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Hermann von Lingg war ein deutscher Dichter. Als Lyriker und Epiker widmete er sich besonders dem Verfassen von Balladen, schrieb aber auch Dramen und Erzählungen. Dieser Band umfasst seine schönsten Gedichte.
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Seitenzahl: 221
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Ausgewählte Gedichte
Hermann von Lingg
Inhalt:
Hermann von Lingg – Biografie und Bibliografie
Ausgewählte Gedichte
Vorwort Emanuel Geibel, 1853
Vorwort Paul Heyse, 1905
1. Buch der Liebe
Erste Liebe
Neue Liebe
2. Reiseblätter
Neapel's Golf
3. Jahreszeiten
Herbsttag
4. Vermischte Gedichte
Abendsternghaselen
5. An Personen
6. Aus vergilbten Blättern
Begegnung
Rosenzeit
Lachenden Mutes
7. Sonette
12. Nachtgedanken
20. Shakespeare
8. Hellas und Rom
9. Balladen
10. Geschichte und Sage
11. Weltleben
Urweltfabel
12. Bilder aus der Völkerwanderung
13. Buch der Betrachtung
14. Freie Rhythmen
Ausgewählte Gedichte, H. von Lingg
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN:9783849638887
Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.
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Dichter, geb. 22. Jan. 1820 in Lindau am Bodensee, gest. 18. Juni 1905 in München, widmete sich seit 1837 in München, Freiburg, Berlin und Prag dem Studium der Medizin und wurde darauf bayrischer Militärarzt. 1851 kränklichkeitshalber in Ruhestand versetzt, lebte er seitdem. vom König Max II. durch einen Jahrgehalt unterstützt, ausschließlich geschichtlichen und poetischen Studien, abwechselnd in München und (im Sommer) in Lindau. Seine Geltung erlangte L. durch die erste, von E. Geibel eingeführte Sammlung seiner »Gedichte« (Stuttg. 1853, 7. Aufl. 1871), die sich durch ihre seltene Tiefe und Eigentümlichkeit sowie durch lebendige Phantasie und Vollgehalt der überwiegend elegischen Stimmung auszeichneten. Ähnliche Vorzüge wies der 2. Band der »Gedichte« (Stuttg. 1868, 3. Aufl. 1874) auf. Das große epische Talent des Dichters erwies »Die Völkerwanderung« (Stuttg. 1866–68,3 Bücher; 2. Aufl. in 1 Band, das. 1892), deren gewaltigen, farbenprächtigen Einzelbildern leider die innere Konzentration fehlt, von der aber einzelne Partien zum Großartigsten zählen, was die neuere deutsche Dichtung geschaffen hat. In seinen dramatischen Versuchen: »Catilina« (Münch. 1864; neue Ausg., das. 1898), »Die Walkyren« (das. 1865), »Violante«, Trauerspiel (Stuttg. 1871), »Die Besiegung der Cholera«, Satyrdrama (Münch. 1873), »Der Doge Candiano« (Stuttg. 1873), »Berthold Schwarz« (das. 1874), »Die Sizilianische Vesper« (das. 1876), »Macalda«, Trauerspiel (das. 1877), »Die Bregenzer Klause« (Münch. 1887), »Die Frauen Solonas« (das. 1887) zeigt L. nur in Einzelheiten dramatische Schlagkraft und wirklich dramatischen Stil. Eine Gesamtausgabe seiner »Dramatischen Dichtungen« erschien Stuttgart 1897, neue Folge 1899. Linggs weitere Werke sind: »Vaterländische Balladen und Gesänge« (Münch. 1868); ein dritter Band »Gedichte« (Stuttg. 1870); »Zeitgedichte« (Berl. 1870); »Dunkle Gewalten«, epische Dichtungen (Stuttg. 1872), »Schlußsteine«, neue Gedichte (Berl. 1878), »Lyrisches« (Teschen 1885), »Jahresringe« (das. 1889) und »Schlußrhythmen und neueste Gedichte« (Stuttg. 1901); ferner: »Byzantinische Novellen« (Berl. 1881); »Von Wald und See«, fünf Novellen (das. 1883);[575] »Clytia. Eine Szene aus Pompeji« (Münch. 1883, 2. Aufl. 1887); »Högnis letzte Heerfahrt. Nordische Szene« (das. 1884); »Furchen«, neue Novellen (Stuttg. 1889) und »Meine Lebensreise«, Autobiographie (Berl. 1899). Auch erschienen von ihm »Wanderungen durch die internationale Kunstausstellung in München« (Münch. 1870), eine lyrische Anthologie: »Liebesblüten aus Deutschlands Dichterhain« (Düsseld. 1869) und unter dem Titel »Skaldenklänge« ein Balladenbuch zeitgenössischer Dichter (mit der Gräfin Ballestrem, Bresl. 1883).
Zur Herausgabe der nachstehenden Gedichte veranlaßt mich ganz einfach der Wunsch, einerseits dem Verfasser, andererseits dem Publikum dienstlich zu sein. Jenem, indem ich von vorne herein die Aufmerksamkeit eines weiteren Leserkreises auf seine poetischen Schöpfungen hinzulenken versuche, dem Publikum aber, indem ich ihm einen Dichter zuführe, welcher mir seiner Theilnahme und Anerkennung würdig zu sein scheint. Noch vor zwanzig Jahren wäre eine derartige Vermittelung überflüssig gewesen, ja sie hätte von Seiten des Empfehlenden anmaßlich erscheinen können. Heutzutage aber, wo das Feld der deutschen Lyrik so völlig unübersehbar geworden ist, daß selbst das Beste unter der wuchernden Masse des Mittelmäßigen verschwinden kann, heutzutage scheint mir der bekanntere Dichter nur eine Pflicht zu erfüllen, wenn er dem weniger bekannten aber vollberechtigten Talente den ersten Schritt in die Oeffentlichkeit zu erleichtern strebt.
Eine solche vollberechtigte Kraft aber spricht sich in der vorliegenden Sammlung unverkennbar aus. Hier ist weder jenes wohlfeile, bloß äußerliche Formtalent, das bei mangelnder Originalität und Fülle des Wesens nichts anderes vermag, als gebahnte Pfade breiter zu treten, noch jener leichtbefriedigte Dilettantismus, der schon poetisch zu schaffen glaubt, wenn er willkürlich ergriffene Stoffe in die erste beste metrische Gewandung kleidet; hier ist vielmehr – im vollständigsten Gegensatze zu den meisten Erzeugnissen unserer jungen und jüngsten Literatur – endlich einmal wieder der nothwendige Erguß einer ursprünglichen Dichternatur; hier ist ein neuer eigenthümlicher Inhalt, in eigenthümliche, meist scharfausgeprägte Formen geschlossen.
Damit ist Alles gesagt; im übrigen mögen die Gedichte für sich selbst reden. Nur das Eine muß ich noch hinzufügen, daß ich, wenn ich für die poetische Bedeutung der Sammlung Bürgschaft zu leisten vermag, damit keinesweges die Vertretung der in jedem einzelnen Stücke ausgesprochenen Weltanschauung übernehme. Die Natur des Verfasser ist von der meinigen grundverschieden; und andre Bäume, andre Früchte.
Möge das Büchlein bald Freunde finden und dem Dichter die Anerkennung werden, die ihm gebührt, und die er im Kampfe mit widerwärtigen Verhältnissen lang und schmerzlich entbehren mußte!
München,im Oktober 1853.
Emanuel Geibel.
Der große Lyriker, der am 18ten Juni dieses Jahres im hohen Alter von 85 Jahren von uns schied, ist früh aus der Dunkelheit seiner Jugendjahre hervorgetreten und seinem Volk ans Herz gelegt worden. Im Jahr 1854 gab Emanuel Geibel die Gedichte des jüngeren Poeten in einer Auswahl heraus, mit einem kurzen Vorwort, worin er ihn als einen Ebenbürtigen neben sich stellte. Der völlig neue Klang dieser Lieder und Balladen, die visionäre Kraft, Bilder und Stimmungen vergangener Zeiten heraufzubeschwören, der edle Tiefsinn und die innige Wärme in der Betrachtung alles Menschengeschicks erregten sofort den Eindruck, daß hier in der Tat wieder einmal eine echte Dichternatur unter uns erschienen, der zu allem andern die Gabe des Wohllauts und der reinen Form in hohem Grade verliehen sei.
Seit Mörike und Storm waren keine so eigenartigen Töne vernommen worden, wie in den Gedichten: »Immer leiser wird mein Schlummer«, »Kalt und schneidend weht der Wind«, »Die Schiffersfrau«, »Alte Träume«, »Stiller Schmerz«, »An meine pompejanische Lampe« und so vielen anderen; Niemand hatte die magische Macht der Natur schlichter und doch ergreifender ausgesprochen, als in dem Sonett »Mittagszauber« geschehen war, und als eine ganz neu eroberte Provinz der Dichtung erschien, was man als Lingg's »historische Lyrik« bezeichnete. Wenn nicht alles zu voller Klarheit durchgebildet war, durfte der Dichter sich wohl gelegentlich auf das Goethe'sche Wort berufen, »daß jedes Gedicht im Einzelnen ein bischen Unvernünftiges haben sollte.«
Durch ein langes Leben, das äußerlich in ereignisloser Stille verlief, hat Hermann Lingg in seinem bescheidenen Hause und Garten an der Nymphenburger Straße fortgefahren, sich nur seiner Muse zu widmen. Nicht allein den Schatz seiner eigentlichen Lyrik vermehrte er bis ins Greisenalter, sondern jahrelang schuf er an einer epischen Dichtung, die den ungeheuren Strom der Völkerwanderung gleichsam in ein großes Becken sammeln sollte, eine Aufgabe freilich, an der selbst die genialste dichterische Kraft scheitern mußte. Denn da es an einem einheitlichen Mittelpunkt fehlt, um den sich die Fülle der Ereignisse und Charaktere hätte gruppieren lassen, vielmehr immer nur neue Völker und Könige auf der Weltbühne erscheinen, um den Koloß des römischen Reiches zu Fall zu bringen, zieht die Dichtung wie ein unabsehlicher Fries historischer Figuren ohne schärfere Charakteristik an uns vorüber, und nur der Glanz einzelner Schilderungen in prachtvollen Oktaven erregt zwischen den langen Strecken zuweilen ziemlich nüchterner geschichtlicher Berichte unsere Bewunderung.
Auch auf dem Gebiet der Novelle und des Dramas hat Hermann Lingg sich versucht. Doch stehen auch diese Arbeiten hinter seinen lyrischen Gaben zurück. Denn gerade, was als das eigenste Grundwesen seines Naturells ihn vor so vielen Dichtern seiner und jeder Zeit auszeichnete: jenes dunkle, halb unbewußte Walten einer Inspiration, die ihm die tiefsten Seelenklänge entlockte und seine schönsten Lieder unvergeßlich macht, versagte bei Aufgaben, zu deren Lösung es künstlerischer Besonnenheit und kühlen kritischen Verstandes bedurfte.
Dieser Mangel an kritischem Vermögen wurde auch bei der Herausgabe seiner späteren Gedichtbände fühlbar. Denn ähnlich, wie es Rückert erging, der stets in einem dichterischen Element lebte und den prosaischen Alltag nur dadurch zu überstehen vermochte, daß er wenigstens einen flüchtigen Griff in die Saiten seiner Leier tat, so war es auch für Lingg ein Bedürfnis, sich täglich an irgend einer dichterischen Leistung zu erfreuen, ohne daß er es darauf anlegte, jedesmal ein vollwichtiges kleines Kunstwerk zu schaffen, oder durch geduldige Feile das flüchtig Hingeworfene dazu auszubilden. Ihm genügte, daß wieder im Vorübergehen seine Muse zu ihm hereingegrüßt hatte. So war er auch stets bereit, wenn Bitten um die poetische Weihe einer festlichen oder Wohltätigkeitsveranstaltung an ihn herantraten, ihnen zu willfahren, auch wenn die Sache selbst nicht dazu angetan war, in eine höhere Stimmung zu versetzen und Stoff zu einem gehaltvollen Gelegenheitsgedicht zu bieten.
So viel Liebenswürdiges und Geistvolles im Lauf der langen Jahre auf diese Weise entstand und nach und nach veröffentlicht wurde, auf dauernde Geltung konnte nur ein Teil der Gedichte Anspruch machen. Lingg's Freunde empfanden es daher als eine Pflicht der Pietät, was in seinem lyrischen Vermächtnis ihnen als das Bedeutendste und Unvergänglichste erschien, in einem Bande zu sammeln. Der Dichter selbst hatte dies schon bei seinen Lebzeiten gewünscht und sich mehrfach gegen mich geäußert, daß er das schwierige Geschäft der Auswahl gern mir anvertrauen möchte. Vor seinem Tode sollte der Plan leider nicht mehr zur Ausführung kommen. Doch während der Arbeit erst bin ich mir der Schwere dieser verantwortungsvollen Testamentsvollstreckung voll bewußt geworden.
Denn da ich durch ein halbes Jahrhundert mit diesen Gedichten vertraut gewesen war, selbst von den unbedeutenderen viele im Gedächtnis bewahrte und manche im Ganzen unzulängliche nur um einer einzelnen glücklichen Wendung willen liebte, ja sie alle zuletzt nicht mehr mit ästhetischem Empfinden, sondern wie Tagebuchäußerungen eines theuren alten Freundes hinnahm, war ich eigentlich am wenigsten zu der objectiven Stimmung befähigt, die ein solches Geschäft des Sonderns und Sichtens erfordert. Wie manches mir lieb gewordene Gedicht wurde erst aufgenommen, dann ausgeschieden, wieder ausgenommen und endlich doch, oft nur aus Rücksicht auf den beschränkten Umfang des Buches, ungern beiseite gelegt.
Immerhin darf ich mich der Hoffnung hingeben, diese Auswahl werde unserem Volk von neuem zum Bewußtsein bringen, daß wir in Hermann Lingg einen Dichter besitzen, dem wir unvergängliche Gaben der Muse zu danken haben.
September 1905.
Paul Heyse.
1.
Schwebst du mit den Erosflügeln,
Erste Liebe, noch einmal
Von der Jugend Sonnenhügeln
In dies düstre Todestal?
Erste Liebe, du dem Leben
Als der Engel zum Geleit
Uns vom Himmel mitgegeben
Durch die Wüsten spät'rer Zeit!
Jeder Pfad bleibt eingesegnet,
Jeder Baum am Bach, im Tal,
Wo du mir zuerst begegnet,
Mich gegrüßt im Frühlingsstrahl.
Jenem Tag bleibt ew'ge Feier,
Wo, vom Himmelsglanz erhellt,
Du zuerst erhobst den Schleier
Vor der Seele stiller Welt.
2.
Entrungen hat sich ihrer Hülle
Die Blüte vom Orangenbaum,
Ihr Wohlgeruch in süßer Fülle
Durchströmt den dunklen Gartenraum.
Es leuchtet aus dem Grund des Kelches,
Es duftet so geheimnisvoll,
Als ob mir bald, ich weiß nicht, welches
Ersehnte Glück begegnen soll.
Hat gar den Weg zu mir gefunden
Die süße Liebe, die ich oft
Im Traume sah und in den Stunden
Der Einsamkeit ersehnt, erhofft?
Wo glänzt mein Stern? Im Bild des Schwanen,
In Berenice's Locken? Ja!
Ich fühl's, es trügt mich nicht mein Ahnen:
Du liebst mich, und du bist mir nah!
3.
Schön, wie auf griechischen Inseln der Tag,
Wäre mit dir mir das Leben,
Doch nur dem Mut, der das Kühnste vermag,
Wird auch die Blüte, die schönste, gegeben.
Mitten im Sturm, der die Völker zerwühlt,
Der mich bald da- und bald dorthin verschlagen,
Hab' ich dein Herz an dem meinen gefühlt;
Was nun auch komme, nun kann ich's ertragen!
4.
Nicht jenes Zaubernetz, gesponnen
Aus deinem schönen Lockenhaar,
Auch nicht dein leuchtend Augenpaar
Hat so mein Herz für dich gewonnen,
Nein, eine Schönheit höh'rer Art,
Die immer mehr sich offenbart.
Der reine Wert, dein innres Leben,
Der Seelenadel, der dich schmückt,
Das ist's, was mich an dir entzückt;
Und beben muß ich, tief erbeben:
Es beugt mich der Gedanke fast,
Daß du mich lieb gewonnen hast.
5.
Voll von Gold und edlen Stoffen,
Von Juwelen wunderbar
Liegt die weite Welt mir offen,
Als ein prächtiger Bazar.
Könnt' ich, was ich wollte, wählen,
Wählt' ich wohl für mich und dich:
Dir die Perlen und Juwelen
Und dein goldnes Herz für mich.
6.
So selig zu plaudern, daß Stunden
Wie Träume vergehn,
Wie rasch dann die Zeit entschwunden,
Am Dunkeln der Kerze nur sehn,
Das ist's, was so traulich uns macht
Die sausende, brausende Winternacht.
Zu plaudern und wieder versunken
In uns allein,
Von innerster Wonne trunken,
Vertieft in Gedanken sein,
Das ist's, was zum Frühling uns macht
Die sausende, brausende Winternacht.
Zu scheiden, das Haustor entriegeln
Und scheidend das Glück
Mit einem Kusse besiegeln,
Ein Gruß noch, ein Wink noch zurück! –
Lebt wohl, o Stunden, so selig verbracht
In der sausenden, brausenden Winternacht!
7.
Holdseliger Mund der Liebsten mein!
Du bist so sanft gebogen, so fein,
Wie der Mond am Himmel; dich müssen
Bewundern, die dich schau'n, – doch ich allein,
Ich darf dich küssen.
Holdseliger Mund der Liebsten mein!
Dein Lächeln nimmt alle Herzen ein,
Du sprichst in Bildern und kühnen Schlüssen,
Die Alle bezaubern, – doch ich allein,
Ich darf dich küssen!
8.
Ja, einmal nimmt der Mensch von seinen Tagen
Im voraus schon des Glückes Zinsen ein,
Und spricht: ich will den Kranz der Freude tragen,
Mag, was darauf folgt, nur noch Asche sein.
Die vollen Becher! Laß uns alles wagen!
Ja einmal will ich auf den Mittagshöh'n
Des Lebens stehn und dann am Ende sagen:
Wie war es doch so schön!
Wie war der Traum so schön! Da wir uns liebten,
Da blühten Rosen um den Trauerzug;
Im Schaum der Tage, die sonst leer zerstiebten,
War eine Perle, reich und stolz genug.
Ich will den Arm um deinen Nacken schlingen,
Und durch die Ferne der Erinnrung tön':
Kann keine Zeit das Glück uns wiederbringen –
Wie war es doch so schön!
9. Für immer
Einmal hast du – o der Stunde!
Schlummernd mir im Arm geruht,
Meinen Kuß noch auf dem Munde,
Auf den Wangen welche Glut!
O wie da die Pulse flogen!
Lauschend jedem Atemzug,
Fühlt' ich an des Busens Wogen,
Wie dein Herz an meines schlug.
Das wird nie vergessen werden,
Das verlöscht kein andrer Tag,
Nicht das größte Glück auf Erden,
Nicht des Anglücks schwerster Schlag.
Eine Flamme, nie verglühend,
Ein lebend'ger Edelstein,
Lebt mir der Gedanke blühend:
Einmal so und ewig mein!
10. Am Morgen
Ich sah dich im azurnen Schleier,
In deinen Rosen, Sommernacht,
Und hab' gewacht in stiller Feier.
Im Lichte deiner Sterne wähnen
Die treuen Blicke wir zu schau'n,
Die uns verstehn und unsre Tränen.
Und eine Hand im Schatten gleitet
Herüber aus dem Geisterland
Und kühlt die Brust, in der es streitet.
11.
Das Köpfchen still und sanft gesenkt,
Wohin sie sich wohl träumt und denkt?
Wohin die dunkeln Augen schauen,
Da blühen, ist's ein fernes Land,
Gewiß nur Palmen, und auf Auen
Gehn schöne Menschen Hand in Hand.
Und ist es eine ferne Zeit,
So war sie Großem nur geweiht;
Da traten Helden auf und stritten
Für ihrer Menschheit höchstes Gut,
Und Engel oder Heil'ge litten
Den Opfertod mit hohem Mut.
Der Schönheit steht ihr Stolz so schön!
Wie für den Aar die Bergeshöh'n,
Wie für den Himmel die Gestirne
Und Andacht für ein rein Gemüt,
So birgt auch deine schöne Stirne
Nur eine Welt, die herrlich blüht.
Wenn aber dein Gedanke ruht
Auf einer Seele, der du gut –
O welch ein Himmel mag darinnen
Dein treues Abbild, stolz und rein
Fernab von allem Erdensinnen,
Und welch ein hohes Leuchten sein!
12.
Es sank ein Tag zur Ruhe nieder,
Ein Tag, der uns gar hold gelacht,
Wir fanden uns so innig wieder,
Wie stets ich mir das höchste Glück gedacht;
Nun schließe dir die Augenlider
Ein süßer Schlaf – mein Engelskind, gut' Nacht!
Sanft mögen dich hinüberziehen
Ins Reich des Traums mit ihrer Macht
Beethoven's große Melodieen,
Und alles, was uns Leid und Schmerz gebracht,
Vergessen ist's, versöhnt, verziehen –
Schlaf' wohl! schlaf' wohl! Mein Engelskind, gut' Nacht!
13.
Ich fühl's mit Stolz, daß ich nicht wohlverwahrt
Wie Jene bin, die stets verschont geblieben
Im Leben, wie im Lieben,
Daß keinen Schmerz das Schicksal mir erspart.
Erfinderisch, mit ausgesuchten Qualen
Hat mich's verfolgt noch bis zuletzt
Und immer dann am tiefsten mich verletzt,
Wenn's mir gelacht mit seinen hellsten Strahlen.
Ich richte kühn mich vor den Blitzen auf,
Und sage: trefft! und zu den Stürmen:
Laßt eure Wogen türmen!
Stürmt fort, ras't fort, ihr haltet mich nicht auf!
Und zu den Augen, die so stolz und groß
Mein Herz bedrohn mit tödlichem Verderben,
Zu deinen Augen sag' ich: schönes Los,
Von eurer Glut versengt dahinzusterben!
14.
Tritt her ans Licht der Sterne!
In ihrem sanften Licht
Erblick' ich gar so gerne
Dein liebes Angesicht.
Tritt her ans Licht der Sterne!
Mit ihrem sanften Licht
Vergleich' ich gar so gerne
Dein liebes Angesicht.
Tritt her ans Licht der Sterne!
Vor ihrem sanften Licht
Ach, küss' ich gar so gerne
Dein liebes Angesicht!
15.
Gebrochen ist dein Herz, ich weiß es wohl,
Ich hör' ja die zerrissne Saite schwirren,
Ich seh' den Wahnsinn, o ich seh' ihn wohl
Durch deiner Wimpern Nacht im Dunkel irren.
O deine Hand ist kalt, und Fieberglut
Durchras't den Puls; von deinem schönen Leben
Blieb nichts mehr, als ein stolzer Todesmut
Und deiner Lippen schmerzliches Vergeben.
Ein Zug um deine Lippen ist so hart
Und wie dein Los so voll der herbsten Herbe.
Du lächelst, doch dein Lächeln ist erstarrt,
Es zeigt nur, daß es noch mit Anmut sterbe.
16.
Wenn um die Burgruine
Der Drossel Schlag verstummt
Und nur noch eine Biene
Um ihre Blumen summt, –
Wie streif' ich dann so gerne
Durch Dickicht und Gestein,
Nur über mir die Sterne,
Und nur mit dir allein.
Im Tal noch zirpt die Grille,
Fern rauscht ein Wasserfall,
Hier oben in der Stille
Lebst du nur und das All.
17.
Die Liebste mit lieblichem Lächeln
Hat meinen Schlummer bewacht.
O hellgestirnter Äther,
O einzig schöne Nacht!
Ich sah sich über mich neigen
Im Traum ihr holdes Gesicht,
Das sorgende, sinnende Schweigen
Erschien ihr so süße Pflicht.
Ich bin an einem Verräter,
An ihrem Kuß erwacht –
O hellgestirnter Äther,
O einzig schöne Nacht!
18.
Wie blinkte durch die Nacht
Um deinen Hals gewunden
Der goldnen Kette Pracht!
Wie flogen uns die Stunden!
Durch heller Bäume Glanz
Erklang Musik herüber
Und ging so eigen ganz
In unser Schwärmen über.
Was wir uns da entdeckt,
Wie viel wir uns vertrauten,
Wie viel wir halbversteckt
Errieten und durchschauten,
Zur Maske ward das Wort
Zur heitern, bald zur ernsten,
Und wob sich spielend fort
Bis zu der Sterne fernsten.
Oft sah uns an im Flug
Aus düstrem Schlangenhaare
Ein Schmerz, o groß genug
Für lange Leidensjahre!
Doch sank davor sogleich
Ein Elfenschleier nieder
Und ließ uns in ein Reich
Des Glücks und Friedens nieder.
In einem Augenblick
Kam Freud' und Leid wie Wogen
Der rauschenden Musik
An uns vorbeigeflogen.
Vorbei flog frühe Zeit
Mit goldnen Kinderjahren
Und Zukunft im Geleit
Bekränzter Hoffnungsscharen.
Vorbei flog Sturm im See
Und Fels und Palmenküste,
Indes ich, süße Fee,
Dein Händchen hielt und küßte.
19.
O stumm ist die Ferne, da dringt
Kein Gruß mehr ans sehnende Herz,
Und kein Gedanke bezwingt
Den tödlichen Schmerz.
Kein Händedrücken, kein Wort
Scheucht vor dem harten Geschick
Die Sorgen, das Bangen mehr fort,
Kein Lächeln, kein Blick! –
Es dämmert, es neigt sich der Tag,
Der Glanz in den Wolken erblich.
Wer wär' jetzt, o Liebliche, sag,
Wer wär' jetzt um dich?
Wer böte dir jetzt den Arm
Und hieße dich tausendmal sein
Und wiegte dann innig und warm
In Schlummer dich ein?
Und wer, seines Glückes bewußt,
Wer böte, beseligt wie du,
Dir seine hochklopfende Brust
Als Kissen dazu?
Gedenkst du noch sein, mein Kind,
Des Ärmsten, der jetzt allein
Hinstürmt in Wetter und Wind,
Gedenkst du noch mein?
20.
Erster Schnee und Abendschimmer
Blinkten durch die Fenster ein,
Zum Klavier erklang durchs Zimmer
Deine Stimme voll und rein.
So, so war's, in solchen Stunden
Hat der Liebe Frühlingskeim
Unsre Herzen aufgefunden,
Ganz verborgen, ganz geheim.
Durch die Stube dämmert wieder
Schneelichthelle Winterruh',
Jene Saiten klingen wieder,
Nimmer, ach, dein Lied dazu.
Jeder Ton ruft alle Schwingen
Meiner tiefsten Sehnsucht wach.
Ach, dein allerliebstes Singen
Geht mir ewig, ewig nach!
21.
Wütend jagen Sturm und Schlossen
Durch der Berge Tannennacht,
Mühsam mit den müden Rossen
Zieht durchs Tal ein Wagen sacht.
Mit den Nebelwolken ringend
Taucht der blasse Mond hervor,
Und ein Posthorn, lustig klingend,
Tönet aus der Schlucht empor.
Blase nur die schönsten Stücke!
Morgen, guter Postillon,
Hab' ich mit dem Tagesblicke
Meiner Liebsten Briefe schon!
22.
Zerrisse je das Liebesband,
Das unsre Herzen hält verbunden,
Dann bleib' kein welkes Treuepfand
Als Trauerrest der schönen Stunden;
Kein Katafalk, auf dem noch lang
Zur Schau läg' unsre tote Liebe,
Kein Angedenken, nicht ein Klang,
An dem der Schmerz verewigt bliebe.
Was aus ist, sei der Nacht zum Raub,
Vergessen sei es und versunken,
Und übrig bleibe nicht ein Staub,
Und nicht ein Hauch, und nicht ein Funken!
23.
Der Morgen ist so rein, so schön,
Es wogt in den Wellen der brausende Föhn.
Ich seh' einen Stern, er sinkt in die Flut,
Der Stern und ich, wir kennen uns gut.
O hätte mir stets geleuchtet sein Glanz,
Mein Leben wäre noch voll und ganz,
So aber ist es entzweit, zerstückt,
Gebrochen, verarmt und ungeschmückt.
Das Höchste hab' ich erreicht, erjagt,
Das Schönste aber bleibt mir versagt;
Ich habe errungen ein glänzendes Los,
Es findet mich müd und freudelos.
Die mit mir teilen könnte mein Glück,
Die wendet sich ab und schaut zurück,
Sie schaut zurück an schön'res Gestad,
Zu rauh erscheint ihr mit mir der Pfad.
Ihr Herz ist mir fremd, es ist nicht mein,
Ich gehe bergab, ich geh' allein – –
Der Morgen ist so schön, so schön,
Es wogt in den Wellen der brausende Föhn.
24.
Spät noch, wenn schon längst verklungen
Alle Saiten am Klavier,
Zittert noch, was du gesungen,
Durch die tiefste Seele mir;
Führt mich über Meeresweiten,
Söhnt mich aus mit dem Geschick
Und verknüpft mir alle Zeiten
Mit dem schönsten Augenblick.
Ja, noch mit der tiefen Wunde,
Die dein ernstes Wort mir schlug,
Preis' ich ewig hoch die Stunde,
Die dich mir entgegentrug.
Frevel wär' es, mehr zu sagen,
Doch es kühlt die bange Glut,
Daß wir auch noch im Entsagen
Uns verstehn – ach, gar zu gut!
25.
So trostlos muß ich von dir gehn?
Du sagtest nicht »auf Wiedersehn!«
Ich fühle mich wie schuldbewußt,
Ich fühl' mich dir so ferne;
Die Nacht ist schwül, wie meine Brust,
Vom Himmel fallen die Sterne.
Allein und finster schreit' ich fort,
Versunken ist mit dir mein Hort;
O daß ich dich verlieren mußt'
In solche Seelenferne!
Die Nacht ist schwül, wie meine Brust,
Vom Himmel fallen die Sterne.
26.
Wo deine Stimme klang,
Wo dein Gesang
Die Nächte mir versüßte,
Da hallt nun bang
Mein Seufzen in die Wüste.
Es wächst an jedem Ort
Das Unkraut fort,
Die Blume bei der Mauer
Verwelkt, verdorrt,
Ein Abbild meiner Trauer.
Es fehlt der Wink, die Hand,
Die sonst verband,
Mein Garten liegt darnieder,
Die Lust entschwand,
Denn du kommst nicht mehr wieder!
1.
Zum zweitenmal
Steigt dieses Jahr der Frühling nieder
Ins Erdental.
Die Rosen blühn, die Vögel singen Lieder,
Und ich, ach – liebe wieder,
Mit gleicher Lust und gleicher Qual
Wie dazumal. –
Wie dazumal,
Als mir noch frohe Jugend blühte,
Der Sonnenstrahl
Ins Herz mir junge Lieder sprühte.
Ich glühe, wie ich damals glühte,
Es ist die gleiche süße Qual
Wie dazumal.
2. Aus Nacht
Dein Herz, so liebevoll und schön,
O wär' es mir gewogen!
Ich schaute dann in lichte Höh'n
Aus dunklen Lebenswogen.
Ich würde nicht im Streit mit mir
Wild hin und her getrieben,
Ich würde fromm sein und mit dir
Die Welt und alles lieben.
3.
So fest von Gold umwunden,
Wie dieser Edelstein,
So wollen wir verbunden
Fürs ganze Leben sein.
Denn nicht für Glanz und Schimmer
Hast du mir ihn geschenkt,
Du gabst ihn mir, daß immer
Eins an das Andre denkt.
Du hast ihn abgezogen
Von deiner lieben Hand,
Hast mir ihn angezogen
Als deiner Treue Pfand.
Wie tief im Erdengrunde
Einst lag der Edelstein,
So tief zu jeder Stunde
Soll unsre Liebe sein.
4.
Von Sehnsucht und von Mitgefühl erfüllt,
Wird niemals dich mein Geist verlassen,
Er würde dich auch nacht- und sturmumhüllt
Mit liebender Gewalt umfassen.
Und wärst du noch so fern von mir,
Wenn dich ein Leiden träf', es schreckte
Wie Donner mich empor und weckte
Vom Schlaf mich auf und riefe mich zu dir.
5.
In sonniger Ferne flog der Traum
Von einem Himmel auf Erden
Und schien im wehenden Blütenflaum
Zur Wirklichkeit in Busch und Baum
Rings um uns her zu werden.
Es war ein Tag, so rein und zart,
Als habe sich gedichtet
Der Frühling eine Hochzeitfahrt
Und liebend sich geoffenbart
Und jeden Streit geschlichtet.
Es ruhte sanft auf meiner Hand
Dein Händchen in süßem Vertrauen;
So fuhren wir durch das schöne Land –
Hoch über uns zerfloß und schwand
Eine Wolke im Himmelblauen.
6.
Sinkend schwebt der Mond in Schleiern
Trüber Wolken durch die Luft,
Rosen und Jasminblüt' feiern
Seinen Glanz mit süßem Duft.
Unbegrenzte Wünsche dehnen
Meine Brust und regen, ach!
Glühender ein heißes Sehnen
Unbestimmter Wünsche wach.
Körperlos, ein Geisterleben,
Frei jetzt möcht' ich und allein
Über Berg' und Meere schweben,
Cherub oder Dämon sein.
Mit dem Sturz des Wasserfalles
Jauchzt' ich Nacht und Abgrund zu:
»Eine lieb' ich über alles,
Und die Eine, die bist du!«