*

Während die Wachnertaler sich auf dem Tanzabend vergnügten, fuhr ein dunkles Auto durch St. Johann. Der Mann hinter dem Lenkrad, eher noch ein junger Bursche, schaute immer wieder nach den Hausnummern, anscheinend suchte er eine bestimmte Adresse.

Schließlich hielt er vor dem Haus des Arztes. Harald Bergmann wartete einen Moment ab, ehe er ausstieg. Wieder sah er suchend um sich, diesmal wirkte es gehetzt, als befürchte er etwaige Verfolger. Schließlich öffnete er die Gartenpforte und ging zur Haustür, zu der ein paar Stufen hinaufführten. Über der Tür befand sich ein Bewegungsmelder, der automatisch eine kleine Lampe angemacht hatte, als der Bursche näher gekommen war. Harald blickte auf das Klingelschild. Zwei Namen standen dort untereinander: Familie Wiesinger und darunter, Dr. T. Wiesinger, prakt. Arzt.

Aber nicht der Name, den er suchte!

Harald Bergmann überlegte fieberhaft.

Hatte er sich vielleicht verhört? War er gar im falschen Dorf gelandet?

Nein, schüttelte er den Kopf, es stimmte schon.

»In St. Johann, bei Dr. Wiesinger«, hatte die Andrea gesagt.

Und dann hatte sie ihm auch noch eine Handynummer durchgegeben. Der Bursche zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und suchte nach dem Zettel, auf dem er die Nummer notiert hatte. Als er ihn endlich gefunden hatte, erlosch das Licht über der Tür. Harald machte eine Bewegung mit der Hand, und es leuchtete wieder. Mit fliegenden Fingern drückte er die Tasten und wartete ungeduldig ab.

Nachdem es fünf- oder sechsmal geklingelt hatte, hörte er die automatische Ansage der Mailbox.

Verdammt! Er hatte so gehofft, selbst mir ihr sprechen zu können!

»Andrea, ich bin’s, Harald«, sagte er hastig, nachdem ein Piepton er­klungen war. »Du, ich bin hier, in St. Johann. Bitte, Andrea, ich brauch’ deine Hilfe. Sie sind hinter mir her, und ich …, ich weiß net, wo ich hin soll. Du musst mir helfen, Andrea. Bitte ruf’ mich zurück, sobald du das hier abgehört hast. Es ist dringend!«

Seine Mundwinkel zuckten nervös, als er zum Auto zurückging und sich hineinsetzte. Sein Blick wanderte die Fassade des Hauses entlang. Die Fenster waren alle dunkel. Vermutlich war niemand daheim. Andrea’s Mutter hatte ja gesagt, dass ihre Tochter manchmal an den Samstagabenden, mit der Familie, für die sie arbeitete, zum Tanzen ging. Harald stellte sich vor, wie es auf dem Tanzabend wohl sein würde. Vor allem dachte er an Bier, das in Strömen floss. Dabei wäre er jetzt schon mit einem Glas Wasser zufrieden gewesen, solchen Durst hatte er. Seit seiner Flucht aus München hatte er weder etwas gegessen, noch getrunken. Der Mund wurde immer trockener bei dem Gedanken an ein kühles Getränk, aber er wagte nicht, ins Wirtshaus zu gehen, an dem er schon vorbeigefahren war. Vielleicht suchte man ihn schon …

Der Bursche kramte im Handschuhfach und fand eine Rolle Pfefferminz. Hastig steckte er drei Bonbons auf einmal in den Mund und kaute schnell, um den Speichelfluss anzuregen. Doch nachdem er die Brocken hinuntergeschluckt hatte, bekam er nur noch mehr Durst.

Niedergeschlagen senkte er den Kopf auf das Lenkrad und schluchzte in sich hinein.

Worauf hatte er sich da nur eingelassen!

»Andrea, Andrea, Andrea.«

Wie eine magische Beschwörungsformel murmelte er den Namen des Madels immer wieder vor sich hin, dabei drückte er das Mobiltelefon in seiner Rechten, als könne er so bewirken, dass es nicht länger stumm blieb.

Als dann die eingestellte Melodie tatsächlich erklang, hätte Harald Bergmann es beinahe überhört. Er sah auf das Display und las die Handynummer, die er selbst zuletzt gewählt hatte. Hastig drückte er den Knopf zur Annahme.

»Andrea? Endlich!«

»Harald, bist du’s wirklich?«, hörte er ihre Stimme. »Sag’ mal, das ist ja eine Ewigkeit her, seit wir uns gesprochen haben. Du bist in St. Johann?«

Im Hintergrund war so viel Lärm, dass er sie kaum verstehen konnte.

»Ja, und ich brauch’ deine Hilfe, Andrea. Bitte, lass mich net im Stich!«

»Himmel, was ist denn los?«

»Das kann ich dir jetzt net erklären …«

»Also gut, ich komme zur dir. Wo genau steckst’ denn jetzt?«

»Ich sitz’ hier in meinem Wagen, direkt vor dem Haus von dem Arzt …«

»Ich bin gleich bei dir.«

*

Andrea hatte es genossen, dass Xaver mit ihr flirtete. Sie mochte den Burschen, hatte es tatsächlich ernst gemeint, als sie beim letzten Mal von einem Wiedersehen sprach. Die beiden darauffolgenden Wochenenden war sie aber nicht auf den Tanzabend gegangen. Einmal hatte eine Freundin ihren Geburtstag gefeiert, und Andrea hatte bei ihr übernachtet, am letzten Samstag war sie dann zu den Eltern gefahren, um mit ihnen das Wochenende zu verbringen.

Lächelnd hatte sie den Kopf geschüttelt, als Xaver sie noch einmal auf die Tanzfläche bitten wollte.

»Ich muss mich mal wieder am Tisch sehen lassen«, erklärte Andrea. »Vielleicht später noch mal ...«

»Ich glaub’, dein Handy hat vor einigen Minuten geklingelt«, sagte Pfarrer Trenker, als sie an den Tisch kam. »Sogar mehrmals hintereinander.«

Andrea stutzte. Eigentlich erwartete sie keinen Anruf, andererseits – Vater ging es bei ihrem Besuch daheim nicht so gut. Besser, wenn sie mal nachschaute, von wem der Anruf war. Und wenn es mehrmals geklingelt hatte, war vermutlich eine Nachricht auf der Mailbox.

Sie bedankte sich für den Hinweis und nahm das Handy aus der Innentasche ihrer Jacke, die sie über ihren Stuhl gehängt hatte. Dann verließ sie den Saal und ging in den kleinen Vorraum, der zu den Toiletten führte.

Die angezeigte Nummer kannte sie nicht. Aber es hatte tatsächlich jemand eine Nachricht hinterlassen. Ungläubig hörte Andrea sie ab.

Harald Bergmann?

Mein Gott, dass der sich tatsächlich mal meldete!

Sie kannten sich seit dem Gymnasium. Damals waren sie gute Freunde gewesen. Wirklich gute Freunde, ohne irgendwelche tieferen Gefühle füreinander zu hegen. Aber sie waren füreinander da, halfen sich nicht nur bei den Hausaufgaben, sondern auch sonst, wenn der andere Sorgen und Nöte hatte. Der Kontakt riss ab, als Andrea zur Erzieherin ausgebildet wurde, und Harald nach München ging. Hin und wieder hörte sie noch mal etwas von ihm, doch dann meldete er sich gar nicht mehr.

Vier Jahre musste es jetzt mindestens her sein, und nun war plötzlich seine Stimme auf ihrer Mailbox!

Indes erfüllte sie das, was sie hörte, mit Besorgnis. Harald klang nicht mehr so locker und fröhlich wie früher. Ganz im Gegenteil, was er sagte, ließ bei Andrea sämtliche Alarmglocken schrillen.

»Ich bin gleich bei dir.«

Sie drückte die Austaste und kehrte auf den Saal zurück. Pfarrer Trenker saß alleine am Tisch, die anderen tanzten wohl – selbst der Bürgermeister, der sonst eher als Tanzmuffel verschrien war …

»Schlechte Nachrichten?«, erkundigte sich der Bergpfarrer, als Andrea ihre Jacke vom Stuhl nahm und hineinschlüpfte.

Sie schüttelte den Kopf und lächelte.

»Die Mailbox meldet sich bloß ständig, wenn man sie net gleich beim ersten Mal abhört«, antwortete das Kindermädchen.

Entschuldigend sah Andrea den Geistlichen an.

»Ich geh’ mal ein bissel an die frische Luft«, erklärte sie dann und nickte Sebastian zu.

Der schaute ihr nachdenklich hinterher. Erst viel später sollte sich Sebastian Trenker an den Anruf erinnern …

Andrea bahnte sich einen Weg nach draußen. Sie bedauerte, sich nicht von Xaver Burgsmüller verabschiedet zu haben. Aber Haralds Anruf hatte so besorgniserregend geklungen, dass sie rasch zu ihm wollte.

Sie wären hinter ihm her, hatte er gesagt – wer auch immer das sein mochte. Jedenfalls schien ihr dieser Satz Grund genug, nicht noch jemand anderen in die Angelegenheit hineinzuziehen. Deshalb hatte sie die Frage des Bergpfarrers auch nur ausweichend beantwortet.

Draußen schlug ihr laue, aber dennoch frische Luft entgegen. Andrea atmete tief durch, während sie zum Haus der Arztfamilie lief. Dann sah sie den Wagen auch schon am Straßenrand stehen.

Sie klopfte gegen die Scheibe, und Harald schreckte hoch. Offenbar hatte er vor sich hingedöst. Er bedeutete ihr, einzusteigen und öffnete die Beifahrertür.

»Gott sei Dank, dass du da bist!«, rief er, als sie neben ihm saß.

»Was, um alles in der Welt, ist denn los?«, fragte Andrea besorgt.

Sie umarmte ihn und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange.

Harald Bergmann holte tief Luft.

»Ich steck’ in der Klemme«, antwortete er düster. »Ganz tief in der Klemme!«

Andrea Klein war eine pragmatische junge Frau, die ein Problem anpackte, anstatt lange darüber zu lamentieren. Sie schüttelte Harald Bergmann an der Schulter und sah ihn eindringlich an.

»Was genau ist los?«

Der frühere Schulfreund holte tief Luft.

»Ich bin in Schwierigkeiten«, antwortete er endlich. »Da sind welche hinter mir her, die gedroht haben, mich zu töten!«

Andrea war entsetzt.

»Wer will dich töten?«, fragte sie. »Wer sind diese Leute? Und warum …?«

Er seufzte. »Ich bin da in eine dumme Sache geraten. Vor einigen Wochen musste ich mir Geld leihen. Weißt’, ich war arbeitslos, und die Bank hatte mein Konto gesperrt. Aber von irgendwas musste ich doch meine Miete bezahlen … Na ja, und dann bin ich halt an einen Geldverleiher geraten, an so einen Kredithai, der den Leuten auch dann noch was leiht, wenn jede Bank nein sagt. Freilich lassen s’ sich das teuer bezahlen, aber ich hatte ja wieder Arbeit in Aussicht. Doch dann hat die Firma pleite gemacht, und ich saß wieder auf der Straße. Tja, und dann bin ich mit den Raten in Rückstand geraten, und der Chef der Kreditfirma hat mir seine Schläger auf den Hals gehetzt. Erst konnt’ ich sie noch vertrösten, aber weißt’, was das für ein Gefühl ist, wenn einer einem ein Messer an den Hals hält? Bis gestern hab’ ich noch gehofft, mir das Geld irgendwie beschaffen zu können, doch das ist mir net gelungen. Heut’ Früh kamen sie dann und wollten kassieren oder mich umbringen. Ich bin ihnen in letzter Sekunde entkommen.«

Im Dunkel, das im Auto herrschte, konnte sie sein Gesicht nur vage erkennen, doch Andrea sah, dass sich Angst darin widerspiegelte.

»Kannst du mir helfen?«, bat Harald leise. »Kannst du mich ein Weilchen verstecken?«

»Freilich«, erwiderte sie spontan. »Wir sind doch Freunde, und die helfen einander, wenn einer in Not ist. Aber wär’s net besser, wenn du zur Polizei gehst und die Kerle anzeigst?«

»Um Himmels willen«, schüttelte er den Kopf, »bloß das net! Die sind imstande, mich auch noch zu kriegen, wenn die Polizei hinter ihnen her ist. Die Burschen sind mit allen Wassern gewaschen. Nein, Andrea, auf gar keinen Fall die Polizei!«

Harald leckte sich über die Lippen.

»Hast du was zu trinken?«, fragte er. »Ich hab’ fürchterlichen Durst.«

»Komm«, sagte sie und öffnete die Autotür.

Andrea holte den Haustürschlüssel aus der Tasche und schloss auf.

»Keine Sorge, die Wiesingers sind auf dem Tanzabend«, beruhigte sie ihn. »Du kannst erst mal im Gartenhaus bleiben. Morgen sehen wir weiter.«

*

»Ich hab’ dich überall gesucht!«

Xaver stand vor ihr und lächelte sie an. Andrea lächelte zurück. Es war ein entschuldigendes Lächeln.