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Das befreite Jerusalem ist ein Epos von Torquato Tasso und gilt als sein Hauptwerk. Das Werk beschreibt die anfängliche Uneinigkeit und die Rückschläge der Christen bei der Eroberung Jerusalems und ihren ultimativen Erfolg am Ende.
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Seitenzahl: 568
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Befreites Jerusalem
Torquato Tasso
Inhalt:
Torquato Tasso – Biografie und Bibliografie
Befreites Jerusalem
Erster Gesang.
Zweiter Gesang.
Dritter Gesang.
Vierter Gesang.
Fünfter Gesang.
Sechster Gesang.
Siebenter Gesang.
Achter Gesang.
Neunter Gesang.
Zehnter Gesang.
Eilfter Gesang.
Zwölfter Gesang.
Dreizehnter Gesang.
Vierzehnter Gesang.
Funfzehnter Gesang.
Sechszehnter Gesang.
Siebzehnter Gesang.
Achtzehnter Gesang.
Befreites Jerusalem, Torquato Tasso
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849637392
www.jazzybee-verlag.de
Sohn des Dichters Bernardo Tasso, berühmter ital. Dichter, geb. 11. März 1544 in Sorrento, gest. 25. April 1595 in Rom, begann 1560 in Padua das Studium der Rechte, das er nach einem Jahre mit dem der Philosophie und Beredsamkeit vertauschte, und veröffentlichte zwei Jahre später ein episches Gedicht: »Rinaldo« (Vened. 1562). 1563 begab er sich zur Fortsetzung seiner Studien nach Bologna, musste aber 1564 von dort fliehen, weil er beschuldigt wurde, der Verfasser einiger Satiren gegen Studiengenossen und einen Professor zu sein, und ging wieder nach Padua. Auch hier arbeitete er an dem schon früher gemachten Entwurf zu einem epischen Gedicht von der Befreiung Jerusalems weiter. 1565 ernannte ihn der Kardinal Lodovico von Este zum Hofkavalier in Ferrara. 1570 reiste T. nach Vollendung der ersten acht Gesänge seines Epos mit dem Kardinal nach Frankreich und wurde am Hofe Karls IX. huldvollst aufgenommen. Bald aber trat er in die Dienste des Herzogs Alfons, der ihm volle Muße zu seinen poetischen Arbeiten gewährte. T. verfasste zunächst das Schäferspiel »Aminta«, das sofort unter großem Beifall ausgeführt ward (1573), und vollendete darauf im April 1575 sein Epos, zunächst u. d. T.: »Goffredo«. Im Sommer las er es dem Herzog und der Fürstin Lucrezia vor. Im November zum Historiographen des Hauses Este ernannt, begab er sich im Dezember nach Rom, um sein Gedicht dort nochmals durch verschiedene Gelehrte einer gründlichen Prüfung unterwerfen zu lassen. Mitte Januar 1576 war er wieder in Ferrara. Als er sein Gedicht endlich drucken lassen wollte, verbreitete sich das Gerücht, dass jemand anders es auf Grund einer erlangten Abschrift zu veröffentlichen im Begriff sei. Nur das energische Vorgehen des Herzogs verhinderte dies. Infolge all dieser Erregungen wurde T. geistesgestört. Kaum genesen, wurde er 7. Sept. von Ercole Facci, dem er in einem Streit eine Ohrfeige gegeben hatte, hinterrücks angefallen und mit einem Stock über den Kopf geschlagen. Dies verschlimmerte seine Geisteskrankheit, die sich in religiösem und Verfolgungswahn kundgab. Im Juni 1577 ließ er sich vom Inquisitor von Ferrara auf seine Rechtgläubigkeit prüfen, wurde aber freigesprochen. Er glaubte jedoch, man täuschte ihn und wolle ihn in der Sünde lassen. Als er am Abend des 17. Juni 1577 der Fürstin Lucrezia sein Leid klagte, zückte er das Messer gegen einen Diener, den er im Verdacht hatte, ihn zu belauschen. Man musste ihn in einem Zimmer einschließen und dort behandeln. Nach einigen Tagen nahm ihn der Herzog mit nach der Villa Belriguardo, musste ihn aber alsbald nach Ferrara zurückschicken, wo er ihn bei den Mönchen von San Francisco verpflegen ließ. Am 27. Juli floh T. und bettelte sich bis Sorrento zu seiner Schwester Cornelia durch. Unter ihrer liebevollen Pflege erholte er sich einigermaßen, aber die Sehnsucht nach Ferrara ließ ihm keine Ruhe. Nachdem er sich die Erlaubnis zur Rückkehr erwirkt hatte, traf er Mitte April dort ein, freilich unheilbar krank. Anfang Juli floh er von neuem ohne Grund nach Mantua und von dort nach Pesaro. Herzog Francesco Maria nahm ihn sehr liebevoll auf, aber ruhelos wanderte T. im September, ohne jemand etwas zu sagen, nach Piemont. In Turin trat er in den Dienst des Filippo d'Este. Er verfasste hier eine Anzahl Gedichte und prosaische Schriften und entwarf hier wahrscheinlich die drei berühmten Dialoge »Della Nobiltà«, »Della Dignità« und »Della Precedenza«. Im Februar 1579 floh er ohne jemandes Wissen nach Ferrara. Der Herzog, der gerade seine dritte Gemahlin heimführte, konnte ihn nicht empfangen. Dies brachte T. zur Raserei, und man musste ihn schließlich ergreifen und in das Irrenhaus Sant' Anna führen, wo er eine Zeitlang in strengem Gewahrsam gehalten wurde, bis er einige Zimmer und nach wie vor Beköstigung vom Hof erhielt. In den folgenden Jahren wurde er manchmal aufs Land gebracht und konnte, allerdings nur unter Bewachung, am Karneval, an den Fastenpredigten und Hoffestlichkeiten teilnehmen. Er bekam ganz plötzliche, gefährliche Wutanfälle. In lichten Augenblicken schrieb er Hunderte von Briefen, worin er die verschiedensten Fürsten bat, ihn zu befreien, unzählige Verse und seine klaren, streng logischen philosophischen Dialoge, mit die schönste italienische Prosa. Die Buchhändler machten sich Tassos Krankheit zunutze und ließen Ausgaben seiner Gedichte und Prosaschriften erscheinen, die jedoch alle sehr inkorrekt sind bis auf die beiden Ausgaben der »Gerusalemme liberata« (Ferrara 1581). T. grämte dies Verfahren sehr, und er verleugnete das »Befreite Jerusalem«. Er erkannte nur die jetzt vergessene Überarbeitung »La Gerusalemme conquistata« an. Im Juli 1586 erlaubte der Herzog dem Fürsten von Mantua, Vincenzo Gonzaga, T. für einige Zeit mit nach Mantua zu nehmen. Hier führte der Dichter ein heiteres Leben, soweit seine Gesundheit es gestattete, und nahm seine Werke wieder auf. Er vollendete und veröffentlichte seine schon 1574 entworfene Tragödie »Il re Torrismondo« (Bergamo 1587). Im August besuchte er seine Verwandten in Bergamo. Nach Mantua zurückgekehrt, verfiel er wieder in Schwermut und wurde krank. Kaum hergestellt, entfloh er ohne Grund und gelangte über Bologna und Loreto 3. Nov. in Rom an. In den nächsten Jahren lebte er, ruhelos von Ort zu Ort ziehend, in Neapel, Rom, Florenz, Mantua, von Fürsten und Gönnern mit Auszeichnung und Rücksicht behandelt. In Neapel begann er 1592 sein Gedicht über die Schöpfung, »Il mondo creato«, kehrte aber schon im April nach Rom zurück, wo inzwischen sein alter Gönner Ippolito Aldobrandini als Clemens VIII. den päpstlichen Thron bestiegen hatte. Im Juni begab er sich nach Neapel, wurde aber im November vom Papste nach Rom zurückgerufen, um auf dem Kapitol die Dichterkrone zu empfangen. Der Papst wies ihm einen Jahresgehalt an; die Dichterkrönung musste aber wegen Krankheit des Kardinals Cinzio verschoben werden. Im März erkrankte T. und starb im Kloster Sant' Onofrio (hier wurde 25. April 1897 ein Tassomuseum eingeweiht). Er ward in feierlichster Weise in der Kirche des genannten Klosters bestattet. Der Kardinal Bevilacqua von Ferrara ließ ihm ein Denkmal setzen; ein andres wurde in neuerer Zeit über seinem Grab errichtet. Auch in Sorrent, Bergamo, Neapel (von Solari), Padua etc. hat man dem Dichter Statuen errichtet.
T. gehört zu den fruchtbarsten italienischen Schriftstellern, und unter seinen poetischen Werken sind fast alle Gattungen der Dichtkunst vertreten. Sein Hauptruhm aber gründet sich auf sein Epos »La Gerusalemme liberata«, ein Meisterwerk seiner Gattung, sowohl wegen der edlen, würdevollen Behandlung des Stoffes, der vortrefflichen Charakteristik der Hauptpersonen und der schönen Abrundung des Ganzen als auch wegen der edlen, echt poetischen Diktion und der musikalischen Schönheit der Verse. Einen Haupt reiz des Gedichts machen die geschickt eingewebten Episoden aus. Zu tadeln ist dagegen, dass der Ausdruck nicht immer von geschraubten Antithesen und zugespitzten Wortspielen frei ist. Die Umarbeitung des Gedichts, die »Gerusalemme conquistata«, ist eine Verirrung und jetzt vergessen. Nächst der »Gerusalemme« ist das Schäferspiel »Aminta« Tassos vorzüglichstes Werk. Sein »Torrismondo« (zuerst Bergamo 1587) ist eins der besten italienischen Trauerspiele aus der älteren Schule, und auch seinem »Rinaldo« sowie den religiösen Gedichten: »Le sette giornate del mondo creato«, »Le lagrime di Maria«, »Il monte Oliveto«, »La disperazione di Giuda« fehlt es nicht an schönen Einzelheiten. Die lyrischen Gedichte (»Rime«) endlich sind teilweise vollendet. Von seinen Prosaschriften sind besonders die philosophischen »Dialoghi« sowie die zahlreichen für die Kenntnis der Zeit wichtigen »Lettere« (hrsg. von Guasti, Flor. 1853–55, 5 Bde.; neue Aufl. 1901) hervorzuheben. Die »Gerusalemme« ist in zahllosen Ausgaben verbreitet (erste authentische Ausgaben Parma 1581, Ferrara 1581; erste kritische Ausg. von A. Solerti, Flor. 1895–96, 3 Bde.). Vgl. Multineddu, Le fonti della Gerusalemme liberata (Turin 1895). Gesamtausgaben von Tassos Werken erschienen in Florenz 1724, 6 Bände, und Venedig 1722–42, 12 Bände; die vollständigste, aber unzuverlässig, ist die von Rosini (Pisa 1821–32, 33 Bde.). Kritische Einzelausgaben: »I dialoghi di T. T.« (Flor. 1858–1859, 3 Bde.; 2. Aufl. 1901) und »Prose diverse di T. T.« (das. 1875, 2 Bde.), von Guasti; »Opere minori in versi di T. T.« (Bologna 1891–95, 3 Bde.), »Appendice alle Opere in prosa di T. Z.« (Flor. 1892) und »Le rime di T. T.« (Bologna 1898–1902, 4 Bde.), von Solerti. Die besten deutschen Übersetzungen der »Gerusalemme liberata« sind die von Gries (13. Aufl., Leipz. 1874, 2 Bde.; Stuttg. 1887) und Streckfuß (mit Biographie, 4. Aufl., Leipz. 1847). »Auserlesene lyrische Gedichte« übersetzte K. Förster (2. Aufl., Leipz. 1844). Tassos Biographie schrieb sein Freund Giamb. Manso (Neapel 1619), vollständiger Serassi (Rom 1785; 3. Aufl., Flor. 1858, 2 Bde.), allein kritisch A. Solerti (Turin 1895, 3 Bde., mit vorzüglicher Bibliographie). Vgl. noch Ferrazzi, T. T., studj biografici-critici-bibliografici (Bassano 1880); Corradi, Le infermità di T. T. (in den »Memorie dell' Ist. Lomb.«, Bd. 14, 1880); über die Legende von Tassos Liebe zu Leonore d'Este: Campori und Solerti, Luigi, Lucrezia e Leonora d'Este (Turin 1880); Solerti, Ferrara e la corte estense nella seconda metà del sec. XVI (Citta di Castello 1891), Bibliografia delle opere minori in versi di T. T. (Bologna 1893) sowie dessen Bibliographie der Tasso-Literatur zur 300jährigen Jubiläumsfeier des Dichters in der »Rivista delle Biblioteche etc.«, Bd. 6 (1895) und Il terzo centenario di T. T. (in dem »Giornale storico della letteratura italiana«, Bd. 27, 1896); Wagner, T. daheim und in Deutschland (Berl. 1905; behandelt die Nachahmungen Tassos). Unecht sind die von dem Grafen M. Alberti herausgegebenen »Manoscritti inediti di Torquato T.« (Lucca 1837 f.) und der »Dialogo dei casi d'amore« (Turin 1894).
1.
Den Feldherrn sing' ich und die frommen Waffen,
So des Erlösers hohes Grab befreit.
Viel führt' er aus, was Geist und Arm geschaffen,
Viel duldet' er im glorreich kühnen Streit.
Und fruchtlos droht die Hölle, fruchtlos raffen
Sich Asien auf, und Libyen, kampfbereit;
Denn Gottes Huld führt zu den heil'gen Fahnen
Ihm die Gefährten heim von irren Bahnen.
2.
O Muse, die mit welken Lorbeerkronen
Nie auf dem Helikon die Stirn umflicht,
Doch die im Himmel, wo die Sel'gen wohnen,
Strahlt mit des Sternenkranzes ew'gem Licht:
Hauch' in die Brust mir Glut aus Himmelszonen!
Erleuchte du mein Lied; und zürne nicht,
Füg' ich zur Wahrheit Zier, schmück' ich bisweilen
Mit anderm, als nur deinem Reiz, die Zeilen.
3.
Du weißt ja, daß die Welt, wo seiner Gaben
Parnaß die süßesten verströmt, sich drängt;
Und daß die Wahrheit manchesmal, vergraben
In holden Reim, die Sprödsten lockt und fängt.
So reichen wir auch wohl dem kranken Knaben
Des Bechers Rand mit süßem Naß besprengt;
Getäuscht empfängt er, ohne Widerstreben,
Den herben Saft, und, durch die Täuschung, Leben.
4.
Großmüthiger Alfons, erhabner Retter
Des irren Wandrers, den das Glück verrieth,
Der aus dem Wogendrang, aus Sturm und Wetter,
Gescheitert fast, in deinen Haven flieht:
Mit heitrer Stirn empfange diese Blätter;
Wie zum Gelübde weiht' ich dir mein Lied.
Einst tönt vielleicht die ahnungsvolle Leier,
Statt leisen Winks, von dir mit lauter Feier.
5.
Wohl ist es recht – wenn je in künft'gen Jahren
Die Völker Christi sich in Frieden sehn,
Und nun mit Schiff und Roß kühn dem Barbaren
Die große Beute zu entreißen gehn –
Daß sie die Führung, wie du willst, der Schaaren
Zu Wasser oder Land dir zugestehn.
Nacheifrer Gottfrieds, horch' auf seine Siege
In unserm Lied, und rüste dich zum Kriege!
6.
Schon lief das sechste Jahr, seitdem die Christen
Zum hohen Kampf gen Ost sich aufgemacht.
Nicäa war durch Sturm, durch Ueberlisten
War Antiochien schon in ihrer Macht,
Und wider Persiens Heer, nach kurzem Fristen,
Die Stadt vertheidigt in gewalt'ger Schlacht.
Tortosa fiel; dann räumten sie der harten
Jahrszeit das Feld, um auf den Lenz zu warten.
7.
Und jener feuchte Winter, der dem wilden
Kriegstoben wehrte, war beinah entflohn:
Als aus des Himmels heitersten Gefilden
Der ew'ge Vater, vom erhabnen Thron,
So weit erhöhet ob den Sterngebilden,
Wie sie sind ob des Abgrunds Region,
Das Aug' herniederwandt' und faßt' in Eine
Anschauung, was die Welt in sich vereine.
8.
Er schaut das All, und weilet bei der Franken
Heerführern, die in Syriens Gau'n verziehn;
Und mit dem Blick, dem in des Busens Schranken
Stets die geheimste Regung klar erschien,
Sieht er den Gottfried glühn von dem Gedanken,
Die heil'ge Stadt den Heiden zu entziehn,
Und, treu und eifrig, jedes ird'sche Trachten
Nach Ruhm der Welt, Herrschaft und Gold verachten.
9.
Er sieht in Balduin die Begierde lauern
Nach allem was zur Erdengröß' erhebt;
Und wie Tancred, versenkt in tiefes Trauern
Durch Liebeswahn, nur wider Willen lebt;
Wie Bohemund in Antiochiens Mauern
Sein neues Reich fest zu begründen strebt,
Gesetz' und Sitten einführt, und Belehrung
In Künsten giebt und wahrer Gottverehrung;
10.
Und wie sein Geist, nur thätig und geschäftig
Bei diesem Werk, nichts Andres denkt noch thut.
Dann siehet er Rinaldo, kühn und kräftig,
Der Ruhe feind, entflammt von Kriegesmuth.
Nicht Gold noch Herrschaft lockt ihn an; doch heftig
Durchlodert ihn der Ehr' unmäß'ge Glut.
Er sieht ihn treu an Guelfo's Munde hangen
Und edler Vorzeit würd'ge Kund' empfangen.
11.
Doch als der Herr des Weltalls wahrgenommen
Den tiefsten Wunsch, den jedes Herz gebar,
Heißt er den Gabriel zum Throne kommen,
Den Zweiten aus der ersten Engel Schaar,
Der immer zwischen Gott und seinen Frommen
Ein froher Bot' und treuer Dolmetsch war.
Er bringt hinab die himmlischen Befehle
Und bringt zu Gott das Flehn der gläub'gen Seele.
12.
Ihm sagt der Herr: Zu Gottfried, meinem Treuen,
Eil' hin und sprich: Warum nunmehr verziehn?
Warum nicht jetzt mit Macht den Krieg erneuen,
Jerusalem dem Joche zu entziehn?
Die Fürsten ruf' er in den Rath, die Scheuen
Sporn' er zum Werk; zum Feldherrn wähl' ich ihn.
Ich wähl' ihn hier; die Andern thun's auf Erden,
Die, einst ihm gleich, jetzt seine Diener werden.
13.
So spricht der Herr; und diesem nachzuleben
Bereitet sich der Engel alsobald.
Luft muß den unsichtbaren Leib umweben,
Von ihm geformt zur menschlichen Gestalt,
Um sich den ird'schen Sinnen kund zu geben,
Doch von des Himmels Majestät umwallt.
Ein Knabe scheint er an des Jünglings Gränzen
Und läßt das blonde Haar von Strahlen glänzen.
14.
Dann nimmt er weiße, goldgesäumte Schwingen,
Die unermüdlich sind, und schnell und leicht
Der Wind' und Wolken Region durchdringen,
Daß Meer und Land tief unter ihm entweicht.
Er eilt, vom Himmel sich hinabzuschwingen;
Bald hat er schon die untre Welt erreicht,
Läßt auf dem Berge Libanon sich nieder
Und wiegt sich auf verbreitetem Gefieder.
15.
Nun lenkt er, abwärts fliegend, seine Pfade
Nach dem Gefild, in dem Tortosa ruht.
Die Sonn' entsteigt dem östlichen Gestade,
Zum Theil herauf, doch mehr noch in der Flut;
Und Gottfried sendet zu dem Quell der Gnade
Sein frühes Flehn, wie er gewöhnlich thut:
Da, mit der Sonne, doch in hellerm Lichte,
Erscheint der Engel seinem Angesichte,
16.
Und sagt ihm: Gottfried, sieh die Zeit erscheinen,
Die wieder Raum den Kriegesthaten schafft.
Warum noch säumst du länger mit den Deinen,
Jerusalem zu ziehn aus schnöder Haft?
Eil', in den Rath die Fürsten zu vereinen,
Und sporn' ans Ziel die träggewordne Kraft.
Gott will zu ihrem Führer dich erheben,
Auch werden sie sich selbst dir untergeben.
17.
Gott schickt als Boten mich, dir zu berichten
Was er beschloß. Wie hoffest du mit Fug
Nun sichern Sieg! Wie groß sind deine Pflichten
Für jenes Heer, das Er dir übertrug!
Er schwieg, verschwand und lenkte zu den lichten
Glücksel'gen Höh'n des Himmels seinen Flug;
Und Gottfried, ob dem Glanz, ob dem Befehle,
Steht da, geblendten Aug's, erstaunter Seele.
18.
Doch als er sich gefaßt, und klar ergründet,
Wer kam, wer sandt', und was zu ihm erscholl:
Da, wünscht' er erst, fühlt er sich ganz entzündet,
Den Krieg zu enden, den er lenken soll.
Nicht daß sein Herz, weil ihm die Gunst verkündet,
Die ihm der Himmel schenkt, von Ehrsucht schwoll;
Doch fühlt er, daß sein Wille sich entflamme
In dem des Herrn, wie Funken in der Flamme.
19.
Er lud demnach die Helden, in der Gegend
Ringsum zerstreut, zum Rath, den er berief.
Stets zu dem Vorschlag noch die Bitte legend,
Schickt Boten er auf Boten, Brief auf Brief.
Was nur für Edle lockend ist und regend,
Was nur die Thatkraft wecket, die entschlief:
Er findet's auf und schmückt es, und erringet,
Daß sein Bemühn zugleich gefällt und zwinget.
20.
Ein jeder Feldherr kam nun mit den Seinen,
Nur Bohemund vermißte man im Rath.
Tortosa nimmt sie auf, wie sie erscheinen,
Und draußen lagern, die zuletzt genaht.
An einem feierlichen Tag vereinen
Die Großen sich, ein würdiger Senat;
Und Gottfried nun spricht zu dem Heldenbunde
Mit hehrem Blick und wohllautreichem Munde:
21.
Ihr Krieger Gottes, die der Herr der Schaaren
Zu seines Reichs Herstellern hat gemacht,
Und zwischen Trug und Waffen, in Gefahren
Zu Land' und Meer geleitet und bewacht;
So daß wir ihm, in nur so wenig Jahren,
So manch abtrünnig Volk zurückgebracht,
Und in bezwungnen, unterworfnen Reichen
Verbreitet seinen Ruhm, sein Siegeszeichen:
22.
Wohl darum nicht – wenn mich kein Wahn betrogen –
Flohn wir die Heimat und der Liebe Pfand,
Vertrauten uns des Meeres falschen Wogen,
Der Kriegsgefahr an so entferntem Strand,
Um einen kurzen Ruhm, der leicht verflogen,
Um zu gewinnen der Barbaren Land.
Das hieße wohl sich schlechten Lohn erwählen,
Und Blut verströmen zum Verderb der Seelen.
23.
Dies Ziel vielmehr ermuthigt' unsre Waffen:
Die edeln Mauern Zions zu befrein,
Unwürd'gem Joch die Christen zu entraffen
Und einer so verhaßten Knechtschaft Pein;
Im heil'gen Land ein neues Reich zu schaffen,
Der Andacht sichre Wohnung zu verleihn,
Damit am hohen Grab der fromme Pilger
In Ruh anbete, des Gelübdes Tilger.
24.
Zwar Großes ist für die Gefahr geschehen,
Mehr für die Miihe, für den Ruhm nicht viel,
Nichts für den Zweck; bleib' hier der Krieger stehen,
Such' anderswo der Waffendrang sein Ziel.
Was hilft's, Europa's Macht vereint zu sehen,
Und daß der Brand in Asiens Fluren fiel,
Ist doch das Ende so gewalt'ger Thaten
Nicht Staatengründung, nur Verderb der Staaten?
25.
Der baut auf Sand, der nur auf Erdenstützen
Ein neues Reich zu gründen sich vermißt,
Wo wenig der Verbundnen ihn beschützen,
Wo er von Heiden rings umgeben ist.
Das ferne Westland kann ihm wenig nützen,
Und trauen darf er nicht der Griechen List.
Nur Trümmer häuft er auf, wovon begraben,
Er selbst ein Grab sich wird erbauet haben.
26.
Daß Türken, Perser, Antiochier sanken –
Glorreicher Schall der Namen und der That –
War unser nicht; dem Himmel war's zu danken,
Der wundervoll auf unsre Seite trat.
Doch brauchen wir, zuwider den Gedanken
Des Gebers, dies Geschenk nach unserm Rath:
So fürcht' ich, wird sein Arm sich von uns wenden,
Und unser Ruhm ein Spott der Völker enden.
27.
Ha! Keiner werd' in unserm Heer getroffen,
Der das verderbe, was der Herr geschenkt!
So, wie der Glanz des Anfangs ließ erhoffen,
Sei bis ans Ziel das große Werk gelenkt.
Jetzt, da die Wege gangbar sind und offen,
Jetzt, da nicht mehr die Jahrszeit uns beschränkt:
Warum nicht zu der Stadt hinan, dem hehren
Zielpunkte jedes Siegs? Wer kann's noch wehren?
28.
Ja, ich bezeug's, ihr Fürsten – und erfahren
Wird dieses Zeugniß Welt und Afterwelt,
Und droben selbst der Himmelsbürger Schaaren –
Die Zeit der Reife hat sich eingestellt.
Je mehr wir zögern, wachsen die Gefahren;
Unsicher wird, was man für sicher hält.
Ich seh's voraus, bald wird, wenn wir nicht eilen,
Aegyptens Macht dem Feinde Hülf' ertheilen.
29.
Er sprach's. Ein Murmeln folgt' itzt im Senate,
Und Peter sprach, der Eremit, sodann;
Ein Niedrer, saß er mit im Fürstenrathe,
Als der den großen Heereszug begann:
Was Gottfried sagt, ist, was auch ich hier rathe;
Es ist so klar, daß Keiner zweifeln kann.
Durch sich ist's kund, er setzt' es ganz ins Reine;
Ihr billigt es; ich füg' hinzu dies Eine:
30.
Fass' ich den Streit, den Widerspruch zusammen,
Den um die Wette Jeder übt' und trug;
Die Meinungen, die wechselnd sich verdammen,
Die Thaten, stockend mitten im Vollzug:
So seh' ich all' aus Einer Quelle stammen,
Die Händel, die Verwirrung, den Verzug;
Aus dem Gewicht, das Viele, die oft streitig
In Meinung sind, behaupten gegenseitig.
31.
Wo Einer nicht der Oberherrschaft Quellen
In sich vereint, verbietet und erlaubt,
Die Arbeit austheilt, Würden giebt und Stellen,
Da ist dem Staat die innre Kraft geraubt.
Eilt denn, euch fest als Glieder zu gesellen,
Und Einer nur sei dieses Körpers Haupt.
Auf Einen sammelt der Regierung Bürde,
Gebt ihm des Königs Ansehn, Macht und Würde.
32.
Hier schwieg der Greis. Doch welcher Herzen Pforte
Kann dir, o heil'ge Glut, verschlossen sein?
Dein Hauch beseelt des Eremiten Worte,
Du prägest sie ins Herz der Ritter ein.
Du tilgst so ganz aus seinem Heimatsorte
Den Trieb nach Freiheit, Macht und äußerm Schein,
Daß Wilhelm gleich und Guelf, die allen Diesen
Vorgehn im Rang, Gottfried zum Haupt erkiesen.
33.
Die Andern stimmen bei; er soll erwägen,
Beschließen, und gebieten Jedermann;
Gesetze den Besiegten auferlegen,
Krieg führen gegen wen er will, und wann.
Die sonst ihm gleich, sehn ohne Widerregen
Sich jetzt als Diener seiner Herrschaft an.
Beschlossen ist's, und schon, nach allen Seiten,
Fliegt das Gerücht, die Kunde zu verbreiten.
34.
Er zeigt den Söldnern sich, und wird von allen
Des Rangs, der ihm verliehen, werth geschätzt;
Und kriegerische Grüße, die ihm schallen,
Verkünden laut, wie sie die Wahl ergetzt.
Er sieht des Heeres Freude mit Gefallen
Und danket Allen heiter und gesetzt;
Dann ordnet er, daß mit der Morgenhelle
Die ganze Macht zur Heeresschau sich stelle.
35.
Kaum ist die Sonn' im Osten aufgegangen,
Und heitrer als sie lange nicht gethan,
Als bei dem ersten Strahle, voll Verlangen,
Mit ihren Fahnen schon die Krieger nahn,
Und jeder sich, in seinem besten Prangen,
Dem frommen Gottfried zeigt auf weitem Plan.
Er aber steht und sieht, in aller Muße,
Vorüberziehn das Heer zu Roß und Fuße.
36.
Du, des Vergessens Feindin und der Jahre,
Erinnerung, die Alles aufbehält,
Erfülle du mich, daß ich offenbare,
Wie jede Schaar sich wies und jeder Held;
Daß man erneut den alten Ruhm gewahre,
Den lange Zeit verdunkelt und entstellt.
Was meine Zunge schmückt mit deinen Schätzen,
Soll jedes Alter hören, keins verletzen.
37.
Die Franken ziehn vorauf, an deren Spitze
Graf Hugo einst, des Königs Bruder, stand.
Sie hatten Isle de France zum Heimatsitze,
Vier Ström' umziehn ihr schönes, weites Land.
Seit Hugo starb, folgt mit gewohnter Hitze
Die Schaar dem Lilienbanner in der Hand
Clothars, des Feldherrn ohne Furcht und Tadel,
Dem nichts gebricht, als königlicher Adel.
38.
Auf Dies', in schwere Rüstung eingeschlossen,
Und ihrer Zahl nach tausend, folgt alsbald
Ein Trupp von gleicher Zahl auf muth'gen Rossen,
Den ersten gleich an Waffen und Gestalt.
Normannen sind's; dem Fürstenstamm entsprossen,
Lenkt Robert sie mit erblicher Gewalt.
Zwei Völkerhirten führten ihre Schaaren
Sodann herbei, Wilhelm sammt Adhemaren.
39.
Sie Beide, die vordem, mit heil'gem Streben,
Ihr frommes Amt verwaltet am Altar,
Jetzt üben sie das rauhe Waffenleben;
Ein schwerer Helm verbirgt das lange Haar.
Die Stadt Oranien und ihr Weichbild geben
Dem Ersten die Vierhundert seiner Schaar;
Zum Kriege führet die aus Puy der Zweite,
In gleicher Zahl und gleich geübt im Streite.
40.
Dann führet Balduin aus Boulogne's Gauen
Sein eignes Volk, sammt dem aus Gottfrieds Land;
Ihm übergab's der Bruder mit Vertrauen,
Da man zum Haupt der Häupter ihn ernannt.
Der Graf von Chartres läßt sodann sich schauen,
Von Rath gewaltig und von tapfrer Hand.
Vierhundert führt er, und an Balduin schlossen
Sich dreimal mehr, im Harnisch und auf Rossen.
41.
Zunächst zeigt Guelf sich auf des Feldes Bahnen,
An hohem Glück und Werth gleich unbeschränkt.
Vom welschen Vater ward der Este's-Ahnen
Glorreiche Folg' als Erbtheil ihm geschenkt;
Doch deutsch von Namen und von Unterthanen,
Dem alten Stamm der Guelfen eingesenkt,
Herrscht er, wo Suev' und Rhätier einst am Rheine
Und Ister wohnt'; auch Kärnthen ist das Seine.
42.
Mit diesem Erb' aus mütterlichem Hause
Verband er großen, rühmlichen Gewinn.
Es trotzt sein Volk dem wilden Kriegsgebrause
Und folgt ihm in den Tod mit kühnem Sinn.
Den Winter bringt es gern bei heiterm Schmause,
Gesellig froh, in warmer Wohnung hin.
Fünftausend zogen aus; zwei Drittel rieben
Die Perser auf, kaum ist ihm Eins geblieben.
43.
Dann kommt das blonde Volk, deß Land vom Meere,
Frankreich und Deutschland eingeschlossen ruht,
An Heerden reich und Ceres goldner Aehre,
Durchströmt vom Rhein und von der Mosel Flut.
Ihm folgt der Inseln Volk, das hohe Wehre
Baut vor des Oceans raubgier'ger Wut;
Des Oceans, der nicht nur Schiff' und Waaren,
Auch Stadt und Land verschlingt und Völkerschaaren.
44.
Von beiden waren tausend; beide standen
In eines andern Robert Dienst und Lohn.
Kaum stärker ist der Britten Schaar vorhanden,
Die Wilhelm führt, des Königs jüngrer Sohn.
Mit Bogen kämpft sie, und ihr folgt, aus Landen
Noch näher an des Nordpols Region,
Ein borstig Volk. Von dichten Wäldern sendet
Dies Irland aus, der Welt ganz abgewendet.
45.
Dann kommt Tancred; und keiner ist von allen,
Der, nach Rinald, ein größrer Krieger sei,
Deß Anstand und Betragen mehr gefallen,
Deß Herz so groß, von jeder Zagheit frei.
Muß doch auf seinen Ruhm ein Schatten fallen,
So ist's der Liebe holde Raserei;
Sie, die im Krieg, von Einem Blick entsprungen,
Mit Qualen sich genährt und Kraft errungen.
46.
Als einst der Franken Heer – so geht die Kunde –
Das Perservolk ruhmwürdig überwand,
Und nun Tancred, sieghaft in letzter Stunde,
Dem Feind zu folgen sich ermüdet fand,
Da sucht' er Labung dem verlechzten Munde,
Dem Leibe Rast, von Kämpfen abgespannt,
Und kam zu einem Quell, wo grüne Sitze
Ihm Kühlung boten nach des Tages Hitze.
47.
Hier ließ sich plötzlich eine Jungfrau blicken,
Bis auf das Antlitz ganz gehüllt in Stahl,
Die, eine Heidin, um sich zu erquicken,
Gleichfalls gesucht dies kühle Schattenthal.
Er schaut sie an, bestaunt mit frohen Blicken
Den holden Reiz, und glühet auf einmal.
O Wunder! Amor, kaum geboren, flieget
Erwachsen schon, bewaffnet sich und sieget.
48.
Sie nahm den Helm und hätt' ihr Schwert geschwungen,
Erschien nicht plötzlich andres Volk allda.
Das stolze Weib verließ den sie bezwungen,
Obwohl ihr Fliehen nur aus Noth geschah.
Allein ihr Bild war in sein Herz gedrungen,
So kriegrisch hold, wie er sie lebend sah;
Und stets umschwebt ihn die Gestalt, die Gegend,
Wo er sie sah, den Brand von neuem regend.
49.
Und deutlich kann in seinem Antlitz lesen,
Wer Liebe kennt: Der glüht, und hoffnungslos.
So spricht von innrer Qual sein ganzes Wesen,
Der trübe Blick, das Herz von Seufzern groß.
Achthundert Reiter hatt' er auserlesen;
Sie kamen aus Campaniens holdem Schooß,
Dem Prachtwerk der Natur, von sonnenhellen
Anhöh'n, geliebkos't von Tyrrheniens Wellen.
50.
Zweihundert Griechen kommen dann gezogen,
Mit Eisenrüstung wenig nur beschwert.
Auf ihrem Rücken tönen Pfeil und Bogen,
An einer Seite hängt ein krummes Schwert.
Die Rosse, schlank, bei magrer Kost erzogen,
Sind rasch im Lauf, im Dienste wohl bewährt.
Zum Angriff schnell, schnell sich zurückzuziehen,
Ficht dieses Volk zerstreut und noch im Fliehen.
51.
Sie führt Tatin, er, den man bei den Schaaren
Von Latium als einz'gen Griechen sah.
O Schmach! O Unthat! Griechenland, und waren
Dir diese Kriege damals nicht so nah?
Doch saßest du, den Ausgang der Gefahren
Erwartend, ruhig, wie beim Schauspiel, da.
Beugt jetzo dir der Knechtschaft Joch den Rücken,
So klage nicht; Recht ist's, und kein Bedrücken.
52.
Nun kommt der letzte Haufen, doch an Ehre,
An Muth und Kunst der erste von der Zahl:
Die freien Ritter, die gefolgt dem Heere,
Der Schrecken Asiens, Mavors Donnerstrahl.
Schweig' Arthur von der Seinen Fabelmähre!
Schweig' Argo von den Minyern allzumal!
Der Vorwelt Ruhm muß sich vor ihrem neigen;
Doch wer wird würdig sich als Führer zeigen?
53.
Dudo von Consa ist's; denn welcher eben
Adliger, tapfrer sei, schien zweifelhaft;
Ihm hatten sie sich willig untergeben,
Dieweil er mehr gesehn und mehr geschafft.
In ernster Würd' und reifem Mannesleben
Zeigt er, bei grauem Haar, noch frische Kraft;
Zeigt er, der Ehre würd'ges Maal, die Narben,
So Wunden ohne Mißzier ihm erwarben.
54.
Ihm folgt Eustaz, deß Lob schon oft erklungen,
Doch durch Bouillon, den Bruder, mehr bekannt.
Gernand, von Norwegs Königstamm entsprungen,
Erscheinet, stolz auf Scepter, Kron' und Land.
Alt ist der Ruhm, den sich im Kampf errungen
Roger von Balnavill und Engerland;
Und mit den Tapfersten verglichen warden
Ein Rambald, Ein Genton, sammt zwei Gerharden.
55.
Hier ist Rosmund, Lancasters reicher Erbe,
Der, wie Ubald, bei den Gepriesnen steht.
Obizo von Toscana, der biderbe,
Sei in dem Kreis der Tapfern nicht verschmäht.
Nicht der Lombardenbrüder Ruhm ersterbe,
Achill genannt, Sforza und Palamed:
Noch Otto's Preis, der jenen Schild erstritten,
Auf dem ein nacktes Kind der Schlang' entglitten.
56.
Nicht soll es Guasco'n noch Ridolfen fehlen
Am Ruhme, der den zwei Guidonen ward;
Nicht will ich schweigend, undankbar verhehlen
Des Gernier Namen, noch des Eberhard.
Wohin entreißt ihr mich, der schon vom Zählen
Ermüdet ist, Gildipp' und Odoard,
Geliebte, Gatten? Eins im Kampfesbunde,
Bleibt ungetrennt auch in der Todesstunde!
57.
Was läßt sich nicht in Amors Schule lernen?
Zum Kriege stählt sich dort ihr weiblich Herz;
Um nie sich von dem Gatten zu entfernen,
Hüllt sie die zarte Brust in rauhes Erz.
Es hängt ihr Schicksal an denselben Sternen,
Und ungetheilt ist jeder Wunde Schmerz.
Ist Sie verletzt, sieht man wie Er sich quäle;
Wenn Ihm das Blut, entwallet Ihr die Seele.
58.
Doch durch Rinald, den Knaben, übertroffen
Sind Beid' und alle, die zur Mustrung ziehn.
Hebt er mit holder Wildheit, groß und offen,
Die Königstirn, schaut Alles nur auf ihn.
Den Jahren eilt er vor und jedem Hoffen;
Man harrt' auf Blüthen, und die Frucht erschien.
Wenn er, gewaffnet, blitzt von Muthesfülle,
Glaubst du ihn Mars; und Amor, ohne Hülle.
59.
Sophia gab ihn an den stolzen Wogen
Der Etsch dem mächtigen Berthold zum Sohn;
Doch als er noch der Mutter Brust gesogen,
Nahm zur Erziehung ihn Mathildis schon.
Sorgfältig ward er von ihr auferzogen
In jeder Kunst, die fähig macht zum Thron;
Bis Thatendrang die junge Brust durchwallte,
Als aus dem Ost die Kriegstrommet' erschallte.
60.
Da fliehet er, allein, auf fremden Pfaden,
Eh noch das dritte Lustrum ihm entweicht,
Durchstreift die See sammt Griechenlands Gestaden,
Bis er das Heer im fernen Land' erreicht.
O edle Flucht, wohl würdig, einzuladen
Zur Nachahmung den Enkel, der ihm gleicht!
Drei Jahr' ist er im Krieg, und kaum entsprießet
Unzeit'ger Flaum, der zart sein Kinn umschließet.
61.
Des Fußvolks Banner, hell vom Strahl der Sonne,
Führt Raimund von Toulouse würdig an.
Er nahm die Seinen zwischen der Garonne,
Den Pyrenäen und dem Ocean.
Viertausend sind's; sie achten Krieg für Wonne,
Sind wohl bewehrt, gewohnt der rauhen Bahn,
Ein wackres Volk; und nicht wär' auszuspüren,
Wer klüger sie und kräft'ger könnte führen.
62.
Stephan d'Amboise führt nun, aus der Gegend
Von Blois und Tours, Fünftausend, wohlgeschaart;
Kein starkes Volk und wenig Kampflust hegend,
Obwohl es nicht die Eisenrüstung spart.
Das Land, anmuthig, üppig, wonneregend,
Erzeugt Bewohner von der gleichen Art.
Wild ist ihr Angriff bei dem ersten Zeichen,
Doch leicht ermatten sie hernach und weichen.
63.
Dann kommt Alcast mit drohender Geberde,
Wie Kapaneus vor Thebä's Mauern stand.
Er führt sechstausend Schweizer, zur Beschwerde
Geübt auf Alpenhöh'n, wild, muthdurchmannt.
Das Erz, das Furchen zog und brach die Erde,
Ward, umgeformt, zu würd'germ Dienst verwandt;
Und diese Faust, gewohnt das Vieh zu leiten,
Scheint kühn genug, mit Königen zu streiten.
64.
Sieh! dort erhebt sich das Panier der Ehren,
Durch Peters Kron' und Schlüsselpaar geweiht,
Vor siebentausend Kriegern, die in schweren
Stahlwaffen gehn; sie führt Camill zum Streit,
Froh, daß der Himmel ihn erkor, den hehren
Ruhm zu erneun der alten Römerzeit;
Zu zeigen mindstens, daß der muth'gen Seele
Des Latiers nichts, wenn nicht die Kriegszucht, fehle.
65.
Als Gottfried nun das Ganze wahrgenommen –
Denn diese zog als letzte Schaar einher –
Läßt er die Oberfeldherrn zu sich kommen
Und meldet der Versammlung sein Begehr:
Sobald die neue Morgenröth' entglommen,
Soll, leicht und rasch, aufbrechen unser Heer;
Damit wir nahn Jerusalems Bezirken
So unversehn, wie möglich zu bewirken.
66.
Bereitet euch demnach zum schnellen Zuge,
Bereitet euch zum Treffen und zum Sieg:
So sprach beredten, kühnen Munds der Kluge,
Und weckt' in Jedem neuen Muth zum Krieg.
Bereit macht' Alles sich in raschem Fluge
Und harrte, bis empor Aurora stieg.
Doch ist der kundige Bouillon von Sorgen
Nicht ganz befreit, hält er sie gleich verborgen.
67.
Denn sichre Nachricht hatt' er schon empfangen,
Daß sich Aegyptens König aufgemacht,
Um nach der Festung Gaza zu gelangen,
Die Syriens Gränzen droht mit starker Macht.
Der Mann, gewöhnt zu kühnem Unterfangen,
Ist schwerlich jetzt auf träge Ruh bedacht.
Wohl sieht Bouillon, er muß als Feind ihn scheuen,
Und spricht zu Heinrich, seinem Vielgetreuen:
68.
Auf leichtem Schiff – denn nichts ist zu verschieben –
Begieb nach Griechenland dich unverweilt.
Dort nahet sich, wie mir ein Mann geschrieben,
Der niemals noch mir falsche Kund' ertheilt,
Ein Jüngling, der, von Thatendurst getrieben,
Sich unsern Schaaren anzuschließen eilt;
Ein Dänenfürst. Bis aus dem fernsten Norden
Führt er heran zahlreiche Kriegerhorden.
69.
Doch weil vielleicht mit den gewohnten Ränken
Der Griechen Kaiser sich ihm listig naht,
Um heimwärts seinen kühnen Lauf zu lenken,
Wenn nicht auf andern, von uns fernen Pfad:
So heiß' in meinem Namen ihn bedenken –
Du, mein Gesandter, du, aufricht'ger Rath –
Was uns frommt, und was ihm; sporn' ihn zum Fluge,
Denn Unglimpf würd' er ernten vom Verzuge.
70.
Du sollst nicht mit ihm kommen, sondern bleiben
Am Hof des griech'schen Kaisers, um sofort
Den oft verheißnen Beistand zu betreiben,
Der uns gebührt nach des Vertrages Wort.
Er spricht's und giebt ihm die Beglaubungschreiben,
Und der Gesandte weilt nicht länger dort,
Beurlaubt sich und fördert seine Reise;
Und seinen Geist beruhigt nun der Weise.
71.
Kaum daß am andern Tag der Sonnenwagen
Durchs glänzend helle Thor des Aufgangs dringt,
Als, um dem Heer den Aufbruch anzusagen,
Der Trommeln und Trommeten Schall erklingt.
Der Donner selbst, wenn er an heißen Tagen
Der matten Welt des Regens Hoffnung bringt,
Schallt nicht willkommner, als die stolzen Klänge
Der Kriegsmusik dem Ohr der kühnen Menge.
72.
Alsbald, gespornt von eifrigem Verlangen,
Legt Jeder die gewohnten Waffen an;
Und bald, in voller Wehr hervorgegangen,
Schließt sich an seinen Führer jeder Mann.
Und als das Heer sich nun geordnet, prangen
Vor jeder Schaar die Fahnen stolz voran;
Und in dem Hauptpanier sieht man vor allen,
Hoch im Triumph, das Kreuz gen Himmel wallen.
73.
Die Sonn' indeß, am weiten Himmelsbogen
Stets höher steigend, wirft ihr stärkres Licht
Hell auf die Waffen; wie mit Glut umzogen
Strahlt das Metall; das Aug' erträgt es nicht.
Ein Feuermeer scheint rings die Luft zu wogen,
Wie wenn ein Brand die Dunkelheit durchbricht;
Und muth'ges Wiehern mischt sich mit dem rauhen
Geklirr der Waffen und betäubt die Auen.
74.
Der Feldherr, um die Seinen vor Gefahren
Des Ueberfalls zu sichern, schickt nunmehr
Der leichten Reiterei zahlreiche Schaaren
Auf Kundschaft durch die Gegend rings umher.
Schanzgräber auch, den Pfad zu ebnen, waren
Vorausgeschickt, um vor dem Zuge her
Wegtiefen auszufüllen, Höh'n zu flächen
Und ungangbare Pässe zu durchbrechen.
75.
Nichts, was den Zug des Heers verzögern müsse:
Kein Heidenvolk, das sich vereint zur Schlacht,
Kein Forst, kein Felsen, keines Bergstroms Güsse,
Kein Mauerwall, umringt von tiefem Schacht.
So bricht zuweilen der Monarch der Flüsse,
Unmäßig angeschwellt, mit stolzer Macht
Verderblich über seines Betts Gestade,
Und nichts vermag zu wehren seinem Pfade.
76.
Nur Tripoli's Regent, mit Volk, Gewehren
Und Gold versehn in sichrer Mauern Hut,
Konnt' ihren Zug den Franken wohl erschweren;
Doch sie zum Krieg zu reizen fehlt ihm Muth.
Er schickt vielmehr, um jedem Zwist zu wehren,
Gesandte, Gaben, heißt den Einzug gut
Und macht auf die Bedingung seinen Frieden,
Die Gottfrieds eigne Willkühr ihm beschieden.
77.
Hier steigt vom Berge Sëir, der erhaben
Von Osten her die Mauern überschaut,
Ein langer Zug von Männern, Frauen, Knaben,
Ins Thal herab, mit Christus Wort vertraut.
Er bringt dem gläub'gen Sieger seine Gaben,
Froh, ihn zu sehn, zu hören seinen Laut.
Das fromme Volk staunt ob den fremden Waffen
Und eilt, dem Heer ein treu Geleit zu schaffen.
78.
Der kluge Feldherr führt den Zug am weiten
Meerstrande stets auf graden Wegen hin,
Wohl wissend, daß am Ufer, ihm zu Seiten,
Die Flotte kreuzt, des Heers Versorgerin,
Die stets im Lager Ueberfluß verbreiten,
Und schaffen kann, daß ihm nur den Gewinn
Der reichen Flur die Griecheninseln spenden,
Ihm ihren Wein Chios und Kreta senden.
79.
Mit großen Schiffen und mit leichtern Kähnen
Belastet, stöhnt die See am nahen Strand,
So daß im Mittelmeer den Saracenen
Zu sichrer Fahrt kein Durchweg offen stand.
Denn große Zahl von Schiffen, außer denen,
Die Genua's und Venedigs Port bemannt,
Ließ Frankreich, Engelland und Holland rüsten,
Sicilien auch an seinen reichen Küsten.
80.
Und alle diese, durch die stärksten Bande
Zu Einem Willen fest und treu vereint,
Beluden sich an fern und nahem Strande
Mit allem, was dem Landheer nöthig scheint.
Dies fand indeß von keinem Widerstande
Sich mehr gehemmt, die Gränzen ohne Feind,
Und eilt nunmehr mit flügelschnellen Schritten
Dahin, wo Christus einst den Tod gelitten.
81.
Doch das Gerücht, des Falschen und des Wahren
Verkünderin, hat schon sich aufgerafft
Und sagt, daß sich vereint die Siegerschaaren,
Daß sie sich nahn, daß nichts mehr Hindrung schafft.
Es hat des Heeres Zahl und Stärk' erfahren,
Erzählt die Namen, preist den Muth, die Kraft
Der Tapfersten im Heer und schreckt die rohen
Tyrannen Zions mit des Blickes Drohen.
82.
Des Leids Erwartung ist vielleicht den Sinnen
Ein größres Leid, als Leid der Gegenwart.
Wo nur Gerüchte zweifelhaft beginnen,
Lauscht jedes Ohr, und jedes Herz erstarrt.
Gemurmel läuft von außen und von innen,
In banger Ahnung liegt die Stadt und harrt.
Der alte Fürst, da sich die Wolken schwärzen,
Wälzt grausen Rath im ungewissen Herzen.
83.
Sein Nam' ist Aladin; er lebt, beim Schwanken
Des neuen Throns, in steter Sorg' und Noth.
Einst war er grausam; doch im Alter sanken
Die wilden Triebe, wie's die Zeit gebot.
Er nun, vernehmend von dem Plan der Franken,
Der seiner Stadt mit nahem Sturme droht,
Fühlt alte Furcht und neue sich vereinen;
Ihn schreckt der Feind, ihn schrecken selbst die Seinen.
84.
Denn hier wohnt ein vermischtes Volk, die Kinder
Verschiednen Glaubens, an demselben Ort.
Die Christo glauben, sind nur schwach und minder;
Der größre, stärkre Theil glaubt Mahoms Wort.
Doch als der König, Zions Ueberwinder,
Zu festen suchte seinen Sitz alldort,
Verringert' er die Lasten seiner Heiden,
Und ließ um so viel mehr die Christen leiden.
85.
Und der Gedank' ertheilt dem alten Hange,
Der, eingeschläfert durch die Zeit, geruht,
Von neuem Kraft zu grausem Unheilsdrange,
Und mehr als jemals dürstet ihn nach Blut.
So wird im Sommer wieder wild die Schlange,
Die bei dem Frost so milde schien und gut;
So pflegt, wenn man ihn reizt, dem zahmen Leuen
Die angeborne Wut sich zu erneuen.
86.
Ich sehe, sprach der Fürst, an sichern Zügen,
Wie bei dem falschen Volk die Freud' erwacht.
Nur allgemeines Leid wird ihm Vergnügen;
Wenn Alles weint, dann jubelt es und lacht.
Vielleicht schon sinnt es auf Verrath und Trügen,
Ist schon vielleicht auf meinen Tod bedacht,
Und wie es meinem Feind, mit ihm im Bunde,
Die Pforten öffne zu geheimer Stunde.
87.
Das soll es nicht! Eh sie das Werk vollführen,
Will ich der Nachgier Sättigung verleihn.
Nicht soll das Kind im Mutterschooß mich rühren,
Ihr ganzes Volk will ich dem Tode weihn.
An Haus und Tempel will ich Flammen schüren,
Dies soll der Todten Scheiterhaufen sein;
Und mitten im Gelübd', auf diesem Grabe,
Schlacht' ich die Priester selbst zur Opfergabe!
88.
So unheilsvoll ist seines Herzens Brüten;
Allein der grause Plan wird nicht zur That.
Doch, vor dem Mord der Unschuld sich zu hüten,
Lehrt ihn der Feigheit, nicht des Mitleids Rath.
Denn reizet ihn die eine Furcht zum Wüten,
So hemmt die andre, größre, seinen Pfad;
Er scheut, zu sehr der Sieger Zorn zu regen
Und zum Vergleich den Weg sich zu verlegen.
89.
Noch also mäßigt er die Blutgedanken
Und läßt den Grimm auf andern Wegen aus.
Weit um die Mauern her im Lande sanken,
Auf sein Gebot, in Flammen Hütt' und Haus.
Wo Nahrung fänden oder Schutz die Franken,
Er wandelt Alles um in Schutt und Graus.
Er trübt die Bäch' und Quellen in den Triften
Und mischt die klare Flut mit bösen Giften.
90.
Auch läßt er schnell Jerusalem verstärken
Und paart die Vorsicht mit der Grausamkeit.
Drei Seiten sind versehn mit festen Werken,
Nur gegen Norden fehlt's an Sicherheit.
Doch macht ihn kaum sein Argwohn dies bemerken,
1.
So rüstet der Tyrann zum Kriegsgedränge,
Als einst Ismen sich seinem Blick entdeckt;
Ismen, der aus des Grabes dumpfer Enge
Den todten Leib zu neuem Leben weckt;
Ismen, der durch geheimnißvolle Sänge
In seiner Burg den Höllenkönig schreckt,
Und Diener stets in seinen Geistern findet
Zum Werk der Bosheit, und sie löst und bindet.
2.
Einst war er Christ; zu Mahom abgefallen,
Hat er den frühern Dienst nicht ganz verbannt;
Vielmehr vermengt er beide, nach Gefallen,
Zu bösem Zweck, mit jedem schlecht bekannt.
Jetzt aus der Nacht einsamer Felsenhallen,
Wo er der dunkeln Kunst sich zugewandt,
Treibt ihn zum Fürsten die Gefahr des Staates,
Zum schlimmen Herrn den Bringer schlimmern Rathes.
3.
Herr, spricht Ismen, die mächt'gen Feinde richten
Den ungehemmten Siegerzug hieher;
Doch laß nur uns, was uns gebührt, verrichten,
Denn Erd' und Himmel sind des Tapfern Wehr.
Des Königs und des Feldherrn hohe Pflichten
Erfülltest du, sahst Alles längst vorher.
Wenn Alle so die Pflicht vor Augen haben,
Soll dieses Land bald deinen Feind begraben.
4.
Was mich betrifft, ich will bei den Gefahren,
Will bei der Arbeit dein Gehülfe sein.
Was kluger Rath, die Frucht von langen Jahren,
Was meine Zauberkunst vermag, ist dein;
Es sollen selbst der Engel mächt'ge Schaaren,
Die Gott verstieß, uns ihren Beistand leihn.
Doch höre nun, eh' ich mein Werk beginne,
Wie und womit ich dir zu helfen sinne.
5.
In ihrem Tempel hegt der Christen Rotte
Auf unterirdischem Altar ein Bild
Der Göttin, die von dem gebornen Gotte,
Dem hier begrabnen, für die Mutter gilt.
Ein nie erlöschend Licht erhellt die Grotte,
Ein dichter Schleier deckt das Wunderbild;
Und rings umher sieht man Gelübde prangen,
So ihm geweiht leichtgläubiges Verlangen.
6.
Dies Bild nun mußt du rauben den Rebellen,
Und, wenn du selbst es dort hinweg gebracht,
Mit eigner Hand in deinen Tempel stellen.
Dann will ich ihm verleihn so starke Macht,
Daß es zur Wacht soll dienen deinen Wällen,
So lange man es selber hier bewacht.
Unüberwindlich werde Zions Mauer
Durch dieses Bilds geheimnißvollen Schauer!
7.
Er spricht's; der König, der ihm Glauben spendet,
Eilt in das Gotteshaus mit wilder Hast,
Zwingt ohne Scheu die Priester und entwendet
Das keusche Bild, und trägt die hehre Last
Zum Tempel, wo man oft, ruchlos, verblendet,
Gebräuche feiert, die der Himmel haßt.
Aufs heil'ge Bild, am ungeweihten Orte,
Summt dann der Zaubrer seine Lästerworte.
8.
Doch kaum erscheint die erste Morgenstunde,
Als der, in dessen Hut der Tempel steht,
Das Bild vermißt, und überall im Runde
Des weiten Bau's vergeblich nach ihm späht.
Er sagt's dem König an, der bei der Kunde
Gleich wider ihn in heft'gen Zorn geräth,
Und wohl sich denkt, daß eine Christenseele
Das Bild geraubt, und nun es ihm verhehle.
9.
Sei nun der Raub von gläub'ger Hand begangen,
Sei hier die Macht des Himmels zu erspähn,
Der seiner Herrin Bildniß nicht umfangen
Von ungeweihten Mauern wollte sehn:
Noch zweifelt man, ob, was hier vorgegangen,
Durch Menschenkunst, durch Wunderkraft geschehn.
Der Fromme glaubt, daß nicht der ird'sche Fromme
Die That vollbracht, daß sie vom Himmel komme.
10.
Nachforschung läßt der Fürst sogleich vollstrecken,
Gewaltsam durchgestört wird Kirch' und Haus.
Dem Hehler droht er einen Tod voll Schrecken,
Belohnung setzt er dem Bekenner aus.
Durch Zauber will Ismen den Raub entdecken,
Doch alle seine Kunst bringt nichts heraus.
Sei's, oder nicht, des Himmels Wunderstärke:
Er birgt es ihm, zur Schmach der Zauberwerke.
11.
Doch als der König sieht, was er Verbrechen
Der Gläub'gen wähnt, bleib' in des Schweigens Hut:
Da will sein Haß durch alle Schranken brechen,
Zorn flammt empor und ungeheure Wut.
Nichts achtet er nun mehr; er will sich rächen,
Was auch erfolg', und kühlen seine Glut.
So sterbe, ruft er aus, mit der Verräther
Gesammter Schaar auch der verborgne Thäter!
12.
Lebt nur der Schuld'ge nicht, mag der Gerechte,
Der Reine sterben! Doch wen nenn' ich rein?
Strafbar ist Jeder hier; in dem Geschlechte
Wird Keiner je ein Freund der Unsern sein.
Wer auch der neuen That sich nicht erfrechte,
Gnüg' ihm die alte Schuld zu neuer Pein.
Ihr Treuen, auf! Tilgt die verruchte Horde
Mit Feu'r und Schwert! Auf, auf zu Brand und Morde!
13.
So spricht der Fürst, und das Gerücht verbreitet
Sogleich das Unheil, das den Gläub'gen droht.
Sie bleiben wie erstarrt; so furchtbar schreitet,
So rasch herbei der gegenwärt'ge Tod.
Nicht Gegenwehr, nicht Flucht wird noch bereitet;
Kein Flehn erhebt sich wider das Gebot.
Doch das verzagte Volk, von Furcht gekettet,
Ward, wie's am mindesten erhofft, gerettet.
14.
Ein Mädchen lebt dort in der Christenmenge,
Von reifer Blüth' und königlichem Geist;
Von hohem Reiz; doch achtet sein die Strenge
Nur insofern er Schmuck der Tugend heißt.
Ihr größter Werth ist, daß, in stiller Enge,
Sie solchen Werth dem Blick der Welt entreißt
Und sich verbirgt dem eiteln Lob' und Spähen
Der Bulerschaar, einsam und ungesehen.
15.
Doch keine Hut, die ganz den Reiz verhülle,
Der würdig ist des Schauens und der Acht.
Das, Amor, hinderst du; der Schönheit Fülle
Zeigst du dem Jüngling, den die Glut durchfacht.
Jetzt blind, jetzt Argus, legst du bald die Hülle
Um unser Aug', und hellest bald die Nacht.
Durch tausend Hüter lenkst du, sonder Schonung,
Den fremden Blick zur keuschen Mädchenwohnung.
16.
Sophronia und Olind nennt man die Beiden,
Derselben Stadt, desselben Glaubens Zier.
So reizend sie, so sehr ist er bescheiden,
Voll Wunsch, an Hoffnung arm, fern von Begier.
Zu reden bang, erträgt er still sein Leiden,
Wenn nicht verschmäht, doch unbemerkt von ihr.
So hat der Arme längst für sie geschmachtet,
Die ihn nicht sieht, nicht kennt – vielleicht verachtet.
17.
Indeß verbreitet das Gerücht des frommen
Unschuld'gen Volks entsetzliche Gefahr.
Der Jungfrau, sittsam, doch von Muth durchglommen,
Stellt sich sogleich ein Rettungsmittel dar.
Ihr Heldenmuth heißt den Entschluß willkommen;
Die jungfräuliche Schaam bekämpft ihn zwar,
Doch siegt der Muth; vielmehr, sich ihr bequemend,
Macht er sich selbst verschämt, sie unternehmend.
18.
So tritt die Jungfrau in des Volkes Mitte,
Verhehlt nicht ihren Reiz und zeigt ihn nicht:
Sie geht allein, mit sittsam edlem Schritte,
Verhüllt, gesenkt der Augen holdes Licht.
Schmückt Fleiß und Kunst, bei dieser reinen Sitte,
Schmückt Zufall nur ihr schönes Angesicht?
Natur und Lieb' und selbst der Himmel machten
Zum Meisterstück dies reizende Nichtachten.
19.
Von Jedem angeschaut, nicht schauend, gehet
Die hohe Jungfrau in des Königs Haus;
Nicht weichend, weil er zornig vor ihr stehet,
Hält sie beherzt den furchtbar'n Anblick aus.
Ich bringe, spricht sie, Herr – und sei erflehet,
So lange nur zu hemmen Zorn und Graus –
Gefangen bring' ich dir und unvertheidigt
Den Schuld'gen, den du suchst, der dich beleidigt.
20.
Von ihrem Blick, der königlich und offen
Umherstrahlt wie mit einer heil'gen Macht,
Fühlt, überrascht, der König sich getroffen;
Er zähmt den Grimm und hellt des Auges Nacht.
Ließ sein Gemüth, ihr Blick nur Mildrung hoffen,
Wohl wäre Lieb' in seiner Brust erwacht;
Doch nie entflammt des spröden Herzens Triebe
Ein spröder Reiz; nur Huld erzeuget Liebe.
21.
Er fühlt Erstaunen, Lust, Begier entstehen,
Wenn es nicht Liebe war, was er empfand.
Erzähle; nichts soll deinem Volk geschehen;
Ich gebe, spricht er, dir mein Wort zum Pfand.
Und sie: Den Schuld'gen siehst du vor dir stehen,
Den Raub, o Herr, verübte diese Hand.
Ich nahm das Bild; ich bin's, die deine Sklaven
Gesucht auf dein Gebot; mich mußt du strafen.
22.
So, um allein dem Schicksal zu genügen,
Beut sie ihr Haupt für Aller Rettung an.
Großmüth'ger Trug! Wer sagt, ob solchen Lügen
Die Wahrheit je den Vorzug abgewann?
Der König schwankt; zu milderem Verfügen,
Als er gewohnt, neigt sich der harte Mann.
Dann fordert er: So eile zu entdecken,
Wer gab dir Rath? Wer half die That vollstrecken?
23.
Auch keinen Theil des Ruhmes wollt' ich missen –
Sophronia spricht's – ich gönnt' ihn mir allein;
Ich wollt' allein um diese Handlung wissen,
Rathgeber selbst und selbst Vollstrecker sein.
So falle, ruft, von Staunen hingerissen,
Der König aus, auch nur auf dich die Pein!
Mit Recht, versetzt sie; mir geziemt, ich trage,
So wie allein den Ruhm, allein die Plage.
24.
Von neuem nun ergrimmt das Ungeheuer:
Wo, fragt er sie, hast du das Bild versteckt?
Und sie: Ich barg es nicht, ich gab's dem Feuer,
Und glaube, daß ich Löbliches vollstreckt.
So wird es mindstens nimmermehr von neuer
Berührung einer Frevelhand befleckt.
Willst du den Raub, den Räuber dir gewiesen:
Den siehst du ewig nicht, hier siehst du diesen.
25.
Doch bin ich Räuber? hab' ich Raub begangen?
Recht ist, zu nehmen, was uns nahm Gewalt.
Dies hörend, knirscht der Wütrich; seine Wangen
Erglühn von Zorn, der losbricht ohne Halt.
O hoffe nicht Verzeihn, Herz ohne Bangen,
Schaamhafte Seele, herrliche Gestalt!
Vergebens macht die Liebe selbst, wo wilde
Zornglut entbrennt, die Schönheit dir zum Schilde.
26.
Man greift das schöne Weib; aufs neu' entglommen,
Verdammt der König sie zum Todesbrand.
Schon sind ihr Schleier und Gewand genommen,
Die weichen Arme drückt ein rauhes Band.
Sie aber schweigt, von keiner Furcht beklommen;
Ein wenig nur fühlt sie die Brust gespannt,
Und es entsteht im holden Angesichte,
Nicht fahles Bleich, ein Weiß vom reinsten Lichte.
27.
Kund ward der große Fall; neugierig machte
Das Volk sich auf; Olind kam mit der Schaar.
Die That war sicher, nicht, wer sie vollbrachte;
Gleich ahnet ihm, daß die Geliebt' es war.
Doch als er die Gefangne, scharf Bewachte
Nicht bloß beschuldigt sieht, verdammt sogar,
Und sieht die Henker schon mit roher Strenge
Ihr Amt vollziehn: da stürzt er durchs Gedränge.
28.
Nicht sie, nicht sie hat jenen Raub begangen –
So ruft er laut – nur Wahnsinn reißt sie fort!
Nicht denkt, nicht wagt, nicht übt solch Unterfangen
Ein unerfahrnes Weib ohn' Hülf' und Hort.
Wie hat sie nur die Wächter hintergangen?
Wie jenes heil'ge Bild entführt von dort?
That sie's, sie sag's! Ich, Herr, ich ward zum Diebe! –
So liebt' er die Geliebte sonder Liebe.
29.
Dann fuhr er fort: Ich stieg bei nächt'ger Weile
Dahin, wo euer Tempel Einlaß hat
Für Licht und Luft, und drang von jener Steile
Durch einen Spalt auf ungangbarem Pfad.
Mir werde Ruhm, mir werde Tod zu Theile!
Nicht raube sie die Strafe meiner That!
Mein sind die Ketten hier; für mich entlodern
Muß diese Glut, mich dieser Holzstoß fodern!
30.
Sophronia hebt das Aug' und sieht mit frommen,
Mitleid'gen Blicken sanft den Jüngling an:
Warum, unschuld'ger Armer, bist du kommen?
Treibt Absicht oder Wahnsinn dich heran?
Wär' ohne dich mir wohl die Kraft benommen,
Kühn zu bestehn, was Menschenzorn ersann?
Wohl hab' auch ich ein Herz, nicht feig erbangend
Einsamem Tod', und kein Geleit verlangend.
31.
So sagt sie ihm, doch ohne daß er wanke;
Fest bleibt er stehn auf seiner edeln List.
O großes Schauspiel, wo in offner Schranke
Sich treue Lieb' und hohe Tugend mißt;
Wo Tod dem Sieger wird zum Siegesdanke,
Und Rettung des Besiegten Elend ist!
Doch mehr ergrimmt der Fürst, je mehr sie wagen,
Standhaften Sinns, sich selber anzuklagen.
32.
So arg verspottet wähnt er sich zu finden,
Daß sie die Marter höhnen, ihm zum Hohn.
Man glaube Beiden, spricht er; überwinden
Soll Er und Sie, und würdig sei der Lohn.
Er winkt der Dienerschaar, sie greift Olinden;
Man fesselt ihn, und gleich stehn Beide schon
An Einen Pfahl geschnürt, den Rücken kehrend
Dem Rücken zu, der Blick des Blicks entbehrend.
33.
Schon sieht man rings den Holzstoß sich erheben,
Schon wird die Glut des Todes angefacht;
Da bricht der Jüngling aus mit leisem Beben
Und spricht zu ihr, ihm nun so nah gebracht:
Sind dies die Bande denn, die ich, im Leben
Mit dir mich zu vereinen, mir gedacht?
Ist dieses denn die Glut, die uns zusammen
Das Herz entzünden sollt' in gleichen Flammen?
34.
Ach! andre Band' und Glut bot Lieb' hienieden,
Und andre will das Schicksal uns verleihn.
Zu sehr, zu sehr hat es uns einst geschieden;
Zu hart, im Tode, gönnt es uns Verein.
Doch wohl mir, war dir solcher Tod beschieden,
Des Scheiterhaufens Mitgenoß zu sein,
Wenn nicht des Betts. Dein Schicksal dünkt mich herbe,
Das meine nicht, weil ich ja mit dir sterbe.
35.
Und o mein Tod, du einziges Verlangen!
O süße Marter! Qual, beglückt genug!
Darf nun mein Mund an deinem Munde hangen,
Verhauchen nur den letzten Athemzug
In deine Brust, den deinigen empfangen,
Und so vereinen unsrer Geister Flug!
Er spricht's und weint; mit freundlichem Verweise
Ermahnet sie den Jüngling solcher Weise:
36.
Andre Gedanken, Freund, und andre Klagen,
Aus höherm Grund, erheischet jetzt die Zeit.
Willst du der Schuld nicht denken? Nicht dir sagen,
Wie reichen Lohn dem Frommen Gott verleiht?
Ihm dulde du, und lieblich sei'n die Plagen,
Und trachte froh nach seiner Herrlichkeit.
O sieh den schönen Himmel! Sieh die Sonne!
Sie tröstet uns, sie winkt zu höh'rer Wonne.
37.
Hier muß sich laut der Heiden Klag' erheben;
Es klagt der Christ mit leiserm Schmerzenswort.
Beinahe reißt ein ungewohntes Streben
Zum Mitgefühl den harten König fort.
Er merkt es, zürnt, und, um nicht nachzugeben,
Kehrt er die Augen und verläßt den Ort.
Nur du, Sophronia, fremd der allgemeinen
Bekümmerniß, willst, allbeweint, nicht weinen.
38.
So dräut die Noth; da, sieh! sprengt durchs Gedränge
Ein Krieger, scheint's, von würdiger Gestalt.
Es zeigt die Tracht, der Waffen fremd Gepränge,
Daß er aus fernen Landen hergewallt.
Des Helmes Tiger zieht den Blick der Menge –
Berühmtes Zeichen! – auf sich alsobald,
Ein Zeichen, das Clorind' im Krieg erwählet;
Man glaubt, sie sei's, und hatte nicht gefehlet.
39.
Seit ihrer frühsten Jugendzeit verschmähte
Sie schon der Weiber Sitt' und Lebensart.
Arachnens Arbeit, Nadel, Spinngeräthe,
Ward nimmer mit der stolzen Hand gepaart.
Sie floh die Tracht und Weichlichkeit der Städte,
Denn Ehr' und Zucht wird auch im Feld bewahrt.
Stolz waffnet' ihr Gesicht, ihr Wohlgefallen
War strenger Ernst; doch, ernst, gefiel sie Allen.
40.
Als Kind schon lenkte sie mit kleiner Rechten
Das muth'ge Roß, hielt's auf und trieb es an.
Bald lernte sie mit Schwert und Lanze fechten,
Und übt' und stärkte sich auf freiem Plan.
Dann folgte sie, auf Höh'n, in Waldesnächten,
Den Leu'n und Bären nach auf rauher Bahn.
Sie schien, im Forst und auf dem Schlachtgefilde,
Ein reißend Thier dem Mann, ein Mann dem Wilde.
41.
Jetzt kehrte sie zurück von Persiens Strande,
Denn stets verfolgt die Christen ihre Wut:
Mit ihren Gliedern deckte sie die Lande,
Die Wogen färbte sie mit ihrem Blut.
Hier bietet nun zum ersten Gegenstande
Beim Kommen sich des Scheiterhaufens Glut.
Um das Vergehn der Schuld'gen zu erfahren,
Treibt sie das Roß neugierig durch die Schaaren.
42.
Es weicht das Volk; und sie, um nach Verlangen
Die Beiden nah zu schauen, hemmt das Pferd.
Sie sieht der Einen Ruh, des Andern Bangen,
Die Schwächre hier mit stärkerm Muth bewehrt.
Doch scheint auch Er vom Mitleid nur befangen,
Und nicht von Schmerz, von Schmerz um sich, verzehrt;
Sie aber, schweigend, fest den Blick gen Himmel,
Scheint, vor dem Tod, entflohn dem Erdgewimmel.
43.
Clorinde fühlt der Beiden bittre Plagen
So tief, daß ihr die Thrän' ins Auge steigt;
Doch scheint ihr mehr, die nicht klagt, zu beklagen,
Und minder er, der seufzt, als sie, die schweigt.
Nicht länger säumend, richtet sie ihr Fragen
An einen Greis, der neben ihr sich zeigt:
Wer sind die Armen? Sprich! Führt ein Verhängniß,
Führt eine Schuld dies Paar in solch Bedrängniß?
44.
So fragt sie ihn; der Greis, auf ihr Begehren,
Erzählt den Fall, kurz, doch genau und gut.
Sie hört's erstaunt und kann sich leicht erklären,
Daß man den Beiden gleiches Unrecht thut.
Und schon beschließt sie ihren Tod zu wehren,
So viel vermag ihr Flehn, ihr Heldenmuth.
Sie läßt sogleich die Brände, die schon flammten,
Herunterziehn, und spricht zu den Beamten:
45.
Daß Keiner sich erkühne fortzufahren
In dieser harten Pflicht der Grausamkeit,
Bis ich den König sprach. Was für Gefahren
Der Aufschub droht: ich geb' euch Sicherheit.
Und es gehorchen gleich der Diener Schaaren,
Bewegt durch ihres Ansehns Herrlichkeit.
Zum König eilt sie nun, der in der Mitte
Des Weges schon begegnet ihrem Schritte.
46.
Ich bin Clorinde, spricht sie, die bisweilen
Vielleicht dir ward genannt. Bald wirst du sehn,
Herr, daß ich kam, mit dir den Kampf zu theilen
Für unsers Glaubens, deines Reichs Bestehn.
Zu jedem Werk, gebeut nur, werd' ich eilen,
Nicht Hohes fürchten, Niedres nicht verschmähn.
Willst du der Mauern Schutz mir übertragen,
Das offne Feld: ich werde nichts versagen.
47.
Der König spricht: Wo wird ein Land gefunden,
So fern von Asien und der Sonnenbahn,
Glorreiche Jungfrau, da zu allen Stunden
Sich nicht dein Ruhm erhebe himmelan?
Nun, da dein mächtig Schwert mit mir verbunden,
Vermag nicht Furcht noch Sorge mir zu nahn.
Und wär' ein Heer jetzt bei mir eingetroffen
Zu meinem Schutz, nicht fester würd' ich hoffen.
48.
Fast, fast schon däucht mir, über sein Gebühren
Bleibt Gottfried aus. Doch deine Huld erbot
Zum Beistand sich; dir kann nur das gebühren,
Was wichtig ist und mit Gefahren droht.
Den Feldherrnstab des ganzen Heers zu führen
Verstatt' ich dir; Gesetz sei dein Gebot.
So spricht der Fürst; sie giebt ihm, freundlich heiter,
Dank für sein Lob und führt die Rede weiter:
49.
Zwar scheint es wohl ein unerhört Erfrechen,
Begehrt man, vor dem Dienst, Vergeltung schon;
Doch deine Güte macht mich kühn zu sprechen:
Gieb mir die Zwei, als künft'ger Dienste Lohn.
Mir schenke sie; obwohl, ist ihr Verbrechen
Noch ungewiß, sprach man dem Rechte Hohn.
Doch davon schweig' ich, schweige von den Zeichen,
Die Beider Unschuld zum Beweis gereichen;
50.
Und dieses sag' ich nur: Von Christenhänden,
Wähnt Alles hier, sei jenes Bild geraubt;
Doch solcher Wahn kann nicht mein Auge blenden,
Aus wicht'gem Grund ist Andres mir beglaubt.
Des Höchsten heiliges Gesetz zu schänden,
Hat, auf des Zaubrers Wort, man sich erlaubt;
Denn nimmer darf in unsern Tempelmauern
Ein Götterbild, geschweig' ein fremdes, dauern.
51.
Drum glaub' ich gern, von Mahom selber rühre
Dies Wunder her; und dieser hab's gethan,
Um anzudeuten, daß uns nicht gebühre
Den Tempel zu entweihn durch fremden Wahn.
Wend' immer nur Ismen die Zauberschwüre,
Die seine Waffen sind, nach Willkühr an:
Uns Rittern ziemt, mit Schwertern drein zu hauen;
Nur dies ist unsre Kunst, ihr laß uns trauen.
52.
Sie schweigt; und er, obwohl der Huldverleihung
Sein zornig Herz im Innern widerspricht,
Will ihr gefällig sein, und zur Verzeihung
Bewegt ihn Recht und ihres Worts Gewicht.
Werd' ihnen Leben, spricht er, und Befreiung!
Was auch vermögt' ein solches Fürwort nicht?
Gnad' oder Recht will ich als Richter sprechen,
Geb' Unschuld frei, und schenke das Verbrechen.
53.
So wurden sie befreit. Welch Glück entstammte
Olinden jetzt aus wundervollem Loos,
Das ihn zu einer Heldenthat entflammte,
Die Lieb' erzeuget aus der Liebe Schooß!
Vom Pfahl zur Hochzeit geht der schon Verdammte,
Wird Gatte jetzt und nicht Geliebter bloß.
Er wollte Tod mit ihr; jetzt ist ihr Streben,
Daß, der mit ihr nicht stirbt, mit ihr soll leben.
54.
Allein des Königs Argwohn sieht mit Grauen
Ihm nah, vereint, so große Heldenkraft;
Drum wurden Beid' aus Palästina's Gauen,
Durch sein Gebot, verbannt und fortgeschafft.
Auch andre Christen treibt er aus, der rauhen
Staatsklugheit folgend, andern giebt er Haft.