Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Träumen auch Sie manchmal davon, Ihr Leben von Grund auf zu ändern, alles Belastende zurückzulassen und irgendwo neu anzufangen? Fragen Sie sich vielleicht hin und wieder, wie es wohl wäre, ein ganz neues Leben zu beginnen, in einem anderen Land, weit weg von Regen, Kälte, Alltagstrott und allem anderen, was Ihnen missfällt? Karl-Heinz Höver beschreibt auf eine unkonventionelle und sehr persönliche Art und Weise, wie ihm zusammen mit seiner Frau genau dieser Schritt gelungen ist. Er erzählt von den ersten Erlebnissen im fernen Afrika, vom Umgang mit der ihm fremden Mentalität, von den Höhen und Tiefen, den Zweifeln und Schwierigkeiten und von der Willenskraft, die es erforderte, den Mut und die Kraft nicht zu verlieren. Seine persönliche Entwicklung, die dann letztendlich vonstattenging, hatte niemand voraussehen können, am allerwenigsten er selbst. Tiefgreifende Erkenntnisse und eine vollkommen neue Sichtweise auf die Welt und das Leben ließen ihn in Kenia eine neue Heimat finden und eröffneten ihm schließlich ein Wissen, das er mit diesem ehrlichen, kurzweiligen und nicht zuletzt humorvollen Buch mit seinen Lesern teilen möchte.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 289
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
ISBN 9783946723424ISBN der Druckversion 9783946723417
Karl-Heinz Höver
Auswanderer in KeniaEine Heimat gesucht und sich selbst gefunden
Copyright 2018
1. Auflage
Fotos im Innenteil: Karl-Heinz Höver Bildquelle Cover: longquattro fotolia.com
Korrektorat: Gisela Polnik
Covergestaltung: Elke Mehler und Skip Langkafelwww.querwerker.de
Verlag: Verlag Begegnungen, Schmittenwww.verlagbegegnungen.de
Printed in Germany
Alle Rechte vorbehalten
Auswanderer in Kenia
Eine Heimat gesuchtund sich selbst gefunden
von Karl-Heinz Höver
Inhalt
Einleitung
Teil 1
Die Vorgeschichte
Entscheidungen
Vorbereitungen und unerwartete Schwierigkeiten
Angekommen
Erfahrungen
Teil 2
Wie es dazu kam, wieder an Gott zu glauben
Verwirrung, Unruhe und neue Ordnung
Wir alle sind und alles ist – Gott!
Wissen weitergeben
Energie, Energieformen, Energieräuber
Anwendung von Wissen
Schlusswort
Liebe Leserinnen und Leser!
Zu meiner Person möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich in meinem bisherigen Leben erst fünf Bücher selbst gelesen habe. Ansonsten komme ich vielleicht zwei Seiten weit und werde dann von Gähnattacken belagert, so dass ich das Buch auf die Seite lege und schlafe.
Ausgerechnet ich habe nun dieses Buch geschrieben, jemand, der für Bücher nur eine Verwendung hatte – nämlich dann, wenn ein Tisch gewackelt hat.
Nun begeben Sie sich in meine bzw. unsere Geschichte.
Also, anschnallen, Rauchen einstellen, Rückenlehne senkrecht stellen und den Tisch vor Ihnen hochklappen. Es geht LOS!
In diesem Buch möchte ich darüber berichten, wie es uns nach unserer Auswanderung nach Afrika in der neuen Heimat ergangen ist, welche Erfahrungen wir gemacht haben und was wir dadurch erkannt haben. Und vor allem, wie es mein und teilweise auch das Leben meiner Frau Marion komplett auf den Kopf gestellt hat. Des Weiteren sei gesagt, dass ich dieses Buch schon im Jahr 2008 angefangen und schließlich erst 2015 fortgesetzt habe. Damals war es gedacht, um Menschen, die auch so einen Schritt vorhaben, Mut zu machen, das zu tun, was ihr Wunsch ist!
Nun möchte ich zudem, dass dieses Buch Ihnen vielleicht hilft, selbst zu erkennen, wer Sie wirklich sind!
Sie fragen sich, wie das gehen kann?
Es kann deshalb funktionieren, weil ich mich erinnert habe, wer ich bin (dies wird später genauer erklärt), und nun die Vergangenheit und das ganze Leben aus einer anderen Sichtweise sehe und somit unsere Geschichte auch besser erklären kann. Anhand von Beispielen und wundervollen Erlebnissen möchte ich Ihnen mein derzeitiges Wissen über den Grund unseres Daseins hier auf Erden mitteilen.
Aber fangen wir bei dem an, was für meine/unsere Geschichte von Bedeutung war.
Ich war, wie man so sagt, ein „Spätzünder“. Ich lebte bis zu meinem 22. Lebensjahr bei meinen Eltern. Ich mochte nicht in Diskotheken gehen, da es mir dort viel zu laut war und dort wohl auch Techniker arbeiteten, die nicht wussten, was sie wollten. Ein dauerndes Licht an, Licht aus. Was soll das?
So war ich mit einem Freund schon mal am Wochenende unterwegs und wir hielten uns in Gaststätten oder Pubs auf. Er war ein Abenteurer und hatte schon allerhand in seinem jungen Leben erlebt. Mag sein, dass er ein Jahr älter war als ich, und so erzählte er seine Erfahrungen auf eine so nette Weise, dass wir viel zu lachen hatten.
Ach ja, Lachen, nun, wo ich dies schreibe, fällt mir ein, dass ich immer sehr gerne gelacht habe. Meine Lache war außergewöhnlich. Jemand, der mich lachen hörte, musste mitlachen. Aus diesem Grunde bin ich auch in der Schulzeit (Ende der Hauptschule) schon mal aus dem Klassenraum verwiesen worden. Wir hatten einen Klassenkameraden, der hin und wieder seltsame Dinge machte. So war es, dass wir ein Formular ausfüllen sollten, das mit Blaupapier versehen war, und deshalb wurden wir aufgefordert, mit Kugelschreiber zu schreiben. Manfred aber benutzte einen Tintenschreiber. Als ich dies sah, fragte ich ihn: „Manfred, warum tust du das? Damit funktioniert das Kopieren nicht, nimm den Kuli!“ Er erwiderte: „Ich habe aber keinen“, und schaute mich beleidigt an. Da ging sie los, meine Lache, und Petra, die mit mir in einer Klasse war, legte auch los, nur weil ich am Lachen war. Ja, und dann lachte fast die ganze Klasse und nur ich wusste, warum. Dann hieß es dann: „Karl-Heinz, geh raus und komm erst wieder, wenn du fertig bist!“ Petra ging wohl aus Solidarität mit, wollte aber wahrscheinlich auch wissen, warum ich lachte.
Mit zweiundzwanzig Lebensjahren sollte ich nun die Erfahrung machen, dass es zweierlei Menschen auf der Welt gibt: die guten und die bösen? Nein, das kam später, Männlein und Weiblein und die zwischenmenschlichen Beziehungen standen auf dem Programm.
Ein früherer Arbeitskollege meines Vaters bat um Hilfe. Seine Tochter, die in einem Supermarkt arbeitete, wurde dann und wann von ihrem Ex-Mann dort aufgesucht und belästigt. Mein Vater und ich möchten ihm doch bitte zur Seite stehen, wenn er seine Tochter abends von der Arbeit abholt. Ich kannte die Familie, meine Schwester und ich waren dort schon mal über Nacht gewesen, während unsere Eltern auf einer Karnevalsveranstaltung waren. Maria hieß die Tochter, so wie meine Schwester.
So fuhren wir also zu dem früheren Arbeitskollegen meines Vaters und anschließend gemeinsam zum Supermarkt, um Maria abzuholen. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen. Aus dem Mädchen war eine Frau geworden und aus mir ein Mann. Nicht lange nach diesem Treffen kam sie mit ihren Eltern und ihrem Sohn am Karnevalssamstag zu uns nach Bonn zu Besuch. Das Kind fuhr mit Oma und Opa heim und wir gingen aus. So sind wir uns nähergekommen. Es war eine neue Erfahrung, die ich aber als bedrückend empfand, weil zu viel auf mich eindrang. Die Liebe der Frau, aber auch des Kindes, welches mich nach kurzer Zeit schon Papa nennen wollte, und Marias Eltern waren der Meinung, dass ich der richtige Mann im Leben ihrer Tochter bin.
Das ging mir alles zu schnell und es überforderte mich. So kam der Schisser in mir hoch und ich bin damals mehr oder weniger weggelaufen. An dieser Stelle bitte ich Maria um Verzeihung.
Da ich aber nun auf den Geschmack gekommen war, war ich bereit für ein neues Abenteuer. Dies war nun Renate. Ich habe sie durch den Manta-Club kennengelernt, den ich gegründet hatte. Sie war hoch auf den Beinen, blond und sah gut aus. Sie war eigentlich das, was ich dachte, nie zu bekommen, denn es fehlte mir in manchen Beziehungen an Selbstvertrauen. So war es für mich kaum zu glauben, dass sie – sie lebte in Scheidung und hatte eine eigene kleine Wohnung in Mehlem – an mir Interesse zeigte. Zu dieser Zeit erfuhr ich nun mehr über Gut und Böse, so nenne ich es einmal.
Renates Mutter war zuckerkrank und lebte auf Staatskosten. Renate, ihr ältester Bruder und die Schwester hatten einen gemeinsamen Vater, der jüngste Bruder war ein Halbbruder. Dieser Halbbruder hatte eine Lernschwäche. In einem eher schwierigen sozialen Umfeld aufwachsend, ist er das eine oder andere Mal mit Straftaten und Polizei in Konflikt gekommen, was dann auch zu Jugendstrafen führte. Die Schwester war körperlich behindert, hielt sich hauptsächlich in türkischen Kreisen auf und wurde schließlich auch Mutter eines Kindes. Der türkische Vater kannte auch das Gefängnis von innen wegen Aufenthaltes ohne Erlaubnis in Deutschland. Der ältere Bruder ging einer Arbeit nach als Rangierer. Er war mit einer Polin verheiratet. Diese Ehe ging später auch in die Brüche. So war ich im Chaos gelandet und war nun irgendwie nicht mehr der, der ich zuvor gewesen war, „der behütete Junge“. Es entstand nun aus dieser Beziehung mit Renate mein Sohn Patrick, der zuerst unehelich zur Welt kommen sollte, was mir gar nicht gefiel. Es gibt für mich meist nur ganz oder gar nicht. So heirateten Renate und ich dann noch früh genug – am 12. Dezember –, so dass mein Sohn, der am 27. Dezember zur Welt kam, nun ehelich geboren war.
Es gab Bekannte, die da schon zu wissen glaubten, dass meine Frau mich in wenigen Jahren verlassen wollte.
Ich aber wollte alles. Soll heißen, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt im Schichtdienst befand, jede Überstunde mitnahm, um unsere neue Wohnung in Bornheim toll einrichten zu können. So arbeitete ich vier Jahre sehr viel. Oft waren es doppelt so viele Stunden, wie normalerweise im Monat fällig waren. Ich verdiente also gut.
Nebenbei war ich noch Testfahrer auf der A 565 zwischen Bonn und Wesseling. Dort wurden die ersten Geräte für Mautgebühren getestet. 1.000 DM pro Woche kamen da zusätzlich hinzu. Meine Frau sollte da ab und zu mittags aushelfen, eine oder zwei Runden drehen, weil ich zum Dienst musste. Das hat aber nicht immer geklappt. So kam ich hin und wieder verspätet zur Arbeit. Dann kam es so, dass sie sonnabends, wenn ich um 22:00 Uhr heimkam, auf Tour ging, in die Disco usw. Dies raubte mir meine Nerven. Schlimmer war es dann noch, wenn ich am Sonntag wieder um 6:00 Uhr morgens anfing zu arbeiten und um 5:30 Uhr eigentlich los musste, sie aber noch nicht da war. Wenn ich Glück hatte, war ich eine Stunde zu spät zur Ablösung dort. Da kann man verstehen, dass der Kollege nicht happy war.
So kam es an dem Morgen des Vatertags, dass sie nicht vom Disco-Gang nach Hause gekommen war. Ich fuhr mit Patrick zu der Freundin, bei der sie sein wollte. Ich hatte ihr einen alten Golf gekauft, damit wir beide ein Auto hatten. Ja, das Auto haben wir gefunden und sind dann heimgefahren, weil um 14:00 Uhr meine Schicht begann. Sie kam erst kurz, bevor ich losfahren wollte. Also bin ich zum Dienst und habe am Calibra rumgebastelt, da doch an einem Feiertag wenig zu tun war im Dienst. Als ich dann am Abend heimkam, wurde mir erklärt, dass sie fast fremdgegangen war. Ein Schock durchfuhr meine Glieder, die gerade gemachten Butterbrote warf ich durchs Wohnzimmer, zog mir meine Schuhe an und bin dann in mein Auto gestiegen und wie wild losgefahren. Einige Kilometer später bemerkte ich, was ich tat, dass ich wie ein Bekloppter unterwegs war. Und für was? „NEIN“, sagte ich, „jetzt ist´s endlich gut und die Enttäuschungen haben ein ENDE.“
So bin ich wieder nach Hause gefahren. Sie war da, aber ich beachtete sie nicht, legte mich ins Bett und dachte über die Zukunft nach. Was würde dieser Schritt „Trennung“ bedeuten? Zum einen, endlich wieder frei zu sein, sich gut zu fühlen … Ach je, und mein Sohn, wo wird er sein, wenn er nicht bei mir ist, wie kann ich dann froh sein? Die Gefühle fuhren Achterbahn, aber sie fuhren, also ging es weiter.
Ich bin dann zurückgegangen zu meinen Eltern. Sie haben mich aufgefangen und ermutigt. Ich muss allerdings aber auch sagen, dass ich mich trotzdem nicht wohl bei ihnen gefühlt habe, was allerdings an mir lag. Sie haben alles versucht und auch getan, um mir Gutes zu tun. Dadurch aber, dass ich im Schichtdienst war, kam ich erst nachts heim oder ging früh aus dem Haus. Ich dachte, ich würde sie stören. Das lest bitte mal bewusst, liebe Leser! Ich dachte, ich würde sie stören! Sie haben das nicht gedacht, für sie war es okay. Sie waren froh, mir helfen zu können!
So war ich, wenn ich nicht auf der Arbeit war, bei Freunden – die übrigens meiner Erfahrung nach weniger werden, wenn man sich in solchen Situationen befindet wie ich damals … Aber die, die dann noch da sind, sind letztendlich auch wirklich für einen da.
Hier möchte ich den beiden Dank sagen, die mich damals herzlichst aufgenommen haben: danke, Claudia und Heribert B.
Während dieser Zeit verstarb die Mutter meiner Ex-Frau. Mit ihr hatte ich mich so weit gut verstanden, dennoch wollte ich mit all dem nichts zu tun haben. So kümmerte sich meine Ex-Frau um die Beerdigung.
Es war eine Zeit, in der es mir an Geld fehlte. Der Unterhalt, den ich zahlen musste, war sehr hoch. Schließlich hatte ich ja vier Jahre lang viel gearbeitet, mir sozusagen den Allerwertesten aufgerissen, um es uns schön zu machen und um es uns gutgehen lassen zu können. Nun kam der Vater Staat und machte seine Rechnung. Ich hatte einen Betrag „X“ im Monat im Durchschnitt verdient und davon gingen nun ein Kredit sowie dies und das ab. Ich kam schließlich zu einem weniger guten Schluss: Es blieb nichts mehr für mich übrig.
Wie konnte das sein? Zum Beispiel das Weihnachtsgeld bekam ich ja nicht jeden Monat, sondern halt nur im November. Es wurde aber alles zusammengerechnet und dann durch 12 geteilt. Zu dieser Zeit betrug das Weihnachtsgeld zuzüglich Überstunden etwa 10.000 DM. Ich war auch nicht bereit, weiter fast täglich 16 Stunden zu arbeiten. So hieß es dann für mich, lediglich 150 DM in der Tasche zu haben, mehr nicht, und davon sollte ich nicht nur leben, sondern auch den Sprit bezahlen, um zur Arbeit zu kommen.
Was blieb mir also anderes übrig, als einen weiteren Job zu suchen. So fragte ich bei einer Sicherheitsfirma nach Arbeit und bekam an dem Tag die Zusage, an dem meine Ex-Schwiegermutter beerdigt wurde. Ich war zwar auf dem Friedhof, nahm aber nicht an der Beerdigung teil. Ich wollte raus aus all dem. Renate und ich hatten ewig Streit. Sie wollte immer mehr Geld oder dies oder das. Ich war niedergeschlagen wegen meiner Situation und der Situation mit meinem Sohn. Ich bekam ihn alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag. Er hing sehr an mir, denn wir hatten sehr viel Zeit miteinander verbracht, als wir noch zusammenlebten. Oft kam er mich, wenn ich um 6:30 Uhr vom Nachtdienst nach Hause kam, kurze Zeit später wecken, wenn er wach wurde. Und da ich meine Frau nicht wach bekam, bin ich aufgestanden und mit ihm ins Kinderzimmer, um zu spielen. Dort bin ich dann des Öfteren eingeschlafen.
Und nun war es so, dass wir uns am Freitag aneinander gewöhnen mussten, denn bei mir galten andere Spielregeln als bei seiner Mutter. Der Samstag war super und am Sonntag war dann am Morgen schon wieder der Abschiedsschmerz da. Oft weigerte er sich, aus dem Auto auszusteigen und zu seiner Mutter zu gehen. Dies machte alles nur schlimmer und ich war voller Wut. Ich durfte ihn auch nicht mehr vom Kindergarten abholen. Von jetzt auf gleich wurde ich dort wie der Abschaum behandelt, alle schienen gegen mich zu sein.
In meinem neuen Job als Sicherheitsmann machte ich verschiedene Tätigkeiten. Einmal war es so etwas wie Pförtner. Der festangestellte Pförtner hatte Feierabend und ich blieb noch so lange da, bis alle das Gebäude verlassen hatten, schloss alles ab und ging dann selbst. Oder ich war in einem großen Einkaufsmarkt und sorgte für allgemeine Ruhe, z. B., dass keine Rollschuhfahrer unterwegs waren oder dass Jugendliche andere nicht belästigten. Die Arbeit war also okay.
Unser Chef war mal Leibwächter gewesen. Seine Idee war es, eine Truppe auszubilden, die größere Jobs erledigen und gut zusammenarbeiten konnte und in der jeder Einzelne blindes Vertrauen in den anderen hat. Dies gefiel mir, so nahm ich an der Ausbildung teil.
Es ging aber leider nur ein halbes Jahr lang. Dann zerbrach die Firma, weil seine Frau mit einem anderen durchgebrannt war. Das Gute an dieser Arbeit war, dass ich ab und zu in dem Einkaufsmarkt in Sankt Augustin war. In diesem Markt gab es auch viele kleine Geschäfte, unter anderem ein Schuhgeschäft. In diesem Schuhgeschäft arbeitete eine junge hübsche Frau, wie ich später erkannte, denn zuerst einmal ist mir ihr Popo aufgefallen, während sie auf der Rolltreppe stand. Ich dachte mir, die schaust du dir mal von vorne an.
Wow, das ist sie! Ja, und von diesem Moment beobachtete ich sie. Ich fand heraus, dass sie in dem Geschäft arbeitete und ging dann des Öfteren an diesem vorbei. Da ich ja nicht so recht selbstbewusst war, wusste ich auch nicht, wie ich sie ansprechen konnte. Ich grübelte und zerbrach mir den Kopf, was ich tun könnte. Es lag mir doch sehr viel daran, dass es klappt, dass sie mit mir redete. So ging ich bei ihr Schuhe kaufen. Die Firma, die eigentlich gute Produkte hat, fand bei mir keinen Zuspruch, aber ich kaufte doch ein Paar. Sie sagte: „Wenn du reden magst, dann rede. Du musst keine Schuhe kaufen.“ Darauf antwortete ich: „Nee, nee, ich brauche ja neue Schuhe.“
Eine sehr nette, etwas ältere Kollegin hatte erkannt, was mein Wunsch war, und machte mir Mut, sie doch mal zu fragen. Sie habe nicht wirklich einen Freund und hätte was Liebes verdient. So legte ich mir einen Satz zusammen, den ich ihr, wenn sie wieder mal alleine im Geschäft war, sagen wollte. Es kam zu diesem Fall und ich ging hin und fragte: „Bestünde eventuell die Möglichkeit, dass ich dich mal zu einem Kaffee einladen dürfte?“
Tja, das war ich! Einfach sehr unsicher. Deshalb war ich umso mehr erfreut, als sie antwortete: „Ja, das können wir tun.“ Hatte ich richtig gehört? Das Sahnestückchen hatte „Ja“ gesagt? Von diesem Zeitpunkt an ging es mir viel besser. Wir verabredeten uns und ich war voller Freude. Das Treffen ließ mich dann doch zugleich wieder auf den Boden der Tatsachen fallen, da sie keine Beziehung mehr mit jemandem wollte, der auch nur eine Sekunde jünger war als sie. Sie war zwei Jahre älter als ich, und so schien ich wieder aus dem Spiel zu sein. Bei unserem Gespräch jedoch hörte ich, dass sie keine guten Erfahrungen gemacht hatte und deshalb so zu den Dingen eingestellt war.
Die kommenden Tage brachte ich ihr kleine Geschenke. Ein kleiner Porzellanclown sollte sie etwas zum Lachen bringen. Und einen kleinen Blumenstrauß stellte ich ihr ins Geschäft, weil sie zum Dienst kam und ich Dienstschluss hatte. Die ältere Frau gab dies weiter und machte mir erneut Mut. Es war Dezember – und als wir uns mal wieder im Geschäft trafen, sagte ich ihr, dass ich einen Sohn habe. Sie fragte, ob das eine neue Masche der Anmache sei. Bisher waren es angeblich selbstständige Männer oder sonstige höhergestellte Personen, die sie angesprochen haben, und nun ich, der sagt, dass er Vater ist. Wo ich doch in Uniform etwas jünger aussah, als ich tatsächlich war. Ich sagte: „Klar bin ich Vater. Wenn hier morgen Tag der offenen Tür ist, ist mein Sohn bei mir, und weil ich morgen frei habe, komme ich mit ihm vorbei.“ Wir kamen vorbei und dieser kleine Junge nannte mich wirklich Papa. In meinen Privatklamotten sah ich dann auch etwas anders aus, meinte sie. So kannte sie uns nun und war nicht abgeneigt, uns näher kennenzulernen.
Es kam, dass sie für ihre Nichte ein Trampolin kaufte zu deren Geburtstag kurz nach Weihnachten, das größte versteht sich, und sie bat mich, dies doch in ihrem Auto zu verstauen. So machte ich mich mit diesem riesigen Paket auf zum Parkplatz. Sie fuhr einen 190 Mercedes Diesel. Alle Versuche, dieses Paket ins Auto zu schaffen, scheiterten. So begab ich mich zu meinem Auto, einem Opel Calibra. Es fehlte nur wenig, um das Paket durch die große Heckklappe zu bringen, aber es ging einfach nicht. Es verging aber viel Zeit, denn mein Auto stand weiter weg. So machte sie sich Sorgen, ob sie ihr Auto und das Trampolin je wiedersehen würde. Als ich dann wieder zurückkam mit dem Paket, war sie sichtlich erleichtert, aber auch enttäuscht, dass das Paket nicht im Auto war. Ich bot ihr an, am kommenden Tag mit dem Gepäckträger auf meinem Auto zu kommen und ihr das Paket nach Hause in die Eifel zu fahren. Sie konnte dies nicht wirklich glauben, dass ich über 70 km für sie etwas nach Hause bringen würde. Sie fragte: „Warum tust du das?“ Ich sagte: „Darum – ja oder ja?“ So tat ich dies am darauffolgenden Tag. Sie erklärte, wie ich zu fahren habe, um das Dorf zu finden. Ich war oft mit dem Auto in der Eifel und am Rhein unterwegs. So war der Ort, in dem sie wohnte, mir nicht wirklich fremd. Als ich auf dem Weg war, rief sie zu Hause an, um mich anzukündigen, dass ich wirklich auf dem Weg sei. Kurze Zeit später war ich da, stieg aus dem Auto aus und hatte bei der Mutter gewonnen. Das Paket habe ich abgeliefert und mit der Mutter ein Tässchen Kaffee geschlürft.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen Knopf im Ohr, ein echtes Steif-Tier. Nein, aber nach der Trennung wollte ich mich halt verändern. Marions Eltern wollten keinen mehr, der einen Knopf im Ohr hatte, denn der Ex von ihr hatte dies auch. Die Beziehung war gar nicht gut verlaufen. Doch bei mir schien dies nun nicht mehr störend zu sein.
Noch vor dem Jahreswechsel sind wir dann zusammengekommen. Wir hatten mal wieder eine Verabredung und saßen nun bei einem Getränk im Kaufhaus Hertie in Godesberg. Ganz vorsichtig berührte ich ihre Hände. Ach, war das alles aufregend und ein so schönes Gefühl. Marion strahlte Liebe, Wärme und Geborgenheit aus. Ganz anders als meine Ex. So schwebte ich im siebten Himmel. Der erste Kuss war kurze Zeit später, als wir am Abend in die Bonner City gehen wollten und bei einer Ampel in Höhe des Stadtwerke Mutterhauses auf Grün warteten. Wir gingen zum „NT“ – so hieß das Lokal – und bestellten uns einen heißen Kaffee. Dies war völliger Blödsinn gewesen, denn übers Erzählen und gegenseitige Anhimmeln wurde dieser zu einem Eiskaffee.
Anfang Januar waren wir zusammen bei meinen Eltern. Es war sehr kalt und hatte gefroren. Die Straßen waren mit Glatteis überzogen. So entschied sich Marion, bei mir zu übernachten, in dem Haus meiner Eltern. Sie hätte ein eigenes Zimmer haben können, wollte aber mit in meinem Zimmer schlafen. So gab ich ihr mein Bett und ich legte mich auf eine Matratze auf den Boden. Ja, das war es. So verbrachten wir die erste Nacht zusammen. Ich fuhr am Morgen zur Arbeit. Mein Vater weckte Marion und machte ihr Frühstück. Ich rief an, um ihr den Weg zu erklären, wie sie von dort aus zur Arbeit fahren könnte. Sie kannte sich in der Umgebung von Bonn nicht aus. Aber sie hat es geschafft und ich hatte wieder LUST aufs LEBEN.
Dann haben wir beschlossen, nach reiflicher Überlegung und langer Zeit des Zusammenseins, genau zwei Tage waren es, zusammenzuziehen. So fragten wir ihre Eltern, ob es für sie okay sei, wenn ich zu Marion mit ins Elternhaus ziehe. Marion hatte in dem Haus ein eigenes Schlafzimmer, welches unter dem Dach war, eine Küche und ein Wohnzimmer. Das Bad teilte sie sich bzw. teilten wir uns dann mit den Eltern. Ich hätte auch nicht gedacht, dass dies geht, aber es ging, sehr gut sogar.
Nun ist es mal wieder so weit, DANKE zu sagen, was auch Marions Eltern für uns getan haben. Wir hätten uns keine eigene Wohnung leisten können, mit den finanziellen Mitteln, die wir damals hatten.
Ja, so wohnten wir nun in der Eifel, die ich früher, als ich noch Kind war, mit meinen Eltern viel durchfahren habe. Mein Vater sagte zum Spaß immer: „Wir haben die Eifel zugeschissen.“ Es war herrlich. Ich kam mir vor wie im Urlaub. Es roch nach Kuhmist, der Hahn krähte morgens, ich fühlte mich pudelwohl. Ja, und auch Patrick fühlte sich dort sehr wohl. Er war nicht alleine, konnte auf der Straße mit Marions Nichten spielen oder mit anderen Kindern, die dort waren.
So ging es mir ganz gut, mein Leben verlief wieder in einer geordneten Bahn, das, was ich eigentlich brauchte, um glücklich zu sein. Aber auf ein Hoch folgt wohl auch ein Tief, das sich wie folgt zeigte:
Mein Vater versorgte schon seit längerer Zeit meine Mutter, da sie Muskelschwund hatte. Sie konnte nicht mehr alleine auf die Toilette gehen, schlief im Wohnzimmer des Erdgeschosses auf der Couch und wurde in der Küche gewaschen. Meine Schwester half im Haushalt, Fenster putzen, Staubwischen usw.
Dann haben sich meine Eltern mit meiner Schwester und deren Mann gestritten. Es ging wohl mal wieder um die Erziehung der Enkelkinder. Der Ehemann hatte da eine seltsame Vorstellung von Erziehung, die meine Schwester wohl auch okay fand. Diese hatte aber nichts mit unserer Erziehung zu tun. Wenn die Kinder etwas nicht richtig gemacht haben, mussten sie in der Ecke stehen mit dem Gesicht zur Wand. So war es auch einmal an Weihnachten gewesen. Wir waren am 1. Weihnachtstag alle zusammengekommen, um bei meinen Eltern diesen Tag zu verbringen. Mein Vater hatte unter Anweisung meiner Mutter wie immer gut gekocht. Wir waren eigentlich fertig mit dem Essen, na ja, nicht ganz, der Onkel – also ich – nicht so recht. Ich kann lange und ausdauernd essen, so nahm ich mir ein wenig Nachschlag, weil das Essen doch so lecker war. Die schon zuvor ausgepackten Geschenke lagen unter dem Weihnachtsbaum und warteten darauf, benutzt zu werden. Ich sagte, sie sollen die Kinder doch spielen lassen. Mein Sohn Patrick war auch dabei und genauso ungeduldig, wie ich früher war. Sie haben nicht einmal wirklich gequengelt, sondern lediglich gefragt, ob sie spielen dürfen. Wir hatten gesagt, dass sie spielen können. Oh herrje, da hatten wir was angerichtet. Der Mann meiner Schwester sagte mit drohender Stimme, ihr setzt euch hin, bis alle hier am Tisch fertig sind. Patrick, der schon bei seinen Spielsachen war, schaute erschrocken und die zwei Kinder meiner Schwester erwiderten: „Aber Patrick spielt doch auch.“ Das war dann der Punkt, wo sie zum Wandanschauen verurteilt worden sind, ohne Bewährung. Solche Dinge geschahen öfters und das gefiel meinen Eltern gar nicht. Meine Schwester zog dann wohl, in ihrer aufbrausenden Art, den Schlussstrich und brach jeden Kontakt zu meinen Eltern ab. Auch die Enkelkinder durften nicht mehr angerufen werden.
Nun schaute sie auch nicht mehr, ob alles in Ordnung war bei meinen Eltern. Als ich sie nun besuchte, wir wohnten 40 km von ihnen weg, und nichts davon wusste, war ich ganz schön mit dem Hammer getroffen, als mein Vater mit einem Hexenschuss im Sessel lag, meine Mutter auf der Couch saß und ihr das Wasser (Urin) bald aus den Augen herauskam.
So versorgte ich zuerst meine Mutter und im Anschluss meinen Vater, da er alleine nicht aufstehen konnte. Ich machte mich danach auf, bei der Krankenkasse einen Toilettenstuhl zu besorgen, den ich auch ganz kurz vor Öffnungsschluss noch bekam, dank eines lieben Menschen, der Mitgefühl zeigte. Zu Hause dann noch was gegen die Schmerzen des Vaters getan, verließen wir, Marion und ich, am Abend Bonn und fuhren nach Hause in die Eifel. Auf dem Weg beschlossen wir, dass wir etwas tun sollten, nämlich ein neues Heim suchen, das näher am Elternhaus liegt, um besser für sie da zu sein.
Die kommenden Tage liefen dann so ab: am frühen Morgen zu meinen Eltern, um meine Mutter auf den Toilettenstuhl zu heben, damit mein Vater etwas entlastet wurde. Dann fuhr ich zur Arbeit. Das Elternhaus lag nur einen kleinen Umweg weit von dem normalen Arbeitsweg entfernt. So hatte ich auch die Möglichkeit, in der Mittagspause zu meinen Eltern zu fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Und nach Feierabend noch mal zu ihnen und dann zurück in die Eifel. Ich sprach mit ihnen darüber, ob sie es sich vorstellen könnten, auch in die Eifel in unseren Ort zu ziehen, damit wir besser miteinander leben könnten. Nach Tagen des Überlegens – weil dies auch mal ein Angebot meiner Schwester war, bevor es zur Trennung kam, sie aber dem nicht zugestimmt hatten wegen des Schwiegersohnes – waren sie nun bereit, es mit mir und meiner Marion zu wagen.
Also schauten wir nach einer behindertengerechten Wohnung, was sich als nicht einfach erwies. Wir sind dann letztendlich zu der Entscheidung gekommen, ein Fertighaus zu bauen, in dem meine Eltern im Erdgeschoss ihre behindertengerechte Wohnung bekamen und wir darüber wohnen wollten, so dass wir jederzeit für sie da sein konnten. Tja, und auch dies war nie mein bewusster Wunsch gewesen, denn ich hatte immer gesagt: „Ich möchte niemals ein Eigenheim haben.“
So lebten wir nun in diesem Doppelhaus, meine Eltern fühlten sich wohl, sie konnten wieder zusammen in einem Zimmer schlafen, das Duschen war viel einfacher in der großen Dusche und angenehmer für meine Mutter, als aus einem Spülbecken mit einem Waschlappen gewaschen zu werden. Im Sommer saßen sie auf der Terrasse und hatten wieder Anschluss am Leben. Sie erfreuten sich daran zu sehen, wie die Erntehelfer die Erdbeeren pflückten, die Vögel im Garten sich tummelten, und sie hatten Spaß, mit Freunden im Gartenhaus zu feiern usw. Es schien mal wieder alles okay zu sein.
Dann bemerkten Freunde von mir, dass ich nicht ganz normal war. „Ich bin so normal, wie es nur geht“, erwiderte ich, aber es war nicht so. Mein ach so tolles Lachen war verschwunden; und als ich dies einsah, kam ich mir vor wie Tommy Ohrner in seiner Rolle als Timm Thaler, dem Jungen, der sein Lachen verkaufte. Nur hatte ich es nicht verkauft, meine Arbeit hatte mein Lachen auf dem Gewissen. Speziell eine Sache lag mir im Magen: Wir Arbeiter wussten von Geschehnissen, die passiert waren, und leiteten das, was wir wussten, an unsere Chefs weiter. Die wollten aber nichts davon wissen bzw. meinten, dass es nicht sein könne. Man glaubte uns nicht. Wir waren aber die letzten gewesen, die an der Sache gearbeitet hatten. Uns war klar, dass wir Arbeiter die Schuldigen sein würden, wenn es zu Problemen kam, wenn etwas passieren würde. Dies ließ mich nicht recht schlafen und belastete mich sehr.
Während eines Türkeiurlaubs fragte ein Hotelarbeiter so nebenbei, ob ich nicht in dem Hotel arbeiten wolle. Ich hatte an einem Stromkabel etwas repariert, weil es mich halt störte, so wie es war, und als Elektriker gehen einem da schon mal die Schnürsenkel auf, wenn man das eine oder andere im Ausland so sieht. Für mich war es aber zuerst keine Option, woanders zu arbeiten. Ich war doch schon fast 25 Jahre bei meinem Betrieb. Aber der Gedanke ließ mich nicht los, und so beschloss ich dann doch, mir eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Als Hausmeister in einem Hotel, das hätte mir gefallen. So schickte ich Bewerbungen an alle großen Hotels. Dies alleine ließ mich wieder aufblühen, und das war ein gutes Gefühl, eins, das mir sagte, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Mit den Hotels hat sich leider nichts ergeben. Auf einer Alm in der Schweiz hätte ich anfangen können als Hausmeister, doch ein Großteil des Lohnes wäre für die Unterkunft und Essen auf dieser Alm draufgegangen. Ich lehnte das Angebot, dort anzufangen, ab. So kam es, dass mein Vater mir von einem Inserat aus der Bonner Rundschau erzählte. Die Zeitung ließ er sich hier in die Eifel schicken, denn so konnte er immer noch erfahren, was in Bonn so los ist. Eine Pumpenfirma suchte einen Monteur aus dem Raum Bonn. Da ich nun nicht mehr in Bonn wohnte, habe ich die Firma angerufen und gesagt, dass ich Interesse hätte an diesem Job, aber in der Eifel wohne. Da der Wohnort kein Problem darstellte, habe ich mich auf diese Stelle beworben. Nach einer Weile des Bangens bekam ich dann Bescheid, dass ich anfangen könnte. So kündigte ich dem öffentlichen Dienst und ging in die freie Wirtschaft. Der eine oder andere Kollege machte sich etwas lustig über diesen Schritt, hätten wir, die im öffentlichen Dienst gelernt hatten, doch nie wirklich arbeiten gelernt ... Denen, die solche Bemerkungen machten, erwiderte ich mit einem ironischen Lächeln im Gesicht: „Ich wage den Schritt nach draußen, ihr seid da draußen untergegangen und habt euch im öffentlichen Dienst auffangen lassen.“
Nun, was soll ich sagen, ich habe mich zu 100 % verbessert, finanziell als auch in allem anderen. Ich habe den Job gerne gemacht und ich bin davon überzeugt, dass meine Kunden auch mit mir zufrieden waren. So war mal wieder alles so, wie ich es brauchte. Warum sind wir also ausgewandert?
Für meine Frau und mich stand zu einem früheren Zeitpunkt fest, dass, wenn wir mal alt (Rentner) sind, wir unser Leben in einem anderen Land verbringen möchten. Deutschland ist von der Landschaft her wunderschön, wir sind viel mit dem Auto oder Motorrad spazieren gefahren, haben wunderschöne Ecken gefunden, wo man sich nicht satt sehen konnte. Wir haben aber auch festgestellt, dass doch ein Großteil der Deutschen die Menschlichkeit im Zuge des Konsumdenkens verloren hat, der Krieg im Straßenverkehr zunimmt, die Schlacht um Schnäppchen ausartet usw. So ist es zum einen dies, zum anderen vielleicht die wirtschaftliche Seite, die manche dazu bewegt, darüber nachzudenken, ob man in einem anderen Land besser aufgehoben ist. Sicher, so lange man mitschwimmt, ist alles geregelt in Deutschland. Was ist aber, wenn man nicht mehr mitschwimmen kann, was ist, wenn man zu alt zum Schwimmen ist? Dann sieht es nicht mehr so rosig aus und keiner kann sagen, wie es mal in 20 Jahren sein wird. Die Science-Fiction-Filme, die zu unserer Jungendzeit gesendet wurden, hat man auch verhöhnt, welch ein Quatsch. Aber wie vieles davon ist schon Realität geworden … Und wir werden doch genug von der Regierung auf den Arm genommen. Dort wird alles so lange gedreht, bis es passt. Gelder werden von einer Kasse in die andere verschoben, also all das, was dem Kleinbürger verboten ist. So denken viele, sehr viele, und viele von denen haben schon mal daran gedacht zu gehen.
Leider war es so, dass meine Mutter Anfang 2007 verstarb. Dies war der Anlass, dass wir erneut dieses Thema aufnahmen und zu dem Entschluss kamen, früher zu gehen, nicht erst, wenn wir alt sind. Denn zu sagen, das machen wir mal, wenn wir alt sind, das wollten wir nicht. Die Gefahr ist immer groß, dass es dann vielleicht nicht mehr gelingt. Wer weiß schon, wie alt man wird? Zu schnell kann das Blatt sich wenden, in jeder Hinsicht.
Für uns hörte es sich gut an zu planen, wir gehen in acht bis zehn Jahren, wir haben ein Ziel und warten nicht das Rentenalter ab. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt haben, war, dass dies der Beginn unserer Auswanderung war.
Mein Vater, der einen Großteil seines Lebens meine Mutter liebevoll umsorgt hatte, wollte nun Dinge machen, die zuvor nicht möglich gewesen waren. Er dachte daran, mit unserem gemeinsamen Hund Urlaub an der Mosel zu machen. Als ich ihn fragte, ob er mit mir zusammen ins Fitness-Center gehen möchte, sagte er direkt „Ja“. Dies konnte ich gar nicht so recht verstehen, weil er sonst eigentlich immer „Nein“ sagte. So waren wir doch beide sehr überrascht, dass er nun so aufblühte und anfing, ein eigenes Leben zu führen.
Als wir den im Jahr zuvor gebuchten Urlaub nach Ägypten antraten, war, soweit man dies sagen kann, die Welt in Ordnung. Doch nur für drei Tage. Dann erhielten wir die Nachricht, dass mein Vater auf der Intensivstation lag. Wir brachen den Urlaub ab und waren geschockt über die erneute Wende in unser aller Leben.