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Wie entsteht Wahrheit im Gerichtssaal? Das Buch hinterfragt und spitzt zu: Wie entscheiden Richter im Gewissensdilemma – zum Beispiel, wenn es keine Zeugen gibt? Eigentlich soll die Strafprozessordnung Richtern helfen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Dafür vernehmen sie Zeugen, hören Experten an, lassen sich Beweise vorlegen. Doch was, wenn die Beweise kein eindeutiges Bild ergeben, wenn Aussage gegen Aussage steht? Der Richter ist in der Beweiswürdigung frei. Es zählt nur die richterliche Überzeugung, die im Idealfall auch der "objektiven Wahrheit" entspricht. Doch wie oft ist das wirklich der Fall? Wie leicht glauben wir im Zweifel unseren eigenen Vorurteilen? Wie schnell sind wir manipulierbar? Und woran erkennen wir, dass jemand lügt? Das Wissen auch um diese weichen Faktoren macht es Menschen an der Spitze eines Gerichtes schwer, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Denn mit einem Urteil, das für die Beteiligten schwerwiegende Folgen hat, müssen am Ende auch die Richter leben.
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Seitenzahl: 39
Walter Brendel
Aussage gegen Aussage
Texte: © Copyright by Walter Brendel
Umschlag: © Copyright by Walter Brendel
Verlag:
Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag
Gunter Pirntke
Mühlsdorfer Weg 25
01257 Dresden
Inhalt
Einführung
Der Film „Sie sagt – Er sagt“
Der Beispielfall anhand von Aussagen
Ann Christin und ihr Martyrium
Die neue Gesetzeslage
Opfer und Täter
Beweisführung von Gericht
Das lügende Opfer
Fazit
Quellen
Wie entsteht Wahrheit im Gerichtssaal? Das Buch hinterfragt und spitzt zu: Wie entscheiden Richter im Gewissensdilemma – zum Beispiel, wenn es keine Zeugen gibt?
Eigentlich soll die Strafprozessordnung Richtern helfen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Dafür vernehmen sie Zeugen, hören Experten an, lassen sich Beweise vorlegen. Doch was, wenn die Beweise kein eindeutiges Bild ergeben, wenn Aussage gegen Aussage steht?
Der Richter ist in der Beweiswürdigung frei. Es zählt nur die richterliche Überzeugung, die im Idealfall auch der "objektiven Wahrheit" entspricht. Doch wie oft ist das wirklich der Fall? Wie leicht glauben wir im Zweifel unseren eigenen Vorurteilen? Wie schnell sind wir manipulierbar? Und woran erkennen wir, dass jemand lügt?
Das Wissen auch um diese weichen Faktoren macht es Menschen an der Spitze eines Gerichtes schwer, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Denn mit einem Urteil, das für die Beteiligten schwerwiegende Folgen hat, müssen am Ende auch die Richter leben.
In einem Strafprozess am Berliner Landgericht wird der Vorwurf einer Vergewaltigung verhandelt. Es steht Aussage gegen Aussage – juristisch wie menschlich ein scheinbar unauflösbares Dilemma.
Was sagt dazu das Gesetz: Im Strafrecht gilt, das zunächst die Staatsanwaltschaft und sodann das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Kann eine für die Verurteilung erforderliche Tatsache nicht ermittelt werden, ist der Angeklagte freizusprechen. Die formelle Beweislast hat vor diesem Hintergrund keine Bedeutung. Zum Teil sträubt sich die Rechtswissenschaft überhaupt von Beweislast im Strafprozess zu sprechen.
Die materielle Beweislast liegt hingegen wegen des Grundsatzes in dubio pro reo niemals bei Angeklagten. Ob es sich bei diesem Grundsatz um eine Beweislast- oder Entscheidungsregel handelt, ist in der Rechtswissenschaft allerdings umstritten. In Rechtsordnungen, in denen kein Amtsermittlungsgrundsatz im Strafverfahren gilt, kommt zumeist ein Grundsatz des römischen Rechts zur Anwendung, wonach auch die formelle Beweislast beim Ankläger liegt (necessitas probandi incumbit ei qui agit).
Außerhalb des eigentlichen Strafverfahrens kann das Straf(verfahrens)recht die Beweislast einer Partei ausdrücklich zuweisen.
In Kalifornien müssen Studierende sexuellen Kontakten ausdrücklich zustimmen. Im Streitfall liegt die Beweislast neu beim Angeklagten.
Ein entsprechendes Gesetz gegen sexuelle Nötigung auf den Geländen der staatlichen Universitäten hat das kalifornische Parlament verabschiedet und Gouverneur Jerry Brown in Kraft gesetzt. Danach sind sexuelle Kontakte nur erlaubt, wenn die Partnerin oder der Partner unmissverständlich zu verstehen gibt, dass sie oder er einverstanden ist (bejahende Zustimmung). Wenn ein Opfer nichts sagt oder sich nicht wehrt, gilt dies nicht als Zustimmung.
Bisher galt Sex als einvernehmlich, wenn keine der Beteiligten klar Nein sagte oder sich zur Wehr setzte. Opfer, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen, oder es nicht wagten, sich zu wehren, hatten in einem Vergewaltigungsprozess schlechte Chancen.
Künftig muss ein Angeklagter beweisen, dass das Opfer Ja gesagt hat. Frühere Beziehungen, die Kleidung oder ausbleibende Gegenwehr des Opfers werden keine Gründe mehr sein für Freisprüche oder ein milderes Urteil. Gegner des Gesetzes kritisieren, es sei männerfeindlich. Ein Angeklagter gelte automatisch als Vergewaltiger, bis er das Gegenteil bewiesen habe. Falschen Anschuldigungen werde Tür und Tor geöffnet, da ein Ja im Nachhinein nur schwer zu beweisen sei.
Ein Nein sei bisher ebenso schwer zu beweisen gewesen. Die Kritik am kalifornischen Gesetz sei deshalb groß, weil es die gängigen sexuellen Geschlechterrollen in Frage stelle. Von der Frau werde sexuelle Zurückhaltung erwartet. Frauen, die ihre Sexualität offen ausleben, gelten als Schlampen. Wenn das Opfer einer Vergewaltigung Minirock und Highheels getragen habe, wurde ihm mindestens eine Mitschuld unterstellt. Das sei mit dem neuen Gesetz nicht mehr möglich. Die gängigen sexuellen Geschlechterklischees würden auch Männer benachteiligen: Der sexuelle Missbrauch von Männern und Jungen sei kaum ein Thema, weil Sex gegen den Willen eines Mannes nicht vorstellbar scheine.
Doch wie ist es in Deutschland? "Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen" - so steht es im Grundgesetz. Ein Urteil gilt, egal was der Einzelne darüber denkt, denn es ergeht "im Namen des Volkes". Das ist die Einleitung bei Verkündung eines Urteils.
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