Aus Liebe zu dir … - Toni Waidacher - E-Book

Aus Liebe zu dir … E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Es war gegen halb acht Uhr abends, als der Bergsteiger Matthias Oberlechner im Korridor ein Geräusch vernahm. Er saß mit seiner Frau im Wohnzimmer. Vor ihm stand ein Glas Wasser, Adelheid hatte sich ein Glas Weißwein genehmigt. Matthias mied an diesem Abend selbst die geringste Menge Alkohol, denn am folgenden Tag, in aller Frühe, wollten er, Pfarrer Trenker sowie Alex Poschenrieder zum Gletscher auf dem Kogler aufsteigen. Obwohl der Fernsehapparat lief, war ihm das Geräusch im Flur aufgefallen. Er erhob sich, war mit drei Schritten bei der Tür und öffnete sie. Es war seine Tochter Annette, die gerade das Haus verlassen wollte. Sie stand in der geöffneten Haustür. "Du bist's", stieß Matthias hervor. "Also hab' ich mich net getäuscht, als ich geglaubt hab', etwas vernommen zu haben. Gehst du noch weg? "Ja. Aber ich komm' bald wieder heim. Ich will dir nämlich morgen früh, wenn du aufbrichst, auf Wiedersehen sagen sowie Hals- und Beinbruch wünschen. "Bist du mit jemand verabredet? Du gehst doch gewiss net allein weg. " Matthias hatte einen bestimmten Verdacht. Die Blicke, die seine Tochter mit Alex Poschenrieder am Nachmittag gewechselt hatte, als sie im Pfarrhaus die Tour auf den Kogler besprochen hatten, waren ihm nicht verborgen geblieben, und selbst ein Blinder hätte erkennen können, dass Alex seiner Tochter mehr als nur sympathisch war. Annette zögerte ein wenig, doch dann gab sie sich einen Ruck und antwortete: "Ich bin mit dem Alex verabredet. Wir wollen noch was trinken.

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Der Bergpfarrer Extra – 53 –

Aus Liebe zu dir …

Alex trifft eine große Entscheidung

Toni Waidacher

Es war gegen halb acht Uhr abends, als der Bergsteiger Matthias Oberlechner im Korridor ein Geräusch vernahm. Er saß mit seiner Frau im Wohnzimmer. Vor ihm stand ein Glas Wasser, Adelheid hatte sich ein Glas Weißwein genehmigt. Matthias mied an diesem Abend selbst die geringste Menge Alkohol, denn am folgenden Tag, in aller Frühe, wollten er, Pfarrer Trenker sowie Alex Poschenrieder zum Gletscher auf dem Kogler aufsteigen. Das Unternehmen würde äußerste Konzentration von ihnen fordern …

Obwohl der Fernsehapparat lief, war ihm das Geräusch im Flur aufgefallen. Er erhob sich, war mit drei Schritten bei der Tür und öffnete sie.

Es war seine Tochter Annette, die gerade das Haus verlassen wollte. Sie stand in der geöffneten Haustür.

„Du bist’s“, stieß Matthias hervor. „Also hab’ ich mich net getäuscht, als ich geglaubt hab’, etwas vernommen zu haben. Gehst du noch weg?“

„Ja. Aber ich komm’ bald wieder heim. Ich will dir nämlich morgen früh, wenn du aufbrichst, auf Wiedersehen sagen sowie Hals- und Beinbruch wünschen.“

„Bist du mit jemand verabredet? Du gehst doch gewiss net allein weg.“ Matthias hatte einen bestimmten Verdacht. Die Blicke, die seine Tochter mit Alex Poschenrieder am Nachmittag gewechselt hatte, als sie im Pfarrhaus die Tour auf den Kogler besprochen hatten, waren ihm nicht verborgen geblieben, und selbst ein Blinder hätte erkennen können, dass Alex seiner Tochter mehr als nur sympathisch war.

Annette zögerte ein wenig, doch dann gab sie sich einen Ruck und antwortete: „Ich bin mit dem Alex verabredet. Wir wollen noch was trinken. Er hat mich vor einer halben Stunde angerufen …“

„Das heißt, du hast ihm deine Handynummer gegeben.“ Matthias seufzte. „Das war wohl Liebe auf den ersten Blick bei dir, wie? Ich hab’ dich beobachtet, wie du ihn angehimmelt hast. Na ja, er ist ja ein sauberer Kerl und sympathischer Bursch’. Ob er für dich gut wär’, Madel, bezweifle ich aber stark. Er ist ein Abenteurer, einer, der ständig irgendeinen besonderen Kick braucht. Die Herausforderungen, die er ständig sucht, werden von einem zum anderen Mal anspruchsvoller. Irgendwann kommt der Tag, an dem er sich übernimmt, und dann endet er wahrscheinlich wie sein Vater.“

„Wir gehen lediglich was trinken, Papa“, erklärte Annette mit Nachdruck in der Stimme. „Daraus, dass er mir gefällt, muss ich kein Geheimnis machen. Das heißt aber net, dass ich mir eine Zukunft mit ihm vorstell’. Ich mag ihn, und wie’s scheint, bin ich ihm auch recht sympathisch, aber mehr ist da net. Von Liebe kann net die Rede sein.“

„Eure Blicke haben eine andere Sprache gesprochen“, versetzte Matthias ernst. „Meine Meinung kennst du jetzt. Einreden kann ich dir nix mehr, denn du bist erwachsen. Solltest du dich in den Alex verliebt haben, dann denk’ bitte über meine Warnung nach. Einer wie er kann eine Frau net glücklich machen. Denn sie müsst’ in ständiger Angst um ihn leben.“

„Ist schon gut, Papa. Ich werd’s mir zu Herzen nehmen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, und – viel Vergnügen. Sieh zu, dass der Bursch’ bald in sein Bett kommt, denn er muss morgen fit sein.“

„Ich werd’ dafür Sorge tragen, Papa.“ Annette lachte auf.

Sie huschte nach draußen und drückte die Haustür zu. Versonnen starrte Matthias noch kurze Zeit auf die Tür, dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück.

Adelheid, Matthias’ bessere Hälfte, hatte natürlich das Gespräch zwischen Vater und Tochter mitbekommen. „Ich denk’, wegen der Annette müssen wir uns keine Sorgen machen“, meinte sie. „Die ist vernünftig genug, um zu wissen, was gut für sie ist und was net. Dass einer wie der Poschenrieder-Alex das Interesse von so einem jungen Ding weckt, ist doch fast zwangsläufig. Hab’ ich mich doch vor vielen Jahren auch in so einen verwegenen, ausgesprochen kühnen Burschen verliebt. Wer will denn schon einen Langweiler?“

Jetzt grinste Matthias. „Langweilig wirds mit einem wie dem Alex gewiss net. Kanns sein, dass die Annette auf diesem Gebiet nach dir gerät?“

„Sie hat von uns beiden etwas“, erwiderte Adelheid. „Und, das denk’ ich, ist gut so.“

„Ich will ja nur, dass das Madel glücklich wird“, sagte Matthias wieder ernst. „Und das wirds nur, wenn’s mal einen bodenständigen Mann heiratet, für den die Familie an erster Stelle steht. Der Alex ist einer, der das Leben net so besonders ernst nimmt. Das ist jedenfalls meine Meinung über ihn. Wie ich schon gesagt hab’: Er ist ein Abenteurer, ein Glücksritter, der ständig auf der Suche nach einer neuen Herausforderung ist. Das würd’ die Annette auf die Dauer kaputtmachen.“

„Sie hat ja net von Liebe gesprochen“, sagte Adelheid, „lediglich, dass sie und der Bursche sich recht sympathisch sind. Warum sollten sie net miteinander ausgehen? Das muss ja net immer gleich was bedeuten.“

„Du hast die Blicke net gesehen, die sie ausgetauscht haben, Adelheid“, murmelte Matthias. Seine Stimme hob sich, als er hinzufügte: „Aber du hast recht. Das ist im Moment ein Thema, das ganz sicher net vertieft werden muss. Wie du schon richtig zum Ausdruck gebracht hast: Die Annette ist viel zu vernünftig, um sich auf etwas einzulassen, das sie irgendwann bereuen müsst’.“

„Alles kommt, wie’s kommen soll“, erwiderte Adelheid, und es klang fast ein wenig ergeben. „Das ist halt mal so: Der Mensch denkt, Gott aber lenkt.“

Matthias enthielt sich eines Kommentars, denn er war der Meinung, dass man sein Schicksal zu einem großen Teil selbst bestimmen konnte. Von der Aussage, dass die Wege des Schicksals unergründlich seien, hielt er wenig. Er war davon überzeugt, dass jeder selbst seines Glückes Schmied war.

*

Alex holte Annette an der Gartentür ab. Er hatte sie eine Weile in der offenen Haustür stehen sehen und auch sprechen hören, doch was gesprochen wurde, hatte er nicht verstehen können.

Schließlich hatte Annette das Haus endgültig verlassen und die Tür hinter sich zugezogen. Nun kam sie auf dem Gehweg neben der Garagenzufahrt auf ihn zu. Es war noch hell. Die Sonne würde erst in einer knappen halben Stunde untergehen. Sie stand knapp über den Bergen im Westen des Wachnertals. Der Tag näherte sich unaufhaltsam seinem Ende.

Das Haus der Familie Oberlechner befand sich in einer Seitenstraße, und diese lag im Schatten der Häuser, die die Westseite der Straße säumten.

„Grüaß di!“ Alex lächelte mit blitzenden Zähnen, seine Augen funkelten.

„Servus, Alex“, erwiderte Annette seinen Gruß. Sie lachte hell auf. „Ich soll dich bald ins Bett schicken, hat mir der Papa aufgetragen, damit du morgen fit bist.“

„Die beiden älteren Herren werden ihr Wunder erleben, wenn ich ihnen ihre Grenzen aufzeig’“, schmunzelte Alex gut gelaunt. „Wo gehen wir denn hin? Mach’ einen Vorschlag, Annette. Du kennst dich hier aus. Ich bin fremd.“

„Ich denk’, der Biergarten des Hotels wär’ das Richtige für uns“, erwiderte Annette. „Der Abend dürft’ recht lau werden. Bei einem Straßencafé oder einer Eisdiele werden wir jetzt kaum einen Platz bekommen.“

„Also gehen wir in den Biergarten.“ Er zögerte ein wenig, doch dann gestand er: „Es hat mich gefreut, als du meine Einladung angenommen hast.“

„Und ich hab’ mich über die Einladung gefreut.“

Sie schritten nebeneinanderher zur Hauptstraße und erreichten wenig später das Hotel ‚Zum Löwen’. Tatsächlich gab es im Biergarten noch zwei freie Tische. Sie setzten sich, und gleich darauf kam Heidi Reisinger, die zweitälteste der Haustöchter, um sie nach ihren Wünschen zu fragen. Alex bestellte sich ein Spezi, Annette nahm eine Weißweinschorle.

„Schön ists hier“, gab Alex zu verstehen, nachdem er den Blick in die Runde geschickt hatte. „Die alten Bäume, die Atmosphäre … Da kann man’s aushalten.“

„Das will ich meinen“, pflichtete ihm Annette bei.

„Es ist aber net nur der Biergarten, der mich begeistert“, fuhr Alex fort. „Wenn der Papa früher immer vom Wachnertal geschwärmt hat, hab’ ich das für Übertreibung gehalten. Ich hab’ mir immer gesagt, dass er lediglich in den schönsten Erinnerungen an seine Heimat schwelgt, und es als romantische Gefühlsduselei abgetan.“

„Und jetzt bist du anderer Meinung, wie?“, fragte Annette.

„Ja, hier gefällt’s mir ausnehmend gut. Ich kann auch gar net verstehen, warum der Papa die Gegend hier verlassen hat, um nach Südtirol zu gehen. Dort ists natürlich auch sehr schön. Hier gefällt’s mir aber besser.“

Er schaute Annette an und sie erwiderte seinen Blick. Jeder versuchte, in den Augen des anderen zu lesen.

Da brachte Heidi die bestellten Getränke und sie wurden aus ihrer Versunkenheit gerissen. Annette blinzelte. „Wohl bekomm’s“, wünschte Heidi und lächelte Annette zu. Die junge Frau erwiderte das Lächeln, doch es wirkte irgendwie verlegen, als hätte Heidi sie bei etwas Unerlaubtem ertappt. Sie fühlte sich bemüßigt, etwas zu äußern, wies auf Alex und sagte: „Das ist der Poschenrieder-Alex, Heidi. Du hast sicherlich von seinem Vater, dem Christian Poschenrieder, gehört. Der hat früher mal hier im Wachnertal gelebt und war ein bekannter Bergsteiger. Der Alex ist hier, weil er sich in der Heimat seines Vater ein bissel umsehen möcht’.“

„Tut mir leid“, antwortete Heidi, „den Namen hab’ ich nie gehört. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein.“

„Frag’ mal deinen Papa“, sagte Annette. „Der kann sich gewiss an den Vater des Alex erinnern.“

„Mein Vater hat vor gut dreißig Jahren das Wachnertal verlassen“, mischte sich Alex ein. „Es gibt Leute in St. Johann, die sich gut an ihn erinnern. Wie zum Beispiel Pfarrer Trenker, oder Annettes Vater …“

„Da war ich noch in Abrahams Wustkessel“, versetzte Heidi lachend, dann wünschte sie den beiden einen schönen Abend und entfernte sich wieder.

Annette schaute Alex an. Der verliebte Ausdruck, das Tiefgründige, war aus ihrem Blick verschwunden. „Willst du dir das net noch einmal überlegen?“

„Bitte …“, murmelte Alex, der genau wusste, was Annette meinte, „… fang jetzt net wieder davon an. Es ist beschlossene Sache, und ich glaub’ sogar, dass ich sowohl dem Pfarrer als auch deinem Vater den Mund wässrig gemacht hab’. Im Grunde ihrer Herzen sind die beiden net viel, anders als es mein Vater war oder wie ich es bin.“

Jetzt griff Annette über den Tisch und legte ihre Hand auf seine, umklammerte sie sogar leicht, und erwiderte: „Das stimmt net, allenfalls nur zum Teil. Der Pfarrer macht die Tour ausschließlich aus einem Grund, und der bist du. Er meint, er könnt’s net mit seinem Gewissen vereinbaren, wenn er dich allein aufsteigen ließe und dir, was zustoßen würd’. Mein Vater geht mit, weil ihn der Bruder des Pfarrers drum gebeten hat. Von sich aus würd’ keiner die Route gehen, die ihr festgelegt habt.“

„Du machst es mir schwer“, gestand Alex mit leiser Stimme.

„Ich hab’ Angst um euch“, gab Annette zu verstehen. „Um den Papa, um den Pfarrer, und – um dich.“

„Um mich auch?“

„Ja. Du bist mir nämlich net egal, Alex. Erzähl’ mir jetzt bitte net, dass du’s noch net bemerkt hast. Genauso, wie’s mir net entgangen ist, dass du …“

Sie brach ab, denn Sepp Reisinger, der Inhaber des Hotels und Heidis Vater, eilte herbei, lachte breit und sagte: „Entschuldigt bitte, wenn ich stör’, aber die Heidi hat mir erzählt, dass Sie der Sohn vom Poschenrieder-Christian sind.“ Er hielt Alex die Hand hin. „Unverkennbar!“, stieß er hervor. „Sie sind meinem alten Kumpel wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie gehts ihm denn, dem Herrn Vater? Er hat sich als Bergsteiger ja einen Ruf wie Donnerhall erworben. Sein Name wird in einem Atemzug mit den Huber-Buam genannt.“

Alex hatte die Hand ergriffen und schüttelte sie. Er kannte Sepp Reisinger nicht und musterte ihn etwas befremdet.

Annette bemerkte es und sagte: „Das ist der Herr Reisinger, der Vater der Heidi, die uns bedient hat. Ihm gehört das Hotel.“

„Aha“, machte Alex und ließ Sepps Hand los. „Freut mich, Herr Reisinger“, sagte er. „Vor allem freut’s mich, dass Sie meinen Vater offenbar gut gekannt haben, und – dass Sie sich seiner erinnern.“

„Wie gesagt, wir waren Freunde“, wiederholte der Sepp und fuhr sogleich fort: „Zusammen mit dem Pfarrer und noch ein paar anderen Kameraden haben der Christian und ich so manche Bergtour gemacht. Ich hab’ mit dem Bergsteigen allerdings schon vor mehr als zwanzig Jahren aufgehört. Meine Frau hat net nachgegeben, denn es war ihre größte Angst, dass man mich eines Tages tot von einem Berg holen muss. Ihr zuliebe hab’ ich meine Ausrüstung an den Nagel gehängt, und dort hängt sie heut’ noch.“

„Mein Vater lebt nimmer“, murmelte Alex.

„Was? Wie?“ Für einen Moment war der Sepp total perplex, Verständnislosigkeit prägte seine Züge und seinen Blick. „Sie – Sie meinen, der Christian ist tot?“, fragte er ungläubig. Er schien die Eröffnung nicht so schnell verarbeiten zu können.

„Ja“, bestätigte Alex. „Mein Vater ist vor über drei Monaten mit einer Seilschaft auf dem Ama Dablam im Himalaja abgestürzt. Ihre Körper liegen noch auf dem Berg. Möglicherweise bleiben sie sogar dort oben.“

Sepp griff sich an die Stirn. „Großer Gott! Der Christian ist tot. Das – das ist …“ Seine Stimme versagte, so sehr überwältigte ihn die Nachricht vom Tod seines früheren Freundes.

„Für alle, die ihn gekannt haben, war es ein Schock“, murmelte Alex. „Auch mir will’s net in den Sinn. Mit dem Verstand hab’ ich’s mittlerweile zwar akzeptiert. Mit dem Herzen …“, er klopfte sich mit der flachen Hand gegen die Brust, „… aber noch lang net.“

„Ich find’ keine Worte“, entrang es sich dem Sepp. „Das wird von denen, die ihn gekannt haben, kaum jemand begreifen können. Ich kann Ihnen nur mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken, Herr Poschenrieder.“

„Danke“, murmelte Alex fast ein wenig ergriffen. Seine Mundwinkel zuckten.

Annette nahm sich ein Herz und sagte: „Leider hat der Alex aus dem, was seinem Vater widerfahren ist, nix gelernt. Er will morgen früh zusammen mit meinem Vater und Pfarrer Trenker den Kogler bezwingen, allerdings net auf der herkömmlichen Route, sondern über den Gletscher.“

Alex stieß scharf die Luft durch die Nase aus. Es passte ihm nicht, dass Annette dieses Thema erneut aufgriff.

Sepp Reisinger fixierte Annette, als hätte er nicht begriffen, was sie von sich gegeben hatte. Vielleicht dachte er auch, sich verhört zu haben.

„Bitte, Annette …“, knurrte Alex, und etwas schärfer als beabsichtigt fügte er hinzu: „Ich will darüber net reden, net an diesem Abend, der mir sehr, sehr viel bedeutet. Ich …“

Annettes Miene verschloss sich ein wenig. War sie über seine ungeduldige Reaktion verärgert?

„Über den Gletscher?“, brach es nun über Sepps zuckende Lippen. „Das – das ist Irrsinn! Der Gletscher ist lebensgefährlich. Diese Tour dürfen S’ auf keinen Fall gehen, Herr Poschenrieder.“

„Mein Vater ist vor vielen Jahren am Gletscher gescheitert“, sagte Alex. „Das hat ihm bis zu seinem Tod keine Ruhe gelassen, und es war fest geplant, dass er einen zweiten Versuch unternimmt. Mit mir als Begleiter wollte er den Gletscher bezwingen, doch leider war ihm das nimmer vergönnt.“

„Und nun fühlen Sie sich verpflichtet, an seiner Stelle diese waghalsige Unternehmung durchzuführen“, folgerte der Sepp.

„Ich glaub’, ich bin es meinem Vater schuldig“, versetzte Alex.

„Kaum zu glauben“, murmelte Sepp, „dass der Pfarrer und dein Vater, Annette, diesen Wahnsinn mitmachen.“

„Dann würd’ der Alex alleine gehen“, erwiderte Annette, „und das lässt unser Pfarrer net zu. Schließlich hat sich auch der Papa bereit erklärt, mitzugehen, weil er der Meinung ist, dass ihre Chancen, die Sach’ heil zu überstehen, zu dritt besser sind als zu zweit.“

„Es ist richtig“, knurrte der Sepp. „Bei einer Gletscherüberquerung sollt’ man mindestens zu dritt gehen. – Wie’s scheint, gibts an Ihrem Entschluss nix mehr zu rütteln, Herr Poschenrieder. Ich drück’ Ihnen und Ihren Begleitern beide Daumen und bete, dass Ihnen nix passiert.“

„Wird schon schiefgehen“, erwiderte Alex. Er verspürte Unbehagen. Sein Vorhaben war bisher bei jedem, der auch nur einen Funken Ahnung von den Gefahren seiner geplanten Mission hatte, auf heftigste Ablehnung und Kritik gestoßen. Vor allem aber Annettes Sorge, dass ihm etwas zustoßen könnte, verunsicherte ihn und begann, seine Entschlossenheit ins Wanken zu bringen.

Ein Rückzieher kam für ihn aber nicht infrage. Das redete er sich zumindest ein.

*