Besser so als anders - Ronald Schober - E-Book
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Besser so als anders E-Book

Ronald Schober

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Beschreibung

Mario führt ein glückliches Leben. Glaubt er jedenfalls. Er ist sich sogar ganz sicher. Eines, das er sich immer erträumt hatte und auf das er hingearbeitet hatte. Er, Anfang vierzig, verheiratet, zwei Kinder, ein Haus im Grünen und einen guten Job. Alles perfekt somit. Zumindest so lange, bis er sich eines Tages eingestehen muss, Gefühle für seine wesentlich jüngere Kollegin zu haben. Gefühle, die er anfangs nicht einzuordnen vermochte und die ihn in ein emotionales Dilemma stürzen lassen. Und dann stellt er plötzlich sein ganzes Leben in Frage. Zumindest sein Eheleben, welches doch nicht so harmonisch zu verlaufen scheint, wie er sich das immer selbst schön zu reden versucht. Er reist seinem Schwarm bis Venedig, der Stadt der Liebe, nach, nur um in ihrer Nähe zu sein. Aber was will er eigentlich? Eine Beziehung mit ihr oder doch nur eine Affäre, die seinen mittlerweile eintönigen Alltag ein wenig bunter macht? Ist es eine neue Verliebtheit oder doch nur eine Nebenerscheinung der Midlife-Crisis? Hat seine Kollegin ähnliche Gefühle für ihn wie er für sie? Und wenn ja, könnte eine Beziehung mit so einem großen Altersunterschied überhaupt funktionieren? Vor allem: Ist es, gerade für den Familienmenschen, moralisch richtig, diese Gefühle zuzulassen? Mitten in diese Gedanken wird sein Leben plötzlich auf den Kopf gestellt und er muss sich mit einer völlig neuen Situation auseinandersetzen. Die Charaktere in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

- Der Alltag

Kapitel 2

- Der Alltag geht weiter

Kapitel 3

- Wochenende

Kapitel 4

- Der nächste Tag im Büro

Kapitel 5

- Der nächste Schritt

Kapitel 6

- Ein Blick in die Vergangenheit

Kapitel 7

- Wie es weiterging

Kapitel 8

- Trautes Heim

Kapitel 9

- Zurück zum Alltag

Kapitel 10

- Das Wellness-Wochenende

Kapitel 11

- Rendezvous

Kapitel 12

- Streit, Streit, Streit

Kapitel 13

- Mario geht in die Offensive

Kapitel 14

- Tristesse

Kapitel 15

- Lichtblicke

Kapitel 16

- Der Alltag ist zurück

Kapitel 17

- Eskalation

Kapitel 18

- Fahrt nach Venedig

Kapitel 19

- Bella Italia

Kapitel 20

- Venedig

Kapitel 21

- Per San Marco

Kapitel 22

- Offenbarung in der Gondel

Kapitel 23

- Jeder Traum hat ein Ende

Kapitel 24

- Wieder daheim

Kapitel 25

- Die Qual der Wahl

Kapitel 26

- Sommercamp

Kapitel 27

- Der Sturm nach der Ruhe

Kapitel 28

- Das Fitness-Studio

Kapitel 29

- Urlaubsbeginn im Supermarkt

Kapitel 30

- Der Besuch der heißen Luft

Kapitel 31

- Mario (fast) allein zu Haus

Kapitel 32

- Urlaub mit Hindernissen

Kapitel 33

- Die Clubanlage

Kapitel 34

- Arnold auf Türkisch

Kapitel 35

- Krise daheim

Kapitel 36

- Doktor Navratil

Kapitel 37

- Die Lebensberaterin

Kapitel 38

- Ein Freund, ein wahrer Freund

Kapitel 39

- Die letzte Etappe

Kapitel 40

- Hölle, wo ist dein Sieg?

Kapitel 41

- Mario nun ganz allein zu Haus

Kapitel 42

- Chuck Noland

Vorwort

Mario führt ein glückliches Leben. Glaubt er jedenfalls. Er ist sich sogar ganz sicher. Eines, das er sich immer erträumt hatte und auf das er hingearbeitet hatte. Er, Anfang vierzig, verheiratet, zwei Kinder, ein Haus im Grünen und einen guten Job. Alles perfekt somit. Zumindest so lange, bis er sich eines Tages eingestehen muss, Gefühle für seine wesentlich jüngere Kollegin zu haben. Gefühle, die er anfangs nicht einzuordnen vermochte und die ihn in ein emotionales Dilemma stürzen lassen.

Und dann stellt er plötzlich sein ganzes Leben in Frage. Zumindest sein Eheleben, welches doch nicht so harmonisch zu verlaufen scheint, wie er sich das immer selbst schön zu reden versucht.

Er reist seinem Schwarm bis Venedig, der Stadt der Liebe, nach, nur um in ihrer Nähe zu sein. Aber was will er eigentlich? Eine Beziehung mit ihr oder doch nur eine Affäre, die seinen mittlerweile eintönigen Alltag ein wenig bunter macht?

Ist es eine neue Verliebtheit oder doch nur eine Nebenerscheinung der Midlife-Crisis? Hat seine Kollegin ähnliche Gefühle für ihn wie er für sie? Und wenn ja, könnte eine Beziehung mit so einem großen Altersunterschied überhaupt funktionieren?

Vor allem: Ist es, gerade für den Familienmenschen, moralisch richtig, diese Gefühle zuzulassen?

Mitten in diese Gedanken wird sein Leben plötzlich auf den Kopf gestellt und er muss sich mit einer völlig neuen Situation auseinandersetzen.

Die Charaktere in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Kapitel 1 - Der Alltag

„Du hast schon wieder vergessen, den Müll hinauszutragen. Muss man bei dir immer fünf Mal reden, bis etwas gemacht wird? Das ist echt mühsam!“ Kurze Pause. „Ich denke ja auch an alles, ohne dass mich irgendjemand daran erinnert: einkaufen, kochen, putzen, bügeln, Kinder versorgen und so weiter!“

Mario schloss die Türe zu seinem liebevoll eingerichteten Bürozimmer im Keller. „Heute geht sie mir wieder mächtig auf den Arsch! Gurke, blöde! Diese ewigen Nörgeleien habe ich langsam satt. Warum regt sie sich immer wegen so einer Lappalie auf?“, sagte er zu sich selbst.

Und es ging weiter. Schemenhaft nahm er die Worte nur mehr durch die geschlossene Türe wahr. Wieder ein Streit und wieder ein zerstrittener Abend und das Ganze wegen so einer Kleinigkeit. Konnte sie ihm nicht einigermaßen höflich mitteilen, dass der Müll hinauszutragen wäre und das Altpapier entsorgt werden müsste? Mit Worten wie „Schatz, könntest du bitte den Müll hinausbringen?“, oder so ähnlich, wobei er keineswegs auf die Anrede „Schatz“ bestünde. Aber nein, aus einer Mücke wurde ein Elefant gemacht und das garniert mit vielen und vor allem unguten Worten, Sätzen und Phrasen. Carina war seine „Ich-gehe-dir-permanent-auf-die-Nerven“-Zugemutete.

Er saß also in seinem Bürozimmer und ärgerte sich über seine Frau. „Warum?“, sinnierte er. „Warum muss ich nach einem anstrengenden Bürotag so etwas über mich ergehen lassen? Kann ich nicht einfach nur einen ruhigen Abend verbringen? Nun ja, ich habe mir die Situation ja selbst ausgesucht und vor allem ein Leben lang darauf hingearbeitet. Ein Haus am Stadtrand, eine Familie mit zwei Kindern, die ich abgöttisch liebe, einen Job, der mir Spaß macht. Also warum unzufrieden sein? All das habe ich mir immer erträumt und schließlich und endlich selbst ausgesucht.“

Was wäre die Alternative dazu? Ein Junggesellenleben mit all seinen Vorteilen und seinen Freiheiten? Das würde bedeuten, jeden Abend Dinge zu tun, die einem Spaß machen. Doch was wäre der Preis dafür? Kein Kinderlachen, keine warme Geborgenheit im Kreise seiner Familie, kein soziales Netz. Andererseits auch keine Streitereien, keine Sorgen mit den Kids, keine frechen Antworten auf simple Fragen und eben keine Nörgeleien. Eine wohlbekannte Stimme weckte ihn aus seiner Gedankenwelt: „Essen! Wie oft muss man dich noch rufen?“ Carinas Ton wirkte auffordernd und vorwurfsvoll zugleich. Mario erhob sich aus seinem bequemen Lederdrehstuhl und ging gemächlich die Treppen hoch. Er warf einen Blick auf die Wanduhr. „Was? Schon achtzehn Uhr dreißig? Wo ist denn die letzte halbe Stunde geblieben?“ Er betrat das Wohnzimmer mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Eigentlich ist ihm der Appetit vergangen, doch jetzt nichts von den Spaghetti zu essen, die Carina zwischen Schlafzimmerputz und Bügelabend eingeschoben hatte, würde einer völligen Eskalation der Situation gleichkommen.

Also setzte er sich an den Esstisch, der wieder einmal völlig mit Kinderkram belegt war und auf dem es einem schwerfiel, einen Platz für seinen Teller und sein Besteck zu finden. „Nach dem Nachtmahl werden eure Sachen weggeräumt!“ Verdutzt sahen ihn die beiden Jungs an. „Bist du sicher, Papa?“, fragte Lukas. Ganz schön frech mit seinen neun Jahren!

Solche Ansagen taten an einem Abend wie diesem besonders weh. Sollte er ihn zurechtweisen und damit wieder ein Familienmitglied gegen sich haben, oder so tun, als hätte er die Antwort nicht mitbekommen, was wiederum vom pädagogischen Standpunkt völlig falsch wäre. Nun ja, er entschied sich für den bequemeren Weg. „Was hast du eigentlich auf deine Englisch-Schularbeit bekommen, Kevin?“ Kurze Pause. Mario fing an, seine Spaghetti zu essen. „Die haben wir noch nicht zurückbekommen.“ „Quatsch! Nach einer Woche? Also ein Fünfer, oder?“ „Was soll schon dabei herauskommen, wenn man nur Unsinn im Kopf hat?“ Carina schaltete sich in das Gespräch ein. „Auch ich muss meine Pflichten erfüllen: arbeiten gehen, kochen, bügeln, Wäsche waschen, einkaufen, mich um die Schule kümmern …“

Mario hatte ein Déjà-vu. Diese Worte kannte er nur zu gut. Wie oft hatte er sie schon gehört – letztmalig vor ungefähr einer halben Stunde. „Du bist nicht mehr in der Volksschule, sondern im Gymnasium, und da werden andere Ansprüche an dich gestellt. Aber eines sage ich dir im Guten: Das Fernsehen kannst du die nächsten Tage vergessen und auch …“ „Lass mich endlich in Ruhe, Mama! Du gehst mir auf die Nerven!“ Ups! Damit war nun klar, dass an diesem Abend jeder auf jeden sauer war. „Was fällt dir ein, so mit deiner Mutter zu sprechen?“, schrie Mario sichtlich überfordert heraus.

Nun folgte der gleiche Ablauf wie immer. Kevin verließ den Esstisch und verkroch sich in seinem Zimmer, was durch einen lauten Knall durch das Zuschlagen der Türe auch für die Eltern einen Stock tiefer erkennbar war. „Früh-pubertär ist der! Und du sitzt wieder einmal da und tust nichts!“ „Was soll ich denn tun? Schreie ich ihn an, bist du der Meinung, dass dies nicht notwendig ist. Mache ich es nicht, behauptest du, dass ich mich nicht durchsetzen kann. Also, was soll ich tun?“ „Jetzt ist es ohnehin zu spät! Wenn er zu mir frech ist, ist es dir egal!“ Mario nahm sein Besteck in die Hand und würgte die Spaghetti hinunter.

Ein paar Minuten später erschien Kevin wieder im Raum, setzte sich zum Esstisch und stocherte in seinem Essen herum. „Ich wünschte, ich hätte andere Eltern. Welche, die nett sind!“ Das sind jene Momente, in denen man an sich und speziell an seinen Erziehungsmethoden zweifelt. „Mache ich wirklich alles falsch?“, dachte Mario, der sich zwang, seine Gedanken in Richtung Positives zu wenden. Heute war Champions-League. Und zwar ein ganz besonderes Spiel: Real Madrid gegen den FC Chelsea. Auf das Match freute sich Mario schon die ganze Woche. Dieses Semifinale war seit Tagen Gesprächsthema von ihm und seinen Kollegen. Ein ruhiger Fernsehabend in seinem Zimmer, dazu ein kühles Bier! Allein der Gedanke daran ließ ihn ein Lächeln in sein immer noch – ob der Ereignisse der letzten Stunde – angespanntes Gesicht zaubern. Doch die Realität holte ihn schnell wieder ein. Ein Lächeln hätte Carina, die nach wie vor auf hundertachtzig war, sicher Grund gegeben, Mario verbal anzufliegen, und so war er froh, dass sie nichts von seinem Gedankenausflug und den daraus resultierenden positiven Gefühlen mitbekommen hatte.

Zwischenzeitlich waren sie mit dem Essen fertig und die obligatorische Frage der Jungs nach einer süßen Nachspeise folgte. „Als Belohnung für eure freche Art?“ Carinas Stimme störte Marios Gedanken, die unwillkürlich wieder beim heutigen Fußballmatch gelandet waren. „Aber okay, ich bin ja nicht so.“ Ganz schön inkonsequent war das aus Marios Sicht. Hätte er es den Kindern erlaubt, müsste er sich wieder eine Litanei über Erziehung anhören. Aber er hütete sich, seinen Kommentar dazu abzugeben. „Und dann ab unter die Dusche. Kannst du den Abwasch machen? Ich habe jede Menge Bügelwäsche – die macht sich nämlich nicht von selbst.“ Natürlich konnte Mario dies tun. Wie fast alle anderen Tage auch.

Nachdem er abgewaschen und die Kinder geduscht hatte, verzog er sich wieder in sein Kellerzimmer. Mittlerweile war es acht Uhr und er wusste, es dauerte nur noch eine dreiviertel Stunde bis zum Anpfiff. Lukas kam bei der Tür herein und fragte, ob er sich etwas im Fernsehen ansehen dürfe. Um weiteren Diskussionen an diesem Abend aus dem Weg zu gehen, erlaubte es ihm Mario.

Er setzte sich also neben seinen Vater, nahm die Fernbedienung des Fernsehapparates in die Hand und wechselte das Programm von den Nachrichten, die er sich gerade ansah, ohne nachzufragen, ob denn das für Papa okay sei, zum Kinderprogramm. „Was soll´s?“, dachte sich Mario fast emotionslos, „in einer viertel Stunde gehen die Kinder ohnehin schlafen und dann kann ich in Ruhe mein Match sehen.“ Und so ließ er den Junior schalten und walten und sich die, seiner Meinung nach unsinnige Kindersendung ansehen.

Endlich viertel neun. „Zähneputzen und schlafen gehen!“ Marios Stimme hatte leichten Befehlston angenommen. „Und wenn ich nicht will?“, konterte Lukas. „Geh´ jetzt – sonst werde ich böse!“ „Darf ich einen Pudding essen?“ „Nein, um diese Uhrzeit nicht mehr!“ „Warum darf er keinen essen?“ Carina schaltete sich in die Diskussion ein und Mario befürchtete durch diesen Zeitverlust, dass er nicht rechtzeitig bei Anpfiff wieder vor dem Fernsehapparat sitzen würde. Es vergingen zehn, gefühlte zwanzig Minuten, ehe Lukas und natürlich auch Kevin, der das gleiche Recht auf Nahrungsaufnahme einforderte, mit dem „Vor-dem-Schlafen-Snack“ fertig waren. Endlich bewegten sie ihre Körper gemächlich über die Stufen in das Obergeschoss, aber nicht direkt ins Badezimmer, wo man üblicherweise Zähne putzt, sondern jeder von den Jungs ging in sein Zimmer. „Kevin! Lukas! Dalli!“

Klang Marios Ton vorhin noch leicht militant, hörte er sich jetzt schon nach einem Feldwebel an. Endlich bewegte sich wenigstens einer, nämlich Kevin, ins Badezimmer und begann sogleich mit dem Putzen der Zähne. Voller Stolz deren Schönheit wegen betrachtete er sich beim Aufund Abfahren mit der Zahnbürste im Spiegel und merkte nicht, dass dieser zwischenzeitlich von Dutzenden Zahnpasta-Spritzern übersehen war. Schnell nahm Mario einen Fetzen und wischte ihn wieder sauber. Er gab sein Bestes, denn Carina sollte um Himmelswillen nichts davon bemerken.

„Lukas! Komm sofort Zähne putzen. Sonst …“ „Kannst eh dein Match schauen gehen. Ich schaffe das schon!“ Mario wusste mit dem Satz im Moment nichts anzufangen. Waren da plötzlich menschliche Züge an Carina wie Mitgefühl für ihn und seinem bis dato harten Tag? Oder waren es vielmehr wieder einmal jene Märtyrer-Qualitäten, die sie so gut beherrschte und die ihm das Gefühl gaben, ein Egoist zu sein. Nach dem Motto: „Schau du ruhig zu deinem Match, entspanne dich, lass es dir gut gehen, während ich mich hier mit den Kindern ärgern kann.“ Da Mario zweite Variante für die wahrscheinlichere hielt, dachte er: „Jetzt erst recht! Und wenn ich eine ganze Halbzeit versäume – diesen Trumpf, dass ich gehe, gönne ich ihr nicht.“ Außerdem hätte er ein schlechtes Gewissen gehabt. Also mühte er sich weiter mit Lukas ab, der immer noch nicht Zähne geputzt hatte.

„Papa, bleibst du dann kurz bei mir?“, fragte er mit zarter Stimme, während er Mario mit Engelsaugen ansah. „Papa will sich das Match anschauen. Aber ich bleibe schon bei dir.“ Carina wusste, wo sie anzusetzen hatte. Jetzt war Mario endgültig in der Zwickmühle. Sollte er ein schlechter Vater sein und sich sein Match ansehen oder ein paar Minuten mit seinem Sprössling verbringen? Und da war ja noch sein zweiter Sohn. „Wenn ich bei dir bleibe, muss ich auch bei Kevin bleiben.“

Diese konsequente Gleichbehandlung seiner Kinder war Mario immer schon immens wichtig gewesen. „Gut, dann bleibst du noch ein paar Minuten bei Kevin und ich beim Kleinen.“ Carina drehte sich zu Lukas: „Und du putzt jetzt die Zähne, sonst kannst du alleine schlafen gehen!“ Die Worte der Mutter sowie die Aussicht auf ein paar Kuschelminuten hatten ihn dann doch dazu ermutigt, endlich die Zahnbürste in die Hand zu nehmen und die Körperpflege zu vollenden.

Die Eltern legten sich also noch zu den Kindern. Mario sah erschrocken auf die Uhr: Zwanzig Uhr achtundvierzig. Das Spiel lief bereits drei Minuten. Egal! „Die spielen auch ohne mich“, dachte er mürrisch und kuschelte sich an Kevin. Dieser bedankte sich mit den Worten „Hab´ dich lieb, Papa!“

Und spätestens jetzt wusste Mario, dass er richtig gehandelt hatte, indem er seine kostbare Freizeit seinen Kindern und nicht den Fußballprofis zur Verfügung gestellt hatte. Ein Gefühl der Wärme und Zufriedenheit umgab ihn. Das Ganze hatte natürlich auch den Nebeneffekt, dass er damit Carina den Wind aus den Segeln nahm.

Ganze fünfzehn Minuten blieb er bei Kevin. Er verabschiedete sich von ihm mit einem Kuss, schaute noch bei Lukas vorbei, wo sich Carina ebenfalls aus dem Bett erhob, gab auch ihm einen Kuss und verschwand ohne weitere Worte in seinem Zimmer.

Dort angekommen galt sein erster Blick dem im linken oberen Teil des Fernsehbildes dokumentierten Zwischenstand. Null zu null – nichts verpasst! Und wenn, wäre es ihm auch egal gewesen. Die von seinem Sohn erhaltene Liebe war ihm tausende Male mehr wert als jedes Fußballmatch.

Gerade einmal zwei Minuten waren vergangen, sie waren also in Spielminute zwanzig, als Carina das Zimmer betrat. „Hast du die Möbelfirma angerufen?“ Ach ja! Der neue Kasten in Kevins Kinderzimmer hatte einen für ihn, nicht jedoch für Carina unsichtbaren Farbunterschied zwischen dem Korpus und der Kastentüre. Und Mario hätte die Firma anrufen sollen, damit sich diese das Desaster ansieht und einen zufriedenstellenden Lösungsvorschlag unterbreitet. Ihm wäre es egal, aber er wusste, dass Carina ihm so lange damit auf die Nerven gehen würde, bis er dort anruft. Doch daran hatte er beim besten Willen nicht gedacht. „Mach ich morgen, bin heute nicht dazugekommen. Viel Stress im Büro“, antwortete Mario kurz angebunden, seine Augen nicht vom Bildschirm wegbewegend, was Carina noch wütender machte. „Auf nichts kann man sich bei dir verlassen. Stell dir vor, ich kann vor lauter Stress nicht einkaufen gehen und dann gibt es halt kein Nachtmahl! Aber wenn man dich um eine Kleinigkeit bittet, dauert es Wochen, bis sie erledigt ist.“

Carina drehte sich um, während Mario immer noch auf den Bildschirm starrte und verließ das Zimmer. „Endlich!“, dachte er. „Endlich Ruhe!“ Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, lehnte sich zurück und genoss den Rest des Spiels.

Als er sich nach dem Match aus seinem Zimmer wagte, war Carina im Wohnzimmer bereits auf der Couch vor dem Fernsehapparat eingeschlafen. Mario drehte das Licht ab und deckte sie zu. Er schlich wieder in den Keller und sah sich die Zusammenfassung der anderen Begegnung an diesem Abend an. Doch zurück blieb der schale Geschmack eines weiteren kleinen Bruchstücks in der Beziehung.

Kapitel 2 - Der Alltag geht weiter

Nächster Morgen. Mario und Carina gehörten zum emanzipierten Teil der Gesellschaft. Während sie jeden Tag zeitig zu arbeiten begann, versorgte er in Früh die Kinder, indem er ihnen Frühstück zubereitete und sie auf den Schultag vorbereitete. Ihm machte es auch sichtlich Spaß, etwas länger zu schlafen, denn er war alles andere als ein Frühaufsteher. Der Preis war allerdings, dass sich dadurch der Arbeitstag zeitlich nach hinten verschob, was Mario aber nicht sonderlich störte.

Am Weg ins Büro meldete sich meistens Carina telefonisch bei ihm. Doch an diesem Tag blieb sein Mobiltelefon stumm. War sie zu beschäftigt, um ihn zu kontaktieren, oder sauer wegen des Streites am Vortag? Mario vermutete Zweites. Aber warum? Was hatte er falsch gemacht? Er war sich keiner Schuld bewusst und da er zu stolz war, selbst anzurufen, fand an jenem Morgen kein eheliches Telefonat statt.

Der Tag in der Firma verging schnell, da Marios Chef ihm diverse - dringend zu erledigende - Arbeiten aufgetragen hatte und als er das erste Mal auf die Uhr sah, war es bereits Mittag. „Ich darf nicht vergessen, die Möbelfirma anzurufen!“ Er erschrak aus seiner Arbeitswut, nahm sein Mobiltelefon in die Hand und suchte aus dem Namensspeicher die Nummer. In diesem Moment läutete sein Firmentelefon. Ein Kunde wollte eine dringende Erledigung seiner Angelegenheit. Also legte Mario sein Handy zur Seite und erfüllte seine dienstliche Pflicht. Sinnlos zu erwähnen, dass er anschließend nicht mehr an die Möbelfirma dachte.

So ging der Tag im Büro relativ stressig weiter. Beim Heimfahren legte er eine Hardrock-CD in den Player und ließ es richtig krachen, so dass alle Passanten, an denen er vorbeifuhr, erschrocken einen Blick Richtung Marios Auto warfen. Für ihn war es das perfekte Chill-out: Lauter Hardrock oder Techno-Musik! „Highway To Hell“ tönte es in hoher Dezibel-Anzahl aus dem Auto. Was sich die Passanten in diesem Moment über ihn dachten, war ihm herzlich egal. Jedenfalls fühlte er sich einige Minuten später schon viel besser.

Als er zu Hause angekommen die Türe aufsperrte, hörte er ein lautes Schreien. Die Kinder hatten wieder einmal Streit und waren drauf und dran, ihre Aggressionen körperlich auszutragen. „Na toll!“, dachte Mario. „Genau das, was ich mir nach so einem Tag wünsche!“ Er begrüßte Carina, die sichtlich angespannt war. „So geht das schon seit zwei Stunden! Und du bist wieder einmal nicht zu Hause, wenn ich dich brauche!“ Mario sah Carina verdutzt an. „Ich muss doch arbeiten“, versuchte er in ruhigem Ton zu kontern „Ich muss deshalb so lange in der Firma bleiben, weil ich durch den morgendlichen Kinderdienst später anfange.“

Er versuchte es ihr so zu erklären, dass es ein fünfjähriges Kind verstanden hätte, nur sie offensichtlich nicht. „Soll ich das vielleicht auch noch machen?“ Carinas Stimme wirke ziemlich aggressiv, während Sie die Nockerl in die Pfanne gleiten ließ. „Heute gibt es nur Eiernockerl. Zu mehr komme ich im Moment nicht mit den beiden.“ „Nur?“, dachte Mario. „Warum tut sie sich das überhaupt an?“ Es war eines seiner Lieblingsgerichte. Doch er würde gerne darauf verzichten, wenn Carina dadurch mehr Freizeit hätte. Aber sie fühlte sich halt dazu verpflichtet, der Familie mindestens einmal am Tag ein warmes Essen zu servieren, auch wenn sie noch so wenig Zeit hatte. Mario konnte dies nicht begreifen. Aber er war ja ein Mann, wie ihn Carina diesbezüglich öfters wissen ließ und er somit gewisse Dinge gar nicht verstehen könne.

„Kinder, Tisch decken!“ Keine Reaktion. Marios Stimme wurde lauter: „Tisch decken!“ Endlich bemühten sich die Jungs die Stufen hinunter. „Was gibt es heute zu essen?“, fragte Lukas, ohne seinen Vater zu begrüßen. „Eiernockerl.“ „Hmmm! Ich liebe Eiernockerl!“ Er war sichtlich erfreut. „Nicht schon wieder!“, platzte Kevin heraus. „Dann isst du halt nichts!“ Carinas Zorn war in diesem Moment sicherlich angebracht. Die Kinder setzten sich. „Und was ist mit Tisch decken?“ Darauf haben sie natürlich vergessen. Also schnappte sich Mario das Besteck aus der Küche und holte noch frische Getränke aus dem Keller.

Das Essen gestaltete sich verhältnismäßig ruhig. Und wäre nicht Marios Aufforderung an Kevin, noch etwas für die Schule zu tun und die damit verbundene negative Gefühlserregung der beiden gewesen, wäre der restliche Abend wohl komplett gut verlaufen. Auch die Tatsache, dass Carina ihn nicht nach einem etwaigen erfolgreichen Telefonat mit der Möbelfirma gefragt hatte, trug zur ungewohnt positiven Stimmung bei.

Aus diesem Grund beschloss Mario, als die Kinder im Bett waren und im Obergeschoss endlich Ruhe eingekehrt war, sich mit Carina gemeinsam eine Sendung im Fernsehen anzusehen. Sonst verkroch er sich meistens in seinem Bürozimmer und frönte den Dingen, die ihm den Tag angenehm auszuklingen vermochten.

Wahrscheinlich war ihm nach körperlicher Nähe und so kuschelte er sich an Carina und fing an, sie zärtlich zu streicheln, was ihrerseits erwidert wurde. Zwanzig Minuten später – Mario ließ nach wie vor seine Finger über Carinas Arme und ihren Kopf gleiten – merkte er, dass sie eingeschlafen war. Vermutlich die Mischung aus Übermüdung ob des langen und anstrengenden Tages und der angenehmen und entspannten Situation.

Mario, der sich an jenem Abend mehr erwartet hatte, war innerlich sauer. Er ging auf die Terrasse und rauchte sich eine Zigarette an. Anschließend nahm er die Decke, die zusammengefaltet auf der Couch lag, und deckte Carina zu. Dann schaltete er den Fernsehapparat aus und verschwand in seinem Zimmer. Dort konnte er sich das ansehen, was ausschließlich ihn interessierte. Doch das wollte er an jenem Abend nicht …

Kapitel 3 - Wochenende

Endlich war Freitag. Ein kurzer Tag im Büro und anschließend zwei freie Tage – etwas, auf das sich Mario immer gefreut hatte. Doch in letzter Zeit fiel es ihm zunehmend schwerer. Zu viele Streitereien mit Carina, der Kampf mit den Kindern, die in ihrer früh-pubertären Phase kaum folgen konnten, sowie die moralische Verpflichtung, der Familie ein halbwegs adäquates Wochenendprogramm zu bieten, vereinigten sich zu einer für Mario kaum bewältigbarer Last.

Und so verließ er freitagnachmittags die Firma mit einem schalen Gefühl in der Magengegend. Schnell noch ein paar Besorgungen erledigen und Carina fragen, ob er ihr bei ihren Wochenendeinkäufen helfen könne. „Das schaffe ich schon! Sag mir lieber, was ihr am Wochenende essen wollt. Immer ist das meine Aufgabe. Du könntest dir auch einmal etwas überlegen!“

Spätestens jetzt wusste Mario, dass dieses Telefonat ein Fehler war. Doch worüber sollte er sich Gedanken machen? Jedes Mal, wenn er einen Essensvorschlag präsentierte, hörte er von Carina, dass gewisse Zutaten einem der vier Familienmitglieder nicht schmecken würden. Und seine Tipps wie Würstel oder Eierspeise zu kochen wirkten auf sie wie der blanke Hohn. Dabei waren sie durchaus ernst gemeint, da Mario nicht wollte, dass sich Carina zu viel antat. Schließlich sollte sie auch Freizeit haben. Und Marios Vorschlag, man könne doch am Wochenende Essen gehen sowie ihre daraus resultierende Antwort à la „Nein, nein, ich koche schon etwas!“ erinnerte ihn wieder einmal an jene Märtyrer-Qualitäten, die Carina so wunderbar beherrschte. Also blieb die Entscheidung, welches Essen denn nun am Wochenende gekocht werde, wieder einmal an ihr hängen, was zum Eheglück wahrscheinlich wenig Positives beitrug.

Als Mario nach Hause kam, war Carina gerade dabei, die vollen Einkaufskörbe auszuräumen. „Kann ich dir etwas helfen?“ „Nein, das schaffe ich schon. Aber du kannst Lukas abholen.“ „Ist gut.“ Mario machte sich auf den Weg zu dem drei Minuten entfernten Hort. Dort angekommen freute sich der Kleine, dass er heute von Papa abgeholt wurde und verabschiedete sich schnell von seiner Hort-Pädagogin.

Auf dem kurzen Nachhauseweg erfuhr Lukas, dass sein Vater noch diverse Sondereinkäufe zu tätigen habe wie einen Fahrradschlauch für Kevin sowie neue Sportschuhe und er mitkommen solle. „Ich will aber nicht! Ich mag viel lieber zu Hause bleiben und spielen!“, war seine Reaktion. „Du kommst mit. Wir warten nur noch, bis Kevin von der Schule heimkommt. Mama möchte in Ruhe den Haushalt machen.“ „Kann sie eh!“ „Keine Widerworte! Du kommst mit!“

Marios Stimme wurde bestimmender und Lukas begann zu bocken. „Warum muss ich immer mitfahren?“ „Das habe ich dir gerade erklärt!“ „Wegen des blöden Fahrradschlauches!“ „Du bist ganz schön egoistisch! Wäre es deiner, würde Kevin auch mitkommen.“ Mario wurde langsam grantig. „Der drückt sich ja bloß vor dem Lernen! Darum will er immer mitfahren!“ „Du fährst mit und basta!“ „Das Wochenende fängt ja wieder einmal gut an!“, murmelte Mario vor sich hin.

In der Zwischenzeit waren sie zu Hause angekommen. Carina, gerade mit dem Ausräumen der Einkäufe fertig geworden, öffnete ihnen die Türe. „Hallo mein Schatz!“ Sie gab ihm einen dicken Schmatz. „So möchte ich auch einmal begrüßt werden!“, dachte sich Mario. „Nun ja, das ist halt der Unterschied. Am Anfang einer Beziehung ist man als Mann das Einzige, das Wahre, die Welt und der Lebensmittelpunkt des Partners. Dann kommen die Kinder und man(n) rückt immer mehr in den Hintergrund. Damit muss man sich halt abfinden.“

„Kevin ist schon da, ihr könnt fahren.“ Carina, sichtlich froh über die zu erwartende Ruhe im Haus, nahm Lukas die Schultasche ab. Kevin zog seine Schuhe an und begrüßte seinen Vater. Und so kehrte Stille ein und Carina konnte sich ohne Störung durch etwaige Streitereien der Kinder um den Haushalt kümmern.

Die Einkäufe gestalteten sich relativ ruhig, was vor allem daran lag, dass Mario in seiner väterlichen Gutmütigkeit noch mit den Jungs einen Abstecher ins Spielzeuggeschäft unternahm und jedem von ihnen ein Matchbox-Auto kaufte.

Wieder zu Hause angekommen war Carina bereits beim Kochen des Abendessens. Mit Leberkäse und Kartoffelpüree hatte sie ein Gericht gefunden, an dem endlich keines der Familienmitglieder etwas auszusetzen hatte. „Schmeckt super, danke, Mama!“, freute sich Lukas über die Gaumenfreude. Kevin und Mario bestätigten dies und zauberten somit ein Lächeln in Carinas Gesicht. „Na das freut mich. Ist ja nicht einfach, etwas zu finden, was allen schmeckt. Und Essensvorschläge bekomme ich von euch ja keine. Immer muss ich mir überlegen, was es zu essen gibt!“ „Oje!“, dachte Mario. „Sind wir also wieder beim Thema!“

Schnell fing er an, sie mit Komplimenten über ihre Haushaltsführung zu überhäufen, um einer weiteren Verbalattacke zu entgehen, was ihm diesmal gelang. Auch dass Mario unaufgefordert den Abwasch übernahm, wurde von Carina mit einem seltenen „Danke, das hast du gut gemacht“ honoriert.

Dann beging er doch einen Fehler: Statt sich mit den Kindern zu beschäftigen, verschwand er wortlos in seinem Zimmer, setzte sich die Kopfhörer auf und hörte laute Musik. In der Zwischenzeit hatten die Jungs wieder ordentlichen Streit, der schließlich in einer gegenseitigen Watschen-Orgie endete. Carina, die dadurch beim wöchentlichen Badezimmerputz gestört wurde, stürmte in Marios Zimmer, der von dem Geschehen zwei Stockwerke über ihm natürlich nichts mitbekommen hatte. „Finde ich super, dass du es dir hier gut gehen lässt, während sich die Jungs die Köpfe einschlagen. Aber vielleicht kümmerst du dich darum! Musik kannst du später hören, wenn die beiden schlafen!“

Genervt erhob sich Mario aus seinem Sessel und stürmte die Stufen hinauf. „Könnt ihr nicht einmal normal miteinander spielen?“, schrie er die beiden an. „Ihr geht uns auf die Nerven!“ „Papa, darf ich fernsehen?“ Lukas konnte wirklich den perfekten Unschuldsengel mimen. „Natürlich nicht, wenn ihr euch so aufführt!“ „Aber ihr werdet eure Zimmer zusammenräumen!“ „Darf ich dann fernsehen?“ „Voraussetzung ist, dass ihr picobello zusammengeräumt habt.“ „Die sollen lieber etwas lesen!“ Carina erschien im Raum. „Beim Fernsehen geben sie wenigstens Ruhe.“ „Eine tolle Erziehung hast du!“ Mario genügte es. „Ich komme in zwanzig Minuten eure Zimmer kontrollieren und wenn dann alles in Ordnung ist, könnt ihr von mir aus fernsehen.“ Er drehte sich um und verschwand wieder Richtung Keller.

Nach einer halben Stunde fand dann die väterliche Zimmerinspektion statt. Zu seiner Verwunderung waren die Zimmer im Großen und Ganzen ordentlich aufgeräumt. „Okay, ihr dürft fernsehen!“ Diese Aussage löste bei den beiden einen Energieschwung aus und sie stürmten wie eine Horde wilder Tiere die Stufen hinab in Marios Zimmer, drehten den Fernsehapparat auf und zappten bis zum passenden Programm durch. Papa kam ebenfalls hinzu und setzte sich wieder die Kopfhörer auf. Irgendwie war ihm an jenem Abend eher nach Kuschelsongs zumute und so legte er eine entsprechende CD in den Player. Er schloss seine Augen und vergaß die Welt um ihn herum.

Doch plötzlich erschrak er aus seiner Lethargie. Wo waren denn seine Gedanken gelandet? Er hatte die letzten Minuten intensiv an seine Kollegin, mit der er sich bei der Firmenfeier ein wenig unterhalten hatte und die er sehr sympathisch fand, gedacht. Durfte es überhaupt sein, dass er angenehme Gedanken an andere Frauen hat? Na ja, passiert war ja, außer im Kopf, nichts und so schenkte er seinem Gedankenausflug keine weitere Bedeutung.

Er blickte auf die Uhr. Viertel neun. „Schlafen gehen, Jungs!“ „Heute ist doch Freitag, da dürfen wir länger aufbleiben.“, konterte Kevin. „Na gut, was wollt ihr euch denn ansehen?“ „Jetzt fängt Mister Bean an, der dauert bis zehn.“ „Also gut, aber nur wenn ihr vorher Zähne putzen geht.“ „Das machen wir nachher“, gab Lukas zur Antwort, ohne seinen Vater anzusehen. „Das macht ihr nicht nachher! Ihr geht jetzt Zähne putzen oder sofort schlafen!“

Mario konnte keinen Widerspruch seiner Kinder ertragen. Da die beiden keinerlei Anstalten machten, sich Richtung Badezimmer in Bewegung zu setzen, nahm er die Fernbedienung in die Hand und tat so, als würde er den Fernsehapparat ausschalten. „Nein!“, schrie Lukas, dass es seinem Vater in den Ohren wehtat. „Dann geht jetzt!“ Die Jungs erhoben sich und stürmten ins Badezimmer.

Wenige Minuten später waren sie schon wieder da. „In dieser kurzen Zeit könnt ihr aber nicht ordentlich geputzt haben.“ „Oh ja, Papa, schau!“ Lukas zeigte seinem Vater seine frisch glänzenden Zähne und konzentrierte sich, ebenso wie Kevin, fortan nur mehr um Mister Bean.

Mario setzte sich erneut die Kopfhörer auf und gab sich wieder seinen Love-Songs hin. Die plötzlich einsetzenden Gedanken an seine junge, attraktive Kollegin ließen ihm keine Ruhe. Warum war dies geschehen? Hatte er irgendwelche Gefühle für sie entwickelt? War es bloß eine Schwärmerei und Sympathie oder waren da doch tiefere Empfindungen? Gefiel sie ihm einfach nur? War zwischen den beiden vielleicht ein längerer Blick zu viel? Mario konnte sich das nicht vorstellen. In all den Jahren, in denen er mit Carina zusammen war, kam es das erste Mal vor, dass er intensiv an eine andere Frau dachte.

Diana war vierundzwanzig und hätte somit Marios Tochter sein können, da er selbst den Vierziger schon überschritten hatte. Irgendetwas faszinierte ihn an ihr. Sie hatte lange, gewellte, brünette Haare, dazu wunderschöne blaue Augen und bei einer Körpergröße von einhundertzweiundsiebzig Zentimetern und schlankem Körperbau eine exzellente Figur.

War es ihre doch noch jugendliche Art gepaart mit zarter Weiblichkeit? War es der unschuldige Blick aus ihren wunderschönen Augen? War es die tolle Kleidung, wie zum Beispiel der Minirock, den sie heute getragen und der ihre attraktiven Beine gezeigt hatte? Oder war es einfach nur ein Anfall von Testosteron-Überschuss bei Mario, kombiniert mit einer leichten Midlife-Crisis? Vielleicht war es auch nur die Abenteuerlust, die ihn neuerdings öfters packte und solche Fantasien in ihm zu produzieren schien.

Mario wusste es nicht. Und warum kamen diese Gedanken an Diana zum jetzigen Zeitpunkt? Einerseits empfand er diese als schön, anderseits beängstigten sie ihn auch, da sie für ihn völliges emotionales Neuland darstellten. Also beschloss er, ihnen keine weitere Aufmerksamkeit mehr zu schenken.

Er drehte die Musik ab und ging zu Carina, die sich gerade vor den Fernsehapparat gesetzt hatte. „Was siehst du dir an?“, fragte er. „Eine Dokumentation über das Leben nach dem Tod.“ „Aha. Soll ich dir ein Joghurt holen?“ „Nein, ich habe gerade Cornflakes gegessen.“ Mario setzte sich neben sie auf die Couch. „Interessant?“, fragte er in Bezug auf die Sendung. „Ja, total.“ Offensichtlich wollte Carina keine weitere Störung. Also setzte sich Mario wortlos neben sie und lauschte ebenfalls den Berichten über die Nahtoderlebnisse der handelnden Personen.

Irgendwie fühlte er sich ihr gegenüber schuldbewusst ob der vorherigen Gedanken an Diana. Doch als ob sie einen sechsten Sinn diesbezüglich gehabt hätte, verfolgte sie ihre Sendung, ohne Mario weiter zu beachten.

Als diese zu Ende war, ging er in den Keller und holte die Kinder zum Schlafengehen ab. „Abmarsch ins Bett!“ „Jetzt nicht! Es ist gleich aus!“, ertönte es wie aus einem Mund. „Nur noch zehn Minuten.“ Mario ließ die beiden in seinem Beisein den Film zu Ende sehen. Endlich lief der Abspann und die Jungs verließen überraschend unaufgefordert Papas Zimmer.

Doch anstatt schlafen zu gehen, verlangten sie von Carina eine Portion Cornflakes. „Natürlich gibt es um diese Uhrzeit nichts mehr“, war ihre verständliche Antwort. „Ihr dürft ja auch noch essen, wenn ihr wollt!“ Lukas war in der Tat nicht auf den Mund gefallen. „Das ist etwas ganz anderes. Wenn du groß bist, kannst du auch tun und lassen, was du willst.“ Carinas Worte wirken bei den Kindern wenig überzeugend. „Außerdem habt ihr schon Zähne geputzt. Abmarsch ins Bett!“ Langsam bewegten sie sich die Stufen hinauf und legten sich hin. Aber von Nachtruhe war noch lange keine Rede.

Nachdem sie dann eine halbe Stunde später endlich eingeschlafen waren und Mario sich zwischenzeitlich ganze drei Mal genervt in die Kinderzimmer begeben hatte, um Ruhe zu verschaffen, fing er an, Carina zärtlich zu berühren. War es der Wunsch nach Nähe oder ein etwaiges schlechtes Gewissen? Er wusste es selbst nicht genau. Jedenfalls gefiel ihm ihre Reaktion, die ebenfalls angefangen hatte, ihn zu streicheln und sich mittlerweile mit ihren Fingern zu seinen Innenschenkeln vorgearbeitet hatte. Er drehte seinen Kopf zu ihr und presste zärtlich seine Lippen auf ihre. Aus dem anfänglichen Lippenspiel entwickelte sich rasch ein Kuss.

Mario ließ sich erschöpft fallen. „War es schön für dich?“, fragte er Carina. „Ja, sehr!“, antwortete sie und nahm die Fernbedienung des Fernsehapparates in die Hand, um die unterbrochene Sendung weiterzusehen. Wenig später schliefen beide zeitgleich ein.

Am nächsten Morgen wurden sie durch lautes Schreien der Jungs geweckt. Sie waren schon früh aufgewacht und hatten zu spielen begonnen. Unwillkürlich endete jede gemeinsame Aktivität der Kinder im Streit. Es war so eine Art Hassliebe unter den Geschwistern. Ohneeinander konnten die beiden nicht, miteinander aber offensichtlich auch nicht. Mario sprang aus dem Bett und rannte zielstrebig Richtung Lukas Zimmer, in dem sich die beiden Streithähne befanden. „Ist ganz super, wenn man so geweckt wird!“, schrie er heraus. „Wir spielen ja nur.“ „Genau, Papa, alles in Ordnung.“

Gar nichts war in Ordnung für Mario, der einen Weckdienst wie diesen hasste. In der Zwischenzeit war Carina ebenfalls aufgestanden und dabei, das Frühstück herzurichten. „Soll ich dir etwas helfen?“ „Nein, danke. Aber du kannst dann einkaufen fahren.“ „Okay, was brauchen wir alles?“ „Hast du dir eigentlich überlegt, was wir am Wochenende essen? Oder ist das wieder meine Aufgabe?“

Carina war genervt von der ständigen Verantwortung, sich ein geeignetes Essen für die Familie zu überlegen. Schließlich kam man im Laufe des Frühstücks doch zu einem Essenskompromiss und Mario notierte, was er vom Supermarkt besorgen sollte.

Anschließend machte er sich mit den Kindern auf den Weg, um Carina Freiraum für diverse Hausarbeiten zu geben. Beim Mittagessen einigten sie sich, dass man den Nachmittag im Schwimmbad verbringen werde. Das gab den Jungs die Möglichkeit, sich auszutoben, während die Eltern eine kurze Ruhephase genießen konnten.

Am Abend folgte dann dasselbe Spielchen wie am Tag davor. Wieder waren die Kinder länger auf und wieder fühlten sich die Eltern in ihrem Freizeitzeitraum gestört. Einziger Unterschied war, dass es an jenem Abend keine Zärtlichkeit zwischen Carina und Mario gab. Wäre aber auch innerhalb dieses kurzen Zeitraumes ohnehin eine absolute Rarität gewesen.

Er blieb sehr lange auf und beschäftigte sich intensiv mit seinem neuen Computerprogramm, während Carina zum x-ten Mal vor dem Fernsehapparat eingeschlafen war.

Der Sonntag begann wie der Samstag. Erneut wurden die Eltern durch einen heftigen Streit der beiden geweckt. Und wieder stürmte er ins Kinderzimmer, um den Jungs die Leviten zu lesen.

Nach dem Frühstück befahl Mario den beiden, ihre Schularbeiten zu erledigen, was wieder einmal in einer endlosen Diskussion endete. Letztlich setzten sie sich doch zum Tisch und fingen damit an, was wahrscheinlich an den von Papa angedrohten Konsequenzen wie Fernsehverbot oder Süßigkeiten-Sperre lag.

Er ging in den Keller und erledigte dort diverse Hausarbeiten wie Staubwischen und Staubsaugen. In der Zwischenzeit hatten sich die Kinder erneut in die Haare bekommen. Carina stürmte hinunter. „Kannst du das nicht später machen. Du könntest mit den Jungs ja auch einmal etwas unternehmen, damit ich in Ruhe die Hausarbeit erledigen und kochen kann. Aber nein, du musst ausgerechnet am Sonntagvormittag den Keller saugen.“

Sie drehte sich um und ging. Mario schüttelte den Kopf. „Was ich tue, mache ich falsch!“, schrie er ihr nach. „Dann erledige den Scheiß doch selbst!“ „Du bist ein Super-Vater, vor den Kindern so zu schimpfen! Darfst dich nicht wundern, dass die so sind!“ Jetzt hatte sie Mario empfindlich getroffen. Er bemühte sich stets, trotz aller Schwierigkeiten, ein guter Vater zu sein. Waren Carinas Vorwürfe gerechtfertigt? In gewisser Weise ja, dachte er, denn schimpfen vor den Kindern war wirklich nicht die richtige Erziehung. Aber irgendwann platzt einem schon einmal der Kragen.

Er nahm den Staubsauger erneut in Hand und vollendete die Hausarbeit. Während dessen waren seine Gedanken unwillkürlich wieder bei Diana gelandet. „Ob sie auch so eine Zicke ist? Ob man ihr auch nichts recht machen könne? Wie sehe ein Leben mit ihr aus? Zumindest wäre es ruhiger und stressfreier“, dachte er so vor sich hin.

Mitten in seine Gedanken platze auf einmal Kevin herein. „Der Lukas lässt mich nicht in Ruhe. Ununterbrochen nervt er!“ „Rutscht mir den Buckel hinunter!“ Marios Nervenkostüm war kaum mehr vorhanden. Kevin drehte sich um und ging.

Den restlichen Vormittag verbrachte er mit den Jungs am naheliegenden Basketballplatz, um einer weiteren Eskalation der Situation zu entgehen. Als sie nach Hause kamen, roch man bereits die Schnitzel. „Das Essen ist gleich fertig! Hände waschen und Tisch decken!“ Mit diesen auffordernden Worten empfing Carina die Drei. „Wozu Hände waschen? Die sind nicht schmutzig!“, posaunte Lukas heraus. „Du gehst Hände waschen und basta!“ Währenddessen deckte Mario den Tisch und Carina servierte das Mittagsmahl.

„Was unternehmen wir am Nachmittag?“, fragte Carina während des Essens. „Was willst du denn machen?“, wollte Mario wissen. „Kannst du dir nicht einmal etwas überlegen? Zeit genug hast du ja!“, retournierte sie. „Na gut, wir könnten ja zum Neusiedlersee fahren und uns ein Elektroboot mieten.“ „Ja, super!“, schrien die Kinder. „Ist in Ordnung.“ Offensichtlich war diese Idee auch bei Carina gut angekommen. „Endlich!“, dachte Mario. „Endlich einmal ein Vorschlag, der alle zufrieden stellt.“ Auf Grund dieser Aussicht benahmen sich die Kinder für ihre Verhältnisse während des weiteren Verlaufes des Mittagessens passabel und auch Carina wirke einigermaßen entspannt.

So wurde nach dem Essen die Tasche mit Getränken und Snacks gepackt und schon konnte es losgehen. Es war alles in allem ein netter Familienausflug, der ohne große Streitigkeiten zu Ende ging.

Dies endete sich zu Hause angekommen schnell. Kaum zwei Minuten daheim fingen die Kinder bereits wieder zu raufen an. Aus dem anfänglichen Spaß wurde sehr bald Ernst und es flogen erneut die Fäuste. „Ich halte das alles nicht mehr aus!“, sagte Mario zu Carina. „Warum schaffen sie es nicht, sich zu benehmen?“ „Die gehören halt ununterbrochen beschäftigt, sonst ist es mit ihnen nicht auszuhalten.“ „Man will doch auch einmal Zeit für sich haben.“ Marios Einwand schien einleuchtend. „Das geht aber mit unseren Kindern nicht.“ Er trank seinen Kaffee aus und begab sich zu den Jungs. „Wollt ihr spielen? Tischfußball, Uno, Affenboot oder Mensch-Ärgere-dichnicht?“ „Papa, baust du mir etwas aus Lego?“, fragte Lukas. „Nicht Lego! Dürfen wir fernsehen?“ „Sicher nicht. Jetzt spielen wir! Sucht euch etwas aus“, konterte Mario Kevin. Letztlich einigte man sich auf ein paar Runden Uno.

Als am späten Abend endlich Ruhe eingekehrt war, zog sich Mario in sein Kellerzimmer zurück. Er drehte den Fernsehapparat auf und blieb bei einer Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg hängen. Ein paar Minuten schaute er gespannt zu. Und da waren sie wieder: Die Gedanken an Diana. Jene an das letzte Gespräch in der Firma und jene an die Firmenfeier, bei der Mario offensichtlich erkennen musste, dass ihm Diana sympathischer war, als er es sich einzugestehen vermochte. Warme und schöne Momente waren das, in denen er an sie dachte. Es waren aber auch Momente, die ihm Angst einflößten. Bin ich Carina untreu, bei dieser Vorstellung? Oder wenn ich Empfindungen für eine andere Frau habe? Noch war es jener Zeitpunkt, an dem Mario seine neu gewonnenen Gefühle nicht richtig definieren, geschweige denn zuordnen konnte.

Und umgekehrt? War er ihr auch sympathisch? Mochte sie ihn ebenfalls? Dachte sie vielleicht in diesem Moment gerade an ihn? Befand sie sich in festen Händen? Verheiratet war sie jedenfalls nicht, so viel wusste er. Und einen Freund hatte sie bis dato auch nie erwähnt. Mario wollte mehr über sie herausfinden. „Oder soll ich das Ganze vergessen? Wäre sicher besser. Würde nur Probleme bringen.“ Er versuchte, sich mit ein paar Partien Windows-Solitär abzulenken, und hörte dabei klassische Musik.

Als er sich niederlegte, dachte er vor dem Einschlafen verkrampft an etwas ganz Anderes. Und so schlief er schließlich nach dem anstrengenden Wochenende erschöpft rasch ein.

Kapitel 4 - Der nächste Tag im Büro

Nach dem morgendlichen Kinderdienst machte sich Mario auf den Weg ins Büro. Die Gedanken am Wochenende an Diana ließen ihn die ganze Fahrt lang nicht mehr los. Am Arbeitsplatz angekommen entdeckte er auf seinem Schreibtisch einen Stapel zu erledigender Aufgaben. Er nahm sich einen Kaffee und begann zu arbeiten. An jenem Tag ging er auffällig oft auf die Toilette, in der Hoffnung, Diana am Gang zu treffen. Aber jedes Mal kehrte er enttäuscht zurück.

Am Nachmittag hielt er es dann nicht mehr länger aus. Er beschoss, ihr eine unverfängliche Mail zu schicken. Also begann er zu schreiben: „Hallo! Geht es dir gut? LG Mario“. Er überlegte eine Sekunde und drückte dann auf „senden“. In diesem Moment kamen ihm Zweifel. Will sie überhaupt eine Nachricht von mir erhalten? Gehe ich ihr damit vielleicht auf die Nerven? Wie wird sie reagieren? Wird sie es für sich behalten oder ihren Kollegen im Zimmer davon erzählen? Und: Wird sie zurückschreiben? Fragen über Fragen bohrten sich durch Marios Kopf. Aber nun war es zu spät. Die Mail war bereits versendet.

Er kümmerte sich wieder um seine dienstlichen Angelegenheiten. Doch keine Minute verging, in der er nicht mindestens einmal nachsah, ob Diana zurückgeschrieben hatte. Je länger sie nichts von sich hören ließ, desto mehr Zweifel wuchsen in ihm, ob es nun richtig war oder nicht. Mittlerweile hatte er ein ungutes Gefühl in der Bauchgegend.

Es vergingen ungefähr zwanzig Minuten, Mario kam dies vor wie eine Ewigkeit, da kam eine neue Nachricht. Und zwar von Diana. Eilig öffnete er sie und las: „Hallo! Schön von dir zu hören. Hatte gerade ein langes Kundengespräch und daher kann ich dir erst jetzt antworten, Danke, mir geht es gut. Ich hoffe, dir auch? LG Diana“.

Marios Herz machte einen Sprung. Seine Mail war offensichtlich gut angekommen. Also schrieb er retour: „Ja, danke, bei mir alles ok.“ Seine Finger blieben plötzlich ruhig auf der Tastatur liegen. „Was schreibe ich ihr jetzt zurück?“, dachte er. Mario war beim Flirten aus der Übung und das Geschriebene wirkt ja noch stärker, da man es sich immer und immer wieder durchlesen kann. Doch dann versuchte er es mit Smalltalk: „Wie war dein Wochenende?“ Der Nebeneffekt bei dieser Frage war, dass er ein wenig über Dianas Privatleben erfahren könnte. Denn bei den bisher stattgefundenen Gesprächen mit ihr ging es vorwiegend um Firmenthemen, wie es halt unter Kollegen so üblich ist.

Keine fünf Minuten später kam ihre Antwort: „Danke, sehr schön. Am Samstag habe ich die Wohnung geputzt und am Abend habe ich mich mit Freunden in der Innenstadt getroffen. Und am Sonntag habe ich meine Eltern besucht und den Tag mit einem guten Buch ausklingen lassen. Und wie war dein Wochenende?“ Mario interpretierte: „Sie hat also eine eigene Wohnung. Und einen festen Freund dürfte sie auch nicht haben, da sie offensichtlich alleine bei ihren Eltern war. Außerdem schreibt sie dauernd in der Ich-Form. Wenn sie einen Partner hätte, würde sie doch in der Wir-Form schreiben, oder?“ „Na ja, bei mir war es nur die übliche Familienkiste. Schwimmen am Samstag und Ausflug mit Boot fahren am Sonntag.“ „Klingt aber nicht sehr begeistert!“, schrieb sie zurück. Worauf er replizierte: „Alltagsallerlei. Hat man auch irgendwann satt.“ „Was hättest du stattdessen gerne unternommen?“, war ihre Frage, worauf er zunächst keine Antwort wusste. „Mir fehlt einfach die Spannung in meinem Leben. Etwas Aufregendes. Etwas Neues!“ „Sei doch froh, dass du das Wochenende im Kreise deiner Familie verbringen konntest.“

Diese Antwort wollte Mario eigentlich nicht hören. Ermutigte sie ihn hiermit, mehr Freude an seinem Familienleben zu haben? Statt Mitleid zu erhalten, wies ihn Diana auf sein Familienglück hin. „Hast ja recht!“, schrieb er ihr etwas bockig zurück. „Vielleicht habe ich nur eine kleine Krise.“ „Na siehst du, alles in Ordnung. Ich muss jetzt gehen, da ich mich gleich mit einer Freundin auf einen Kaffee treffe. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag!“ „Na dann, viel Spaß! Bis morgen!“

Nach dem Absenden dieser letzten Mail verspürte er den Wunsch nach einem Kaffee. Er füllte seine Tasse voll und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Immer und immer wieder las er sich den kompletten Mail-Verkehr mit Diana durch und interpretierte ihre Worte bei jedem neuerlichen Durchlesen neu.

Mochte sie ihn nun – oder nicht? Wollte sie mehr von ihm als nur Freundschaft? Schwer zu sagen zu diesem Zeitpunkt. Den Rest des Tages war er jedenfalls gut gelaunt. Auch die täglichen Nörgeleien von Carina konnten ihm nichts anhaben. Sie prallten von seinem emotionalen Schutzschild ab wie ein gleich-poliger Magnet vom anderen. Wichtig war ihm lediglich der stattgefundene Mail-Verkehr, den er andauernd im Geist wiederholte – selbst vor dem Einschlafen. Jedenfalls freute er sich tierisch auf den nächsten Tag im Büro.

Kapitel 5 - Der nächste Schritt

Mario konnte kaum erwarten, am nächsten Tag ins Büro zu kommen. Wieder suchte er öfters das stille Örtchen auf und wieder begegnete er Diana nicht auf dem Gang.

Bis am frühen Nachmittag hielt er es aus, sich nicht bei ihr zu melden. Doch dann fing er zu tippen an: „Hallo! Wie geht es dir?“ Einige Minuten später kam die Antwort: „Hi! Danke gut. Und dir?“ „Bei mir ist alles in Ordnung! Wie war denn dein Nachmittags-Schwätzchen?“ „Prima! Habe mich mit Bianca getroffen, meiner besten Freundin! Und du weißt ja, wie Frauen sind - da wird gequatscht und gequatscht und gequatscht!“ „Kann ich mir gut vorstellen“, antwortete Mario. „Hauptsache ihr hattet Spaß!“ „Absolut! Wir verstehen uns wirklich gut!“

Er beschloss, nun ein bisschen mehr in die Offensive zu gehen: „Willst du vielleicht auch mit mir einen Kaffee trinken?“ Mario hatte diese Nachricht mit ein wenig Bauchweh in Bezug auf Dianas Reaktion abgeschickt. „Ja, sehr gerne! Treffen wir uns in fünf Minuten bei dem Kaffeeautomaten in der Kantine. Bis dann!“

Marios Herz machte einen Freudensprung. Er kontrollierte im Spiegel, ob seine Frisur gut aussah, und begab sich auf den Weg, denn er wollte unbedingt als Erster dort sein, um Diana nicht warten zu lassen. Sie erschien ein paar Minuten später mit den Worten: „Sorry, wurde noch aufgehalten.“ „Macht ja nichts. Hauptsache du bist da.“

Genauso, wie er es ausgedrückt hatte, empfand er es auch. „Was hättest du denn gerne?“, fragte er sie, während er die Münzen in den Kaffee-Automaten einwarf. „Am liebsten eine heiße Schokolade. Koffein hatte ich heute schon genug.“ „Eine gute Idee, die werde ich auch nehmen.“ Mario drückte die beiden Getränke aus dem Automaten und setzte sich zu ihr. Sie fingen zu plaudern an. „Habt ihr viel zu tun in eurer Abteilung?“ „Ja, ziemlich. Und wie sieht es bei euch aus?“ „Ganz schön heftig momentan.“

Mario spürte ein lang nicht mehr vorhandenes Kribbeln im Bauch, als er in Dianas Augen sah. Und jetzt wusste er es genau: Er hatte sich verliebt. Die Gedanken an sie waren kein Zufall gewesen. Und so plauderten sie eine ganze Weile über Gott und die Welt und übersahen dabei die Zeit. Eine geschlagene halbe Stunde hatten sie in der Kantine verbracht! „Oje!“, dachte Mario, „Ich muss ja heute noch die Auswertung machen – das wird eng!“ Sie verabschiedeten sich mit einem Lächeln und jeder ging wieder auf seinen Arbeitsplatz zurück.

Sie trafen sich die nächsten Tage öfters auf einen Kaffee und auch der Mail-Verkehr wurde intensiver. Dabei erfuhr Mario zu seiner großen Freude, dass Diana derzeit Single war. Sie hatte sich vor vier Monaten von ihrem damaligen Freund getrennt und lebte seither alleine in ihrer Wohnung. „Perfekt!“, dachte Mario und vergaß dabei, dass er verheiratet war und das Ganze Carina gegenüber unfair wäre.

Und so lebte er in dieser Zeit von den Minuten, in denen er Kontakt zu Diana hatte. Zeitweise schien er alles um sich herum zu vergessen: Die Streitigkeiten mit Carina, die anstrengenden Kinder, den Job. Aber all dies ohne, dass er auf seine Pflichten als Familienvater und Mitarbeiter vergaß. Sein Familienleben änderte sich dadurch kaum. Und auch im Job erfüllte er pflichtbewusst seine Aufgaben.

Eines Abends hatten Mario und Carina wieder ordentlich Streit. Er musste sich abermals Sachen vorhalten lassen, die er vor vielen Jahren falsch gemacht hatte und die offensichtlich noch tief in ihr verankert schienen. Am Anfang der Beziehung hatte er einige Fehler gemacht – das wusste er selbst. Kleinigkeiten, für die er sich tausendfach entschuldigt hatte, die ihm Carina jedoch niemals verziehen hatte und die er bei jedem ihrer zahlreichen Streitereien zu hören bekam. Und irgendwie war er es leid, immer und immer wieder auf seine Fehler der vergangenen Tage hingewiesen zu werden. Mario war ein Realist, ein Mensch, der im Hier und im Jetzt lebte. Er stand mit beiden Beinen im Leben und wollte vielmehr an die Zukunft als an die Vergangenheit denken. Doch mit Carina schien dies nicht möglich zu sein.

So flogen an jenem Abend also wieder einmal die Fetzen zwischen den beiden. Da waren schon sehr tiefe Beleidigungen beiderseits dabei und man verletzte sich seelisch schwer. Arschloch, Trampel und Sautrottel gehörten noch zu jenen Wörtern, die am liebevollsten waren.

Irgendwann einmal wurde es Mario zu bunt und er verkroch sich in seinem Zimmer. In solchen Situationen wurden die Gedanken an Diana weiter verstärkt und die Sehnsucht nach ihr wuchs und wuchs.

Er saß also da, starrte Löcher in Luft und dachte an seinen Schwarm. „Schade, dass ich ihr jetzt keine Mail schreiben kann, da ich ja nur ihre Firmen-Mailadresse habe.“ Aber da fiel ihm ein, dass er ihr ja eine WhatsApp-Nachricht schicken könnte. Einziges Problem war nur, dass er ihre Handynummer nicht hatte. Also suchte er auf ihrer Facebook-Seite danach und wurde fündig. Er speicherte sie in seinen Kontakten und fing zu tippen an: „Hallo! Alles in Ordnung bei dir?“

Geschlagene zehn Minuten brauchte er, um die vollendete Nachricht abzuschicken. Zweifel, ob denn dies bei ihr gut ankäme, kamen in ihm auf. Ist ja auch ein Unterschied, ob man in der Firma miteinander kommuniziert oder ob es auf das Privatleben ausgedehnt wird. Letztlich packte ihn doch der Mut und er versendete die Nachricht mit einem leichten Kribbeln in der Bauchgegend.

Er gab das Mobiltelefon nicht aus der Hand, umklammerte es, als wolle er es zerdrücken. Mario starrte wie in Trance auf das Display, hoffend, dass ihm Diana antwortete. Dann endlich der erlösende Ton, der ankündigte, dass eine neue Nachricht angekommen war, was auch auf der Anzeige durch die Message „Neue WhatsApp-Nachricht von Diana Berger“ dokumentiert wurde. Hastig öffnete er sie. „Ja, hallo! Was für eine Überraschung von dir zu hören (oder eigentlich zu lesen)! Danke, mit geht es gut. Und wie sieht es bei dir aus?“

Mario konnte sein Glück kaum fassen. Seine Nachricht kam bei Diana gut an. Vergessen waren plötzlich der vorangegangene Streit mit Carina, die gegenseitigen bösen Worte und die seelischen Verletzungen. Die Gedanken an seinen Schwarm kombiniert mit dieser Nachricht umgaben ihn mit einem emotionalen Schutzpanzer. Er fühlte sich auf einmal wie in einer anderen Welt. Bei der Antwort beschloss er dennoch, ihr gegenüber nichts von den Schwierigkeiten mit Carina zu erwähnen. Er war ziemlich vorsichtig, denn dazu kannte er sie noch zu wenig. Und seine Familieninterna preiszugeben war schon gar nicht seine Art – zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Also schrieb er: „Danke, es geht mir gut. War heute lange im Büro. Und jetzt genieße ich den Abend.“ Na ja, das entsprach ja wohl nicht ganz den Tatsachen. Doch Mario wollte sich noch nicht Diana öffnen, ihr seine Probleme, seine Gefühle, seine Gedanken und seine Ängste mitteilen.

War das der richtige Satz, den er Diana geschrieben hatte? Von wegen denn Abend genießen? Das muss für sie ja nach trautem Familienglück klingen. Aber zu spät – die Nachricht war bereits versendet. Und genau so kam auch ihre Antwort: „Na dann genieße den Abend noch. Bis morgen.“ „Da habe ich ganz schön viel Blödsinn gemacht!“, dachte Mario, wissend, Diana angelogen zu haben.

Er konnte in jener Nacht kaum einschlafen und wachte oft wieder auf. Stundenlang lag er wach und starrte die Decke an, was sich dann beim Aufstehen rächte. Mühsam stieg er aus dem Bett und weckte die Kinder. Jeder noch so vertraute Handgriff wirke anstrengend und jeder Schritt tat weh. Auch auf die Arbeit freute er sich heute nicht. Der gestrige WhatsApp-Verkehr mit Diana war absoluter Blödsinn. Nicht an sich, sondern, dass er ihr die Unwahrheit geschrieben hatte. „Da ist ein klärendes Gespräch angesagt“, dachte er am Weg zur Firma vor sich hin.

Dort angekommen trank er einen Kaffee nach dem anderen, um sein Schlafdefizit mit Koffein zu kompensieren. Den ganzen Tag nahm er sich vor, Diana eine Mail zu schreiben, doch irgendwie traute er sich nicht. Da auch von ihr keine Initiative ausging, verging dieser Tag ohne jeglichen Kontakt zwischen den beiden.

Er fuhr mit einem unangenehmen Gefühl in der Bauchgegend nach Hause. An diesem Tag hasste er alles und jeden und am meisten sich selbst. Und als dann daheim wieder einmal der Teufel los war, weil sich die Kinder wie so oft danebenbenahmen, und Carina erneut ihren Frust darüber an Mario abließ, wünschte er sich selbst weit weg auf eine einsame Insel. Keine Probleme mit den Jungs, kein Zoff mit Carina und die unsinnige Nachricht an Diana auch vergessen. All dies befände sich im Hintergrund.

Aber Lösung wäre das, zumindest langfristig, nicht. Also kam der realistische Mario auf den Boden der Tatsachen zurück, beendete seine Tagträume und klinkte sich wieder ins Familienleben ein.

Auch die nächsten vier Tage hatte er nicht den Mut, mit Diana in Kontakt zu treten, was seine Laune nicht gerade verbesserte. Doch dann fasste er sich ein Herz und schrieb ihr eine Mail: „Hallo! Wie geht es dir?“ Diana antwortete: „Ja hallo! Lange nichts von dir gehört! Danke mir geht es gut. Und dir?“ Nun entschloss sich Mario, ihr keinesfalls mehr etwas vorzugaukeln: „Na ja, nicht so gut.“ „Wieso denn das?“, wollte sie wissen. „Das ist eine lange Geschichte – würde ich dir gerne bei einem Kaffee erzählen, wenn sie dich interessiert.“ „Können wir machen! Um drei in der Kantine?“

Mario war glücklich ob Dianas Antwort. Aber die ganze Geschichte in ein paar Minuten in der Firma beim Kaffeeautomaten zu erzählen, widerstrebte ihm. Also schrieb er ihr: „Würde gerne mit dir außerhalb der Arbeit quatschen. Hast du nachher ein wenig Zeit?“ „Das geht heute leider nicht, habe schon etwas vor. Aber morgen wäre okay.“ „Ja, toll. Freue mich darauf!“ Das hob Marios Stimmung. Er fühlte sich wie ein Teenager vor seinem ersten Rendezvous. An jenem Tag wunderten sich seine Kollegen und seine Familie, dass er so dermaßen gut drauf war, dass ihn nichts, aber auch gar nichts aus der Fassung bringen konnte.

Am nächsten Tag stand er frisch und fröhlich auf. Er investierte mehr Zeit als sonst in seine Körperpflege und verbrachte geschlagene, und für einen Mann ungewöhnliche vier Minuten vor seinem Kleiderschrank, überlegend, was er denn heute am besten anziehen werde. Mario liebte sportliche und legere Kleidung und daher entschied er sich auch an diesem Tag dafür und wählte ein Poloshirt. Dazu trug er, wie an fast allen anderen Tagen, eine Jeans.

Der Tag in der Firma wollte nicht und nicht vergehen. Am frühen Nachmittag dachte Mario, dass es an der Zeit wäre, die Uhrzeit und den Treffpunkt festzulegen, und schickte Diana eine Nachricht: „Hallo! Wann und wo treffen wir uns denn heute?“ „Wie du willst. Ich habe Zeit“, war ihre kurze Antwort. „Ich würde vorschlagen, dass wir um vier hier von der Firma weggehen.“ „Alles klar – dann treffen wir uns um vier Uhr beim Eingang.“ „Okay. Freue mich schon darauf! LG Mario“.

Somit waren der Zeitpunkt und der Ort festgelegt. Aber was soll er Carina sagen, wenn er heute später heimkam? Er rief sie an und erzählte ihr, dass er nach der Firma noch mit ein paar Kollegen ein Bier trinken gehe. Anhand ihrer Reaktion merkte er, dass ihr das vermutlich nicht gefiel. Zwischen den Zeilen konnte er Sätze wie „Lass es dir nur gutgehen, während ich mich mit den Kindern ärgern muss“, durchhören. „Wird ohnehin nicht spät werden“, beruhigte er sie „Zum Nachtmahl bin ich zu Hause.“ Doch die Vorfreude auf den Tratsch mit Diana konnte seine Stimmung an jenem Tag nicht trüben.

Endlich war es sechzehn Uhr und die beiden trafen sich vor dem Firmeneingang. Sie begrüßten sich und beschlossen, in ein nettes Café nur vier Straßenblocks entfernt zu gehen. Ein gemütlicher Platz beim Fenster war schnell gefunden. Diana bestellte einen Latte macchiato, während Mario seinen üblichen Espresso orderte. Die beiden plauderten eine ganze Weile über dies und das, bis Diana fragte: „Was wolltest du mir erzählen?“ Er nahm noch schnell einen Schluck Kaffee. Eigentlich hatte er so gar keine Lust, in dieser angenehmen Atmosphäre seine Probleme mit Carina ansprechen, aber jetzt blieb ihm nun mal nicht anderes übrig. „Weißt du,“ fing er an, „zwischen meiner Frau und mir läuft es nicht mehr so gut.“

Kurze Pause. Diana sah ihn verdutzt an. „Aber auf Grund deiner Schilderungen hörte sich das immer nach der perfekten Familienidylle an.“ Womit sie ja recht hatte. „Nun ja“, erzählte er, „wir haben uns einfach auseinandergelebt. Der Alltag, der Stress mit den Kindern und so weiter.“ „Aber ihr seid doch schon so lange verheiratet“, warf Diana ein. „Das ist es ja vermutlich“, räumte Mario ein. „Und dann die Schwierigkeiten mit den Kindern. Der Große will nie lernen und der Kleine ist rotzfrech. Außerdem streiten sie den ganzen Tag. Ich kann manchmal echt nicht mehr.“

Diana legte ihre Hand auf Marios Unterarm. Ein wenig gab er noch von seinen Familieninterna preis, ohne aber zu sehr ins Detail zu gehen. Dafür war die Vertrauensbasis zum jetzigen Zeitpunkt zu wenig gegeben. Und er war ein vorsichtiger Mensch. „Was hast du eigentlich deiner Frau erzählt, wo du heute bist?“ „Mit ein paar Kollegen auf ein Bier.“ Diana merkte offensichtlich, dass Mario, obwohl er sich sehr wohlfühlte, ständig auf die Uhr sah. Er hatte ja Carina versprochen, zum Nachtmahl zu Hause zu sein. Und seine Versprechen pflegte er auch einzuhalten.

Die Zeit verging wie im Flug und Mario wusste, dass er nun gehen musste. „Ich würde das Gespräch gerne fortsetzen, nur jetzt muss ich heim. Kevin hat morgen Mathematik-Schularbeit und ich habe versprochen, mit ihm zu lernen.“ „Eine kleine Notlüge wird ja wohl erlaubt sein“, dachte sich Mario. „Ist schon okay!“, merkte Diana an und fischte ihre Geldbörse aus ihrer Handtasche. „Lass das. Das übernehme ich“, sagte er. Er bezahlte alle vier Kaffee, die die beiden in diesen zwei Stunden getrunken hatten. Vor dem Lokal bedankte sich Diana für die Einladung und Mario verabschiedete sich von ihr mit einem Kuss auf die linke und einem Kuss auf die rechte Wange. Dann gingen beide in unterschiedliche Richtungen.