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Eine dunkle Liebe, die nicht sein darf – D.C. Odesza erzählt von einer verbotenen Leidenschaft Seit Monaten wird Nuria von einem Unbekannten verfolgt. Um dem Stalker zu entkommen, verlässt sie ihre Heimat Spanien und flüchtet nach Australien, wo sie als Au-pair arbeitet. Doch weitere Geheimnisse warten dort auf sie: Die Tochter der Familie ist verschwunden, und Zain, der älteste Sohn, scheint mehr darüber zu wissen, als er zugibt. Seine düstere Ausstrahlung nervt Nuria gewaltig und zieht sie dennoch in seinen Bann. Ein verhängnisvolles Verlangen, denn plötzlich lauert ihr Stalker nachts wieder in den Schatten ihres Zimmers, um sie ausgerechnet vor Zain zu beschützen … Der Auftakt der neuen Dark-Romance-Reihe der SPIEGEL-Bestsellerautorin D.C. Odesza D.C. Odesza ist das Pseudonym einer jungen, deutschen SPIEGEL-Bestsellerautorin. Seit ihrem Studium in Germanistik- und Geschichtswissenschaft schreibt sie spannungsgeladene Romane, die sich durch tiefe Gefühle und sinnliche Momente auszeichnen. Eine der erfolgreichsten deutschen Selfpublisher:innen jetzt bei everlove
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Veröffentlichungsjahr: 2024
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Cover & Impressum
Liebe Leserinnen und Leser,
Trigger-/Contentwarnung
Widmung
KAPITEL 1
Nuria
KAPITEL 2
Nuria
KAPITEL 3
Nuria
KAPITEL 4
Demon
KAPITEL 5
Nuria
KAPITEL 6
Nuria
KAPITEL 7
Nuria
KAPITEL 8
Nuria
KAPITEL 9
Demon
KAPITEL 10
Nuria
KAPITEL 11
Demon
KAPITEL 12
Nuria
KAPITEL 13
Nuria
3. April
KAPITEL 14
Nuria
17. April
KAPITEL 15
Demon
KAPITEL 16
Demon
KAPITEL 17
Nuria
KAPITEL 18
Nuria
KAPITEL 19
Nuria
KAPITEL 20
Nuria
KAPITEL 21
Demon
KAPITEL 22
Lexton
KAPITEL 23
Nuria
KAPITEL 24
Nuria
28. April
11. Mai
KAPITEL 25
Demon
KAPITEL 26
Nuria
22. Mai
27. Mai
KAPITEL 27
Nuria
KAPITEL 28
Nuria
KAPITEL 29
Nuria
Und zum Schluss …
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Diese Dark Romance ist kein Roman für Minderjährige. Die Geschichte ist nicht für Personen geeignet, die nicht in der Lage sind, einen fiktiven Roman von der Realität zu unterscheiden.
In diesem Roman wird keine Gewalt verherrlicht, dennoch kommen Szenen, die Gewalt beinhalten, vor.
Diese Geschichte ist ausnahmslos düster, verboten spannend sowie verdammt heiß und spicy. Du suchst hier vergebens eine nette Liebesgeschichte zum Abschalten.
Jede Zeile wird dich herausfordern. Jede Szene wird für Gänsehaut- und Schockmomente sorgen.
Auch wenn es zu Beginn nicht so scheint, entwickelt sich in dieser Dilogie eine Liebesgeschichte.
Ich hoffe, dass ihr meine Worte hier aufmerksam lest, damit keine Missverständnisse aufkommen, und bitte euch, selbst zu entscheiden, ob dieses Buch etwas für euch ist.
An dieser Stelle wünsche ich euch ein unvergessliches Leseerlebnis. Gebt auf euch und euren Verstand acht, denn in manchen Szenen werdet ihr auf die Probe gestellt.
Cordialement!
♥
Eure Odesza
PS.: Eine Auflistung der Trigger findet ihr auf der folgenden Seite.
Hinweis
In meinen Romanen werde ich, bis auf wenige Passagen, auf Verhütungsmittel verzichten – was jedoch nicht heißen soll, dass sie im realen Leben nicht wichtig sind! Nur leider kommt es häufiger als gedacht vor, dass Leser einen fiktiven Roman mit der Realität verwechseln.
Triggerwarnung
Stalking, Schlangenphobie, körperliche und psychische Gewalt, Mord, Missbrauch, häuslicher Missbrauch, Folter, Entführung, Waffen, Manipulation, Alkohol- und Drogenkonsum, Trauma, Fesselung, Erpressung, uneindeutiges Einvernehmen, Paraphilie, Tod
Contentwarnung
Bitte lest dieses Buch nur, wenn ihr euch emotional dazu in der Lage fühlt.
Falls es euch mit diesen (oder anderen) Themen nicht gut geht, findet ihr unter der Nummer der Telefonseelsorge rund um die Uhr kostenlose und anonyme Hilfe.
TelefonSeelsorge Deutschland
0800/111 0 111 · 0800/111 0 222 · 116 123 |
https://www.telefonseelsorge.de/
TelefonSeelsorge Österreich
Notruf 142 | https://www.telefonseelsorge.at/
Schweizer Verband Die Dargebotene Hand
Notruf 143 | https://www.143.ch/
Euer everlove-Team
Für meinen Demon,
der mir nicht nur die Dunkelheit gezeigt hat,
sondern auch den Weg zum Licht.
Jeder sollte einen Demon an seiner Seite haben.
Renn! Renn schneller!«
Die pure Entschlossenheit, zu morden,
funkelt in seinen pechschwarzen Augen.
Wenn ich nicht renne, weiß ich,
wird er mich töten!
Als kühle Finger über meinen Nacken streichen, Lippen einen kitzelnden Atem auf meinem Hals hinterlassen, bleibe ich mitten in der Menge wie erstarrt stehen.
Er ist hier.
Ruckartig wende ich mich um, doch niemand ist hinter mir zu sehen. Keine dunkle Gestalt steht hinter mir, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, die Lippen zu einem verdorbenen Lächeln verzogen.
Trotzdem rast mein Herz wie nach einer Verfolgungsjagd. Ich habe den Eindruck, es schlagen hören zu können, obwohl ich mich mitten im Nachtclub Crystal Passion befinde, Stroboskoplichter meine Netzhaut überreizen, sich betrunkene Menschen um mich herum auf der Tanzfläche bewegen, lachen, grölen und Nebel zwischen die Gäste geblasen wird.
Als ich mich einmal um meine eigene Achse gedreht habe, greife ich unter meinem Pferdeschwanz in meinen Nacken, dort, wo ich seine Finger gespürt habe. Er prickelt immer noch.
»Nuria«, ruft mich Rhea, die vom Nebelschleier verschluckt wird. Flüchtig kann ich ihre Silhouette im grellen Blitzlicht erkennen. Noch bevor ich meine Hand nach ihr ausstrecken kann, umfasst jemand meinen Arm und zieht mich tiefer in die Menge.
Mehrfach blinzele ich, versuche, im Nebel etwas zu erkennen, bevor ich gegen eine harte Brust pralle und den Kopf in den Nacken legen muss, um meinem Gegenüber ins Gesicht blicken zu können. Doch da ist kein Gesicht zu sehen. Ich erkenne bloß weiß leuchtende Runen auf reiner Dunkelheit.
Verwirrt von dem Anblick stoße ich mich von der Person ab. Die Techno-Beats hämmern laut in meinen Ohren.
Obwohl ich ein »Nein« ausstoße, gibt die Person meine Hand nicht frei. Komplett schwarz gekleidet wie ein Dämon, der diesen Club durch eine Höllenpforte betreten hat, ragt er groß und mächtig vor mir auf, das Haar unter einer Kapuze versteckt, die Augen kaum sichtbar.
Es wäre meine Chance, mein Moment, um ihn zu enttarnen. Herauszufinden, wer die Person ist, die mich seit Wochen wie ein Geist verfolgt. Oder ist er doch nur ein normaler Clubbesucher? Denn heute ist Halloween. Fast jeder ist verkleidet oder trägt eine Maske.
Mit einem Ruck entziehe ich mich seinem Griff und wanke zurück, pralle gegen einen Kerl hinter mir, falle praktisch in seine Arme und werde mit seinem Guinness überschüttet. Shit!
Der Alkohol tränkt meinen kompletten Rücken, wird von meiner schwarzen Korsage aufgesaugt und rinnt kitzelnd mein Rückgrat hinab bis zu meinem Minirock, unter dem ich Strumpfhosen mit schwarzen Rosen und Glitzersteinen trage.
»Tut mir leid«, entschuldige ich mich bei dem Mann hinter mir, noch bevor mich der mit Kunstblut bemalte Kerl mustern kann. Als seine betrunkenen Augen sich in meinem Ausschnitt verlieren, legt sich eine schwarze Hand um die Kehle des fremden Mannes vor mir und eine weitere um meine Taille.
Mit einem harten Stoß wird der Kerl vor mir von der Gestalt hinter mir in die tanzende Menge gestoßen. Er ist es wirklich. Demon. Mein Stalker.
»Scheiße, verdammt. Was … Was … machst du hier?«, frage ich ihn und versuche, die Finger um meinen Bauch zu lösen. Doch sie bohren sich besitzergreifend immer tiefer in meine Mitte.
»Willst du zu ihm?«, raunt er mir ins Ohr. »Oder mit mir in der Dunkelheit verschwinden?«
Welche Dunkelheit? Auf gar keinen Fall gehe ich mit ihm mit. Allein bin ich ihm wehrlos ausgeliefert. Das wäre lebensmüde.
Plötzlich gehen die Lichter aus. Die Musik um uns herum verstummt, und kurzzeitig steht die Welt still. Ein Stromausfall. Was zur Hölle …?
»Sag schon.« Sein Atem schmeichelt meinem Ohr.
»Ich will weder das eine noch das andere.«
Ein dunkles Lachen dringt an meine Ohren. »Dann entscheide ich für dich.«
Ehe ich begreife, was er vorhat, hebt er mich hoch, trägt mich in seinen Armen und bahnt sich einen Weg durch die Menge, als könnte er im Dunklen sehen wie ein Wolf.
»Verdammt, lass mich runter. Ich kann selbst laufen.«
»Und dich in andere Hände verirren. Nein.«
»In deinen Händen will ich noch weniger sein.« Obwohl ich seine Stimme bloß wenige Male gehört habe, weiß, wie sonor und tief sie klingt, verursacht sie auch in diesem Moment Gänsehaut auf meinem Körper. Ich zappele und rufe nach Rhea. Doch unter den Clubbesuchern ist Panik ausgebrochen, alle rufen blind und aufgeregt Namen durcheinander, und meine Schreie gehen im Lärm unter.
»Du entscheidest nicht über mich. Lass mich los. Verschwinde, Demon!«
Mir entgeht nicht, wie er einen harten Stoß abfängt, der mich nicht erreicht. Unerwartet gibt er mich frei, lässt mich los, und die Sohlen meiner Overkneestiefel berühren festen Boden.
Seit wann hört er auf meine Anweisungen? Ein seltsames Gefühl dehnt sich in meinem Brustkorb aus. Ich bin verwirrt und irgendwie enttäuscht, als er macht, was ich verlange. Irgendwie hatte ich angenommen, er würde es mir nicht so leicht machen und, wie sonst auch, mit mir spielen.
Verwundert drehe ich mich zu ihm um. Das Einzige, was ich inmitten der erstickenden Finsternis ausmachen kann, sind die leuchtenden Runen, die auf sein ansonsten im Dunkeln liegendes Gesicht gemalt worden sind.
»Lauf!«, befiehlt er mir.
»Was?«, frage ich irritiert.
»Lauf, denn wenn ich dich das nächste Mal erwische, werde ich nicht so gnädig sein, und du gehörst mir.«
Es wird kein nächstes Mal geben, da ich von ihm freikommen werde – nein, muss – und morgen Barcelona verlasse. Für eine sehr lange Zeit. Ich brauche Abstand von ihm, von meiner Familie, von diesem Leben.
»RENN!«, brüllt er mich an, sodass sein bedrohlich gebellter Befehl mich bis ins Mark trifft und weitere Gäste aufschreckt. Denn sie folgen seiner Anweisung und rennen. Rennen los, als wäre ein Feuer ausgebrochen.
Von seiner Anweisung zucke ich zusammen, dann wende auch ich mich um und eile los. Um nicht gegen andere Personen zu prallen, strecke ich die Arme nach vorn aus und laufe blind durch die Menge. Laufe Richtung Ausgang, der sich rechts von mir neben der Bar befindet. Irgendwann werde ich vom Strom der aufgebrachten Menschen mitgerissen.
»Hier geht es raus!«
»Der Ausgang ist da vorn!«
»Ich will hier raus!«
»Hilfe!«
»Schaltet das verdammte Licht wieder an!«
Um mich herum dringen unterschiedliche Stimmen an mein Ohr. Ich mische mich weiter unter die Gäste, hole wie die anderen mein Smartphone aus der Handtasche und versuche, im Licht der Taschenlampe einen Weg auszumachen. Eine gewaltige Traube hat sich vor den schwarzen Türen gebildet, über denen das rote Exit-Schild leuchtet. Ich entdecke panische Gesichter, die als Hexe, Teufel oder Kürbismonster geschminkt sind, aber finde Rhea nicht. Sie trägt eine auffällige weiße Perücke und eine Knochenkrone auf dem Kopf. Ihr Gesicht ist weiß geschminkt, die Augenhöhlen sind pechschwarz bemalt, als hätte sie schwarze Tränen geweint. Sie müsste in der Menge auffallen. Wo ist sie?
»Rhea!«, rufe ich wieder ihren Namen und schaue mich suchend um. Jemand stößt mir seinen Ellenbogen gegen den Oberarm, jemand anderes tritt mir auf den Fuß. Mein Rücken klebt immer noch vom Guinness. So hatte ich mir meinen letzten Abend nicht vorgestellt.
Ich kann den Nachtclub nicht ohne meine Freundin verlassen.
Renn! – verfolgt mich der Befehl meines Stalkers. Scheiße, nein. Das hier ist kein Spiel. Bisher hat er mir nie ernsthaft wehgetan oder mich verletzt. Wenn ich seine Anweisung nicht befolge, wird er mich wohl nicht bestrafen. Hoffentlich. Falls doch … Darüber darf ich jetzt nicht nachdenken. Ich muss Rhea finden. Ohne sie verlasse ich den Club nicht.
Somit beschließe ich, mich umzudrehen, mich an den Menschen, die sich weiter zum Ausgang drängen, vorbeizuschieben.
»Rhea!« Immer wieder rufe ich ihren Namen und halte nach ihr Ausschau. Doch nicht nur nach ihr, sondern auch nach dem Dämon, der seit Monaten mit mir spielt. Die hellen Runen würden mir sofort im Dunklen auffallen. Aber ich sehe bloß in fremde Gesichter und Masken.
»RHEA, verdammt, wo bist du!«
»Bleibt alle ruhig!«, brüllt jemand über die Menge. »Keine Panik! Es ist nur der Strom ausgefallen! Wir haben alles unter Kontrolle!«
Fragt sich, wieso der Strom ausgefallen ist. Bisher habe ich das noch nie in einem Club erlebt. Mir drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass Demon der Verursacher ist. Demon, der sich irgendwo in der Dunkelheit befindet und mich mit Sicherheit beobachtet. Ganz sicher genießt er das Spiel. Mein Stalker ist einfach krank!
Ich schlängele mich an weiteren Personen vorbei, als ich im Schein meiner Handytaschenlampe in der Ecke unterhalb des DJ-Pults hellweißes Haar ausmachen kann. Als ich mich der Person nähere, finde ich meine Freundin mit einem Kerl rummachend in einer Nische vor. Nicht ihr Ernst!
Während die meisten Menschen durchdrehen, ich mir Sorgen um sie mache, nutzt sie den Moment, um mit einem fremden Mann zu knutschen. Wut steigt in mir auf, als ich auf sie zugehe. Dabei will ich nicht wissen, wo sich ihre Hände unter dem Kostüm des Kerls befinden.
Gerade als ich bloß noch wenige Meter von ihr entfernt bin, springen das Licht und die Musik wieder an. Überrascht schaue ich zum DJ-Pult auf, hinter dem auf einer Leinwand eine 3-D-Animation von Lilith mit dem Teufel tanzt.
»Die Party geht weiter!«, verkündet der DJ. Als wäre nichts passiert, strömen die Gäste zurück auf die Tanzfläche. Nebel wabert gespenstisch zwischen den verkleideten Menschen auf.
Langsam lasse ich mein Handy mit der Taschenlampe sinken, das im gleichen Augenblick vibriert. Auf dem Display flackert eine Nachricht von einer unbekannten Nummer auf.
Du hast dir nicht einmal Mühe gegeben, kleine Rose.
Gerade als ich den Satz zu Ende gelesen habe, legt sich eine Hand auf meine linke Schulter. Ich werfe einen Blick hinter mich und entdecke Demon. Verflucht!
Tausend Emotionen durchfluten meinen Körper allein von dieser Berührung. Angst bei seinen geschriebenen Worten, Nervenkitzeln und Neugierde beim Anblick seines in Schatten gehüllten Gesichts, das von roten und blauen Scheinwerfern in kurzen Abständen angestrahlt wird.
Wenn ich eines in den letzten Wochen gelernt habe, dann, dass er niemals leere Drohungen ausspricht.
Ich balle meine Hand zur Faust, bevor ich mich geschickt aus seinem Griff drehe und ihn mit einem kräftigen Hieb schlagen will. Er soll mich in Ruhe lassen. Oder mir verraten, wer er ist. Was er von mir will.
Noch bevor meine Faust sein Gesicht erreicht, schlägt er meinen Arm aus der Luft. Seine Reflexe sind unfassbar schnell und beängstigend. Da er meinen Arm nicht zu fassen bekommen hat, wende ich mich rasch um und flüchte in die Menschenmenge. Im selben Moment höre ich Rhea meinen Namen rufen. Jetzt hat sie mich gesehen?
»Nuria! Wo willst du hin?«
Kurz schaue ich aus den Augenwinkeln zu ihr, während ich mir einen Weg durch die Menschenmasse bahne. Mehrmals stoße ich mit einer Person zusammen, entschuldige mich hastig, aber renne weiter. Ich will Demon loswerden. Ich muss. Denn allmählich bestimmt mein Schatten immer mehr mein Leben. Bisher hat er mir nichts getan. Doch aus Berichten weiß ich, dass Stalker für gewöhnlich ihre Opfer am Ende umbringen. Besonders dann, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen: die Person, für die sie eine Obsession entwickelt haben.
Wendig bewege ich mich durch die Menge. Meine wöchentlichen Gym- und Lauftrainings machen sich seit Langem bezahlt. Mehrfach werfe ich einen kontrollierenden Blick hinter mich, kann Demon aber nicht mehr entdecken. Trotzdem spüre ich seine dunkle, lauernde Präsenz ganz in meiner Nähe.
Der erste Ort, zu dem ich flüchten kann und der mir in der Panik einfällt, sind die Damentoiletten. Dort ist immer etwas los. Er wird mir kaum in der Öffentlichkeit bis in die Frauentoiletten folgen oder über die Trennwände der Kabinen zu mir klettern.
Nachdem ich die Tanzfläche hinter mir gelassen habe, an der großen, beleuchteten Bar vorbeigelaufen bin, biege ich rechts in den Korridor mit den Spiegelwänden ab, wo sich die Toiletten befinden. Da die meisten Gäste während des Stromausfalls zum Ausgang gestürmt sind, erwartet mich nicht, wie gedacht, eine lange Schlange. Selbst wenn Frauen angestanden hätten, wäre ich an ihnen vorbeigestürmt, um mich als Nächste in einer Kabine zu verbarrikadieren.
Im Spiegelglas neben mir kann ich mein Gesicht sehen, auf das ich mit schwarzem und weißem Make-up einen mexikanischen Totenkopf gemalt habe. Und fuck! Zugleich sehe ich hinter mir eine schwarze Gestalt. Ich komme nicht mehr dazu, nach rechts durch die Tür der Damentoiletten zu stürmen, da eine Hand meinen Pferdeschwanz zu fassen bekommt. Scheiße!
Meine Kopfhaut ziept, mein Kopf wird zurück gezerrt. Instinktiv greife ich mit der rechten Hand hinter mich, um mich aus seinem Griff zu befreien.
»Warte …«, flehe ich.
»Worauf?«
Meine Finger umfassen seinen nackten Unterarm, da er den Ärmel seines Hoodies hochgeschoben hat. Unnachgiebig bohren sich meine Nägel in seine Haut. Doch das scheint ihm nichts auszumachen.
»Nicht hier. Wir könnten gesehen werden«, versuche ich Demon mit meinen Worten aus dem Konzept zu bringen. Denn ihm muss bewusst sein, dass fremde Menschen dieses Machtspiel unter Umständen melden.
Als Antwort erhalte ich ein durchdringendes Lachen, das lauter und mächtiger an meine Ohren dringt als noch auf der Tanzfläche.
»Glaubst du, das interessiert mich?«
Lass dir was besseres einfallen, Nuria. Irgendwas, um ihn loszuwerden … Aber will ich das denn wirklich?
Jeder Muskel meines Körpers ist zum Zerreißen angespannt, bereit zur Flucht, doch zeitgleich spüre ich diese unerklärliche Neugier in seiner Nähe.
Schritt für Schritt dirigiert er mich statt in die Damentoiletten weiter zum Ende des Ganges. Er treibt mich voran wie seine Beute zur Schlachtbank, ohne dass andere Personen um uns herum wirklich Verdacht hegen. Aus den Augenwinkeln kann ich uns in den Spiegeln beobachten. Der Korridor wird nur von violetten LEDs beleuchtet, somit sieht keiner hinter uns, dass ich festgehalten werde.
»Wenn ich dir so wichtig bin, dann sollte dich interessieren, was ich will.«
»Ich weiß längst, was du willst, meine Rose.« Meine Rose? »Aber sprich es aus. Sag mir, was du wirklich willst.«
Ein wechselnder Schauder aus Furcht und Anspannung rieselt mein Rückgrat hinab. Ständig stelle ich mir die Frage, wie weit er dieses Mal gehen und was als Nächstes passieren wird.
Er treibt mich weiter auf eine Tür links am Ende des Ganges zu, während er meinen Pferdeschwanz fest um sein Handgelenk geschlungen hält und seine linke Hand unterhalb meiner Corsage platziert.
»Ich will, dass du gehst. Endlich aus meinem Leben verschwindest«, antworte ich ihm. Ich wünschte, meine Worte kämen selbstbewusster, lauter und nachdrücklicher über meine Lippen. Aber das tun sie nicht.
Er senkt sein Gesicht nah an mein Ohr, seine Zähne beißen in meine Ohrmuschel und werden dann von seiner warmen Zunge abgelöst. Bei der Berührung kribbelt mein Nacken, und es nistet sich ein nervöses Flattern zwischen meinen Rippen ein. »Wie sehr willst du, dass ich aus deinem Leben verschwinde?«
Ich winde mich in seinem Griff. An der Tür angekommen, zu der er mich dirigiert hat, stößt er sie auf.
Dahinter liegt der Raum anfänglich in völliger Dunkelheit. Doch ein Bewegungssensor schaltet das Licht ein, kaum dass die Tür zufällt. Wir befinden uns in einer Lounge mit Spielautomaten und neonleuchtenden Schriftzügen an den Wänden. Eingerahmte Porträts von namhaften Musiklegenden zieren die Wände. Schwarze Sofas und Sessel gruppieren sich um einen eckigen Couchtisch neben einer einladenden modernen Bar, hinter der ich unzählige Spirituosen entdecke. Wir sind allein. Ein Klacken ist zu hören. Er hat die Tür abgeschlossen. Verdammt!
Sofort dehnt sich die Panik in meinem Bauch aus. Was, wenn jetzt der Moment gekommen ist? Was, wenn er mich umbringt, weil ich ihm nicht das gebe, was er will? Was, wenn ich morgen in einer Blutlache vom Clubbesitzer oder dem Reinigungspersonal aufgefunden werde?
»Los, sag mir, wie sehr du willst, dass ich gehe«, fordert er mich erneut auf.
Trotzdem will ich ihm nicht sagen, was er hören will: dass er bleiben soll. Lieber sterbe ich, als kampflos aufzugeben.
»Verdammt, du sollst mich in Ruhe lassen!«, spreche ich lauter.
Ein unheilvolles Raunen ertönt, das bei mir jedes Mal einen Schauder verursacht.
»Finden wir es heraus. So richtig hast du mich noch nicht überzeugt.«
Mit einem Ruck stößt er mich nach vorn zu der schwarzen Eckcouch. Stolpernd bleibe ich vor dem Möbelstück stehen, um nicht auf die Sitzfläche zu kippen.
»Ich will …«, setze ich an und will mich rasch zu ihm umdrehen, als er mich erneut eingefangen hat. An der Schulter treibt er mich zum Tischkicker und drückt mich danach mit dem Gesicht voran zur Spielfläche des Kickers herunter. Hastig stemme ich mich gegen die Metallstäbe, an denen sich die Fußballspieler aus Plastik befinden, um ihm Widerstand zu leisten.
Allerdings ist er verdammt schnell, positioniert sich breitbeinig hinter mir und umfasst meine Hüfte. »Weiter. Du wolltest doch etwas sagen«, verhöhnt er mich.
»Ich will, dass du mich in Ruhe lässt«, versuche ich den Satz erneut hervorzubringen, obwohl ich so viel mehr über ihn wissen will. Obwohl ich sonderbarerweise herausfinden will, was er mit mir vorhat. Obwohl mich das Gefühl seines Körpers hinter mir nicht kalt lässt. Was ich ihn nicht wissen lassen werde. Es würde bedeuten, dass ich auf seine Spielchen stehe und er recht behält: dass ich mehr will. Doch meine Stimme zittert, teils vor Angst, teils vor angespannter Aufregung, da er noch nie so weit gegangen ist. Mir steigt die Röte ins Gesicht, als er ohne Vorwarnung unter meinen knappen Rock greift und meine Strumpfhose mit einem ungeduldigen Ruck zerreißt.
»Scheiße. Was wird das?«
»Wonach sieht es aus?«
Fest umklammere ich die Metallstäbe des Kickers und will mich aufrichten, als mich eine Hand im Nacken davon abhält. Im nächsten Moment hält er mir seine rechte, behandschuhte Hand entgegen.
»Zieh mir den Handschuh aus.«
»Fick dich.«
Erneut ertönt ein amüsiertes Lachen von ihm. »Du willst, dass ich dich mit den Handschuhen ficke? Okay.«
Okay was?
»Okay, umso länger bleibt die Vorfreude bestehen, deine Pussy richtig zu spüren.«
Sofort ziehe ich scharf die Luft ein. Mehrere Male stand er vor meinem Fenster, ist mir hinterhergelaufen, hat mich verfolgt und beobachtet, mir Nachrichten geschrieben, angerufen und mir Geschenke vor die Tür gelegt. Aber niemals, kein einziges Mal, hat er sich genommen, was er in seinen Botschaften angekündigt hat.
»Demon«, keuche ich, um ihn zur Vernunft zu bringen.
Doch zeitgleich gleiten seine Finger zwischen meine Beine, wandern über meinen Slip. »Schade, dass ich nicht heute herausfinde, wie feucht du bist. Wie seidig und warm sich deine Pussy anfühlt.«
Anders als erwartet geht er nicht grob vor, sondern streichelt beinahe verspielt über meinen Slip.
»Was hast du vor?«, frage ich und kann das erregte Beben nicht aus meiner Stimme verbannen.
»Wir lernen uns nur kennen«, antwortet er neckend. »Ich fick dich nicht, nicht heute Nacht.«
Verwundert hebe ich die Brauen, als sich seine Hand von meinem Nacken löst und stattdessen von einer Schlinge um meinen Hals ersetzt wird. Rasch hebe ich die rechte Hand, um nach dem Ledergürtel zu tasten, und verliere sofort die Balance. Leicht angetrunken, erschöpft vom Tanzen, bin ich kaum in der Lage, mich länger als wenige Sekunden mit der linken Hand von der Stange des Kickers abzustützen. Und mein Wille, gegen ihn zu kämpfen, weicht immer mehr der Neugierde, herauszufinden, was er mit mir anstellen wird.
»Schließ die Augen, öffne dich für mich und genieß, was ich dir schenke.« Wieder umklammere ich beide Stangen des Kickers und lasse mich dagegen sinken, als mir bewusst wird, dass Demon den Gürtel nicht zu fest zusammenzieht, mich jedoch so unter Kontrolle bringt. Im selben Moment schiebt er meinen Slip beiseite, und zwei behandschuhte Finger umkreisen meine Klit. Er hat sie trotz der Handschuhe ertastet, was … was fast unmöglich ist.
Und statt in mich einzudringen, mich mit den Fingern zu ficken, umkreist er meine Perle, fester und mit immer mehr Druck. Sofort dehnt sich ein irrsinniges Verlangen in meinem Becken aus, meine Brustwarzen kribbeln unter der Korsage, meine Klit pocht. Und obwohl ich mich wehren sollte, ihn beißen, kratzen und schlagen sollte, verfalle ich einen Moment dem wahnsinnigen Gefühl, das seine Finger verursachen, und schiebe ihm mein Becken weiter entgegen. Seine pralle Härte drückt gegen meinen Po. Ich fühle, wie er sich an mir reibt, während er mich fester würgt und mir durch die Atemkontrolle einen ungeahnten Kick verleiht.
Keine Ahnung, wie es passieren konnte, aber alle meine Ängste sind wie fortgeblasen. Er fickt mich nicht, und doch, doch will ich gerade genau das. Will so viel mehr, obwohl dieses Spiel krank, verboten, komplett wahnsinnig ist.
»Immer noch sicher, dass ich verschwinden soll?«, fragt er mich mit rauer und erregter Stimme. Sein herber, rauchiger Duft, den ich bisher nur bei ihm gerochen habe, umgibt mich, als er meine Feuchte zwischen meinen Schamlippen verteilt, anschließend meine Klit weiter umkreist. Und das so teuflisch gut, dass wenige Sekunden später meine Beine zittern, ich abgehackt nach Luft ringe und wimmere. Ein erstickter Laut verlässt meine Kehle, als er den Druck mit dem Gürtel um meinen Hals erhöht und mich noch besessener zum Orgasmus treibt. Berauscht von dem Gefühl, ihm völlig ausgeliefert zu sein und es nicht zu hassen, blinzele ich.
Fuck! Das kann nicht passieren. Ich kann nicht bei ihm kommen. Und doch will ich es gerade so sehr. Gott! Er ist so gut wie eine Droge, nach der ich süchtig bin und zugleich weiß, dass sie mich krank macht.
Werde nicht schwach, Nuria.
Wimmernd und leise stöhnend stehe ich so verdammt kurz davor, zum Höhepunkt zu kommen.
»Ja«, bringe ich über die Lippen, um ihn nicht gewinnen zu lassen, und weiß doch, dass es in diesem Moment gelogen ist. Er hat längst gewonnen. »Verschwinde«, lüge ich, weil sich meine Vernunft weiterhin gegen ihn wehrt, während mein Körper weiter gehen will.
Kurz wird mein Körper von einer überwältigenden Lustwelle durchströmt, die Hitze vermischt sich mit dem reinen Verlangen, um gleich darauf abrupt zu enden. Demon tritt von mir zurück, löst den Gürtel und lässt mich am Kickertisch mit hochgeschobenem Rock und zerrissener Strumpfhose stehen.
Was zur Hölle?
Ich drehe das Gesicht über die Schulter, als ich ihn hinter mir mit verschränkten Arme sehe. Das ist der wohl unangenehmste Moment meines Lebens. Er hat auf mich gehört? Dabei … dabei wollte ich den Orgasmus, den bisher nie ein Mann bei mir erreicht hat.
»Du hältst mich für einen beschissenen Vergewaltiger?«
»Das habe ich nicht behauptet«, halte ich dagegen. Nein, das habe ich so nicht empfunden. Er ist dominant, unnahbar, unheimlich, trotzdem ist er nicht wie ein wildes Tier über mich hergefallen. Es war ihm wichtig, dass ich auf meine Kosten komme.
»Du hast recht, du hast es nicht verdient.« Seine Worte kommen ihm so abwertend über die Lippen, dass sie mich wie ein kalter Wasserschwall treffen.
Er lässt den Gürtel, den er an beiden Enden zusammengelegt hat, auf die Hand knallen und senkt sein runenbedecktes Gesicht. Langsam schüttelt er den Kopf und erweckt auf mich den Eindruck, als bereue er, was er getan hat. Aber nicht so, wie jemand eine schlechte Tat bereut, sondern eher, als bereue er, mich fast zum Orgasmus gebracht zu haben. Als hätte ich ihn nicht verdient. Als hätte ich Demons Aufmerksamkeit, seine Hände auf mir und seine Nähe nicht verdient.
»Ich habe nicht gesagt, dass …« Eilig schiebe ich den Rock herunter und zerre die Fetzen meiner Strumpfhose hoch, bevor ich mich zu ihm umdrehe. Doch er ist verschwunden. Ist einfach gegangen, ohne dass ich zum Höhepunkt gekommen bin, da er ausgerechnet jetzt auf mein »Verschwinde« gehört hat.
Und nun? Ist er für immer gegangen? Falls ja, wo bleibt die Erleichterung?
Er ist mir ein Rätsel. Ein verdammtes, unheilvolles Rätsel.
Wenn sich eine Tür schließt,
öffnet sich eine neue.
Was, wenn auch dein Schatten
durch die neue Tür schlüpft?
Meine Haare werden mir vom kräftigen Wind aus dem Gesicht geweht. Als ich den Kopf in den Nacken lege, droht die finstere Wolkendecke über mir einzubrechen. Kaum habe ich diesen unheimlichen Gedanken in meinem Kopf zu Ende gesponnen, landen die ersten Regentropfen auf meinem Gesicht.
Hinter mir heult der Motor des Ubers auf, das mich vom Flughafen zum Anwesen der Monairs gefahren hat. Ich beobachte, wie sich das silberne alte Fahrzeug einen Weg zum leichten Abhang an der Küste zurückbahnt.
Im selben Moment nistet sich ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend ein. Das Gefühl, meine Entscheidung zu bereuen.
Es gibt nichts Angsteinflößenderes als einen Neuanfang. Als ich den Entschluss gefasst habe, in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent, mit fremden Personen neu anzufangen, hat sich das in meinem Kopf irgendwie richtig angefühlt. Gerade fühlt es sich an, als hätte ich eine falsche Entscheidung getroffen. Aber hey, ich wollte es so, jetzt stehe ich hier: vor dem Anwesen der Monairs.
Der Wind kriecht unter meinen hellen Blazer, bläht ihn auf und bringt sogar die umliegenden hohen Bäume zum Ächzen. Der Sturm wird immer gnadenloser, während der Regen stetig zunimmt.
Um nicht vollkommen durchnässt das Anwesen zu betreten, atme ich einmal tief durch, umfasse in meinem weißen Faltenrock und meiner hellblauen Bluse, über der ich einen beigefarbenen Blazer trage, die Griffe meiner Schalenkoffer und zerre sie näher zum imposanten Tor. Links von mir entdecke ich die Klingel, direkt darüber ist eine Videokamera angebracht worden, die sicherlich meine Ankunft ankündigt.
»Klingel einfach. Es ist ganz leicht.« Trotzdem könntest du jetzt noch umkehren, streift der Gedanke durch meinen Kopf.
»Nein, kannst du nicht. Du hast den Vertrag als Au-pair bereits unterzeichnet, du hohle Nuss«, murmele ich zu mir selbst.
Verträge lassen sich aufheben.
»Verdammt«, fluche ich im Flüsterton.
Wieso will ich plötzlich meine Meinung ändern? Noch vorgestern Nacht konnte ich Spanien nicht schnell genug verlassen. Und wieso? Weil mein persönlicher Dämon immer aufdringlicher wurde. Mir ein verdammter Irrer folgt wie ein Schatten.
Aber hier, beim Anblick des vierstöckigen, beeindruckenden Anwesens, das in dunkel verfärbtem Sandstein in den Gewitterhimmel ragt, habe ich ebenfalls ein mulmiges Gefühl. In dem Gebäude, das unzählige Fensterreihen wie ein Staatsgebäude besitzt, brennt nur in der obersten Etage Licht. Es ist kurz vor 20:00 Uhr, die Sonne ist nicht einmal untergegangen, trotzdem wirkt das Anwesen stattlich, mächtig und wunderschön, doch zugleich irgendwie kalt, finster und bedrohlich wie ein lauerndes Ungeheuer.
»Morgen scheint die Sonne, und du wirst über diese Gedanken lachen. Was soll schon bedrohlich an diesem Ort sein?« Schließlich leben hier Kinder.
Ein greller Blitz zuckt über den Himmel, dem ein zorniger Donnerhall folgt. Ich keuche erschrocken auf. Mierda! Mein Zeichen, endlich zu klingeln.
Ich bin kein Angsthase, aber hasse Gewitter.
Bevor ich mich der Klingel zuwende, ein zweites Mal tief durchatme und den goldenen Knopf betätige, lasse ich meinen Blick noch einmal über das Anwesen streifen. Da bemerke ich, dass mich Kinderaugen durch das verschlungene Eisentor ansehen. Ein Blitz beleuchtet das Gesicht des Mädchens im Garten wie in einem Horrorfilm. Mein Herz sackt in meine Magengrube.
»Wo kommst du denn plötzlich her?«, frage ich das Mädchen mit aschblondem Haar, das in feuchten Strähnen an ihren Wangen klebt. Sie trägt ein violett geblümtes Kleid, weiße Sandalen und ein helles Jäckchen.
Ohne mir zu antworten, stiert mich das Kind mit durchdringendem Blick an.
»Ja, hallo?«, ertönt es durch die Freisprechanlage.
»Ähm, hallo, hier ist Miss Endrinal. Ich bin das neue Au-pair.«
»Oh, Miss Endrinal, wie schön, dass Sie eingetroffen sind.«
»Leider bin ich eine Stunde später als geplant gelandet. Dafür möchte ich mich entschuldigen«, erkläre ich der freundlichen Frauenstimme und schaue zur Kamera auf. Mit Sicherheit kann sie mich sehen.
Als ich mich zum Eingangstor wende, ist das kleine Mädchen von eben verschwunden. Es muss eines der Kinder sein, für die ich als Au-pair eingestellt wurde. Auch wenn die Mädchen auf den Bildern, die mir vorab per Mail geschickt worden sind, weniger starr und traurig ausgesehen haben.
»Das ist überhaupt kein Problem. Bitte treten Sie durch das Personentor ein. Ich warte am Eingang.«
Das Sirren des Türschlosses ertönt. Nachdem ich die Tür geöffnet habe, schnappe ich meine Gepäckstücke und betrete das weitläufige Grundstück der Monairs.
Im strömenden Regen kämpfe ich mir mit den Schalenkoffern einen Weg zum Eingang des Gebäudes. Die Rollen meiner Koffer bleiben mehrfach auf der prunkvoll gepflasterten Auffahrt, die von niedrigen Buchsbaumsträuchern gesäumt wird, hängen. Obwohl es wie aus Kannen gießt und ich mir sicher bin, wie ein begossener Pudel der Familie unter die Augen zu treten, nutze ich den Moment und betrachte den sehr gepflegten Garten.
An der hohen Mauer verläuft eine dichte, blühende Hecke. Der Rasen ist akkurat geschnitten, mehrere Meter hohe Palmen oder Akazienbäume wachsen vereinzelt auf dem gepflegten Grundstück. Am schönsten sind die Beete neben dem Eingang des Gebäudes, in denen in allen Farben Sträucher blühen.
Doch so oft ich mich auch umblicke, ich entdecke das kleine Mädchen nicht wieder. Wo ist sie hingelaufen? Hat sie sich in der Hecke vor der Mauer versteckt? Ein so kleines Kind, nicht älter als sechs Jahre, sollte nicht allein im strömenden Regen herumlaufen.
Als ich kaum die Stufen zum Eingang erreicht habe, eilt mir eine brünette Frau mit eckiger schwarzer Brille und in schickem Kostüm entgegen.
»Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Auf ihren Pumps steigt sie die Stufen herunter, was ziemlich gefährlich aussieht. »Eigentlich wäre das Jacks Aufgabe. Aber er hat sich heute krankgemeldet.«
»Jack?«, frage ich die Dame, die ich an der Stimme erkenne. Es muss Mrs Warner sein. Die Haushälterin, mit der ich bereits telefoniert und meine Ankunft besprochen habe.
»Ja, unser Chauffeur, Kofferträger, Hausmeister, Spinnenheraustrager. Der Mann für alles, wenn Sie wissen, was ich meine.« Sie schenkt mir ein breites Lächeln, dann umfasst sie beherzt den Griff meines mintgrünen Koffers.
»Ach, das ist kein Problem. Ich schaffe das«, erkläre ich ihr, da ich die Befürchtung habe, sie könnte auf ihren Absatzschuhen die Stufen herunterfallen und sich das Genick brechen.
»Sie standen viel zu lange im Regen. Ich helfe gern.« In ihren Worten schwingt deutlich die Botschaft mit, dass sie sich nicht umstimmen lässt.
»Okay.« Ich zucke mit den Schultern, dann schnappe ich mir den weißen Koffer, der über fünfundzwanzig Kilo wiegt, und trage ihn die Stufen hoch.
Hinter mir flucht und schnaubt Mrs Warner. »Jack, du kannst dir morgen was anhören!«
Wie es aussieht, scheint Mrs Warner viel zu sagen zu haben, wenn sie so über diesen Jack schimpft.
Am überdachten Treppenabsatz angekommen, ringe ich nach Atem, dann erhasche ich durch die geöffnete Flügeltür einen Blick ins Innere. Und bereits jetzt liebe ich, was ich sehe. Wahnsinn! Warum nur hatte ich vor Minuten die Befürchtung, in ein finsteres Spukhaus einzuziehen?
Das Innere ist hell erleuchtet. Ein dunkel glänzender Marmorboden erstreckt sich im Eingangsbereich. Inmitten des Foyers steht ein runder Tisch mit einem herrlichen Blumenbouquet, direkt dahinter entdecke ich eine gläserne Flügeltür, die von zwei gebogenen Treppenaufgängen flankiert wird. Und über dem Eingangsbereich thront ein imposanter moderner Kronleuchter aus gelbem und durchsichtigem Kristall.
»Geschafft!«, höre ich Mrs Warner triumphieren. »Ein Nagel ist abgebrochen, aber was solls.«
Ich wende mich ihr zu. Während sie ihren abgebrochenen Nagel begutachtet und ungeniert an ihm kaut, nutze ich die Gelegenheit, um mich nach dem Mädchen im Garten zu erkundigen: »War das eben Maily?«, frage ich Mrs Warner, die weiterhin ihren Nagel mit den Zähnen bearbeitet. Schließlich schaut sie mir fragend entgegen. »Wo?«
»Draußen, beim Tor«, antworte ich.
Mrs Warner schüttelt den Kopf. »Das kann nicht sein. Die Zwillinge sind beide in ihrem Zimmer. Ich habe sie vorhin selbst dort spielen gesehen.«
Wie merkwürdig. Was, wenn es ein fremdes Kind ist?
»Oh, wirklich? Ich bin mir sicher, eben jemanden im Regen stehen gesehen zu haben.« Mir gefällt der Gedanke nicht, dass sich ein Mädchen während eines Gewitters im Garten versteckt. Vielleicht hat es Angst. Vielleicht traut es sich nicht, zu uns zu kommen, und ist schüchtern.
Aber Mrs Warner wird wohl recht haben, wenn sie sagt, die Zwillinge, die ich betreuen werde, seien wirklich im Haus. Das beruhigt mich. Nur … lässt mich der Gedanke nicht los, auch ein fremdes Kind da draußen sich selbst zu überlassen.
»Bei dem Sturm und Regen können einem die Augen schon einmal einen Streich spielen.« Mit einem Wumm schließt Mrs Warner die Haustür hinter mir und sperrt den Sturm wie auch das Gewitter aus. Sofort umgibt mich eine wohlige Wärme, atme ich den Duft von Vanille ein und lausche ruhigen Pianoklängen. Entweder spielt irgendwo jemand Klavier oder aber die Musik ertönt aus versteckten Lautsprechern.
»Am besten zeige ich Ihnen Ihr Zimmer. Es befindet sich in der zweiten Etage. Sie können sich dort kurz frisch machen. Die Familie hat mit dem Abendessen auf Sie gewartet und möchte Sie gern um 20:30 Uhr im Speisesaal begrüßen.«
Ich werfe einen Blick auf die Pendeluhr, die neben der Flügeltür steht. Es ist bereits 20:10 Uhr.
»Alles klar. Ich beeile mich.«
»Den Speisesaal finden Sie zu Ihrer Rechten.« Mrs Warner deutet auf einen Korridor, von dem mehrere dunkle Holztüren abgehen. Der Boden ist weiterhin mit schwarzem Marmor ausgelegt, die Wände sind in einem dunklen Grün gehalten und werden von goldenen Stuckelementen abgesetzt. Alles erinnert an ein altes Herrenhaus, in das ein wenig moderner Flair eingebracht wurde. Aus dem Korridor tapst ein goldbrauner Hund mit Schlappohren auf uns zu. Schwanzwedelnd erreicht er mich und schnuppert aufgeregt an meinem nassen Rock.
»Hey, wer bist du denn?«
»Das ist Henry. Der Labradoodle der Familie.«
Langsam gehe ich in die Hocke, lasse Henry an mir schnüffeln und kraule seine Schlappohren.
»Kommen Sie?« Allmählich fällt mir auf, dass Mrs Warner, kaum da sie die Tür hinter uns geschlossen hat, zu ihrer vornehmen Etikette gewechselt hat.
Ich nicke, dann erhebe ich mich, schnappe mir einen Koffer und folge Mrs Warner die gebogene Treppe hinauf, die mit schwarzem Teppich überzogen ist, in die erste Etage.
Henry tapst uns hinterher. In der zweiten Etage angekommen, ringe ich nach Atem und schaue mich zugleich neugierig um. Ich werde von verbittert dreinblickenden Männern aus dem 19. Jahrhundert in Frack mit ergrautem Kinnbart und tiefen Stirnen auf meinem Weg zum Zimmer beobachtet.
»Sind das die Ahnen der Familie Monair?«, will ich wissen und betrachte die Jahreszahlen an den Ecken der letzten Bilder.
1843 und 1879.
»Richtig. Das sind die Brüder der Familie Monair, die aus England nach Australien ausgewandert sind, um Gold zu suchen.«
Interessiert werfe ich noch einen weiteren Blick auf die Bilder, bevor ich Mrs Warner in einen Korridor mit karminroten Tapeten und ebenfalls dunklem Fußboden folge. Über uns hängen mehrere kleinere Bogenlampen mit glockenförmigen Glasschirmen.
»Und haben sie Gold gefunden?«, frage ich nach.
»Nein.«
»Wie sind sie dann so reich geworden?«
»Sie haben mit dem Abbau von Eisenerz begonnen. Heute ist Eisenerz auf Platz eins der am meisten exportierten Produkte Australiens.«
Eisenerz. Irgendwie hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. »Klingt sehr spannend.«
»Ist es auch. Interessieren Sie sich für Geschichte?«
»Ja, ein wenig.« Vor einer Tür angekommen, neben der ein Porträt einer blassen, dunkelblonden Frau in einem weißen, gerüschten Kleid hängt, bleibt Mrs Warner stehen.
»Hier sind Ihre Zimmer. Direkt daneben die der Zwillinge Maily und Hailey.«
Nachdem sie die Tür geöffnet hat, bleibe ich mit offenem Mund davor stehen. So ein weitläufiges Zimmer hätte ich nicht erwartet. Hinter einem kleinen Vorraum, in dem sich Einbauschränke befinden, liegt ein in einem dunklen Nussholz vertäfelter Wohn-Schlafraum.
Ich entdecke eine kleine Couchlandschaft, die sich um einen niedrigen Tisch vor einem Kamin und einem Fernseher erstreckt. Als ich Mrs Warner tiefer in die noblen Räume folge und nicht weiß, wohin ich zuerst schauen soll, sticht mir anschließend ein großes Himmelbett mit dunkelblauen Vorhängen, die zurückgehalten werden, ins Auge. Das Bett befindet sich direkt zu meiner Linken vor zwei hohen Fenstern, aus denen ich einen Teil des Gartens sehen kann. Statt kühlem dunklen Marmor sind die Böden mit dunklem warmen Holzparkett ausgelegt, auf dem vereinzelt weiche gemusterte Teppiche liegen. Das Bett gleicht dem einer Prinzessin.
Erst als mich Mrs Warner anstarrt, klappe ich den Mund zu.
»Was denken Sie?«
»Wunderschön. Hier darf ich wohnen?«
»Ja, sicher. Gleich hier befindet sich das Ankleidezimmer.« Mrs Warner geht um die Ecke herum zum Bett und deutet auf eine gläserne Schiebetür. »Und gleich daneben ist das Badezimmer.«
Sie marschiert durch einen Durchgang, in dem sich dunkle, leere Holzregale bis zur hohen Decke erstrecken, um danach eine weitere Schiebetür zu öffnen. Dahinter liegt das Badezimmer, mit breitem Waschtisch, großem Rundspiegel, gläserner Dusche und Toilette.
»Bedauerlicherweise haben Sie kaum Zeit, um sich alles anzuschauen. Ich würde Sie bitten, sich in zehn Minuten im Speisezimmer einzufinden. Sie haben sich gemerkt, wo dieses liegt?«
»Ja, habe ich«, antworte ich ihr, als ich meine Augen von den Duftstäbchen und den akkurat zusammengefalteten Handtüchern löse. »Könnte ich zuvor kurz Maily und Hailey kennenlernen?«
Mrs Warner wendet sich mir zu und zieht die Brauen über dem Brillenrand zusammen. »Sie sehen die beiden Mädchen eigentlich gleich unten.« Dann zuckt sie mit den Schultern. »Aber ein kurzes Kennenlernen schaffen wir wohl noch.«
Erleichtert, dass sie mich nicht abblitzen lässt, atme ich durch und verlasse zusammen mit ihr meine Wohnräume. Mrs Warner öffnet eine Tür, hinter der ich in hellem Licht in einem großen Spielzimmer mit Bergen an Kuscheltieren, Puppen, Spielen und Tipizelt zwei Mädchen auf dem Boden kniend entdecke. Beide sind damit beschäftigt, ihre Finger, Füße und Arme mit Nagellack zu bemalen, was Mrs Warner ein entsetztes Keuchen entlockt.
»Du meine Güte, wo habt ihr den Nagellack gefunden?«
Großzügig verteilt das dunkelblonde Mädchen roten Nagellack auf ihre gesamten Zehen.
»Sagen wir nicht«, antwortet sie frech, bevor sie mit dem Zeigefinger Linien auf ihren Unterarm malt. »Du verrätst es nicht, Hailey«, flüstert sie ihrer Schwester zu, die eine rote Latzhose mit weiß-blau gestreiftem T-Shirt trägt.