Bee My Humble Love - Anna Konelli - E-Book

Bee My Humble Love E-Book

Anna Konelli

5,0

Beschreibung

Sie möchte fliegen. Er kann ihr Aufwind sein. Ihre Karriere retten - an nichts anderes denkt Julie, als sie von Love Brand gefeuert wird. Um ihren Job zurückzugewinnen, geht sie einen Deal mit dem Konzern ein, der sie für drei Monate auf die schwedische Farm Humble Bees & Teas führt. Dort wird sie von keinem anderen begrüßt als Oscar Morrison, bekannter Bienenschützer sowie Widersacher der Firma. Zuerst hingerissen von der jungen Frau, die er mit Honig im Haar zwischen zusammengestürzten Regalen seines Hofladens findet, stellt Oscar schnell fest, dass er sich geradewegs den Feind in sein Heim geholt hat. Dazu gezwungen, unter einem Dach zu wohnen, kommt er Julie näher, als er sollte, und gelangt zum Grund ihrer Seele. Während sie in ihrer Stille einem Schwarz-Weiß-Bild entgegenblickt, sieht er eines voller Farben. Eines inmitten eines sanften Summens, das in ihren Herzen widerklingt und Julie begreifen lässt, wie viel sie verloren hat. Und wie viel mehr sie noch verlieren könnte …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 707

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




bee my Humble Love

Anna Konelli

Copyright © 2023 by

Drachenmond Verlag GmbH

Auf der Weide 6

50354 Hürth

https://www.drachenmond.de

E-Mail: [email protected]

Lektorat: Nina Bellem

Korrektorat: Michaela Retetzki

Layout Ebook: Stephan R. Bellem

Umschlagdesign: Christin Thomas – Giessel Design

Bildmaterial: Shutterstock

ISBN 978-3-95991-495-6

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

1. Gefeuert

2. Mit Bienen fliegen

3. Honigsüßes Lächeln

4. Zum Schnurren schön

5. Bei Odins Bart

6. Der Mann, der Bienen streicheln konnte

7. Flammen in der Nacht

8. Baby Steps

9. Ein Bienenlexikon

10. Sechzig Tage

11. Ein guter Ort zum Suchen

12. Die Irren, die meine Familie sind

13. Steh auf

14. Die wilden Königinnen

15. Die Schön-Fühl-Methode

16. Gedanke für Gedanke

17. Wünsche zwischen Schatten

18. Ein Aufwind in der Stille

19. Facetten von Liebe

20. Jemand, den er hasste

21. Zutritt verboten

22. Ein ungeliebtes Bild

23. Vergissmeinnicht

24. Busy Bees

25. Ehrlich

26. Ein Kätzchen im Himmel

27. Fels in der Brandung

28. Komm nicht zurück

29. Spill the tea

30. Nur noch Hallos

31. Verlassmeinnicht

32. Bee My Humble Love

Danksagung

Drachenpost

Für alle Julies, die fallenfliegen lernen.

Für alle Oscars, die für andere ein Aufwind sind.

Für alle, die ihre eigenen Farben mischen.

Für alle, die am Himmel suchen.

CCD bedeutet colony collapse disorder, also das Bienensterben.

Auch in Schweden herrschen Schwankungen, die jedoch selten etwas mit Pestiziden zutun haben, da bienengefährdende Landwirtschaftsme-thoden dort illegal sind.

O.M.

Kapitel1

Gefeuert

Julie

»Du bist gefeuert.«

Gefeuert! Wie ein Brandsiegel drückte mir dieses Wort pochend gegen die Schläfen. Mein Körper war wie gelähmt. Ich wollte, dass die Zeit stoppte, doch das Ticken der riesigen Industrieuhr an der Wand bewies, dass sie nicht daran dachte, mir diesen Gefallen zu tun.

Mein Chef Maurice saß mir in seinem großen Schreibtischstuhl gegenüber, dessen Ledergeruch mir in die Nase kroch. Die Panoramascheibe hinter ihm bot einen der wunderbarsten Blicke auf Hamburg. Vor ein paar Sekunden hatte ich einem Mann entgegengesehen, der meine Anerkennung besaß; einem, der mich in der Vergangenheit dazu gebracht hatte, Grenzen zu überschreiten und Luftschlösser zu bauen. Jetzt starrte ich einem Mann ins Gesicht, der keinerlei Gnade zeigte. Keine Reue, keine Skrupel. Da war nur Ablehnung. Nach all den Jahren war ich wie eine Fliege, die er zerquetschte, damit er das lästige Summen nicht mehr ertragen musste.

Er ließ mich fallen.

Gefeuert. Nie in meinem Leben hatte ich erwartet, dieses Wort jemals zu hören.

»Julie, hast du mich verstanden?« Maurice’ samtige Stimme drang zu mir durch, so trügerisch freundlich, die Härte in seinem Ausdruck jedoch blieb.

Ob ich ihn verstanden hatte? Nein, ich verstand nichts mehr. Ich stand in einer grauen Wolke, in der ich Rettungsleinen aus Nebel sah und nicht greifen konnte. Mein Leben glich einem Albtraum, aus dem ich hoffte, gleich zu erwachen. Leider war mir bewusst, dass das hier real war. Und vollends falsch.

»Ich bin … gefeuert?« Meine Lippen bewegten sich ohne mein Zutun, weil ich nicht anders konnte, als auf seine Frage zu reagieren. Ich hörte mich selbst kaum, so sehr rauschte mir das Blut in den Ohren. Als mir klar wurde, wie geschlagen ich vor Maurice saß, straffte ich die Schultern. »Wieso?«

Maurice förderte seine Angestellten, doch das minderte keineswegs seine einschüchternde Art. Das Motto, das ihn am besten bezeichnete, war: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Ein Kollege hatte sogar die zehn Maurice-Gebote aufgestellt, und eins davon lautete, ihm niemals zu widersprechen.

Maurice beugte sich vor und faltete die Hände auf dem Tisch, ohne mich aus den Augen zu lassen. Darin entdeckte ich eine einzige Emotion, und sie war schlimmer als alles, was ich mir hätte ausmalen können: Enttäuschung.

»Julie, du hast ein Fünfhunderttausendeuro-Projekt freigegeben. Mit einer völlig utopischen Budgetverteilung.« Er glich einem Vater, der sein Kind belehrte und dabei nur schwer an sich halten konnte.

»Aber –«, setzte ich an.

Seine Stimme wurde lauter. »Du kannst froh sein, dass ich mit dem Kunden per Du bin und es irgendwie geradebiegen konnte. Das war ein Fehltritt, der nicht zu entschuldigen ist. Abgesehen davon bist du letztens zu spät zum Pitch gekommen und schlafend an deinem Platz gesehen worden.«

Weil ich bis vier Uhr morgens für dich durchgearbeitet habe, hätte ich am liebsten gebrüllt. Für das Unternehmen, in das ich jeden Funken meiner Energie reinstecke!

Der Kloß in meinem Hals drohte mich zu ersticken, wenn ich die Tränen der Wut nicht losließ, die sich in mir anstauten. Aber nein. Ich weinte nicht, und er würde mich auch nicht dazu bringen. Ob ich ihm eine Erklärung lieferte oder nicht – nichts würde sich ändern, denn mir war klar, für Rechtfertigungen gab es hier keinen Platz, obwohl es unerträglich war, nicht für mich einzustehen. Das, was ich zu Beginn bei Love Brand gelernt hatte, war, den Konzern an erster Stelle zu sehen. Maurice’ Urgroßmutter hatte das Geschäft ins Leben gerufen, indem sie DIY Beautyprodukte hergestellt und an Freunde sowie Familie verkauft hatte. Heute agierte Love Brand international, hatte sich zur Dachmarke von Konsumgütermarken etabliert und besaß weltweit Firmensitze. Die Nachfrage war so gewachsen, dass schon lange keine nachhaltigen Zutaten mehr aus dem Garten und dem Shop um die Ecke genutzt wurden. Zum Unmut von Maurice’ Urgroßmutter, die der Natur sehr verbunden gewesen war. Eine Geschichte, die sich obendrein gut verkaufte. Allerdings hatten ihre Kinder sie ins Altersheim abgeschoben und sich beim Eintritt ihrer Demenz alle Rechte unter den Nagel gerissen, um frei agieren zu können.

Ich hatte mich zügig mit den Unternehmensstrategien abgefunden. Die Stelle als Salesmanagerin brachte mir seit drei Jahren ein enormes Gehalt und Verantwortung, die ich liebte. Doch so wie es aussah, hatte ich genau das vermasselt. Ja, ich war am Arbeitsplatz eingeschlafen. Ja, ich war zu spät gekommen. Ein einziges Mal. Aber ich hatte keinen so gravierenden Fehler begangen, ein falsch formuliertes Budget freizugeben. Bis jetzt.

Wegen eines Moments der Unachtsamkeit wurde mein komplettes Dasein einfach so dem Erdboden gleichgemacht …

Äußerlich blieb ich ruhig. Ich war stets besonnen, sprach nur, wenn ich etwas beizutragen hatte, und war keine Freundin von emotionalem Kontrollverlust. Doch der wahre Grund, wieso ich dem Gewitter in mir keine Chance gab, war, um ihm keine Genugtuung zu geben. Maurice war ein Mann mit zu viel Macht, und er liebte es, sie zu demonstrieren. Als er meine beste Freundin Tamsin – Head of Finance bei Love Brand – bat, für einen wichtigen Termin einen kürzeren Rock anzuziehen, konnte man ihre Stimme über den gesamten Flur hören, und sie meldete es der HR-Abteilung. Maurice war allerdings Maurice, und außer der Einführung einer Sensibilisierungsschulung für seine Angestellten gab es keine weiteren Konsequenzen für ihn. Geschweige denn, dass er diese Schulung durchführte.

Wenn es um Maurice ging, schaltete mein Kopf in den Gib-mir-Anerkennung-Modus, für den ich sowohl Abscheu empfand als auch eine ungesunde Sucht entwickelt hatte.

»Tut mir leid, was passiert ist. Aber eine Kündigung ist –«

»Julie«, unterbrach er mich und überging meinen Versuch, meine Lage zu retten. Seine grauen Augen glichen Granit, und ich konnte förmlich hören, wie sein spröder Geduldsfaden riss. Das Lächeln auf seinen Lippen war süffisant. »Du weißt, ich diskutiere nicht. Hier ist kein Platz für emotionale Instabilität.«

Emotionale Instabilität? »Ich bin nicht –«

»Du bist umgehend freigestellt. Ich muss dich bitten, deinen Platz heute zu räumen. Tu mir den Gefallen.« Als wäre es eine Qual, meine Anwesenheit länger zu ertragen.

»Heute noch?« Vollkommen fassungslos brach die Frage über meine Lippen. Das war nicht sein Ernst. »Was ist mit meinen Partnern? Wer wird sie übernehmen?« Wer würde das bekommen, was ich mir so hart erarbeitet hatte? Wie sollten sie mich so schnell nachbesetzen? Wir hatten ein Dutzend Kampagnen auf dem Tisch, und unsere Abteilung brauchte jeden einzelnen Kopf des Teams.

»Heute noch. Es beschäftigt sich schon seit vorgestern jemand mit deinen Cases und ist daher im Loop. Es ist eine Schande, denn du warst eine gute Mitarbeiterin«, ließ er mich wissen, bohrte damit in der Wunde.

Gut? Ich war nicht gut. Ich war bekannt als Hustle-Julie. Ich arbeitete Tag und Nacht, und gäbe es eine weitere Zeit des Tages, würde ich auch während dieser arbeiten. Ich machte Überstunden, weil das hier als außerordentliche Leistung galt. Ich war nicht nur gut, sondern perfekt – zumindest hatte ich das immer sein wollen. Dennoch, ich befand mich nun in einer Situation, die mich das hinterfragen ließ. Die Fingerspitzen, die ich in meine Handflächen krallte, konnte Maurice über den Tisch hinweg nicht ausmachen.

Das war ein Albtraum. Und ich wusste, wovon ich sprach. Ich hatte so einige dieser Momente im Leben gehabt, aus denen ich hatte aufwachen wollen, um in dem Dickicht aus Nebel wieder einen Weg zu sehen. Seit Monaten irrte ich umher, nur um jetzt endgültig in einer Sackgasse zu landen.

Ich malte mir aus, wie ich aufsprang, ihn herausforderte, seine Entscheidung infrage stellte. Meine lauten, klaren Worte würde man bis zum Ende des Flurs hören können wie damals bei Tamsin. Ich würde ihn dazu bringen, es zu bereuen, weil ich ihm in Erinnerung rief, was er an mir hatte. In dieser Vorstellung stand ich für mich ein.

In der Realität starrte ich ihn bloß an, bemerkte, wie sich seine Lippen bewegten, und hasste die Hilflosigkeit, in die ich mich sinken ließ. Die mich runterdrückte.

Ich wollte schreien. Ihm die Meinung geigen. Doch ich konnte mich nicht rühren, weil mein Körper mir den Dienst versagte. Aus dem Nichts tauchte die Stimme meines Bruders in meinem Kopf auf. Was ist los mit dir? Sag was!

Ohne es verhindern zu können, befand ich mich in nächster Sekunde auf den Beinen.

Nur kam es anders als geplant. »Ich tue alles. Alles, Maurice, um dir zu beweisen, dass ich diesen Job verdiene.«

Seine Braue hob sich, und mit einem berechnenden Blick begutachtete er mich, tippte ein paarmal mit seinem Montblanc Füller auf den Tisch. Es schien, als grübelte er, das zufriedene Funkeln seiner Augen verriet ihn jedoch. Ich hatte es schon oft gesehen. Immer wenn er Leute in die Ecke trieb, in der er sie von Beginn an hatte haben wollen. Ich war ihm in die Falle getappt.

Sein Bild von mir war das einer gewissenhaften Arbeiterin, die für ihren König lebte. Selbst jetzt, wo er mich demütigte.

Ein tiefes Seufzen erfüllte den Raum, bevor er mich anwies, mich zu setzen. Ich gehorchte.

»Ich habe deine Treue immer geschätzt, Julie«, setzte er an. Sein Ton war freundlicher, aber der Schneid darin noch immer da. »Die Freistellung gilt, allerdings gibt es eine Sache, mit der du dich retten kannst.« Eine bewusst gesetzte Pause folgte, die mich in den Wahnsinn trieb. Maurice schenkte mir ein kaltes Lächeln. »Ich will Oscar Morrison und alles, was er besitzt. Du wirst mir das beschaffen.«

»Morrison ist ein harter Hund. Wir haben es zigfach probiert.«

»Als Love Brand. Du wirst als Julie Hassel nach Schweden reisen, dich bei ihm einzecken und mir Infos beschaffen«, erklärte er, und sein Ton verriet, dass meine Verzweiflung sein Druckmittel war.

Ich schluckte den bitteren Geschmack hinunter. Wieso Morrison? Das war meine Strafe für alle Schuld, die ich mir in diesem Leben aufgeladen hatte, gerade ihn ausspionieren zu müssen. Weder verdiente er das noch gab es Aussicht auf Erfolg. Aber müssen traf es. Das, oder ich verlor meinen Job. »In Ordnung.«

Ich hasste mich dafür.

»Gut«, meinte er nur, und ich bemerkte, wie er einen Blick mit Fio tauschte, die im benachbarten Glasbüro saß und uns beobachtete. Als HR-Mitarbeiterin hätte sie anwesend sein müssen, doch je weniger Mitwissende, desto besser.

»Natürlich kommen wir für den Zeitraum auf. Buch deinen Aufenthalt noch heute«, befahl er. »Ich will wöchentlich ein Update. Per Mail bekommst du noch ein paar Informationen. Viel Glück.«

Glück, nicht Erfolg. Er wusste, ich würde es brauchen.

»Danke.« Ja, ich bedankte mich. Und ich hasste mich dafür.

»Und nur dass wir uns nicht missverstehen«, hielt er mich auf, weil ich aufstand. »Wenn du es versaust, dann bist du raus.«

Er musterte mich wie ein Raubtier seine Beute, die es ziehen ließ, weil es zu faul zum Jagen war. Und weil er etwas noch Besseres in Aussicht hatte. Glück gehabt, hörte ich ihn schnurren. Du auch, schnurrte der Teil in mir zurück, der ihn gern in der Luft zerfetzen wollte, jedoch in Fesseln lag. Zusammen mit meiner Würde.

»Du hörst von mir.« Nur zögerlich brachte ich diese Worte hervor.

Hastig drehte ich mich um und schritt auf die Tür zu. In meiner Brust stieg ein erdrückendes Gefühl auf, stieg meinen Hals hoch und schnürte mir die Kehle zu. Contenance, sagte ich mir. Die Blicke, denen ich auf dem Gang begegnete, bewiesen wieder die Zuverlässigkeit unseres Flurfunks, und nun wusste ich, wie es sich anfühlte, auf der anderen Seite zu stehen. Unzählige Male hatte ich Kolleginnen und Kollegen ziehen sehen, doch niemals war mir in den Sinn gekommen, dass ich in ihre Fußstapfen treten könnte.

»Ich würde behaupten, du hast Besseres zu tun, als blöd zu glotzen, Steffen.« Tamsins samtige Stimme schallte durch das Großraumbüro, das ich durchquerte, um zu meiner Abteilung zu gelangen.

Meine beste Freundin trat an meine Seite und brachte Steffen und den Rest mit einem einzigen Blick dazu, wieder an die Arbeit zu gehen. Ihre katzengrünen Augen bewirkten Wunder. Gute und angsteinflößende, je nachdem, was sie beabsichtigte. Ihr Minzgeruch erreichte meine Nase, weil sie mich mit Schwung weiterzog. Sie liebte Minze. In ihrem Parfüm, ihrem Drink, ihrem Essen.

Selbst Tamsins manikürte Fingernägel waren dunkelgrün, was einen herrlichen Kontrast zu ihrem roten Haar ergab. Ich wünschte, schon mein jugendliches Ich hätte Tamsin ihre beste Freundin nennen können, denn ihr Selbstbewusstsein hätte mir mehr als gutgetan. Als ich hier anfing, hatte ich einen Topf Minze an meinem Arbeitsplatz vorgefunden. Mit einem Zettelchen, auf dem geschrieben stand: Gegen die Kopfschmerzen. Du wirst es brauchen.

Sie hatte recht behalten.

»Geier«, hörte ich Tamsin sagen, während sie die Glastür meiner Teamzone schloss, die verdächtig ruhig dalag. Dann drehte sie sich zu mir um. »Bitte sag mir, dass er das nicht getan hat«, flehte sie, doch ich war bereits dabei, meine Sachen in die Tasche zu schmeißen, was Antwort genug sein sollte.

Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie meine fahrigen Bewegungen und mein wutentbranntes Gesicht. »Implodierst du gerade?« Ihr Ton war zögerlich, als würde jeder Laut eine Bombe hochgehen lassen.

Ich riss meinen Kopf so ruckartig hoch, dass mir ein heißes Kribbeln die Wirbelsäule hinablief. »Er hat es getan«, brach es aus mir heraus. »Er hat mich freigestellt.« Ich starrte die gepackte Tasche an.

»Julie … Es tut mir so leid, aber vielleicht ist es besser –«

»Er gibt mir eine zweite Chance.« Ich ignorierte, wie Tamsin die Lippen zusammenpresste. »Ich soll ihm Oscar Morrison besorgen.«

»Das ist ein beschissener Plan, Girl, das weißt du.«

Das war das Letzte, was ich hören wollte.

Weg hier, erklang eine Stimme in meinem Kopf. Wie immer, wenn ich in Stresssituationen geriet, in denen ich mich nicht mit Arbeit ablenken konnte.

Nach der Beerdigung meiner Eltern wollte ich weglaufen; nach der Krebsdiagnose meiner Schwägerin wollte ich weglaufen. Doch hatte ich es nicht getan. Jedes Mal sperrte ich mich in einen Käfig, damit ich blieb, den Schmerz aussaß und darauf hoffte, er würde vergehen. Vielleicht wollte ich ihn auch spüren, denn dann war da zumindest etwas in mir. Weil ich die Ohnmacht fürchtete. Ich zerknitterte die Unterlagen zu potenziellen Partnerlieferanten in meinem Griff. Dutzende Marken, in die wir investieren wollten, undich hatte sie ausfindig gemacht. Maurice war mir vorhin ständig ins Wort gefallen; an seinem Entschluss war nicht zu rütteln gewesen, aber jetzt war da wieder Hoffnung.

Ich starrte den Stapel an, fokussierte die Post-its, die unter anderem aus einem Businessmagazin herauslugten, und zog es heraus. Tamsin war mittlerweile verstummt. Ich spürte nur ihren Blick auf mir, während ich das Titelbild der Ausgabe von vor einem halben Jahr anstarrte.

Oscar Morrison, einer der gefragtesten Meinungsführer in Sachen Umweltschutz, zierte das Cover. Braune Haare wellten sich auf seinem Kopf und waren sicher nur für das Shooting zurückgegelt, denn sonst ließ er sie meines Wissens unberührt – ich hatte ihn gescannt wie eine FBI-Agentin eine Fallakte. Er stand inmitten prächtiger Bäume, deren Braun- und Grüntöne mit der Jacke harmonierten, die er mit seinen Schultern ausfüllte. Er sah mich aus braungrünen Augen an, und in mir tat sich etwas, selbst wenn sie nur aus Papierfasern bestanden. Nicht weil er lächerlich attraktiv war – wirklich lächerlich –, sondern weil er meine einzige Lösung war. Der Ausweg aus dieser miserablen Situation, den ich so verzweifelt suchte.

Weg hier. Weg hier. Weg hier. Dieses Mal hörte ich auf diese Stimme in mir.

»Julie, sprich mit mir.« Tamsins Worte hallten in meinem Verstand wider. Sie war ohne jede Frage besorgt, doch ihre Hand schwebte zwischen uns, ohne mich zu berühren. Als würde sie befürchten, damit etwas zum Explodieren zu bringen, dabei war das längst geschehen.

»Ich muss los«, schoss es aus mir heraus.

Im nächsten Moment schulterte ich meine Tasche, presste das Magazin gegen meine Brust und stürmte damit zurück auf den Flur.

»Girl! Lass mich dich runterbringen«, rief sie mir hinterher.

»Ich schreibe dir nachher!«

»Pass auf dich auf«, erwiderte sie, wie immer, wenn wir uns verabschiedeten.

Ich rannte, ohne nachzudenken. Da war nur dieses unkontrollierbare Gefühl, dieser Situation entfliehen zu müssen, um sie wieder geradezubiegen. Vorher jedoch brauchte ich einen Rat.

Erleichterung durchströmte mich, als ich durch die Drehtür an die frische Luft sprang. Ich konnte wieder atmen, auch wenn meine Brust immer noch schmerzte.

Wenn du es versaust, dann bist du raus.

»Scheiße«, brach es aus mir heraus, dabei gab es kein Wort, das diese Misere beschreiben konnte. Stattdessen kramte ich in meiner Tasche, hetzte zu meinem Hollandrad und fluchte leise, weil mir der Schlüssel aus den Fingern rutschte. Als ich es schaffte, das Rad aufzuschließen, schmiss ich das Schloss inklusive meiner Tasche in den Korb und schwang mich auf den Sattel.

Obwohl ich ein Auto besaß, ergab es aufgrund der kurzen Strecken wenig Sinn, und so bekam mein Körper zumindest etwas Bewegung. Laut meines Bruders ging es bei dem Rad nicht um Pragmatismus, sondern um das schlechte Gewissen, das ich wegen meiner Arbeit bei Love Brand beruhigen wollte. Aber ich hatte kein schlechtes Gewissen. Ganz sicher nicht.

Ich fuhr zügig los, der Fahrtwind zupfte an meinem langen blonden Haar. Jede rote Ampel war eine Herausforderung für meine Ungeduld, allerdings war ich zu vorbildlich, um meine Prinzipien über Bord zu werfen. Ich überquerte rote Ampeln selbst dann nicht, wenn weit und breit kein Auto zu sehen war. #Alman, würde meine Nichte jetzt sagen.

Die Möwen kreischten, während ich parallel zur Elbe Richtung Altona Altstadt fuhr. Das war der wahre Grund, wieso ich das Fahrradfahren liebte. Es waren die wenigen Minuten am Tag, in denen ich mich frei fühlte. Ich hatte mir immer gewünscht, durch mein Leben zu fliegen. Als Kind bin ich von der Schaukel gesprungen, wenn sie ihren höchsten Punkt erreicht hatte. Als Jugendliche hatte ich mich vom höchsten Sprungbrett des Freibads gewagt. Als Studentin war ich mit einem Gleitschirmflieger durch die Lüfte Neuseelands gesegelt.

Doch am allerliebsten war ich mit meinem Bruder Levi geflogen. Wenn auch nur in Gedanken, aber seit er mich das erste Mal vor Jahren hinter sich auf seine Harley gepackt hatte und losgefahren war, glich es dem Gefühl zu fliegen. Das Röhren des Motors war Musik in unseren Ohren. Bei jeder Fahrt hatte ich die Arme ausgebreitet.Mit dem Blick gen Himmel hatte ich die Hände zu den Seiten ausgestreckt, hatte meine Finger wie ein Schiff auf See über den Wind tanzen lassen. Und in meinem Kopf sind wir über den Boulevards, Bergketten und Küsten dieser Welt entlanggeschwebt. Nur wir zwei. Wir waren frei. Frei von Sorgen, Plänen und Fehlern. Frei von Schuld. Nichts und niemand würde mich je aufhalten können, da war ich sicher gewesen.

Aufhalten durfte mich auch heute nichts. Ich musste funktionieren. Also erreichte ich fünfzehn Minuten später das weiße Haus im viktorianischen Stil. Ich schob mein Rad in einen freien Platz des Ständers, schloss ab, fischte meine Tasche aus dem Korb und raste die Treppe hoch. Wie eine Wilde klingelte ich. Der Öffner der mächtigen schwarzen Tür summte, und ich stürzte in das Empfangszimmer.

Der Assistent meiner Therapeutin lächelte mich an – ich war alle zwei Wochen alibimäßig hier, damit mein Bruder Ruhe gab.

»Ich muss dringend mit ihr reden. Bitte«, sagte ich ohne große Umschweife. Wieder bewunderte ich sein Gespür für Mode, denn auch heute steckte er in einem Outfit aus Hemd und Weste, das nach bester Handarbeit aussah.

»Es ist eigentlich keine Sprechzeit, aber nehmen Sie bitte kurz Platz«, meinte er mit sanfter Stimme und verschwand ins Sprechzimmer.

Ruhig zu bleiben glich einer Unmöglichkeit. Ich umklammerte den Riemen meiner Tasche und starrte die Tür an, hinter der meine Therapeutin saß.

Es blühte mir ein Krisengespräch, das mir ganz und gar nicht gefallen würde. In all den Sitzungen hatten wir nie wirklich gesprochen; nicht über die Schatten in meinem Kopf und Herzen. So hartnäckig sie blieb, es war mir gelungen, nicht zu tief zu graben, nun könnte es jedoch an der Zeit sein, zur Schaufel greifen zu müssen. Obwohl es in mir aufschrie.

Weg hier, weg hier, weg hier.

Ich blieb.

Dann tauchte der Assistent wieder auf und hielt mir lächelnd die Tür auf.

»Kommen Sie rein, Frau Hassel«, erklang eine rauchige Stimme, und ich eilte ihr entgegen, verharrte dann auf der Schwelle.

Mit Augen, die Seelen zu scannen vermochten, erwartete sie mich. »Was ist passiert?«

»Sie müssen mit mir reden«, brachte ich hervor und schluckte, um den herrischen Ton in den Griff zu bekommen. »Bitte. Ich … ich muss reden.«

Bei der sogenannten Apitherapie werden Bienenprodukte verwendet, um das Wohlbefinden zu verbessern. Dies schließt Honig, Bienenwachs, Propolis, Pollen und Gelée Royale mit ein.

O.M.

Kapitel2

Mit Bienen fliegen

Julie

Machen Sie eine Pause.

Das war das Fazit unseres Gespräches gewesen. Und es hätte nicht nutzloser sein können. Ich hasste Pausen und wusste nichts mit ihnen anzufangen. Wenn ich welche machte, zerbrach ich mir einzig und allein den Kopf darüber, was ich danach aufholen musste. Meiner Therapeutin war das klar. Trotzdem hatte sie es mir empfohlen, wobei ihre Stimme eindeutig autoritär geklungen hatte. Durfte sie das überhaupt? Durfte sie mir Dinge befehlen? Musste ich tun, was sie sagte, um dieses Problem zu lösen?

Die Nachricht von Tamsin hatte ich bisher noch nicht beantwortet, stattdessen hatte es mich zu meinem Bruder verschlagen. Kraftlos stand ich in dessen bunt bepflanzten Garten und starrte seit Minuten in die offene Garage, in der die Harley stand. Die grüne Fat Boy war eine wahre Augenweide und löste Gefühle in mir aus, die eine wilde Mischung aus Freude und Wehmut waren.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung.

»Wieso haben wir damit aufgehört?«, begrüßte ich meinen Bruder.

»Womit aufgehört?«, erwiderte er verwirrt.

Zu fliegen. »Damit zu fahren«, sagte ich stattdessen.

Einige Sekunden schwieg er. »Wenn ich dich nicht kennen würde, würde ich mir Sorgen machen.«

Ich blinzelte mehrmals und riss den Blick von dem Motorrad. Levi stützte sich mit einer Hand an dem Stützbalken seiner Veranda ab und musterte mich amüsiert. Sobald ich ihn jedoch ansah, stiegen mir Tränen in die Augen, und er richtete sich auf, das Schmunzeln verschwand aus seinem Gesicht.

Schon kam er zu mir und fasste mich an den Schultern. »Was ist los?«

Meine Unterlippe zitterte, aber vor ihm brauchte ich mich nicht dafür zu schämen. »Ich wurde gefeuert.«

Und hier, an dem Ort, an dem ich mich einigermaßen in Ordnung fühlte, brach es aus mir raus. Ich wusste nicht mehr, wann ich zuletzt geweint hatte. Seit dem Tod unserer Eltern nur selten, und ich hatte geglaubt, meine Tränen waren aufgebraucht. Schon wieder getäuscht, dachte ich. In Levis Augen blickte ich dem Gefühl entgegen, das seit heute Morgen auch in mir Heimat suchte: Erleichterung.

»Komm her, Stinker«, murmelte er und zog mich in seine tätowierten Arme. Wenn Levi einen umarmte, könnte man meinen, er sei kein Mensch, sondern ein riesiger Teddybär. Niemand gab so heilende Umarmungen wie er. Doch heute half es nicht.

Er legte einen Arm um meine Schultern und schob mich in das Haus, in dem er mit seiner neunjährigen Tochter lebte. Zwei Jahre lang war hier auch die Trauer um Dana zu Hause gewesen. Die Frau meines Bruders war immer noch da, wenn man das liebevoll eingerichtete Heim betrat, das einen mit hellen Farben, Graffiti-Gemälden und Pflanzen begrüßte. Dazwischen mein Bruder, der seit einigen Monaten ebenfalls wieder heller wirkte.

»Setz dich. Ich mache uns Tee«, verkündete er, nachdem er mich im Wohnzimmer auf das Sofa an der Panoramascheibe zum Garten gedrückt hatte. Fünf Sekunden später stellte er eine Taschentuch-Box neben mich, um dann in die Küche zu verschwinden.

Dass sich Unruhe in mir breitmachte, weil ich ihn mit Tassen hantieren hörte, während ich untätig blieb, konnte ich nicht verhindern. Nebenbei bemerkte ich, wie mein Bruder von der Chart-Playlist zu ruhigerer Musik wechselte. Levi war Musikproduzent. Und zwar ein unfassbar guter. Er hatte ein Gespür dafür, die Leute aufzugabeln, die weitab vom Mainstream Songs machen wollten. Lieder, die einen mitten ins Herz trafen.

»Du sollst das auch benutzen«, erklang seine tiefe Stimme, und ich hob den Blick von dem Taschentuch, das ich aus der Box gerupft hatte, zu seinem Gesicht.

Er machte sich Sorgen. Etwas, das ich immer hatte vermeiden wollen. Der Verlust unserer Eltern hatte uns zusammengeschweißt, obwohl er jedes Recht hatte, mich deswegen zu hassen. Wir waren eine Einheit, die sich gegenseitig den Rücken stärkte. Als Dana vor drei Jahren die Diagnose bekam, war ich kurz davor gewesen, für Love Brand in England anzufangen, hatte es aber nicht über mich gebracht, sie zurückzulassen, dabei war mein Traum immer gewesen, ins Ausland zu gehen. Die Schuld am Tod unserer Eltern lastete auf meinen Schultern, seine Frau lag im Sterben, also war ich es ihm schuldig gewesen zu bleiben. Ich akzeptierte die Stelle in Hamburg, und es folgte ein Jahr aus schmerzhaften Augenblicken für uns alle. Aus Krankenhausbesuchen. Hoffnung. Rückschlägen. Und einem letzten Moment voller Tränen.

Ich wollte, dass mein Bruder glücklich war und sich nicht mit meinen Problemen herumschlagen musste, wenn er selbst Wunden trug, die gerade erst vernarbten.

Levi setzte sich zu mir und stellte das Tablett zwischen uns, reichte mir den Jasmintee. Der Duft hüllte uns ein. »Willst du darüber reden, was passiert ist?« Die Frage war nicht drängend, stattdessen überließ er es mir, ob ich dazu bereit war.

Mein Blick heftete sich an den aufsteigenden Dampf des Tees. »Ich wurde freigestellt.«

»Das hast du bereits erwähnt«, erwiderte er mit seinem Großer-Bruder-Ton. Er wusste, ich hielt ihn hin.

Die nächsten Sekunden verbrachten wir schweigend.

»Es war schwierig die letzten Monate …«, begann ich und musste die Tasse abstellen, weil ich nicht ertragen konnte zu sehen, wie meine Hände zitterten. Stattdessen legte ich sie auf meinen Knien ab. »Ich habe Schlafprobleme. Länger schon. Ich bin ständig müde, selbst wenn ich schlafe, und mein Kopf gibt keine Ruhe. Gleichzeitig ist er wie leer gefegt. Ich war … unkonzentriert. Und ich habe das Budget für einen Case falsch formuliert.«

»Wie viel?«, fragte er nur.

»Fünfhunderttausend.« Es war nur ein Murmeln.

»Doch so wenig.«

Mit zusammengekniffenen Augen riss ich den Kopf hoch und sah es in seinen funkeln, weil ich eine Reaktion zeigte, die mir eher glich. Wenn er mich in Maurice’ Gegenwart erleben würde, dann würde er seine kleine Schwester nicht wiedererkennen.

»Das ist nicht lustig!«

»Hey«, meinte er und griff nach meiner Hand, die in seiner unterging. Der Blick seiner braunen Augen wurde ernst. »Das hab ich auch nicht gesagt. Das ist scheiße viel Geld, aber du kannst mir nicht erzählen, dass es nicht geklärt werden könnte. Niemand hat darunter gelitten, oder?«

Die Tränen flossen, und ich beschloss, das unberührte Taschentuch zu nutzen. »Maurice konnte alles geradebiegen. Arbeitslos bin ich vorerst trotzdem«, meinte ich, während ich mir die Nase putzte.

Levis sanfte Züge verhärteten sich, sobald ich meinen Chef erwähnte, und das war auch der Grund, wieso ich den Deal umschiffte. Zu sagen, dass er ihn hasste, war die Untertreibung des Jahrhunderts. Er musterte mich, beobachtete meine Bewegungen, und etwas Düsteres stieg in seine Miene, bevor er den Mund öffnete. Doch er behielt die Worte für sich. Wahrscheinlich, weil er ahnte, wie unerwünscht seine Predigt war.

Er hielt nichts von Maurice.

Er hielt nichts von Love Brand.

Er hielt nichts davon, wie mich die Arbeit ausbrannte.

All das hatte er mir Dutzende Male zu verstehen gegeben.

»Ich war bei meiner Therapeutin«, fuhr ich fort und lenkte seine Gedanken um. Seine Neugierde war geweckt, und ich fuhr fort, während er einen Schluck vom Tee nahm. »Sie hat gesagt, ich brauche …«

Als ich innehielt, legte er den Kopf schief. Sein Dutt fiel dabei leicht zur Seite. »Was brauchst du?«

»Eine Pause.« Da. Ich hatte es ausgesprochen.

Ich brauchte eine Pause. Angeblich.

Für Levi war diese Erkenntnis offenbar nicht so revolutionär, wie es mir vorkam, rieb es mir jedoch nicht unter die Nase.

»Das hört sich gut an.« Er nahm einen weiteren Schluck und drückte mir meine Tasse in die Hand. »Trink, der beruhigt. Und hast du dir schon überlegt, was du in deiner Pause machen willst?«

Ich runzelte die Stirn, weil er schon einen Schritt weiterging, statt sich mit mir darüber zu wundern, wie man so etwas von mir verlangen konnte. Das Lächeln, das sich bei meiner Miene auf seine Lippen schlich, konnte er nur schwer verstecken.

»Was meinst du damit? Ich kann keine Pause machen. Hast du mir zugehört: Ich bin arbeitslos. Ohne Arbeit gibt es kein Geld und noch dazu eine fette Lücke im Lebenslauf.« Meine Stimme überschlug sich beinahe, und das alles kam mir noch abwegiger vor als zuvor.

Levi zog eine breite Braue hoch. »Julie. Du hast genug Geld, um dir ein paar Monate zu gönnen, und im Notfall helfe ich dir aus.«

»Ich nehme kein Geld von dir an«, wehrte ich ab, doch er ignorierte es.

»Heutzutage ist ein Sabbatjahr gang und gäbe. Die Einzige, die aus einer Pause ein Problem macht, bist du.«

Und so ziemlich die Hälfte aller Arbeitgeber dieser Welt. Ein Schauder durchfuhr meinen Körper. Mein Bruder schien es zu bemerken und beugte sich mit schalkhafter Miene vor. Ich lehnte mich zurück, und er sagte das Wort so, als wollte er mich damit erschrecken.

»Pause!«

»Lass das sein«, beschwerte ich mich halbherzig mit zuckenden Mundwinkeln, bis ich grinsend den Kopf schüttelte.

Er lächelte ebenfalls. »Na, da haben wir sie ja.«

Seufzend hob ich den Tee an meine Lippen und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Es gelang mir nicht zu realisieren, was heute geschehen war, und ich seufzte erneut.

»Darf ich dir einen Vorschlag machen?«, erkundigte sich mein Bruder und lehnte sich gegen die Masse an Kissen, die er seiner Tochter, mir und unserer gemeinsamen Schwäche für Kissenlandschaften zu verdanken hatte.

»Wenn er gut ist.«

Er hob scherzhaft die Hand zur Brust, als fühlte er sich ernsthaft angegriffen. »Na hör mal! Ich habe ausschließlich wundervolle Vorschläge.«

»Mhm, sicher. Aber zuerst kommen wir zu meinem Plan.«

Levi sah nicht, wie ich in meine Tasche langte, weil er mit einem Seufzen den Kopf in den Nacken fallen ließ. Am liebsten hätte er sich wahrscheinlich die Haare gerauft, wenn er nicht so viel Wert auf eine gut gestylte Frisur legen würde und nicht mit Tee bewaffnet wäre.

Triumphierend klatschte ich das Magazin zwischen uns und ließ den Anblick der Titelseite wirken.

»Das ist doch dieser Morrison.«

»Korrekt.«

Levi hob den Blick und zog eine Braue hoch. »Der dich hat abblitzen lassen, als du ihn nach einer Produktion abgefangen hast?«

Die Erinnerung hatte ich tief vergraben. »Korrekt«, wiederholte ich. Vor zwei Jahren hatte ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und Oscar angesprochen, der zuerst mit einem ehrlich warmen Lächeln reagiert hatte, bis Love Brand zur Sprache gekommen war. Ein Wunder, dass ich nicht auf der Stelle in Flammen aufgegangen war. Selten hatte ich so eine Abneigung in jemandes Augen brennen sehen. Kurz darauf hatte sich Oscar immer mehr aus dem offiziellen Leben zurückgezogen und blieb hinter den Kulissen.

»An dessen Initiative du regelmäßig spendest?«, fragte er weiter, und ich wollte schon die Augen verdrehen, stutzte jedoch.

»Woher weißt du das?«

»Weil ein Spendenzertifikat auf Recyclingpapier, inklusive hübschem Bild von einer Biene, feierlich drapiert in deinem Flur hängt. Wir können aber auch einfach so tun, als wäre ich ungewöhnlich aufmerksam.« Was auch immer in seinem Unterton mitschwang, es gefiel mir ganz und gar nicht.

»Können wir vielleicht zum Plan kommen?«

Levi stellte die Tasse auf den Tisch und verschränkte die Arme, was ich als ungünstig wahrnahm, da er jetzt schon nichts von meiner Idee zu halten schien.

Ich packte das Magazin und hielt es vor mich, womit nicht nur ich, sondern auch Morrison meinen Bruder ansah. »Maurice ist besessen von ihm –«

»Ich hatte bisher angenommen, dass du einen Exorzisten brauchst«, unterbrach er mich, wovon ich mich nicht beirren ließ.

»Wenn ich es schaffe, Morrisons Unternehmen an Land zu ziehen, gibt Maurice mir den Job zurück.«

Levi musterte mich und machte kein Geheimnis aus seinen Zweifeln, aber er ließ sich Zeit, um zu antworten, als wollte er besonders behutsam mit mir umgehen. Er beugte sich nach vorn und nahm mir das Magazin aus der Hand. »Julie. Dieser Mann«, er wies auf Morrison, »lebt für die Umwelt. Ich habe sein Interview gelesen und jedes Youtube-Video angesehen, das du mir geschickt hast. Er würde sich eher die Augen auskratzen, als Love Brand irgendwas einzuräumen. Und er ist nicht der Einzige, der viel zu gut für diesen Schuppen ist.«

»Ich kann überzeugend sein. Maurice gibt mir diese Chance, also muss ich es versuchen.«

»Das ist gar nicht dein Plan, sondern seiner«, realisierte er.

Mein Versuch, das zu verhindern, war sowieso zum Scheitern verurteilt gewesen, also nickte ich. Sorge huschte durch seinen Blick und seine Züge wirkten müde, als hätte er für wenige Sekunden die Geduld mit mir verloren. Doch er fing sich. Als er die Zeitschrift zur Seite und damit außer Reichweite legte, spannte ich mich an, doch seine Stimme lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf ihn.

»Was verlangt er von dir?« Er sprach wie mit einem Tier, das sich in die Ecke gedrängt fühlte und bei jedem lauten Geräusch flüchten könnte.

»Ich soll auf Morrisons Farm gehen und sein Vertrauen gewinnen.«

»Eine recht schlechte Basis für Vertrauen, findest du nicht?«, warf er ein, und ich sah ihm an, dass er versuchte ruhig zu bleiben. »Diese Farm wolltest du schon immer besuchen. Seit sie endlich Übernachtungen anbieten, erzählst du ständig davon. Das, was Maurice von dir verlangt, willst du eigentlich gar nicht.« Weil ich schwieg, versuchte er etwas anderes. »Ich hab eine bessere Idee, was nicht sonderlich verwunderlich ist. Die Farm bringt deine Augen zum Strahlen. Fahr hin, red dir von mir aus noch ein paar Tage ein, dass du eine herzlose Love Brand-Spionin sein kannst, aber dann musst du anfangen, du zu sein.«

Das Öffnen der Haustür unterbrach uns, und kurz darauf ertönte Lottas Stimme. »Hallo, Papa!«

Im nächsten Moment kam meine Nichte in das Wohnzimmer gestürmt. Levi hatte seine Tasse bereits auf das Tablett gestellt und passte sie auf halbem Weg ab, um sie hochzuheben.

»Deine Haare sind ja kurz«, rief ich schockiert aus, und sie grinste mir stolz entgegen. Ihre sonst langen braunen Haare reichten ihr nicht weiter als bis über die Ohren.

Die beiden schmissen sich zu mir aufs Sofa, weshalb ich nach den Tassen griff, deren Inhalt gefährlich hin und her schwappte.

»Ich hab sie für Krebskranke gespendet«, teilte sie mir mit, was mein Herz stechen und gleichzeitig aufblühen ließ.

Die Frisur ließ ihre kugelrunden blauen Augen – die sie von ihrer Mutter geerbt hatte – noch größer wirken. Ich verkniff mir einen Blick in die Richtung meines Bruders, hörte ihn jedoch leise lachen.

»Du siehst obercool aus, Spatz«, bemerkte er und wuschelte ihr durch die Haare, wobei ich mich anschloss, weshalb Lotta protestierend in die Kissen fiel und sich darin vergrub. Das Strahlen im Gesicht von Levi tat mir gut, und ich merkte, wie ich mich endlich entspannte.

»Ich überrede deine Tante gerade dazu, Urlaub auf der schwedischen Farm zu machen, mit der sie uns ständig in den Ohren liegt«, teilte er der Kleinen mit. „Hol doch den Laptop, dann können wir sie uns noch mal ansehen.«

Er übertrieb maßlos. Ich hatte ihnen ein einziges Mal – mindestens – von HumbleBees & Teas erzählt. Das Herzensprojekt, Lebenswerk und bestgehütete Unternehmung von Oscar Morrison, die er schon vor seinem Rückzug aus den Medien schützte wie ein Löwe.

Sofort kämpfte sich Lotta vom Sofa hoch, um wie ein Wirbelwind loszurennen.

»Scheiß auf den Deal mit ihm. Fahr für dich hin! Das wird dir guttun«, kam mein Bruder mir zuvor und ich seufzte. Zum hundertsten Mal an diesem Tag.

»Woher willst du das wissen, Levi?«

Wie vorhin wurden seine Züge steinern. »Weil jede Situation besser ist als die, in die du dich jeden Tag zwängst.«

Ich machte sofort dicht und wandte mich ab. »Fang nicht wieder damit an. Ich habe keine Lust, mir deine Vorwürfe anzuhören.« Es war ein schwieriges Thema, das ich zu vermeiden versuchte. Love Brand hatte das Image eines Konzerns, der über Leichen ging. Und viele Freunde und Familienmitglieder sparten nicht an Kommentaren, die mich genau daran erinnerten, bevor sie im Drogeriemarkt nach unseren Produkten griffen.

»Himmel, Julie. Es geht nicht um die Korruption in diesem Schuppen, dem du dich verschrieben hast, sondern darum, wie ausgelaugt du deswegen bist. Und ich will dir nicht länger dabei zusehen, wie du dich kaputtmachst.«

Seine Worte trafen etwas in mir, was die Tränen wieder heraufbeschwor, und er hielt inne. Kaum rückte er neben mich, drehte ich den Kopf weg.

»Tut mir leid … Du weißt, ich bin immer für dich da, aber ich möchte, dass es dir gut geht.« Sein Ton glich einem Flehen. Am Ende war das, was wir füreinander wollten, nie weit voneinander entfernt.

»Gib dich nicht für andere auf. Es ist an der Zeit, dass du dich um dich kümmerst. Nicht immer um alle anderen.«

»Ich überlege es mir«, gab ich nach, und sein Lächeln steckte mich ungewollt an.

»Ich hoffe, das Arschloch bezahlt dir diesen Urlaub.«

Insgeheim gefiel mir das Teuflische in seinen Augen. »Auf nach Schweden.«

»Schweden!«, wiederholte Lotta feierlich, die gerade mit dem Laptop angerast kam und zwischen uns hüpfte. Ihr Vater beäugte mich, während sie auf der Tastatur herumdrückte.

»Komm her«, wandte er sich an Lotta und hob sie auf seinen Schoß. Sie hatte sich wahrscheinlich vertippt, und er half ihr dabei, den Namen richtig zu schreiben und die Website aufzurufen.

»Das sieht aus wie ein astreiner Disneyfilm«, meinte Levi.

Humble Bees & Teas. Es war ein Traum. Die reinste Idylle in den Tiefen Schwedens. Wir sahen uns die Farmtiere sowie den Hofladen an, obwohl ich alles längst kannte. Die Bienen. Das zu vermietende Cottage raubte mir erneut den Atem.

Weg hier. Die Stimme war lauter als jemals zuvor, sobald ich das Häuschen zum Verlieben entdeckte.

Ohne es zu merken, rückte der Deal mit Maurice in meinen Hinterkopf. Womöglich war es eine gute Idee, etwas für mich zu tun. Es fühlte sich zumindest mehr als richtig an. Nur schwer riss ich mich von dem Screen los und schaute meine kleine Familie an. Wieder seufzte ich, dieses Mal mit einem Lächeln auf den Lippen.

Levi streckte eine Faust in die Luft und Lotta klatschte in die Hände. »Du wirst mit Bienen fliegen!«, jubelte sie, und ich legte einen Arm um ihren Körper, als sie sich an mich schmiegte.

»Ja, Kleine. Das werde ich wohl.«

Etwas blühte im Blick meines Bruders auf. Und ich spürte, wie es auch mein Herz erreichte.

Am nächsten Morgen bestätigte man mir meine Buchung telefonisch, denn das Internet in dem kleinen Dorf hatte den Geist aufgegeben. Der Ansprechpartner für die Cottagevermietung war ein mies gelaunter Typ, der seinem Tonfall nach nur bedingt Lust auf Menschen hatte. Das war mir recht, solange ich dort Oscar antraf.

Worauf ich mich einzig und allein konzentrieren wollte, waren die drei Sommermonate, die ich in Schweden verbringen würde. Mit aller Macht ignorierte ich die Panik, die in mir aufstieg, und ließ mir stündlich von Levi bestätigen, dass ich das Richtige tat, solange ich dabei auch an mich dachte. Das sah Tamsin ganz ähnlich. Ich hatte bei meinem Bruder mit ihr gefacetimed, der sich während ihrer Rede mit anerkennender Miene hinter mich gestellt und ein wenig zu lang gestarrt hatte. Die beiden waren sich trotz unserer innigen Freundschaft nur selten begegnet, hatten in ihrem Maurice-Hass allerdings eine große Gemeinsamkeit gefunden.

Es wird Zeit, dass du dich um dich kümmerst, hallten ihrer beider Worte in meinem Kopf wider. Das Problem war nur, dass mir das genauso schwerfiel wie Pausen zu machen. Sosehr ich mich auf Schweden freute, die Entlassung lag wie ein Stein in meinem Magen, und ich hatte schlichtweg Angst vor dieser Reise. Das Gefühl, alles würde aus den Fugen geraten, beschlich mich die folgenden Tage fortlaufend. Während ich meine Taschen packte, während ich Tamsin meinen Zweitschlüssel gab und während ich meinen Zielort recherchierte. An meinem letzten Abend fuhr ich mit dem Rad durch die Stadt, sog den Anblick des Flusses auf, den der Sterne über mir und lauschte den Leuten, die über die Promenade schlenderten. Der Drang, die Arme auszubreiten, stieg in mir auf, stattdessen umgriff ich den Lenker fester. Auch wenn ich mich hier manchmal wie gefangen fühlte, würde ich Hamburg vermissen.

Der Abschied von Lotta, Levi und Tamsin war jedoch das Schlimmste. Zumindest für mich. Eine Woche nach der Freistellung konnten sie sich das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht schlagen, während sie beim Beladen des Autos halfen.

»Man könnte meinen, ihr wollt mich loswerden«, kommentierte ich mit hochgezogener Braue und stemmte eine Hand in die Hüfte.

Levi öffnete demonstrativ die Fahrertür. »Wie kommst du drauf?«, neckte er mich, ehe er zu mir kam und mich in eine Umarmung hob.

»Du erdrückst mich«, beschwerte ich mich zuerst, umschlang dann aber seine festen Schultern.

Nachdem er mich runtergelassen hatte, war es an mir, Lotta hochzuheben, während sich ihr Papa nachdenklich über den Bart fuhr.

»Pass auf den Straßen auf«, bat er mich ernst, und ich nickte stumm, bevor ich Lotta einen Kuss auf die Wange gab.

»Seid schön lieb zueinander«, flüsterte ich ihr zu.

Sie stemmte die Hände in die Hüften wie ich vorhin und reckte das Kinn. »Ich bin immer lieb.« Eine schamlose Lüge.

Ich drückte Tamsin so fest wie möglich, bevor ich in mein Auto stieg und die Adresse in das Navi eingab. Schließlich schaute ich auf und begegnete dem Blick meines Bruders.

Er schloss die Tür erst, nachdem ich die Scheibe runtergelassen hatte, und beugte sich dann vor. »Ich meinte es ernst, was ich gesagt habe. Kümmer dich dort um dich. Sei gut zu dir und tu nichts, was du bereuen wirst.«

Seine Worte lösten mehr in mir aus, als ich gerade verkraften konnte, also nickte ich nur. »Ich hab euch lieb.«

»Wir dich auch«, erwiderten sie im Chor.

»Denk dran, mir einen Screenshot von der Absage an Maurice zu schicken«, erinnerte mich Tamsin.

Mehrmals hatte sie mich dazu angehalten, doch meine Antwort hatte sich bis jetzt nicht geändert: Ich muss darüber nachdenken.

Ich setzte rückwärts auf die Straße und streckte eine Hand aus dem Fenster, um zu winken. Kaum war ich losgefahren, in die Richtung, in die mich der blaue Pfeil auf dem Screen wies, schnürte sich mir die Kehle zu. Der Blick in den Rückspiegel half nicht, denn meine Familie stand auf dem Bürgersteig und winkte unaufhörlich.

Sei gut zu dir.

Das war der Plan. Womöglich war diese Farm meine Chance. Etwas, das mich aus dieser Lage rettete. Etwas, das mich nicht entwurzelte.

Oder aber – und der Gedanke fühlte sich viel leichter an – sie ließ mich fliegen.

In ihrem kurzen Leben produziert eine Biene zwei Teelöffel Honig.

O.M.

Kapitel3

Honigsüßes Lächeln

Julie

Ich fuhr an dem Staketenzaun vorbei, hinter dem Lupinen wuchsen und sich weite Wiesenflächen erstreckten. So weit, dass ich ihr Ende nicht erahnen konnte.

Eins stand fest: Das hier war das Paradies.

Die Bilder auf der Website wurden der Realität nicht annähernd gerecht. Sie konnten nicht das auslösen, was der Duft von Erde und Frische in mir auslöste, der durch das heruntergelassene Fenster zu mir wehte. Ich konnte es kaum abwarten, endlich aus dem Auto zu steigen. Etliche Kilometer war ich an dichten Wäldern und saftigen Grashügeln vorbeigefahren, auf denen wilde Blumen wuchsen, bis ich schließlich die Farm erreichte. In der Ferne hatte ich sogar eine Schafherde ausgemacht und mir deswegen den Kopf verrenkt. Wir hatten zwar auch in Deutschland Schafe, aber das waren eben deutsche Schafe und keine schwedischen. Hier hatten sie einen ich-bin-ein-exotisches-Schaf-Flair.

Den breiten Pfad, der von Weiden und einer Baumallee flankiert war, fuhr ich im Schritttempo hoch. Hinter den bunten Hütten stiegen Berge empor, und ich fragte mich, wie mir hatte entgehen können, wie schön Schwedens Natur war. Ein entzücktes Geräusch schlüpfte über meine Lippen, kaum entdeckte ich zwei Esel, die aus einem bunt angestrichenen Stall auf die Weide zu meiner Linken trabten. Dahinter erhoben sich zwei weitere riesige rote Scheunen und eine im Miniformat stand ein Stück versetzt; das Ende des Pfades mündete auf der rechten Seite in einem kleinen Parkplatz einer Scheune, deren weiße Flügeltüren offen standen.

Überall standen Apfelbäume, und so weit das Auge reichte, wuchsen Blumen; ob in Form von wilden Wiesen, Beeten oder in Töpfen, sie nahmen jeden kleinen Winkel auf dieser Farm in ihren Besitz. Ich vermutete, auch jeden Winkel im Herzen der Besucher, die diesen Boden betraten – zumindest ging es mir so. Es brauchte nur einen Blick und das Gewicht auf meinen Schultern löste sich ein wenig. Ich hatte die dunkleren Gedanken vorn an der Straße abgeladen, und obwohl ich befürchtete, dass sie es früher oder später diese Allee hochschaffen würden, so wollte ich sie noch etwas länger auf Abstand halten.

Ich hielt vor dem Gebäude mit den Flügeltüren, über denen ein Holzschild baumelte, auf dem HumbleBees & Teas geschrieben stand. Es war einem Etikett nachempfunden und um den Schriftzug verlief ein Kranz aus Schnörkeln, auf denen eine Biene thronte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Nachdem ich den Wagen abgestellt hatte, sprang ich ins Freie und drehte mich im Kreis. Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr, worauf mein Blick zur Seite schweifte.

Nur um einem verdammt riesigen Pfau entgegenzublicken.

Mit schief gelegtem Kopf taxierte er mich, und ich kniff die Augen zusammen. Der Enthusiasmus in mir verebbte, die Bienchen und Blümchen waren vergessen. Hätte ich auf der Website nicht schon die hiesigen Tiere begutachtet, wäre ich mehr als verwundert; allerdings begegnete ich nicht jeden Tag einem ein Meter großen und streitlustig aussehenden Vogel, der frei rumlief.

Das Tier streckte seinen Hals und seine Federkrone zuckte. Mit lauernden Schritten kam er näher, und seine schillernde Schleppe aus Federn raschelte, während er mich misstrauisch beäugte. So wie ich ihn, denn alles an ihm sagte, dass er nichts Gutes im Schilde führte.

»Bleib schön weg, Freundchen«, murmelte ich.

Als wollte er mich provozieren, näherte er sich mir weiter. Ob wegen seines irren Blickes oder der aggressiven Haltung, ich wich instinktiv einen Schritt zurück. Den gewonnenen Abstand machte er ad hoc zunichte.

»Geh weg, Hühnervogel!«, warnte ich und hob den Finger, stolperte rückwärts. »Sei schön brav.«

Das Blau seiner Brust glänzte in der Sonne. Er öffnete den Schnabel – und ließ dann einen Kampfschrei los, mit dem er wie von der Tarantel gestochen auf mich zuschoss.

Ohne nachzudenken, wirbelte ich herum und rannte los, hielt auf die kleine, offene Scheune zu, die das Einzige war, was Schutz versprach.

Wieder erklang ein Schrei. Etwas Spitzes streifte meine Wade.

»Scheiße!«, fluchte ich und legte einen Zahn zu. Panisch wollte ich mich wehren, wagte jedoch nicht stehen zu bleiben. »Lass mich in Ruhe!«

Ein Schmerz fuhr durch mein Bein. Noch mal. Und noch mal.

Ich hätte wohl gelacht, hätte ich mich selbst gesehen. Eine erschöpfte Reisende, die von einem aggressiven Pfau über einen Hof gejagt wurde, auf dem es nach Tee und Blumen duftete und die Idylle um sie herum durch ihren lang gezogenen, schrillen Hilferuf zerstörte.

Oscar

»Hilfe!«

Bei dem mehr als verzweifelten Ruf riss Oscar seinen Kopf herum, den er von dem Imkerhut hatte befreien wollen. Fluchend lief er los, der Hut raschelte bei jedem großen Schritt, mit dem er seine Farm überquerte, die friedlich dalag. Die Ziegen und Esel hoben die Köpfe, als er in der Montur an ihrer Weide vorbeiraste, geradewegs auf den Hofladen zu, aus dem ein erneuter Schrei ertönte.

Der Wagen, der mit offener Beifahrertür in der Auffahrt stand, verwunderte ihn nur, weil er ein deutsches Kennzeichen hatte. Für gewöhnlich fanden hier nur selten Touristen hin. Stolt war kein Städtchen, das man schnell auf der Karte fand.

»Ich warne dich!« Die hohe Stimme klang panisch.

Er ahnte, was das Problem war. Was sich bestätigte, sobald er in den Laden schlitterte und Brutus’ wippenden, federbedeckten Hintern entdeckte. Das Rad des Pfaus war aufgeschlagen und wellte sich einschüchternd.

»Was zum …«, entfuhr es Oscar, da der Pfau zwar nicht freundlich war, dennoch niemanden anging wie ein Wahnsinniger.

Obwohl der Frau durch das bunte Rad die Sicht versperrt wurde, hatte sie Oscar wohl gehört. »Er will mich töten!«, behauptete sie in einwandfreiem Englisch und forderte damit sein Einschreiten.

Oscar verkniff sich ein Schmunzeln und trat um das Tier herum, wehrte mit der Hand die Federn ab, als sie gegen seinen Hut stießen. Vielleicht war es Schicksal, dass er ihn heute trug, weil er Sauron besucht hatte – nicht die freundlichste Regentin unter seinen Bienenköniginnen. Mit ausgebreiteten Armen trieb er den Vogel zurück. »Brutus! Hau ab«, herrschte er ihn an und der Pfau hielt inne.

Einen weiteren Schritt in seine Richtung, und Brutus machte – als königlicher Wachhund, der er glaubte zu sein – eine letzte trotzige Bewegung seines Rads und fuhr es dann gnädig ein. Nicht ohne ein gurrendes Geräusch von sich zu geben, drehte er sich um und stolzierte schwungvollen Ganges davon.

Ein tiefes Durchatmen erklang. »Was zum Henker war das?« Dieses Mal auf Deutsch.

»Ein Pfau«, erwiderte Oscar und überraschte sie sicherlich mit seinen Sprachkenntnissen. Womöglich war sie ein Stadtkind; die hielten Tiger meist für Löwen. Er begann, an seinem Imkerhut rumzuwerkeln, und schaffte es endlich, ihn abzusetzen, während er sich zu der Stimme umdrehte.

Eine, die aufgekratzt und kess klang. »Weiß er das? Ich glaube, er denkt, er sei ein Wachhund.« So überrascht schien sie wohl doch nicht über seine Sprachkenntnisse zu sein, denn sie fuhr unbeirrt in ihrer Muttersprache fort.

Das brachte ihn zum Lächeln. Er machte sich ein Bild von der Szene. Mit einer Miene, die sich anspannte, saß die junge Frau in dem zusammengestürzten Regal, das er letztens neu gestrichen hatte. Ihre Haare hatten vor dem Unfall sicher perfekt gelegen, aber der Honig und die Blüten darin ließen sie noch hinreißender aussehen, als es ein guter Haarschnitt vermocht hätte. Innerlich machte er ein Foto von diesem Moment. Dass er den Ausdruck in diesen braunen Augen jemals vergaß, war zu bezweifeln. Es riss ihn beinahe selbst von den Füßen.

Etwas ging durch ihre weichen Züge, und sobald er realisierte, dass er sie anstarrte, räusperte er sich. Er verhielt sich unmöglich.

»Gut erkannt«, brachte er hervor und hielt ihr die Hand hin. »Hast du dich verletzt? Darf ich dir aufhelfen?«

Zu spät. Die junge Frau raffte sich mit rosigen Wangen auf und wischte sich ihre Hände an der Jeans ab, ehe sie auch darauf Honigflecken bemerkte. Mit verzogenem Mund hob sie die Finger vor das Gesicht.

»Du kannst gern probieren. Soll ganz gut schmecken. Geht aufs Haus«, hielt er sie mit zuckendem Mundwinkel an, jedoch erwiderte sie es nicht. Etwas gab ihm das Gefühl, sie wollte den Blickkontakt mit ihm vermeiden. Ihre Schultern waren verkrampft. Fühlte sie sich unwohl in seiner Gegenwart? Vielleicht war er ihr bei dem Versuch, ihr aufzuhelfen, zu nah gekommen. Den Schritt, den er zurücktrat, machte er ausschließlich für sie. Er mochte es selbst nicht, wenn Leute einem auf die Pelle rückten.

Allerdings schien sie sein Zurückweichen gar nicht zu bemerken. Sie starrte weiterhin ihre Hand an, ihr Ausdruck war zögerlich, bis ein Ruck durch sie hindurchging, den er nicht zu deuten wusste. Zu seiner Verwunderung steckte sie sich einen Finger in den Mund und summte kaum merklich auf. Er atmete tief durch. Nun schaute sie doch zu ihm, und zwar mit strahlenden Augen.

»Mehr als ganz gut. Eher fabelhaft«, ging sie auf seine Aussage ein.

Oscar blinzelte und inspizierte den Laden, um einen Vorwand zu haben, sich von ihr loszureißen. Die Regalbretter waren aus den Halterungen gefallen und mit ihnen mehrere offene Honigtöpfe, Blumendeko und zwei Teekästchen.

»Tut mir leid für das Chaos. Ich komme dafür auf«, beeilte sich seine Kundin zu sagen.

Sie schien ernsthaft besorgt, als könnte sie sich vorstellen, wie viel Arbeit ein einzelner Honigtopf bedeutete. Ihm gefiel der Gedanke. Was die Natur gab, nahmen Menschen oft einfach, ohne es wertzuschätzen. Es war gestern verfügbar, das würde es auch heute und morgen sein. Wie das Morgen der zukünftigen Generationen aussah, war vielen gleichgültig. Wie das Morgen dieser Erde aussah, war vielen gleichgültig. Denn sie alle konnten es sich leisten, diese Welt zu retten, wenn sie es wirklich wollten. Aber womöglich war er nur wieder in seinem Ich-mag-Steine-Modus, denn hier stand jemand, der nicht gleichgültig erschien, und das sollte er wohl genießen. Oscar wollte heute auf das Gute hoffen. Da war dieses Funkeln in ihren Augen, hinter einer dicken Nebelwand, doch es war da.

Er ignorierte das flatterhafte Gefühl in seinem Bauch und schüttelte den Kopf. »Schon in Ordnung.« Er würde sich später darum kümmern. Jetzt musste er erst die Kundschaft bedienen. »Wie kann ich dir helfen?«

Sie blinzelte. Die Finger hielt sie gespreizt an den Seiten ihres Körpers. »Ich habe das Cottage gemietet. Kannst du mir sagen, wo ich Lovis finde? Ich hatte mit ihm telefoniert.«

Seine Laune sank rapide in den Keller. »Wahrscheinlich bei den Eseln«, murmelte er in seinen Dreitagebart.

Sie zog die Augenbrauen zusammen, wobei sich die Innenseiten lustig nach oben bogen. »Wie bitte?«

Oscar seufzte und kämpfte um eine freundlichere Miene. Immerhin konnte sie nichts für den alten, nervigen Griesgram, der beschlossen hatte, ihm das Leben heute zur Hölle zu machen. »Du kannst bei mir einchecken.«

Ihre verstörte Miene machte ihm das Lächeln leichter.

»Okay … Aber du bist nicht Lovis.«

Er war unschlüssig, ob ihr Blick ihn beleidigen sollte. »Nein«, erwiderte er. »Ich bin Oscar, mir gehört die Farm«, erklärte er ihr und beobachtete, wie sich ihr Mund öffnete. Überrascht wirkte sie nicht und noch nie hatte ihn jemand so unter die Lupe genommen. Zumindest war es ihm nie so bewusst gewesen; er hätte schwören können, er spürte es wie Berührungen auf seiner Haut. Seinen Nachnamen hatte er absichtlich weggelassen, aber er fragte sich, ob sie ihn wohl trotzdem erkannte. Hier in Stolt, wo jeder jeden kannte, vergaß er oft, dass seine Person jemandem ein Begriff sein konnte, was nicht hieß, wie abwegig sich das immer noch anfühlte und immer anfühlen würde. Nicht grundlos hatte er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er wollte weder einen Hype um seine Person noch ein Instrument sein.

Wenn sie etwas sagen wollte, so entschied sie sich dagegen und wich seinem Blick wieder aus. Auf eine Weise, die ihn innerlich aufscheuchte. Er sollte das hier hinter sich bringen und wieder an die Arbeit gehen. »Dann bist du Julie Hassel, richtig?«

Ihre Schultern entspannten sich. »Himmel, tut mir leid. Normalerweise habe ich Manieren. Freut mich.« Sie machte Anstalten, ihm die Hand zu schütteln, hielt jedoch inne und presste die Lippen aufeinander. Sie begutachteten beide ihre klebrigen Finger.

Wieder wollte er grinsen, schritt stattdessen an ihr vorbei. »Du kannst dir hier die Hände waschen, danach zeige ich dir das Haus.«

»Fabelhaft.«

Er legte den Imkerhut ab, drehte das Wasser über dem Steinbecken auf und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sie bei jedem Schritt zusammenzuckte. Sobald sie seine Aufmerksamkeit auf sich spürte, straffte sie die Schultern und erreichte ihn sicheren Ganges.

»Hat Brutus dich verletzt?«, wollte er wissen, und sein Blick heftete sich an ihre Waden. Außer Schmutz konnte er nichts ausmachen.

»Wieso nennt man einen Pfau Brutus?« Wieder runzelte sie die Stirn und ließ das Wasser konzentriert über ihre Finger rinnen.

In den wenigen Minuten, in denen er sie erlebt hatte, ließ ihn der Eindruck nicht los, dass sie gedanklich ständig abdriftete. Ihr Blick war hin und wieder abwesend. So wie jetzt, während sie gebannt an dem Wasserstrahl hing.

»Er ist ein Mörder.« Sein Ton klang unheilvoll.

Wie gewünscht, wachte sie aus ihrem Tagtraum auf und sah mit zusammengekniffenen Augen zu ihm hoch. Ein Lächeln konnte sie nur mühevoll verstecken. »Sehr lustig.«

Er zuckte mit den Schultern. »Mein Patenkind hatte für zwei Tage ein Faible für den römischen Politiker. Wie es der Zufall wollte, ist in diesen zwei Tagen der Pfau auf die Farm gezogen … der Rest ist Geschichte.«

»Wortwörtlich«, stellte sie fest und beobachtete dann, wie er Opfer seines Instinkts wurde, indem er den Hahn zudrehte, weil ihre Hände längst sauber waren.

Er wollte nicht bevormundend sein, nur galten auf seiner Farm seine Regeln, wozu zählte, nicht unnötig Wasser zu verbrauchen. Ihm war, als würde sie damit kein Problem haben, denn sie reagierte entspannt auf sein Tun, und da dieses Wort nicht das erste war, das ihm in den Sinn kam, wenn er sie beobachtete, wertete er das positiv.

»Sag Bescheid, wenn du was für deine Beine brauchst. Lovis sagte, du willst hier runterkommen und wandern. Schmerzen sind da nicht von Vorteil.«

»Danke schön«, murmelte sie, und wieder hatte er das Gefühl, ihr zu nahe getreten zu sein. Nur dass sie dieses Mal ernsthaft verschlossen wirkte.

Er führte sie aus dem Laden und nahm ihr eine der zwei großen Taschen ab, die sie aus dem Wagen holte. »Das Auto kann hier stehen bleiben. Es gibt auch ein Rad, das du nutzen kannst. Steht direkt beim Haus«, erklärte er ihr, während sie den Pfad in den hinteren Teil zu den Wohnhäusern betraten. Die Temperaturen stiegen zwar selten bis 30 Grad, aber dieses Jahr war die Sonne besonders zuverlässig und bot beste Gelegenheiten für Trips. Andererseits sorgte sie für Trockenheit, und das war für Oscars Land kein Anlass zur Freude. Julie jedoch war für ihr Vorhaben zur rechten Zeit am rechten Ort.

Er bemerkte, wie sie Richtung Esel schaute und sich dabei fast den Hals verrenkte; fehlten nur noch die Herzchenemojis in ihrem Gesicht.

»Neben Brutus leben hier zwei Esel, Lilibet und Phil. Und die Ziegen Ett, Två und Tre – also Eins, Zwei und Drei.« Julies Lachen ließ ihn beinah erstarren. Er warf einen Blick über seine Schulter, doch leider hielt sie sich die Hand vor den Mund und schien sich wieder zu beruhigen. Nur ihre Augen funkelten amüsiert.

»Lass mich raten, ein Faible deines Patenkindes?«

»Fast. Seine Schwester hat kürzlich das Zählen für sich entdeckt.«

Er beschleunigte seine Schritte und sie ließen die Weiden und beide großen Scheunen hinter sich. Der Anblick seiner Farm trieb ihm jedes Mal wieder Wärme in die Brust. Zwischen der Anlage und dem Cottage sowie seinem Landhaus lagen eine größere wilde Wiese und der Ausläufer des Baches, der aus dem Wald weiter hinten heranschlich. Er hieß alles willkommen, was sich auf sein Grundstück verirrte, solange es keinen Schaden anrichtete. »Die Esel habe ich benannt«, fügte er schließlich hinzu.

Julie holte auf und war zweifellos angetan von dem Bild, das sich ihr bot, blieb jedoch bei der Sache. »Interessante Wahl.«

»Ich bin in England geboren. Den Patriotismus atmet man mit dem ersten O2 ein.« Eine Erklärung, die zur Hälfte Scherz, zur Hälfte Wahrheit war.

»Gehören die Schafe auch zu der Farm? Ich habe welche auf dem Hinweg gesehen«, erkundigte sich Julie interessiert.

»Nein. Die gehören zum Hof der Svenssons. Ihre Schafe werden für die Beweidung der Region genutzt, um das Mähen zu vermeiden. Meine Tiere haben auch Zugang zur wilden Wiese.« Das machten sich die Ziegen regelmäßig zunutze, um Schabernack zu treiben.

»Das klingt nach einem langwierigen Prozess.«

»Es ist ein nachhaltiger Prozess und fördert die Artenvielfalt wilder Weiden«, erklärte er.

Oscars Heim konnte man in der Ferne zwischen vereinzelten Bäumen erahnen. Die Gebäude stammten alle aus derselben Architektenfeder und blieben dem typischen schwedischen Landhausstil treu. Im Gegensatz zu den roten Scheunen war Oscars Haus cremefarben und das Cottage gelb angestrichen.