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BLITZHOCHZEIT MIT DEM MILLIARDÄR von JENNIE LUCAS „Natürlich ist es dein Kind!” Eigentlich wollte Callie dem Ölbaron Eduardo Cruz nie die Folgen ihrer heißen Nacht gestehen. Jetzt hört sie, was Eduardo arrogant vorschlägt: Sie soll sofort seine Frau werden. Damit das Kind seinen Namen trägt – oder verfolgt er einen anderen Plan? IN DEN ARMEN DES TYCOONS von OLIVIA GATES „Was willst du hier?“ Caliope starrt Maksim verwirrt an. Ein Jahr, nachdem der attraktive Tycoon sie verlassen hat, steht er plötzlich vor ihrer Tür und bittet um Verzeihung. Und sie begehrt ihn noch immer! Doch dann überrascht Maksim sie mit einer schlimmen Nachricht … EISKALTE GESCHÄFTE, HEISSES VERLANGEN von MICHELLE CELMER Nichts kann Nathan Everettes Aufstieg an die Spitze von Western Oil stoppen. Außer dem unerwarteten Auftauchen von Ana. Verführerisch steht sie vor ihm – mit einem Baby im Arm, das das Geburtsmal der Everettes trägt! Nathan muss sich entscheiden: Karriere oder Liebe?
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Seitenzahl: 610
Jennie Lucas, Olivia Gates, Michelle Celmer
BACCARA WEEKEND BAND 36
IMPRESSUM
BACCARA WEEKEND erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe BACCARA WEEKEND, Band 36
© 2012 by Jennie Lucas Originaltitel: „To Love, Honour and Betray“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anke Brockmeyer Deutsche Erstausgabe 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 2106
© 2013 by Olivia Gates Originaltitel: „Claiming His Own“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Nicola Kind Deutsche Erstausgabe 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1905
© 2011 by Michelle Celmer Originaltitel: „A Clandestine Corporate Affair“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sarah Heidelberger Deutsche Erstausgabe 2012 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1738
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751527453
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Schon als kleines Mädchen hatte Callie Woodville von ihrer Hochzeit geträumt.
Mit sieben Jahren hatte sie sich ein großes weißes Handtuch um den Kopf geschlungen und war hoch erhobenen Hauptes durch die Scheune ihres Vaters geschritten. An den Seiten saßen ihre Teddybären als Gäste, ihre kleine Schwester krabbelte hinter ihr her und warf Blumen aus einem Korb.
Zum Abschlussball ging sie mit ihrem einzigen Freund, einem Außenseiter von der Nachbarfarm. Doch all die Zeit träumte sie von dem gut aussehenden, dunkelhaarigen Mann, mit dem sie die große Liebe erleben würde. Sie wusste, dass er irgendwo auf der Welt auf sie wartete und sie mit seinem Kuss aus dem Dornröschenschlaf wecken würde.
Und als sie vierundzwanzig war, trat ihr Märchenprinz tatsächlich in ihr Leben.
Ihr Chef, ein skrupelloser Millionär, hatte sie wach geküsst. Ihm hatte sie ihre Unschuld geschenkt und ihr Herz, und eine magische, leidenschaftliche Nacht lang war ihr Traum mitten in New York Wirklichkeit geworden. Als sie am Weihnachtsmorgen in seinen Armen erwachte, glaubte sie, vor Glück sterben zu müssen. Eine Nacht lang war die Welt ein verzauberter Ort, an dem alle Wünsche wahr wurden, solange man ein reines Herz hatte.
Eine märchenhafte Nacht, die ihr schließlich das Herz gebrochen hatte.
Jetzt, achteinhalb Monate später, saß Callie auf der überdachten Veranda ihrer Wohnung und blickte auf die schattige kleine Straße im West Village hinunter. Die Wohnung war bereits leer geräumt und wirkte beinah gespenstisch, deshalb hatte Callie beschlossen, auf der Veranda zu warten.
Heute war ihr Hochzeitstag. Der Tag, von dem sie ihr Leben lang geträumt hatte. Doch sie hatte sich nie ausgemalt, dass er so sein würde.
Callie betrachtete ihr Brautkleid, das sie gebraucht gekauft hatte, und blickte hinunter auf den verwelkenden Brautstrauß aus Wiesenblumen, die sie im nahen Park selbst gepflückt hatte. Statt eines Schleiers trug sie mit Strass besetzte Spangen, die ihr langes goldbraunes Haar zurückhielten.
In wenigen Minuten würde sie ihren besten Freund heiraten. Einen Mann, den sie noch niemals geküsst hatte – und den zu küssen sie auch kein Bedürfnis verspürte. Einen Mann, der nicht der Vater ihres Babys war.
Sobald Brandon mit dem Mietwagen zurückkehrte, würden sie zum Standesamt fahren und sich dort trauen lassen, dann wollten sie zu einer langen Reise von New York bis in ihren gemeinsamen Heimatort in North Dakota aufbrechen.
Callie schloss die Augen. Es ist das Beste für das Baby, sagte sie sich verzweifelt. Das Kind brauchte einen Vater, und ihr ehemaliger Chef war ein selbstsüchtiger, eiskalter Playboy, den nur seine Bankkonten interessierten. Nach drei Jahren als seine Sekretärin hatte sie das genau gewusst, und trotzdem war sie dumm genug gewesen, auf ihn hereinzufallen.
In diesem Moment bog ein Auto aus der Seventh Avenue in ihre Straße ein. Einen ähnlichen Wagen fuhr auch Eduardo. Callie sah die dunkle Luxuslimousine vorbeifahren und atmete durch. Dennoch erschauerte sie, als sich eine Wolke vor die Mittagssonne schob. Wenn ihr ehemaliger Boss herausfand, dass ihre leidenschaftliche Nacht Folgen gehabt hatte …
„Das wird er nicht“, flüsterte Callie. Außerdem war er, wie sie gehört hatte, in Kolumbien, wo gerade neue Erdölplattformen vor der Küste entstanden, um für seine Gesellschaft das schwarze Gold zu fördern. Nachdem Eduardo eine Frau ins Bett bekommen hatte, existierte sie für ihn nicht mehr. Und obwohl Callie als seine Sekretärin immer wieder erlebt hatte, wie er seine Liebschaften abservierte, hatte sie geglaubt, bei ihr wäre es etwas anderes und sie wäre die große Ausnahme.
Verschwinde, Callie. Verschlafen, selig und nackt war sie aufgewacht, weil er sie unsanft geschüttelt hatte. Verlass mein Haus. Ich will dich nicht mehr sehen. Seine Stimme hatte hart geklungen, unnachgiebig.
Bis heute bohrten sich seine Worte wie ein Eiszapfen in ihr Herz. Seufzend legte Callie die Hände auf ihren Babybauch. Niemals würde Eduardo erfahren, dass er ein neues Leben gezeugt hatte. Er hatte seine Wahl getroffen. Und sie ihre ebenfalls. Er würde keine Chance haben, als Vater ebenso tyrannisch zu sein wie als Chef. Ihr Kind sollte in einer intakten, liebevollen Familie aufwachsen. Brandon, ihr Kamerad seit Kindertagen, würde der beste Vater der Welt sein.
Zunächst hatte sie daran gezweifelt, dass eine Ehe funktionieren konnte, die auf Freundschaft beruhte. Doch Brandon hatte sie überzeugt, dass sie für eine funktionierende Partnerschaft keine Romantik oder glühende Leidenschaft brauchten. „Wir werden glücklich sein, Callie“, hatte er versprochen. „Sehr glücklich.“ Und in den vergangenen Monaten war er so fürsorglich und liebevoll gewesen, dass sie schließlich zugestimmt hatte.
Als Callie sich an die Brüstung lehnte und ihr Gepäck betrachtete, fiel ihr Blick auf die kleine Louis-Vuitton-Tasche. Es war ein Weihnachtsgeschenk von Eduardo gewesen. Das war doch nicht nötig, hatte sie mit Tränen in den Augen gesagt und sich gefreut, weil er ihren sehnsuchtsvollen Blick ins Schaufenster damals wahrgenommen hatte. Ich weiß engagierte Mitarbeiter zu schätzen, Callie, hatte Eduardo geantwortet. Eine Frau wie dich trifft man nur einmal im Leben.
Callie kniff die Augen zusammen und zwang sich, den Blick abzuwenden. Kühl fielen die Regentropfen ihr ins Gesicht. Mit Eduardo war sie fertig. Mit New York auch. Mit allem, das sie jemals geliebt hatte.
Außer dem Baby.
Ein Donnergrollen mischte sich in die Geräusche des Verkehrs und der Polizeisirenen, die von der Seventh Avenue heraufschollen. Wieder bog ein Wagen in die kleine Straße ein. Sie hörte, wie er anhielt und eine Tür zugeschlagen wurde. Anscheinend war Brandon mit dem Mietwagen zurück. Der Zeitpunkt ihrer Trauung war gekommen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und öffnete die Augen.
Eduardo Cruz stand neben seinem Mercedes, kraftvoll und breitschultrig, in einem perfekt sitzenden schwarzen Anzug.
Das Blut wich aus ihrem Gesicht.
„Eduardo“, begann sie und wollte schon aufstehen, aber dann hielt sie in der Bewegung inne. Vielleicht konnte er so ihren Bauch nicht sehen. Sie betete darum, dass es so war. Stattdessen schlang sie die Arme um die Knie und fragte stockend: „Was … tust du hier?“
Wortlos trat Eduardo auf den Gehweg. Seine Bewegungen hatten die Geschmeidigkeit eines Kriegers aus der Antike, dennoch meinte sie, jeder seiner Schritte würde ein Erdbeben auslösen.
„Die Frage ist, was tust du, Callie?“, sagte er schließlich mit blitzenden Augen.
Seine Stimme war tief und wohltönend, nur ein leichter Akzent verriet seine spanische Herkunft. Callie war schockiert. Sie hatte geglaubt, ihn niemals wiedersehen zu müssen – außerhalb ihrer Träume zumindest.
Energisch hob sie den Kopf. „Wonach sieht es denn aus?“ Mit dem Daumen zeigte sie auf das Gepäck. „Ich ziehe um.“ Unweigerlich zitterte ihre Stimme, und Callie hasste Eduardo dafür, so wie sie ihn für vieles andere hasste. „Du hast gewonnen.“
„Gewonnen?“, wiederholte er schroff und kam näher. „Eine seltsame Anschuldigung.“
Unter seinem Blick erschauerte sie, dann stieg eine unerträgliche Hitze in ihr auf. Nervös sah Callie zu ihm auf. „Wie würdest du es denn nennen? Du hast mich gefeuert und sichergestellt, dass mich keine andere Firma in New York mehr nimmt.“
„Ach ja?“, meinte er kühl. „Soll McLinn doch für dich sorgen. Schließlich bist du bald seine Frau.“
„Du weißt von Brandon?“, wisperte sie. Wenn er über ihre bevorstehende Hochzeit informiert war, dann vielleicht auch über ihre Schwangerschaft. „Woher?“
„Von ihm selbst.“ Eduardo lachte bitter. „Ich habe ihn kennengelernt.“
„Wann? Wo?“
Kalt sah er sie an. „Warum interessiert dich das?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Seid ihr euch zufällig begegnet?“
„Du kannst es Zufall nennen.“ Seine gedehnte Aussprache strafte die Gleichgültigkeit in seinem Blick Lügen. Er musterte das elegante Stadthaus, in dem Callie bisher gewohnt hatte. „Ich war hier und musste überrascht feststellen, dass du mit einem Mann zusammenlebst.“
„Das ist nicht …“
„Nicht was?“
„Egal“, murmelte sie.
Eduardo trat näher. „Sag schon“, forderte er sie kühl auf, „hat es McLinn gefallen? Hat er es genossen, in einer Wohnung zu leben, die ich meiner geschätzten Sekretärin als Anerkennung für ihre Arbeit überlassen habe?“
Sie schluckte. Noch vor einem Jahr hatte sie in einem billigen Apartment in Staten Island gewohnt. Nur so war es ihr möglich gewesen, den Großteil ihres Gehalts an ihre Familie zu schicken. Eines Tages hatte Eduardo sie mit dieser Wohnung hier überrascht, für die er die Miete für ein Jahr im Voraus gezahlt hatte und die nicht weit entfernt von seinem Haus lag.
„Was hast du mir noch zu sagen?“ Stirnrunzelnd sah Callie ihn an. Die ganze Woche schon hatte sie Umzugskisten gepackt, von allen Fluggesellschaften die Information erhalten, dass sie in ihrem Zustand nicht mehr fliegen dürfe, und mit Mietwagenfirmen verhandelt. „Ich weiß nichts davon, dass du hier warst. Wann soll das gewesen sein?“
„Nun, du hast noch geschlafen“, erklärte Eduardo ungerührt.
Ihr schlug das Herz bis zum Hals.
„Oh“, sagte sie kleinlaut. Es konnte stimmen, denn sie schlief im Schlafzimmer, während Brandon auf der Couch übernachtete. „Das hat er nie erwähnt. Aber was wolltest du von mir?“
Ausdruckslos blickte Eduardo sie an, als wäre sie eine Fremde. Nein, schlimmer noch – als wäre sie ein hässlicher Käfer, den er im nächsten Moment mit seinem handgearbeiteten italienischen Lederschuh zertreten würde.
„Warum hast du mir nie von deiner Beziehung erzählt? Weshalb hast du mich angelogen?“, fragte er.
„Das habe ich nicht.“
„Du hast mir diesen Mann verschwiegen. Gleich am Tag nach deinem Einzug hast du ihn nachkommen lassen, ohne ihn mit einer Silbe zu erwähnen. Du wusstest genau, dass ich deine Ergebenheit und Loyalität mir gegenüber sonst infrage gestellt hätte.“
Fassungslos sah Callie ihn an, dann ließ sie die Schultern sinken. „Ich hatte Angst, es dir zu erzählen.“ Sie schluckte.
Er presste die Lippen zusammen. „Also hast du mich lieber angelogen.“
„Ich habe ihm nie angeboten hierherzukommen. Er … hat mich einfach überrascht, weil er Sehnsucht nach mir hatte.“
Callie hatte Brandon in North Dakota angerufen, um ihm von dem großzügigen Geschenk ihres Chefs zu erzählen, und schon am nächsten Tag hatte er vor ihrer Tür gestanden und gesagt, er würde sich Sorgen um sie machen, so ganz allein in der Großstadt. „Eigentlich wollte er sich eine eigene Wohnung suchen, aber er hat keinen Job gefunden …“
„Genau“, fiel Eduardo ihr spöttisch ins Wort. „Ein echter Mann findet immer eine Arbeit, um seine Frau zu ernähren. Er lebt nicht auf ihre Kosten.“
„So ist er nicht“, fuhr sie auf. Die ganze Schwangerschaft über hatte Brandon für sie gekocht, ihre geschwollenen Füße massiert, wenn sie von der Arbeit kam, geputzt, sie zum Arzt begleitet. All die Dinge, von denen sie sich gewünscht hätte, der eigentliche Vater des Babys würde sie übernehmen. Aber natürlich nicht Eduardo! Finster starrte sie ihn an. „Vielleicht ist dir das noch nie aufgefallen, aber es gibt nicht viele Jobs in New York für Farmer.“
„Und warum seid ihr dann in New York geblieben?“
Mittlerweile hatte es leicht zu regnen begonnen, doch Callie nahm es kaum wahr. „Ich wollte bleiben. Und ich hatte gehofft, wieder Arbeit zu finden.“
„Nun, jetzt hast du eine. Als Frau eines Farmers.“
„Was willst du von mir? Bist du nur gekommen, um mich zu beleidigen?“
„Oh, habe ich das noch gar nicht erwähnt?“ Seine Augen wirkten fast schwarz und funkelten kalt. „Deine Schwester hat mich heute Morgen angerufen.“
Callie erschauerte. „Sami … hat dich angerufen?“ Ihr Telefonat mit ihrer Schwester hatte gestern ein abruptes Ende gefunden. Doch Sami würde sie nie hintergehen. Niemals … oder? Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Und was wollte sie von dir?“
„Sie hat mir zwei interessante Dinge erzählt, die ich kaum glauben konnte.“ Eduardo trat noch einen Schritt näher. „Aber zumindest eine Sache ist wahr“, fuhr er sanft fort. „Du heiratest heute.“
Callie begann zu zittern. „Na und?“
„Also gibst du es zu?“
„Ich trage ein Brautkleid. Also kann ich es kaum abstreiten. Aber was geht es dich an?“ Ihre Lippen bebten, sodass ihr Versuch, spöttisch zu lächeln, misslang. „Bist du sauer, weil du nicht eingeladen bist?“
„Du klingst nervös.“ Langsam schritt er über die Veranda und blieb dann stehen. „Gibt es etwas, das du mir verheimlichen willst, Callie?“ Wieder kam er näher. „Eine weitere Lüge?“
Ihr ganzer Körper wurde von einer unerträglichen Anspannung ergriffen, ihr Bauch verhärtete sich. Das ist nur Nervosität, sagte sie sich. In der vergangenen Woche war sie ins Krankenhaus gefahren, weil sie geglaubt hatte, die Geburt würde beginnen. Doch dort hatte man ihr erklärt, dass der Körper die Wehen manchmal schon vorab üben würde, und sie wieder nach Hause geschickt. Beruhigend strich sie sich mit der Hand über den Bauch, aber der Schmerz blieb.
„Was sollte ich verheimlichen wollen?“, gab sie zurück, während sie sich mit der anderen Hand den Rücken hielt.
„Du bist eine Lügnerin, Callie.“ Die Sonne brach durch die Wolken und tauchte sein attraktives Gesicht in goldenes Licht. Dunkel zeichneten sich die markanten Wangenknochen ab. „Aber wie weit würdest du gehen?“
Ihre Finger waren wie taub, sie konnte kaum mehr den Brautstrauß festhalten. „Bitte“, flüsterte Callie und umklammerte die Blumen, „mach mir nicht alles kaputt.“
„Was genau meinst du?“
Ihre Zähne schlugen aufeinander. „Mein …“ Mein Leben. Das Leben meines Babys. „Meine Hochzeit.“
„Ach ja, deine Hochzeit. Davon hast du immer geträumt, stimmt’s?“ Eduardo sah auf sie herunter. „Ist alles so, wie du es dir vorgestellt hast?“
Schmerzlich wurde ihr bewusst, dass das Hochzeitskleid getragen und zu groß für sie war, dass sie ein Mieder aus billiger Kunstfaser statt aus Seide trug, und ihr Blick fiel auf die beiden schäbigen Koffer. „Allerdings“, brachte sie hervor.
„Wo ist deine Familie? Und deine Freunde?“
„Wir heiraten im Rathaus.“ Entschlossen hob sie den Kopf und bekämpfte das Bedürfnis zu weinen. „Niemand weiß von der Hochzeit. Wir fanden es so am romantischsten.“
„Oh. Na klar.“ Eduardo lächelte, und seine weißen Zähne blitzten. „Hauptsache, ihr macht eine schöne Hochzeitsreise.“
Hochzeitsreise? Sie hatten geplant, ihre Fahrt bei einem Cousin von Brandon in Wisconsin zu unterbrechen und dort auf einem alten Schlafsofa zu übernachten. Leidenschaft existierte nicht zwischen ihnen – Brandon war für Callie wie ein Bruder. Doch sie konnte Eduardo wohl kaum eingestehen, dass es nur einen Mann auf der Welt gab, nach dem sie sich verzehrte: jenen Mann, der sie gerade so feindselig ansah. „Meine Flitterwochen gehen dich nichts an.“
Verächtlich schnaufte er. „Vermutlich ist für dich alles romantisch, was mit Brandon McLinn zu tun hat. Selbst ein geschmackloses Kleid und ein Strauß aus Unkraut. Er war immer der Mann deiner Träume, stimmt’s? Obwohl er nicht mal auf eigenen Füßen stehen kann. Du liebst ihn tatsächlich“, höhnte er, „obwohl man ihn kaum einen echten Kerl nennen kann.“
Callie biss die Zähne zusammen. Spontan wollte sie aufspringen, aber dann fiel ihr ein, dass Eduardo auf keinen Fall ihren Bauch sehen durfte. Wütend funkelte sie ihn an. „Es spielt keine Rolle, ob er arm ist oder reich – Brandon steht seinen Mann mehr als du.“
Seine Augen glühten förmlich. „Steh auf“, befahl er kalt.
„Was?“
„Deine Schwester hat mir zwei Dinge erzählt. Das erste stimmt.“ Träge tropfte der Regen von den Bäumen. „Steh auf.“
Sie atmete tief ein. „Vergiss es! Ich bin nicht mehr deine Sekretärin, und ich bin nicht deine Geliebte. Du hast kein Recht, mir Befehle zu erteilen. Wenn du mich nicht in Ruhe lässt, rufe ich die Polizei.“
Seine Augen funkelten, als Eduardo näher kam. Schließlich stand er so dicht vor ihr, dass er mit dem Bein ihr Knie berührte. Er beugte sich vor. „Bist du schwanger? Bekommst du ein Kind von mir?“
Fassungslos starrte Callie ihn an. Er wusste es.
Ihre Schwester hatte sie hintergangen.
Natürlich hatte sie gewusst, dass Sami sauer auf sie war, doch das hätte sie ihr niemals zugetraut. Gestern hatte ihre Schwester sie angerufen, um ihr eine gute Reise zu wünschen. Und plötzlich, als sie die vertraute, geliebte Stimme hörte, brach alles aus Callie heraus. Sie erzählte Sami, dass sie Brandon heiraten würde, weil sie ein Kind von ihrem Chef erwartete. Diese war entsetzt gewesen.
Du kannst das von Brandon nicht verlangen. Es ist nicht sein Kind!
Sami, du verstehst nicht …
Sei still! Selbst wenn dein Chef ein Schuft ist, hat er ein Recht, zu erfahren, dass er Vater wird. Ich werde nicht zulassen, dass du so viele Leben ruinierst.
Die Reaktion ihrer Schwester hatte Callie schockiert, doch niemals hätte sie gedacht, dass diese ihre Drohung wahr machen würde. Sami hatte sie, die große Schwester, immer angehimmelt. Jahrelang war sie Brandon und ihr auf Schritt und Tritt gefolgt, sie waren die Helden ihrer Kindheit gewesen. Und deshalb war Callie sicher gewesen, dass ihre kleine Schwester ihr auch jetzt noch treu ergeben war.
Doch sie hatte sich geirrt.
„Stimmt es?“, hakte Eduardo nach.
Wieder zog sich Callies Bauch schmerzhaft zusammen. Sie versuchte, die Wehe wegzuatmen, wie sie es gelernt hatte, doch erfolglos. Die Krämpfe wurden schlimmer.
„Du musst nicht antworten“, fuhr Eduardo fort. „Ich würde dir sowieso nicht glauben. Aber dein Körper …“ Langsam strich er ihr über die Wange, was sie elektrisierte. „Dein Körper verrät mir die Wahrheit.“
Wortlos nahm er ihr die Wiesenblumen aus der Hand, und sie wehrte sich nicht. Vorsichtig zog er sie hoch.
Dann stand sie vor ihm, schutzlos, zitternd und hochschwanger, in einem hässlichen Brautkleid. Sie schloss die Augen und hoffte, der Boden möge sich unter ihr auftun.
„Es stimmt also“, sagte Eduardo „Wer ist der Vater?“
Callie öffnete die Augen wieder. „Was?“
„Ist es mein Kind? Oder McLinns?“
„Was für eine Frage!“ Sie errötete. „Du weißt, dass du der erste Mann in meinem Leben warst, als wir …“
„Das habe ich geglaubt, ja. Später war ich da nicht mehr so sicher.“ Prüfend musterte er sie. „Vielleicht hast du dich eigentlich für die Hochzeit aufgespart und bist deshalb gleich in der nächsten Nacht zu deinem Verlobten ins Bett gesprungen. Weil du ein schlechtes Gewissen hattest. Oder weil du fürchtetest, schwanger zu sein.“
„Wie kannst du so etwas sagen?“, brachte sie hervor. „Traust du mir so etwas Niederträchtiges wirklich zu?“
„Ist es mein Kind oder McLinns?“ Sein Blick war eisig. „Oder weißt du es nicht?“
Ihr Herz zog sich zusammen.
„Warum tust du mir so weh?“ Sie schüttelte den Kopf. „Brandon ist ein guter Freund. Mehr nicht.“
„Du lebst seit einem Jahr mit ihm zusammen. Denkst du, ich glaube dir, dass er die ganze Zeit auf der Couch geschlafen hat?“
„Wir haben uns abgewechselt.“
„Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Er heiratet dich!“
„Aus Nettigkeit. Sonst nichts.“
Eduardo lachte auf. „Por supuesto.“ Kopfschüttelnd verschränkte er die Arme vor der Brust. „Genau das ist der Grund, aus dem Männer heiraten. Aus Nettigkeit.“
Sie trat einen Schritt zurück. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Meine Eltern wissen nicht, dass ich schwanger bin. Sie glauben, ich habe die Jobsuche aufgegeben und kehre nach Hause zurück.“ Mit brennendem Blick sah sie ihn an. „Ich kann nicht als ledige Mutter zurückgehen. Meine Eltern würden es nicht ertragen. Und Brandon ist der beste Mann der Welt. Er …“
„Das interessiert mich nicht. Ich will nur eins wissen. Ist. Das. Baby. Von. Mir.“
Callie atmete tief durch. „Bitte nicht“, flehte sie. Sie hasste den bettelnden Unterton in ihrer Stimme, doch sie konnte es nicht ändern. „Verlang nicht von mir, dass ich diese Frage beantworte. Gib mir die Chance auf eine Familie. Lass mich der Kleinen ein Zuhause geben.“
„Es wird ein Mädchen?“
Sie hätte sich ohrfeigen können. Widerstrebend blickte sie auf. „Ja.“
„Ein Mädchen“, wiederholte Eduardo.
„Ist doch egal. Du wolltest mich nicht, daran hast du keinen Zweifel gelassen. Das Kind geht dich nichts an, ebenso wenig wie ich. Vergiss es einfach.“
„Bist du verrückt?“ Hart packte er sie an den Schultern. „Du glaubst doch nicht, ich lasse zu, dass ein anderer Mann mein Kind aufzieht.“ Finster betrachtete er sie. „Wann genau ist der Geburtstermin?“
In der Ferne grollte Donner. Callie fühlte sich, als würde sie an einem Abgrund stehen. Der nächste Schritt würde alles entscheiden.
Wenn sie Eduardo die Wahrheit sagte, würde ihre Tochter niemals die idyllische Kindheit erleben, die sie selbst gehabt hatte. In der Sicherheit einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kannte, umgeben von grenzenloser Natur. Ihr Kind würde mit Eltern aufwachsen, die sich hassten, und einen Vater ertragen, der tyrannisch und selbstsüchtig war.
Wenn ich nur wirklich so eine gute Lügnerin wäre, wie er glaubt, dachte Callie verzweifelt. Wenn sie es nur übers Herz bringen würde, ihm ein falsches Datum zu nennen, damit er annehmen konnte, Brandon sei der Vater!
Doch das schaffte sie nicht. „Am 17.September“, flüsterte sie traurig.
Eduardo starrte sie an. Dann verstärkte er den Griff um ihre Schultern. „Wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass McLinn der Vater ist, sag es mir jetzt“, stieß er hervor. „Vor dem Vaterschaftstest. Wenn du lügst – oder dich auch nur geirrt hast – werde ich dein Leben zerstören. Und auch das von McLinn.“
Verzweifelt sah Callie ihn an. Er war erbarmungslos, das wusste sie. Drei Jahre lang hatte sie mitbekommen, wie rücksichtslos er als Chef eines riesigen Imperiums war. Und schließlich hatte sie es selbst erlebt. „Ich hatte auch nichts anderes von dir erwartet“, sagte sie.
„Ich werde dir alles nehmen, was dir wichtig ist. Ich denke, wir verstehen uns. Also überleg dir genau, was du sagst. Bin ich der …?“
„Natürlich bist du der Vater“, schrie sie. „Du bist der einzige Mann, mit dem ich jemals geschlafen habe.“
Erschüttert wich Eduardo zurück. „Bis heute? Erwartest du wirklich, dass ich das glaube?“
„Warum sollte ich lügen? Denkst du, ich finde es gut, dass du der Vater bist?“, fragte sie. „Ich wünschte von Herzen, es wäre Brandon. Er ist der einzige Mann, dem ich vertraue, der beste Mann der Welt! Nicht so ein selbstsüchtiger, nur am Geschäft interessierter Playboy, der niemandem traut, keine Freunde hat …“
Als er den Griff um ihre Schultern weiter verstärkte, verstummte sie. „Du hattest niemals vor, mir von dem Baby zu erzählen, stimmt’s?“, meinte er trügerisch sanft. „Du wolltest es mir vorenthalten und einen anderen Mann zu seinem Vater machen. Ich hätte nichts von der Existenz dieses Kindes erfahren.“
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, dennoch hielt sie seinem Blick stand. „Das stimmt. Die Kleine wäre ohne dich besser dran.“
Eduardo schluckte, dann rang er sich ein Lächeln ab. „Das“, sagte er, und seine Augen funkelten, „ist die größte Lüge von allen.“
Wie zwei erbitterte Feinde standen sie sich gegenüber. In der Stille, die nun herrschte, hörte Callie das leise Rauschen des Regens in den Baumkronen und wusste, dass Eduardo recht hatte.
Acht Monate lang hatte sie sich eingeredet, dass er auf keinen Fall ein Baby wollte. Sein Junggesellendasein und die Arbeit bis tief in die Nacht ließen sich nicht mit einem Kind vereinbaren. Er würde ein entsetzlicher Vater sein, und deshalb war ihre Entscheidung die einzig richtige. Doch all die Zeit hatte sie in ihrem tiefsten Innern gewusst, dass das so nicht stimmte. Eduardo Cruz war selbst ein Waisenjunge, und er würde niemals ein eigenes Kind hergeben.
Nur die Mutter des Kindes würde ihm vollkommen gleichgültig sein.
Und genau das machte ihr Angst. Mit seinem Einfluss und seinem Geld würde Eduardo Cruz es mühelos schaffen, das alleinige Sorgerecht für sein Kind zu bekommen.
Forschend betrachtete er sie. „Du hättest es mir sofort sagen müssen.“
Ihr Herz war schwer. Callie fühlte sich schuldig, und gleichzeitig spürte sie, dass sie noch immer nicht über ihn hinweg war. „Wie hätte ich das machen sollen? Du hast mich rausgeworfen“, erinnerte sie ihn.
Eduardo presste die Lippen zusammen. Dann plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er streckte die Hand aus und strich ihr über die Wange. Ihre Haut prickelte bei der Berührung, und unvermittelt empfand Callie ein unwiderstehliches Verlangen. Alles in ihr sehnte sich danach, ihm nahe zu sein.
„Das wird Folgen für dich haben, querida“, sagte er tonlos. „Ganz gewiss.“
Atemlos sah sie zu ihm auf, wie gefangen von der Kraft seines Blickes. Erst als sie einen kleinen Wagen um die Ecke kommen sah, riss sie sich los. Die Kavallerie erschien, um sie zu retten. Erleichtert seufzte sie auf. „Brandon!“
Eduardo fuhr herum. Leise sagte er etwas auf Spanisch. Den Ausdruck benutzte er sonst nur, wenn ein Geschäft nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Energisch umfasste er ihren Arm und nahm ihre Handtasche. „Komm mit.“
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie in seinen Wagen gezerrt. „Fahren Sie los“, befahl er dem Chauffeur.
Verzweifelt versuchte sie, sich aus seinem eisernen Griff zu befreien. „Lass mich sofort los.“
Unbeirrt stieg er ein und beugte sich mit funkelnden Augen über sie. „Du wirst keine zweite Chance bekommen, mein Baby vor mir zu verstecken.“
Callie nahm den würzigen Duft seines Aftershaves wahr. Seine Nähe, der Druck seiner Schenkel an ihren überwältigten sie. All die Jahre, als sie für ihn arbeitete, hatte sie davon geträumt und leider auch noch in den Monaten, nachdem er sie gefeuert hatte. Sein Gesicht war direkt vor ihrem.
Eduardo schlug die Tür zu. „Geben Sie Gas“, sagte er knapp.
„Nein!“ Mit äußerster Kraft wand sie sich in dem Sitz und erhaschte einen Blick aus dem Rückfenster. Brandon stand neben dem kleinen Mietwagen, die Hand noch am Griff der Autotür, und blickte ihr fassungslos nach. Neben ihm standen die beiden alten Koffer.
Dann fuhr der Wagen um die Kurve, und Brandon war verschwunden.
Ein heißer Schmerz durchzuckte Callie. „Bring mich zurück. Bitte“, wandte sie sich an Eduardo.
Sein Blick war gnadenlos. „Nein.“
„Du hast mich entführt.“
„Nenn es, wie du willst.“
„Du kannst mich nicht gegen meinen Willen mitnehmen.“
„Ach nein?“, erwiderte er sanft.
Der Ausdruck seiner Augen ließ sie erschauern. Als wäre er gelangweilt, drehte Eduardo sich um, doch sie bemerkte den angespannten Zug um seinen Mund. „Du wirst bei mir bleiben, bis wir entschieden haben, was mit dem Baby geschieht“, erklärte er kühl.
„Also bin ich deine Gefangene?“
„Bis meine Rechte geklärt sind, ja.“
„Du denkst immer noch, ich sei eine Lügnerin“, stellte Callie bitter fest.
„Nicht, was das Kind betrifft. Aber wer weiß, was du mir noch alles verschweigst, meine perfekte, loyale Assistentin.“
Sie legte sich die Hände auf den Bauch, der sich hart und verkrampft anfühlte unter dem billigen Stoff des Brautkleids. „Was weißt du schon von Loyalität? Du warst niemals jemandem treu ergeben außer dir selbst.“
„Doch. Dir, Callie“, widersprach Eduardo leise. „Ein einziges Mal.“
Während sie in seine unergründlichen dunklen Augen sah, erinnerte sie sich an die unbeschwerten Tage, die sie zusammen verbracht hatten. Im Büro, in der Sushibar an der Ecke, in seinem Privatjet.
„Ich hatte tatsächlich geglaubt, du wärst es wert.“ Sein Tonfall wurde hart. „Aber ich habe meine Lektion gelernt.“
„Welche Lektion?“, rief Callie verzweifelt. „In dem Augenblick, als ich mit dir ins Bett gegangen bin, wurde ich von der treuen Assistentin zum One-Night-Stand. Wie konntest du mich so behandeln wie deine anderen kleinen Liebschaften, nach all dem, was wir zusammen durchgestanden hatten?“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, dennoch sah sie ihn direkt an. „Warum hast du mit mir geschlafen?“, flüsterte sie, und diese Frage kam von Herzen. „Hat es dich jemals interessiert, wie ich mich dabei gefühlt habe?“
Wortlos starrte er sie an.
„Die Gelegenheit war günstig“, sagte er schließlich rau, bevor er den Kopf abwandte. „Mehr nicht.“
Wie eine Klinge bohrten sich seine Worte erbarmungslos in ihr Herz. Sie hatte ihn hingebungsvoll geliebt, und in jener Nacht, in der sie ihm ihre Unschuld schenkte, hatte sie gedacht, ein Wunder wäre geschehen. Sie hatte tatsächlich geglaubt, er hätte sich in sie verliebt.
„Jede Frau in dieser Stadt glaubt, dich zähmen zu können“, stieß Callie kopfschüttelnd hervor. „Aber die Wahrheit ist, dass du nie lange genug bleibst, um jemanden wirklich kennenzulernen. Sobald du dein billiges kleines Vergnügen gehabt hast, gehst du.“
Eduardo betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen. Ganz langsam ließ er den Blick dann von ihren Lippen zu ihrem Hals und ihren Brüsten wandern.
„Es ist nicht klein, das kann ich dir versichern“, sagte er langsam. „Oder erinnerst du dich nicht mehr?“
Als ihre Blicke sich trafen, errötete Callie. Oh ja, sie erinnerte sich an jedes sinnliche Detail jener Nacht. Noch immer träumte sie davon, wenn sie allein in ihrem Bett lag. Davon, wie er ihren unberührten Körper gestreichelt hatte, wie er ihr sanft die Sachen ausgezogen und jeden Zentimeter ihrer Haut geküsst hatte. Es war ihm gelungen, sie vor Erregung laut aufschreien zu lassen, und als er sie mit seiner kraftstrotzenden Männlichkeit ausfüllte, hatte sie seinen Namen gerufen. Wieder und immer wieder.
Das würde sie niemals vergessen.
Eduardo ließ den Blick tiefer gleiten. Erschrocken stellte Callie fest, dass der Träger ihres Kleids hinuntergerutscht war und zu viel von ihrer in der Schwangerschaft üppig gewordenen Brust in dem schlichten weißen Baumwoll-BH freigab. Schnell zog sie ihn hoch. „Ich kann nicht glauben, dass ich dir jemals erlaubt habe, mich anzufassen.“
„Dich anzufassen?“ Seine Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. „Was für eine charmante Umschreibung. Du hast dich mir regelrecht in die Arme geworfen und es genossen. Aber nenn es ruhig anfassen, wenn es das für dich erträglicher macht.“
Empört holte sie tief Luft. „Du bist so ein …“
„Oh, ich bin überzeugt, dass du es später bereut hast.“ Er schüttelte den Kopf. „Unglaublich, dass er dich tatsächlich heiraten wollte, obwohl du von einem anderen Mann schwanger bist. Du musst ihm wirklich den Kopf verdreht haben.“
Plötzlich fühlte sie sich unbehaglich. „Er ist nicht in mich verliebt. Brandon ist mein bester Freund.“
„Und du musst dich wirklich mies gefühlt haben“, fuhr er fort, während er mit einer Strähne ihres Haars spielte. „Eine keusche, treue, langweilige Liebe aufs Spiel zu setzen für eine einzige heiße Nacht mit mir.“
Callie zuckte zurück. „Du bist so ein selbstsüchtiges …“
„Du willst wissen, warum ich dich genauso behandelt habe wie all die anderen? Ich werde es dir sagen.“ Ruhig sah er sie an. „Weil du nicht besser bist als sie.“
„Ich hasse dich.“
Kurz lachte er auf, doch seine Augen waren eiskalt. „Nun, dann sind wir uns zumindest in diesem Punkt einig.“
Seine Worte trafen sie so sehr, dass sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte. „Das Einzige, was ich wollte, war ein gutes Zuhause für mein Baby“, sagte sie leise. „Jetzt zerren eine Mutter und ein Vater, die sich abgrundtief hassen, beide an der Kleinen. Und die nicht einmal verheiratet sind. Ein uneheliches Kind …“
Seufzend sah sie zu ihm hinüber. „Sie wird sich immer fühlen, als sei sie nicht willkommen. Dabei ist es unsere Schuld, nicht ihre. Bitte, Eduardo, lass mich Brandon heiraten. Dem Baby zuliebe.“
Fassungslos blickte er sie an. Dann wandte er sich abrupt an den Fahrer und sagte etwas auf Spanisch zu ihm. Er sprach schnell und ohne Pause, ehe er sein Mobiltelefon aus der Tasche zog, eine Nummer wählte und wieder in seiner Muttersprache auf jemanden einredete.
Callie betete, dass er seine Meinung geändert haben möge und sie zurückbrachte. Mit klopfendem Herzen betrachtete sie sein Profil, sein markantes, attraktives Gesicht. Sie hatte ihn wirklich geliebt.
Als Eduardo sich zu ihr umwandte, leuchteten seine Augen. „Gute Neuigkeiten, querida. Du wirst heute noch heiraten.“
Erleichtert seufzte sie. „Du bringst mich zurück zu Brandon?“
Er lachte ungläubig. „Denkst du das wirklich?“
Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Aber du hast gesagt …“
„Du wirst noch heute heiraten“, wiederholte er mit einem Lächeln, das so eiskalt war wie ein Wintertag ihrer Kindheit auf der weiten Prärie. „Und zwar mich.“
Entsetzt sah Callie ihn an. Sie sollte Eduardo heiraten? Den Vater ihres Kindes? Ihren ehemaligen Chef? Einen Mann, den sie mehr verachtete als jeden anderen Menschen auf der Welt?
Nervös und schockiert zugleich fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. „Ich verstehe den Witz nicht.“
Er verzog die Lippen zu einem humorlosen Lächeln. „Das ist kein Witz.“
In einer hilflosen Geste hob sie die Arme. „Natürlich ist es das.“
Eduardo griff nach ihrer linken Hand und betrachtete den schmalen Verlobungsring mit dem winzigen Bergkristall darin. „Das, Callie, ist ein Witz.“
Zornig funkelte sie ihn an und versuchte, ihm die Hand zu entziehen. „Dieser Ring ist ein Zeichen der Treue. Kein Wunder, dass du ihn verachtest.“
„Du wirst einen echten bekommen.“
„Ich werde dich nicht heiraten.“
„Ach ja. Ich hatte deinen Hang zur Romantik vergessen. Natürlich muss ich dir erst einen Antrag machen“, sagte er spöttisch. Seine dunklen Augen funkelten, als er sich ihre Hand theatralisch ans Herz presste. Dann kniete er im Fußraum des Wagens vor ihr nieder. „Querida, meine Liebste, meine Einzige, wirst du mir die unendliche Ehre erweisen, meine Frau zu werden?“
Durch den Stoff spürte sie die Wärme seiner Haut, und ihr Herz schlug schneller – auch wenn sie den Spott in seinen Augen durchaus erkannte. Doch ihre Wut gewann die Überhand. Energisch befreite Callie sich aus seinem Griff. „Fahr zur Hölle.“
Ungerührt lehnte er sich in seinem Sitz zurück. „Ich schätze, das war ein Ja.“
Der Regen prasselte auf das Autodach, um sie herum herrschte dichter Verkehr. Der Himmel und die Straßen verschwammen miteinander in einem trostlosen Grau.
Callie begriff, dass Eduardo es ernst meinte.
Er wollte sie wirklich zu seiner Frau machen.
„Aber du … du willst doch gar nicht heiraten“, wandte sie stockend ein. „Das hast du immer wieder betont, bei jeder Frau. Es steht dir sozusagen auf der Stirn geschrieben.“
„Ich hatte immer vor, irgendwann zu heiraten – die Mutter meiner Kinder.“
„Schon, aber dabei hattest du immer eine Spanierin aus der Oberschicht im Hinterkopf.“
Fast unmerklich verzog er den Mund zu einem Lächeln. „Nun, die besten Pläne können scheitern“, meinte er leichthin. „Du bekommst ein Kind von mir. Also werde ich dich heiraten.“
Aus seinem Mund klang es, als wäre es eine Strafe für ihn. Callie hob das Kinn. „Vielen Dank“, erwiderte sie ironisch. „Ich bin gerührt. Noch vor fünf Minuten hast du mir nicht einmal geglaubt, dass du der Vater des Kindes bist. Und jetzt willst du mich heiraten?“
„Ich habe nie bezweifelt, dass du in diesem Punkt ehrlich bist, Callie. Denn es ist eine unbequeme Wahrheit für dich.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn an. „Gut, ich bekomme ein Kind von dir. Aber nichts auf der Welt wird mich dazu bringen, dich zu heiraten.“
„Noch vor ein paar Minuten warst du ganz verrückt danach zu heiraten.“
„Ja, Brandon“, gab sie zu. „Einen Mann, den ich bewundere. Und dem ich mein Leben anvertrauen würde.“
„Erspar mir das“, meinte Eduardo betont gelangweilt. „Liebe macht blind.“
„Er mag nicht so reich sein wie du“, fuhr sie unbeirrt fort. „Aber er ist auch nicht so herzlos wie du, und er wäre ein wundervoller Vater. Ein viel besserer als …“
Ein unerträglicher Schmerz durchzuckte sie.
„Ein viel besserer als ich?“, beendete Eduardo den Satz trügerisch sanft. „Ich bin also nicht gut genug. Und deshalb hast du dir das Recht herausgenommen, deinen Liebhaber zum Vater für das Kind zu machen.“
„Er ist nicht mein Liebhaber!“
„Vielleicht nicht körperlich. Aber du liebst ihn. Und deshalb wolltest du mir mein Kind nehmen. Und du nennst mich herzlos“, fügte er verächtlich hinzu.
Eine neue Woge des Schmerzes erfasste sie. Ihr Baby sollte erst in zweieinhalb Wochen kommen, aber das hier fühlte sich ganz anders an als die harmlosen Krämpfe vergangene Woche. Vollkommen anders.
War es möglich …?
Konnte es sein …?
Nein! Callie zwang sich, tief und ruhig durchzuatmen. Es war sechzehn Tage zu früh.
Um den Schmerz zu lindern, suchte sie nach einer bequemeren Position. „Du willst dieses Baby nicht aufziehen, und du willst mich nicht heiraten. Nur dein verdammter männlicher Stolz zwingt dich …“
„Mein männlicher Stolz.“ Eduardo lächelte bitter. „So nennst du es also.“
„Du willst mich nicht heiraten. Denk in Ruhe darüber nach.“
„Meinst du, das habe ich nicht? Glaubst du, ich weiß nicht, was es für ein Kind bedeutet, von seinen Eltern getrennt zu sein? Sich allein zu fühlen? Kein Zuhause zu haben?“
Callie presste die Lippen zusammen. Natürlich wusste er es. „Ich könnte dem Baby ein wundervolles Zuhause bieten“, begann sie hilflos.
„Das weiß ich.“ Ernst betrachtete er sie. „Und ich werde dieses Zuhause schaffen.“
Diesen Kampf konnte sie nicht gewinnen. Eduardo würde nicht nachgeben.
„Ich kann nicht deine Frau werden“, wiederholte sie.
„Warum nicht?“
„Weil ich dich nicht liebe.“
„Okay“, stieß er hervor. „Der heilige McLinn kann deine Liebe behalten. Ich nehme deinen Körper und dein Treuegelöbnis.“
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Du willst es wirklich, oder?“, flüsterte sie. Der Gedanke ließ sie erschauern. Trotz allem hatte sie jene leidenschaftliche Nacht nicht vergessen. Und sie hatte einen Traum. Einen romantischen Traum, in dem Eduardo sie in den Armen hielt und ihr sagte, es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, sie gehen zu lassen. Ich liebe dich, Callie. Komm zurück und bleib – für immer. „Für immer?“
Sein Lachen klang beinah brutal. „Bis dass der Tod uns scheidet? Nein. Ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens mit einer Frau, der ich nicht vertrauen kann, in der Hölle zu verbringen. Aber das Kind soll meinen Namen tragen.“
„Oh.“ Das änderte einiges. „Eine Vernunftehe?“
„Nenn es, wie du willst.“
„Für ein paar Wochen?“
„Sagen wir … drei Monate. Dann sieht es wenigstens wie eine echte Ehe aus.“
„Aber wo sollen wir leben? Ich habe meine Wohnung gekündigt, und du hast dein Haus verkauft, soweit ich weiß.“
„Ich habe ein anderes gekauft, in der Upper West Side.“
Prüfend sah Callie ihn an. „Es wird nicht funktionieren.“
„Oh doch.“
Sie atmete tief durch. Heiraten. Wäre es für das Baby wirklich das Beste? Oder würde das Zusammenleben sie nur noch mehr zermürben und ihren Hass aufeinander wachsen lassen?
„Wie wird diese Ehe enden?“, fragte Callie. „Mit einer hässlichen Scheidung, mit zerbrochenem Geschirr und Streitereien? Das würde keinem helfen, am wenigsten meinem Baby.“
„Unserem Baby“, verbesserte Eduardo sie. „Wir werden einen Vertrag aufsetzen, der das Ende unserer Ehe festlegt und alle Formalitäten regelt.“
„Wie armselig!“
„Nein, sondern zivilisiert und vernünftig.“
Drei Monate. Callie schluckte. Wie würde es sein, in Eduardos Haus zu leben? Auch wenn sie nicht mehr das unschuldige, naive Mädchen war, das sich in ihn verliebt hatte, konnte sie nicht verhindern, dass er noch immer Macht über sie ausübte. Sie wusste, dass er nicht gut für sie war, und gleichzeitig verzehrte sie sich nach ihm.
„Und wenn ich nicht will?“, gab sie zurück. „Wenn ich jetzt aussteige und mir ein Taxi nehme?“
Seine Züge verhärteten sich. „Wenn du wirklich so selbstsüchtig bist, das Wohl unseres Kindes aufs Spiel zu setzen, muss ich deine Fähigkeiten als Mutter vor Gericht anzweifeln lassen.“ Als sie protestieren wollte, schnitt er ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. „Ich habe die besten Anwälte der Stadt. Du wirst ein Verfahren nicht gewinnen.“
Erneut überkam eine Wehe sie. Callie musste die Augen schließen, um den Schmerz zu ertragen. „Du drohst mir?“, brachte sie hervor.
„Ich warne dich nur.“
„Wir sind da, Sir“, meldete sich der Chauffeur.
Callie öffnete die Augen und stellte fest, dass sie vor dem Standesamt gehalten hatten, wo sie Brandon heiraten wollte. Diese Situation war völlig verrückt! Aber sie hatte keine Wahl. Entweder wurde sie für drei Monate MrsEduardo Cruz, oder sie würde ihr Kind für immer verlieren.
„Und wie … werden wir das Sorgerecht regeln?“, fragte sie stockend.
„Wenn du bewiesen hast, dass dir deine Mutterpflichten wichtiger sind als ein nichtsnutziger Liebhaber, werden wir eine Lösung finden.“ Der Chauffeur ging um den Wagen herum und öffnete Eduardo die Tür. „Du hast dreißig Sekunden, um dich zu entscheiden“, sagte dieser kühl.
Am ganzen Körper bebend, sah sie ihn an, die Hände auf dem Bauch. Sie konnte die Bewegungen ihres Babys spüren und hatte nur den einen Wunsch – es zu beschützen. Verzweifelt fragte sie sich, was sie tun sollte. Sie fühlte sich in der Falle. „Du lässt mir keine Wahl.“
„Ich wusste, dass du vernünftig sein würdest“, erwiderte Eduardo siegessicher. Dann stieg er aus, wandte sich um und reichte ihr die Hand. „Komm, meine Braut.“
Eine Sekunde lang zögerte Callie, denn sie fürchtete sich vor den Folgen dieser Berührung. Doch er wartete, und so ließ sie sich schließlich aus dem Wagen helfen. Sein Griff war fest, und seine kräftigen Finger umschlossen ihre Hand. Als sie direkt vor ihm stand, blickte sie ihm ins Gesicht und dachte an das erste Mal, als er ihre Hand genommen hatte.
Callie Woodville? Damals hatte der große Chef von Cruz Oil seine Niederlassung in North Dakota besucht, und sie war als Büroleiterin vor Ort gewesen, um ihn zu begrüßen. Auch dort hatte er ihr die Hand entgegengestreckt, und in seinem maßgeschneiderten Anzug hatte er sehr weltgewandt auf sie gewirkt, groß, kräftig und sehr selbstbewusst.
Ich habe gehört, dass Sie das Sekretariat hier leiten und die Arbeit von vier Leuten gleichzeitig machen. Als er sie anlächelte, wirkte sein finsteres, attraktives Gesicht plötzlich viel freundlicher. Eine Assistentin wie Sie könnte ich in New York gebrauchen.
Sie hatte in seine dunklen Augen gesehen und verlegen seine Hand ergriffen. Und da war es passiert. Es hatte sie wie ein Blitz getroffen, genau wie sie es sich immer ersehnt hatte. Vom ersten Moment an war sie ihm verfallen.
Während Eduardo ihre Hand hielt, vergaß Callie die Menschen um sich herum, die durch die verregneten Straßen von New York eilten. Es gab nur noch sie beide. Wie den Mond und die Sonne. In Ewigkeit.
Sein Gesicht hatte sich im vergangenen Jahr verändert. Es waren nur winzige Details, vermutlich fiel es außer ihr niemandem auf. Doch Callie bemerkte den angespannten Zug um seinen Mund, die Fältchen in seinen Augenwinkeln, die sich vertieft hatten. Seine Züge wirkten wie gemeißelt. Er war jetzt sechsunddreißig und rücksichtsloser und kämpferischer als je zuvor. Seine Männlichkeit war nach wie vor atemberaubend.
Unwillkürlich erschauerte Callie. Die Gefahr war groß, wieder vollkommen unter seinen Einfluss zu geraten. Er war ein Mann, der absolute Hingabe erwartete, ohne etwas zurückzugeben.
Ohne den Blick abzuwenden, strich er ihr eine Strähne hinters Ohr. „Du wirst mir gehören, Callie. Mir allein.“
Callie bebte. Sie war verloren in seinem Blick. Verloren in seiner Berührung. Verloren in der Erinnerung an die Jahre, in denen sie für ihn gearbeitet und gelebt hatte. Nur für ihn.
Ein Räuspern hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Als sie sich umwandte, erkannte sie John Bleekman, Eduardos Anwalt.
„Hallo, Miss Woodville“, begrüßte er sie.
„Guten Tag.“ Sie fragte sich, was er hier wollte.
Bleekman wandte sich an Eduardo. „Ich habe es, Sir“, sagte er und deutete auf einen Umschlag, den er in der Hand hielt.
Eduardo nahm ihn entgegen, öffnete ihn, zog einige Papiere heraus und blätterte sie durch. „Gut.“ Dann überreichte er sie Callie. „Ich brauche deine Unterschrift.“
„Was ist das?“
„Unsere Sorgerechtsvereinbarung.“
„So schnell?“
„Ich habe Bleekman angewiesen, sie vorzubereiten, nachdem ich mit deiner Schwester telefoniert hatte.“
„Da wusstest du doch noch gar nicht, ob es stimmt – geschweige denn, dass du mich heiraten würdest.“
„Ich bin gern vorbereitet.“
„Natürlich.“ Sie schenkte ihm einen finsteren Blick. „Um sicherzugehen, dass du deinen Willen bekommst.“
„Um das Risiko möglichst gering zu halten.“ Ungerührt hielt er ihr seinen Füllfederhalter hin. „Unterschreib jetzt.“
Callie begann, den ersten Absatz zu lesen. Es würde mindestens eine Stunde dauern, alles durchzuarbeiten. Flüchtig überflog sie die Seiten und blieb schließlich an der Summe hängen, die er als Unterhaltszahlung für sie und das Kind vorgesehen hatte. „Spinnst du? Ich will dein Geld nicht.“
„Meine Tochter wird in einem sicheren und komfortablen Umfeld aufwachsen. Sie soll sich keine Gedanken um Geld machen müssen. Und du auch nicht.“ Ungeduldig beobachtete Eduardo, wie sie zurückblätterte und von vorn zu lesen begann. „Hast du vor, jede Zeile zu lesen?“
„Natürlich.“ Energisch hob sie den Kopf und sah ihn an. „Ich kenne dich, Eduardo, und ich weiß, wie du arbeitest …“
Sie verstummte, als eine weitere Wehe ihr den Atem nahm. Beinah hätte sie geschrien. Der Schmerz wurde stärker. Callie konnte es nicht länger leugnen – das Baby machte sich auf den Weg. Mit zusammengebissenen Zähnen atmete sie aus.
„Was ist los?“
Eduardos Stimme klang plötzlich anders. Während Callie die Schmerzen zu ertragen versuchte, blickte sie ihn an und erkannte echte Sorge in seinem Blick.
In seinen Augen lag jene Wärme, mit der er sie angesehen hatte, als sie noch seine unfehlbare Assistentin war. Damals war sie die einzige Frau gewesen, der er vertraute. Bis sie mit ihm geschlafen und dadurch alles verloren hatte.
Der innige Ausdruck in seinen Augen raubte ihr die Fassung. Sie konnte mit seiner Kälte umgehen und mit seinem Zorn, aber nicht mit seiner Besorgnis. Nicht mit seiner Freundlichkeit. Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Alles okay“, sagte Callie unwirsch. „Ich will das nur hinter mich bringen.“ Hastig nahm sie den Stift, blätterte auf die letzte Seite und unterschrieb. Ihre Knie zitterten, und es schien ihr, als müsste sie sich an dem Füller festhalten. Dann drückte sie Eduardo Vertrag und Stift in die Hand und konzentrierte sich auf ihre Atmung.
Einatmen. Ausatmen. Sie versuchte, den Schmerz zuzulassen, ohne dagegen anzukämpfen, doch es war unmöglich. Verdammte Geburtsvorbereitungskurse!
„Du hast es nicht gelesen“, meinte Eduardo verblüfft. „Was ist mit dir?“
Ein berittener Polizist bahnte sich mit seinem Pferd einen Weg an den Passanten vorbei, gelbe Taxis schoben sich hupend durch den Verkehr, doch Callie nahm das alles nur wie aus weiter Ferne wahr.
Eduardo packte sie an der Schulter und drehte sie zu sich um. „Callie, was ist mit dir?“, fragte er eindringlich.
Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie liebte ihn, trotz all seiner Fehler. Jahrelang hatte sie geglaubt, er könnte nicht auf sie verzichten. Doch dann hatte er sie einfach entlassen. Wie sollte sie ihm jetzt glauben, dass er für sie sorgen würde?
„Ich hasse dich“ war alles, was Callie sagen konnte. Der Schmerz ließ nach, sie atmete tief durch und richtete sich auf. „Lass uns diese Farce von einer Hochzeit hinter uns bringen.“
Ohne auf Eduardo zu warten, ging sie die Stufen zum Standesamt hinauf.
„Sehr gut.“ Als er sie einholte, war der besorgte Ausdruck in seinen Augen verschwunden. Und während Eduardo ihr die Tür aufhielt, sah sie wieder die Eiseskälte in seiner Miene. Zum Glück, dachte sie. Seine Freundlichkeit zerriss ihr das Herz.
Drei Monate, sagte sie sich. Dann bin ich frei.
Gefolgt von seinem Anwalt, traten sie vor den Standesbeamten. Und zweiundzwanzig Minuten später hatten sie das Aufgebot bestellt. Callie wusste es so genau, weil sie angefangen hatte, die Zeit zwischen den Wehen zu messen.
Eduardo fasste sie nicht an, als sie die Treppen hinuntergingen. Nicht der Hauch eines Lächelns lag auf seinem Gesicht. Er sah sie nicht einmal an. Nachdem er sich von seinem Anwalt verabschiedet hatte, öffnete er ihr die Tür der schwarzen Limousine, die am Straßenrand gewartet hatte.
„Ich habe alles für eine Hochzeit zu Hause vorbereiten lassen“, informierte er sie kühl, als würde er mit ihr über eine Geschäftsvereinbarung sprechen. Und genau das war es auch für ihn, wie Callie sich klarmachte.
Ehe sie einsteigen konnte, um diese Albtraumhochzeit hinter sich zu bringen, ergriff sie seinen Arm. Sie spürte, wie sich eine neue Wehe aufbaute, und konnte es nicht länger verbergen. Atemlos krallte sie sich an seinem Jackett fest. „Es geht los“, stöhnte sie.
Verblüfft sah er sie an. „Die Wehen?“
Stöhnend nickte sie. Der Schmerz war so heftig, dass sie fürchtete, sie würde hier auf der Straße zusammenbrechen.
Dann spürte sie Eduardos starke Arme. Fest drückte er sie an seine Brust, und sie fühlte sich so erleichtert, dass sie beinah geweint hätte. Forschend betrachtete er sie. „Seit wann?“
Ihr Körper schien von der Wehe zerrissen zu werden. Sie konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. „Den ganzen Tag schon. Ich dachte …“
„Verdammt, Callie!“, fluchte Eduardo rau. „Warum meinst du, alles verbergen zu müssen?“
Sekunden später hatten Sanchez, der Chauffeur, und er sie in den Wagen verfrachtet. Eduardo nahm ihre Hand. „Welches Krankenhaus, Callie? Wie heißt dein Arzt?“
Sobald er die Informationen hatte, rief er Sanchez Befehle zu. „Fahren Sie schneller“, rief er hektisch.
„Halte durch, querida“, sagte er sanft zu ihr und strich ihr übers Haar. „Wir sind gleich da.“
Doch der Schmerz übermannte Callie. Sie bekam kaum mit, wie Sanchez den Wagen durch die Straßen jagte, Kurven schnitt und ständig auf die Hupe drückte. Dann flog die Tür auf, Eduardo sprang aus dem Auto und schrie, dass seine Frau Hilfe brauche, jetzt sofort, verdammt!
„Aber ich bin nicht deine Frau“, protestierte Callie kraftlos, bevor sie in einen Rollstuhl gehoben und durch die Krankenhausflure geschoben wurde. Sie sah ihn an und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die ihr bei der nächsten Wehe in die Augen schossen. „Wir haben nur die Papiere. Verheiratet sind wir noch nicht.“
Ihm blieb keine Zeit mehr, darauf zu reagieren, denn im nächsten Moment wurde sie von einer Krankenschwester in ein Behandlungszimmer geschoben, und er musste draußen warten.
Als sich die Tür noch einmal öffnete, erhaschte Callie einen Blick auf ihn. Aufgeregt sprach er in sein Telefon. Dann wandte sich eine rundliche, gütig aussehende Hebamme an sie und begann mit der Untersuchung.
„Keine Frage, das Baby ist auf dem Weg“, befand sie schließlich. „Ich werde sofort den Arzt informieren. Für eine Narkose ist es zu spät, fürchte ich …“
„Kein Problem … Hauptsache … dem Baby geht’s gut …“, brachte Callie stöhnend hervor. Jede Wehe war heftiger als die vorangegangene, und sie zitterte am ganzen Körper. Der Gedanke, dass Eduardo sie so sah – erschöpft, verletzlich, panisch – machte sie fertig.
Aber es gab kein Zurück.
Die Krankenschwester half ihr, sich in dem breiten Klinikbett auszustrecken.
„Warum tun Sie nichts? Meine Frau hat Schmerzen“, beschwerte sich Eduardo, der mittlerweile hinzugekommen war.
„Tut mir leid. Die Geburt ist schon ziemlich weit fortgeschritten. Aber der Arzt ist auf dem Weg“, gab sie ruhig zurück.
Leise fluchte er, murmelte etwas von Ärzten und deren Qualitäten und wollte gerade noch einmal das Zimmer verlassen, als ein älterer, weißhaariger Herr eintrat.
„Na endlich! Warum dauert das so lange?“, begrüßte Eduardo ihn unwirsch.
„Alle guten Dinge brauchen Zeit“, erwiderte dieser lächelnd und wandte sich an Callie, die konzentriert ein- und ausatmete.
„Das ist nicht mein Arzt“, stellte sie verwirrt fest.
Eduardo trat an ihr Bett. „Er wird uns trauen“, erklärte er.
Schockiert sah sie von einem zum anderen. „Jetzt?“
Verhalten lächelnd betrachtete er sie und strich ihr eine feuchte Strähne aus dem Gesicht. „Warum nicht? Hast du etwas anderes vor?“
Callie musterte den korrekt aussehenden Mann mit dem gepflegten grauen Bart und der ordentlich gebundenen Krawatte. „Darf er einfach so Trauungen vornehmen?“
Eduardos Mundwinkel zuckten. „Er ist Richter am New Yorker Gerichtshof. Also ja.“
„Aber es gibt eine Vierundzwanzig-Stunden-Frist nach dem Aufgebot.“
„Man hat sie uns erlassen.“
„Und mein Aufgebot mit Brandon?“
„Das hat man für ungültig erklärt.“
„Alles funktioniert genauso, wie du es willst, oder?“, bemerkte sie fassungslos.
Eduardo beugte sich über sie und küsste sie sanft auf die Stirn. „Nicht immer. Aber heute wird es nach meinem Willen gehen.“ Dann wandte er sich an den Richter. „Wir sind so weit.“
„Der Arzt wird jeden Moment kommen“, mischte sich die Hebamme ein.
„Ich nehme die Kurzversion.“ Der Richter stand direkt vor dem Überwachungsmonitor, auf dem Callies Herztöne und die des Babys aufgezeichnet wurden. „Könnten Sie die Trauzeugin sein?“, bat er die Hebamme.
„Na gut“, stimmte sie zu und errötete leicht. „Aber beeilen Sie sich.“
„Es geht ganz schnell“, versprach er. „Wir sind hier zusammengekommen, um diesen Mann und diese Frau zu trauen. Und keinen Moment zu früh, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf“, fügte er mit einem Seitenblick auf Callies Bauch hinzu.
„Machen Sie weiter, Leland“, sagte Eduardo gereizt.
„Willst du, Eduardo Jorge Cruz, diese Frau … Wie heißen Sie, meine Liebe?“
„Calliope“, antwortete Eduardo vor ihr. „Calliope Marlena Woodville.“
„Also, willst du, Eduardo Jorge Cruz, diese Frau, Calliope Marlena Woodville, zu deiner dir rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen?“
„Ja, ich will.“
Callie spürte, wie sich die nächste Wehe aufbaute, und krallte die Finger in Eduardos Hemd. Besorgt sah er sie an, legte beruhigend die Hand auf ihre, und fuhr den Richter an: „Verdammt, beeilen Sie sich!“
„Und willst du, Calliope Marlena Woodville, Eduardo Jorge Cruz lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?“
Mit seinen dunklen Augen sah Eduardo auf sie hinunter. Sie hatte immer davon geträumt, ihm Liebe und Treue zu geloben. Jetzt geschah es, doch ihr Liebesschwur war nur noch eine Lüge, das wusste er. Oder?
„Callie?“
„Ja, ich will“, stieß sie hervor.
Eduardo atmete auf. Hatte er für einen kurzen Moment gefürchtet, ihre Antwort könnte Nein lauten? Nein, natürlich nicht. Dieser Mann war viel zu sehr von sich und seiner Wirkung auf Frauen überzeugt, um jemals an sich zu zweifeln …
„Wie ich sehe, tragen Sie den Ring schon“, stellte der Richter irritiert fest und betrachtete dabei den kleinen Reif an Callies Ringfinger. „Ich muss sagen, von Ihnen hatte ich etwas … weniger Dezentes erwartet, Eduardo“, murmelte er.
Sie trug tatsächlich noch Brandons Verlobungsring! Entsetzt versuchte Callie, ihn abzustreifen, doch er saß fest auf ihrem geschwollen Finger. „Tut mir leid, ich habe vergessen …“
Wortlos zog Eduardo den Ring mit aller Kraft ab und warf ihn in den Papierkorb. „Ich werde dir einen Trauring kaufen, der meiner Frau würdig ist“, sagte er ausdruckslos.
„Mach dir keine Gedanken.“ Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, ehe der Schmerz sie übermannte. „Unsere Ehe wird so kurz sein, dass es sich nicht lohnt …“
„Ihre Frau ist ganz offensichtlich nicht in bester Verfassung“, meinte der Richter besänftigend zu ihm. „Der Ring kann warten. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Callie starrte den Richter an, dann Eduardo. Diesen Part der Zeremonie hatte sie vergessen. Würde er sie wirklich küssen wollen?
Als ihre Blicke sich trafen, beugte er sich über das Bett, und für einen Moment war all der Schmerz vergessen.
Kurz zögerte Eduardo. Callie spürte die Wärme seines Atems und erschauerte.
Dann berührte er sanft ihre Lippen mit seinen. Sie waren heiß und weich zugleich und versprachen mehr als alle Worte. Es war nur ein Augenblick, und doch zitterten ihre Hände noch, als Eduardo sich wieder zurückzog.
„Herzlichen Glückwunsch. Ein verrückter Termin“, bemerkte der Richter kopfschüttelnd. „Jetzt sind Sie verheiratet.“
Verheiratet. Plötzlich überkam kalte Panik sie. Was hatte sie getan? Sie hatte tatsächlich Eduardo geheiratet.
Drei Monate nur, sagte Callie sich verzweifelt. Sie musste nur diesen Zeitraum durchhalten, dann war das Sorgerecht klar geregelt. Zumindest soweit sie den Ehevertrag durchgelesen hatte, ehe die Wehen ihr den Verstand geraubt hatten.
Endlich kam der Arzt, ein Mittfünfziger mit vollem braunem Haar. Er warf einen Blick auf den Monitor, dann lächelte er. „Das sieht gut aus, Callie. Sie machen das fabelhaft. Jetzt wird’s ernst.“
Ängstlich griff sie nach Eduardos Hand und blickte ihn Hilfe suchend an.
Behutsam nahm er ihre Hände in seine. „Ich bin bei dir, Callie“, sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme. „Ich bin hier.“
Aufstöhnend suchte sie seinen Blick und hielt sich an ihm fest, während sie presste und glaubte, der Schmerz würde sie zerreißen. Um sie herum hasteten die Krankenschwestern, die Monitore piepten, doch Eduardo stand neben ihr und war der Fels in der Brandung. All die Zeit ließ er ihre Hand nicht los.
Und er sah sie unverwandt an.
Er schwankte nicht.
Er ließ sie nicht im Stich.
Endlich verebbte der Schmerz, und sie hielt ihre kleine Tochter in den Armen. Ungläubig betrachtete sie das Baby, das sanft an ihrer Brust eingeschlafen war.
Lächelnd küsste Eduardo erst sie auf die Stirn, dann das Kind. Für einen Moment schien ihr Glück perfekt.
„Danke für das größte Geschenk meines Lebens, Callie“, sagte er sanft und strich über die weiche Wange des Neugeborenen. Als er sie ansah, ging sein Blick direkt in ihr Herz. „Eine Familie“, fügte er gerührt hinzu.
Eduardo Cruz war immer davon überzeugt gewesen, dass er irgendwann eine Familie haben würde, die sich sehr von der seiner Kindheit unterscheiden würde.
Besser sollte sie sein.
Er hatte sich ein Zuhause vorgestellt, das im fröhlichen Chaos vieler Kinder versank und nicht trist und einsam war. Seinen Kindern sollte es weder an Geborgenheit noch an materiellen Dingen mangeln. Und vor allem würden sich beide Eltern liebevoll um ihren Nachwuchs kümmern, statt nachlässig und selbstsüchtig zu sein.
Eine wirklich glückliche Familie hatte er zum ersten Mal im Alter von zehn Jahren gesehen, als er hungrig vor einem kleinen Laden in dem armen südspanischen Dorf herumlungerte, wo er aufgewachsen war. Auf der staubigen Landstraße war irgendwann eine schwarze Luxuslimousine aufgetaucht, hatte vor dem Laden gehalten, und ein gut gekleideter Mann war ausgestiegen. Ihm folgten eine ausgesprochen attraktive Frau und zwei Kinder. Während der Mann den Gemüsehändler fragte, wie er am besten nach Madrid käme, hatte Eduardo staunend die Frau betrachtet, die ihm wunderschön erschien.
Als die Kinder um ein Eis bettelten, schrie die Mutter sie nicht etwa an oder gab ihnen einen Klaps, sondern umarmte sie liebevoll, zauste ihr das Haar und lachte ihren Mann sorglos an, als er seufzend sein Portemonnaie aus der Hosentasche zog. Dann reichte er den Kindern das Eis, zog seine Frau an sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Als sie wieder in ihren Wagen stiegen und davonfuhren, blickte Eduardo ihnen lange nach.
„Wer war das denn?“, fragte er dann den Ladenbesitzer atemlos.
„Der Herzog und die Herzogin von Quixota. Ich habe ihre Bilder in der Zeitung gesehen“, erklärte der Händler, ein alter Mann mit sonnengegerbter Haut, der dem Wagen ebenfalls ehrfürchtig nachblickte. „Aber was willst du hier? Ich habe deinen Eltern schon gesagt, dass sie nicht mehr anschreiben lassen können.“
Eduardos Magen zog sich zusammen. Seit gestern schon hatte er nichts mehr gegessen.
Heute war er aus der Schule nach Hause geschickt worden, weil er sich mit einem anderen Jungen geprügelt hatte. Sein Vater, der betrunken auf dem Sofa lag, hatte nicht nach dem Grund für den Streit gefragt, sondern ihn einfach geschlagen. Seine Mutter, die in einer Bar im Nachbarort arbeitete, war schon seit drei Tagen nicht mehr zu Hause aufgetaucht. Die Jungen in der Schule hatten ihn gehänselt. Selbst deiner Mutter bist du es nicht wert, bei dir zu sein. Da hatte er sich gewehrt.
Dann war er nach Hause gerannt.
Eduardo blinzelte und sah sich in seinem perfekt ausgestatteten Dreihunderttausend-Dollar-Wagen um. Gerührt betrachtete er seine zwei Tage alte Tochter, die neben ihm in ihrem Babysitz lag und schlief, ohne sich darum zu kümmern, dass sie gleich zum ersten Mal ihr Zuhause kennenlernen würde.
Ihre Kindheit sollte anders verlaufen.
Ganz anders.
Besser.
Er würde nicht zulassen, dass der Eigennutz der Erwachsenen ihr Leben zerstörte. Um jeden Preis wollte er sie beschützen. Für sie würde er töten. Und sterben. Für dieses kleine Wesen würde er alles tun.
Sogar ihre Mutter heiraten.
Als der Wagen in Richtung Norden zur Madison Avenue fuhr, riss Eduardo den Blick von seinem Kind los und betrachtete Callie, die auf der anderen Seite ihrer Tochter saß. Einst hatte er geglaubt, sie wäre der einzige Mensch, dem er wirklich trauen konnte. Wie dumm von ihm!
Jahrelang hatte sie ihm ins Gesicht gelogen.