B & B - Esmée Le Bec - E-Book

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Esmée Le Bec

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Beschreibung

"Alle wissen, dass der Name B. mit dem Wort 'Mann' in keinem Satz vorkommt, in dem nicht auch 'hatte noch nie' oder 'immer nur Pech' steht." So die Kurzfassung von B.s Beziehungsstatus. In dieser Erzählung lässt uns B. an ihrem Leben als Einzelgängerin teilhaben. Vom Kennenlernen des inneren Schweinehundes über das professionelle Glotzen bis hin zum wohl am abruptesten beendeten Date der Geschichte erzählt B. aus ihrem skurrilen Alltag. Und verrät uns dabei ihr grösstes Geheimnis.

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Esmé Le Bec

B & B

Keine Liebesgeschichte

© 2023 Esmée Le BecAlle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-7543-9760-2 Herstellung und Verlag: BoD - BooksonDemand, In de Tarpen 42, 22848 Norderstedt

Die Personen, die Dialoge und die Handlung der vorliegenden Geschichte sind frei erfunden und Ausdruck der künstlerischen Freiheit der Autorin. Ähnlichkeiten mit realen Personen ist rein zufällig.

Me and my monkey

Mein Leben ist nicht normal. Also nicht so wie das von anderen. Das muss – wenn ich mir die anderen so ansehe – nichts per se Schlechtes sein. Das Problem am Anderssein ist mehr, dass einem am Montag im Büro niemand glaubt, was man am Wochenende erlebt hat. Wie etwa das heute.

Heute habe ich nämlich meinen inneren Schweinehund getroffen. In der Stadt. Er sitzt auf dem Gehsteig und raucht eine Zigarette. Ich bin erstaunt, meinen inneren Schweinehund so vor mir auf dem Boden sitzen zu sehen. Also irgendwie auch nicht.

Schließlich ist es Samstagnachmittag, die Sonne scheint, und ich bin auf dem Weg nach Hause nach einer Party. Einer, die am Vorabend angefangen hat und eigentlich auch schon lange hätte fertig sein müssen, es aber irgendwie nie werden wollte.

In Anbetracht meiner körperlichen Umstände verwundert mich mein Schweinehund auf dem Gehsteig nicht. Aber eine solche Chance will ich mir nicht entgehen lassen, und halte mit ihm ein Schwätzchen.

Ich setze mich also neben ihn hin und zünde mir eine Kippe an. Nicht, dass ich viel rauchen würde, aber wenn man neben seinem eigenen inneren Schweinehund auf dem Gehsteig mitten in einer Großstadt sitzt, darf man wohl ohne schlechtes Gewissen eine rauchen. Er gibt mir sogar Feuer.

Was aber sagt man zu seinem inneren Schweinehund? Nach einer kurzen, aber enorm peinlichen Pause: „Was machst du denn hier?“ Mein innerer Schweinehund schaut mich verständnislos an. „Rauchen.“ Aha.

Gesprächig ist er nicht, das hab’ ich mir schon gedacht. Ich murmle was von wegen „wusste nicht, dass du rauchst.“ Mein innerer Schweinehund schaut mich nicht gerade freundlich an. „Geht dich einen Scheißdreck an, was ich in meiner Freizeit mache!“

Auch nicht gerade freundlich. Aber was will man vom inneren Schweinehund schon erwarten? Eine Umarmung? Ein freundschaftliches Gespräch? Wo man doch eigentlich immer gegen ihn ist? So versuche ich, das Gespräch auf eine sachliche Ebene zu bringen: „Äh, wie lange arbeitest du denn so? Hast du viel Freizeit?“

Sein Blick wird noch unfreundlicher. „Das weißt du selbst ja wohl am besten, nicht? Wie oft bin ich bei dir? Zwei-, dreimal pro Tag? Und weißt du, was das Schlimmste ist? Immer versuchst du, mich loszuwerden.“ Pause. Ich bin verwirrt.

„Da versucht man, seinen Job gut zu machen. Immer, wenn ich da sein sollte, bin ich da und was ist der Dank dafür? ‘Du musst deinen inneren Schweinehund überwinden.’

Wie oft habe ich das nun gehört? Fast jedes Mal, wenn ich dich besuche. Weißt du, wie weh so was tut?“ Ich schüttle verständnislos den Kopf. „Du nimmst mir meine Arbeit weg! Wenn das so weitergeht, sitze ich bald nicht mehr bloß zum Spaß auf der Straße.“

Mein innerer Schweinehund schreit die letzten Worte und ist mittlerweile ganz rot im Gesicht. Ich mache mir Sorgen. Obwohl er meist ein unerwünschter Gast ist, wäre es irgendwie schade, ihn zu verlieren. Er ist im Grunde genommen ja ein netter Kerl. Ob ich ihm das sagen soll? „Du …“ „Nein, nein“, fällt er mir ins Wort.

„Versuch es gar nicht erst! Ich weiß, dass mich die Leute nicht mögen. Du bist nicht meine erste Klientin, ich hatte schon einige vor dir. Und alle waren gleich! ‘Geh weg, du störst! Immer bist du da, wenn du nicht da sein solltest. Bla, bla, bla.’ Das ist echt ätzend. Was glaubst du, wie man sich fühlt, wenn man weiß, dass einen niemand mag?“

Ich stecke mir eine neue Kippe an. So hatte ich meinen inneren Schweinehund nicht eingeschätzt. Ich dachte immer, er sei tough und kaltblütig, wolle mich immer von den spannenden und wichtigen Dingen des Lebens abhalten. Stattdessen will er nur seinen Job machen. „Macht dir denn diese Arbeit wirklich Spaß? Mal abgesehen davon, wie ich dich behandle?“

Mein innerer Schweinehund wird plötzlich traurig. „Ja“, haucht er und lässt den Kopf hängen. „Früher war das Business auch noch einfacher. Da ging man morgens hin, sagte zu den netten Damen und Herren, dass sie doch um Himmels willen noch ein Weilchen im Bett bleiben möchten, egal, was gerade anstand und sie taten es ohne Widerrede.

Aber heute, mit dem viel zu weit verbreiteten Bedürfnis, Karriere zu machen, ist meine Arbeit viel schwieriger geworden. Von überall her tönt es: ‘Tu dies, mach das, dann bist du erfolgreich.’ Da ist kein Platz mehr für die guten Ratschläge des inneren Schweinehundes, der doch eigentlich dafür sorgen sollte, dass man auch mal nichts tut.“ Er spickt seine längst erloschene Kippe in den Gully und steckt sich eine neue an.

„Scheiße“, sagen wir beide gleichzeitig und lachen kurz darauf leicht hysterisch drauflos. Mein innerer Schweinehund erholte sich eher als ich. „Immerhin verstehen wir uns.“

Und nach einer Pause: „Das macht die Sache aber auch nicht besser. Ich fühle mich vernachlässigt! Ständig, ständig verrätst du mich, sagst mir, ich solle abhauen! Das kann doch nicht sein!“

Erst jetzt fällt mir seine leicht gerötete Nase auf, der weinerliche (und das stammt in dem Fall nicht vom Verb weinen ab) Ton hat mich hellsichtig gemacht. „Bist du betrunken?“, frage ich mehr als Feststellung.

„Was geht dich das an?“, schnauzt er. Ich ziehe meine Schultern hoch: „Ach, eigentlich nichts, aber ich hasse es, von Besoffenen für nichts beschimpft zu werden! Vor allem, wenn sie über etwas heulen, woran sie selbst Schuld haben.“ „Ich, Schuld? Was soll das denn jetzt? Ich versuche nur, meinen Job zu machen!“, heult er wieder.

„Echt?“, frage ich und fahre fort: „Dann hast du wohl einfach den falschen Job gewählt. Denn einen inneren Schweinehund will nun mal niemand.“

Das tut weh. Das kann ich in seinem Gesicht ablesen. Die Wahrheit schmerzt. Dieser Spruch kommt nicht von mir, aber seine Anwendung habe ich inzwischen perfektioniert. „Echt? Mich will gar niemand?“ Der Wurm sinkt in sich zusammen und tut mir schon fast ein wenig leid. „Also, so direkt eigentlich nicht, nee“, gebe ich zu.

„Scheißwelt! Warum sagt mir dann der Arbeitsvermittler, dass man als innerer Schweinehund bestimmt nie arbeitslos sein wird?“, motzt er weiter. „Wird man ja auch nie, aber du darfst halt nicht erwarten, dass dich jemand mag für deinen Job.“

Der Satz muss jetzt erst durch das alkoholgetränkte Hirn wandern, bis er ankommt. „Du, du …“, stammelt er, das Ende des Satzes bekomme ich leider nicht mit, weil ein Lastwagen an uns vorbeidonnert – am Samstagnachmittag, in der Innenstadt.

„Jetzt noch Lastwagen? In der Innenstadt?“, rutscht es mir raus, weil mein Gehirn offensichtlich im filterlosen Modus ist. Der innere Schweinehund schaut mich zustimmend an. „Ja, die Zeiten werden immer schlechter, wenn wir schon so weit sind!“ Pause. „Gehen wir eins trinken?“

Es ist eine seltsame Begegnung. Und ich sollte bei Gelegenheit mal nachfragen, was die Leute vom Club in ihren Spezialdrink mixen.

Numb

Seit der Umstellung auf Winterzeit geht es mir schlecht. Die ersten Tage hatte ich einen Jetlag von der Zeitverschiebung (die ich aus unbekannten Gründen nicht mitbekommen habe und erst, nachdem drei Aspirin meinen Kater erfolgreich in die Schranken verwiesen hatten, bemerkte ich, dass ich der Funkuhr um eine Stunde hinterherhinkte). Zum Jetlag kam etwas später auch noch ein Kulturschock hinzu.

Obwohl ich seit meiner Geburt im gleichen Land lebe, das ich höchstens mal für ein paar Wochen Ferien verlasse, scheint mir seit dem Beginn der Winterzeit alles fremd. Die Leute plötzlich grummelig mit Tendenz zur Bosheit, die Bäume ohne Blätter, die ehemals milde Luft eisig kalt und meine Lieblingsbar hat sich in einen Weihnachtsstand mit Glühwein verwandelt.

Ich selbst bin jedoch noch in wunderbarster Sommerstimmung, habe die kurzen Hosen noch immer im Schrank hängen, gleich neben den luftigen Kleidchen und den anderen Stofffetzen, die mir die letzten Monate als „anständig angezogen“ gedient haben. Und da ich diesen plötzlichen Umschwung nicht erklären kann, erkläre ich ihn als Kulturschock. Ich habe erst vor ein paar Wochen in einem Buch gelesen, wie sich so was anfühlen kann, und genauso fühle ich mich auch.

Was ich in dem Buch wohl überlesen habe, ist das Wörtchen ‚depressiv,’ das in dieser Erzählung noch eine wichtige Rolle spielen wird, um schon mal die Spannung von vornherein zu zerstören.

Da ich diese Gefühle seit ein paar Jahren immer mit mir herumtrage, habe ich mir bisher noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob dies etwas Ungewöhnliches sein könnte. Doch nach einem Abend mit Rotwein, Hannes und ein paar seiner Bekannten wird mir klar, dass mein Gemütszustand nicht normal ist. Wir Hübschen sind erst ein wenig aus und gehen dann zu ihm, um eine weitere wehrlose kleine Flasche zu erlegen. Wir amüsieren uns. Irgendwann erzähle ich von der bedrückenden Enge und der Tristesse des Herbstes, die mich belasten und frage „Ihr kennt das ja alle, nicht?“ in die trunkene Runde. Sie kennen es nicht.

Diese Entdeckung habe ich anschließend am Montag während des Mittagessens noch bestätigt gefunden. Auch meine Kollegen kennen es nicht. Sie könnten also nicht jeden Morgen heulen, wenn sie vor dem Kaffeeautomaten stehen, haben keine unerklärlichen Hassgefühle gegenüber Weihnachtsmännern und fühlen sich nicht so, als wäre der Himmel eine Betondecke, die ein halber Zentimeter über ihrem Kopf schwebt (oder manchmal sogar auf ihren Schultern liegt). Sonderbar, das war für mich bisher immer total normal.

Natürlich hab ich von „einem Freund“ erzählt, der all diese Symptome hat. „Der Arme, der leidet bestimmt an einer üblen Winterdepression“, meinte Karin, bevor sie sich ein zu großes Stück Broccoli in den Mund stopfte. „Winterdepression?“ „Ja, das haben viele Leute. Immer im Winter bekommen sie Depressionen. Hat mit dem Licht zu tun“, Cola folgte dem Broccoli.

„Deshalb geh ich auch immer ins Solarium im Winter.“ „Das nützt doch nichts“, beschwerte sich Ella aus der Buchhaltung. „Es geht um anderes Licht, im Solarium wirst du nur braun und später krebskrank, aber deine Depressionen bringst du nicht weg. Ich weiß das, ich habe eine Nachbarin, die seit Jahren unter Winterdepressionen leidet.“

„Aha.“ Das bin ich. Ich wollte noch weiterreden, aber: „Warum bitte sollte das Solarium nichts bringen? Ich gehe seit Jahren regelmäßig im Winter dorthin und hatte noch nie, wirklich nie eine Depression. Zudem bin ich seither immer viel schneller braun im Sommer.“ „Dann bist du wahrscheinlich einfach nicht veranlagt dazu, Depressionen zu bekommen. Manfred hat gelesen, dass das genetisch bedingt ist.“

Genetisch bedingt? Leidet meine Familie an Depressionen? Nicht, dass ich wüsste. Leide ich daran? Ich zweifle noch. Aber falls Angstzustände auch mit Depressionen zu tun haben, habe ich wahrscheinlich eine, denn zwischen Ella und Karin zu sitzen, während sich ein Streit anbahnt, löst bei mir direkt eine leichte Panik aus. „Genetisch bedingt? Ha, wo hat Manfred denn den Müll wieder her? Glaubst du, alle, die depressiv sind, würden das nur wegen ihrer DNA?“ „Manfred...“

Bevor sich die zwei Kampfhennen in die Haare kriegen, schaffe ich es gerade noch, mich zwischen ihnen zu verdrücken. Wer gewonnen hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall kam die Ambulanz. Gerüchte sagen jedoch, dass die für Herrn Steiner aus der Personalabteilung war, der aus Schock ob den wüsten Szenen, die sich in der Mensa abspielten, einen Herzinfarkt erlitt. Ich werde bei Gelegenheit Blumen schicken, schließlich ist es ja meine Schuld.

Aber zurück zum Anfang. Ich bin also nicht normal. Anscheinend. Ich meine, das ist ja auch nichts Neues, und normalerweise stört es mich ja auch nicht, dass ich nicht so bin und fühle wie anscheinend der ganze Rest der Menschheit. Nur, wenn mir die ganze Zeit die Augen schwitzen, dann kann ich das nicht mehr tolerieren. B. ist lustig. B. ist fröhlich. B. weint nicht.

Deshalb frage ich nach Hannes auch noch Alice nach ihrer erlauchten Meinung. Diesmal ist jemand im Büro betroffen. „Liebes Mädel“, begann Alice. „Du sorgst dich mal wieder viel zu sehr um die anderen. Du solltest mehr Rücksicht auf dich selbst nehmen. Siehst nämlich auch nicht gerade blendend aus.“

Danke auch, denke ich, sage aber: „Passt schon bei mir. Aber was meinst du nun zu meinem Kollegen?“ „Hmm, der sollte mal einen Arzt aufsuchen, denk ich. Es ist schwer, nur aufgrund deiner Beschreibung eine Diagnose zu stellen.“ Alice ist selbst Ärztin, falls ich das vergessen habe, zu erwähnen. Und so etwas wie meine Freundin.

„Und was macht ein Arzt mit ihm?“, frage ich. „Er wird ihm wohl Medikamente oder eine Therapie oder beides verschreiben.“, kommt als Antwort. Therapie? Weshalb zum Teufel sollte ich in eine Therapie? Nur, um jemandem zu erzählen, dass mich Kaffeeautomaten zu Tränen rühren? Oder Nikoläuse? Oder gutes Essen? Und um ihm zu sagen, dass die Welt hämisch tonnenschwer auf meinen Schultern hockt und herumgetragen werden will? Und was wird er mir darauf antworten?

„Meine Liebe, Sie spinnen! Macht dann 200 Euro.“ Hurra, und schließlich werde ich, weil ich pleite bin, endlich keine Depression mehr haben, weil mir nun nur noch Sorgen um meine Existenz machen muss, nicht mehr um die ganze Welt.

„Alles klar?“ Alice. „Ähem, ja, hab mir nur überlegt, wie ich ihm das am besten beibringen soll. So, dass er nichts missversteht.“ „Ja, das ist meistens ziemlich schwierig. Psychische Probleme werden heute oft noch tabuisiert. Du kannst ihn aber sonst gerne mal unverbindlich zu mir schicken.“