Bessere Fehler - Giulia Pope - E-Book

Bessere Fehler E-Book

Giulia Pope

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Beschreibung

So, nein so hatte sich die junge Cassandra ihr Leben nicht vorgestellt. Sollte es das schon gewesen sein? Diese Frage stellte sich die junge Frau oft. Eines Tages nahm sie all ihren Mut zusammen und stellte ihr Leben noch mal komplett auf den Kopf. Sie gab ihr sicheres Leben auf, verließ ihre emotional kalte Ehe, um sich auf die Suche nach sich selbst und den Sinn ihres Lebens zu begeben. Während ihrer Reise durchlebte sie ein Jahr im Wechselbad der Gefühle, voller Wut, Trauer, Freude und Leidenschaft. Und lernt ihr Leben langsam wieder zu schätzen.

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Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen, Orten oder Ereignissen sind zufällig und unbeabsichtigt. Markennamen, die genannt werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer. Es werden teilweise detaillierte sexuelle Handlungen beschrieben. Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung geschrieben.

Für alle, die an die Liebe glauben und sie in sich selbst gefunden haben...

... oder noch suchen...

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Vorwort

Danke, dass du mich nicht so geliebt hast, wie ich es verdient hätte.

Danke, dass du nicht mich gewählt hast.

Danke, dass du nicht der Mensch warst, den ich in dir gesehen habe.

Denn dank dir habe ich ein Geschenk erhalten, welches größer war als alles, was ich mir je hätte träumen lassen.

Du hast mir einen Weckruf für meinen eigenen Wert geschenkt.

Durch dich durfte ich seit langer Zeit sehen, wer ich sein sollte.

Dank dir habe ich Glück in mir selbst gefunden, welches größer ist als alles, was ich je gespürt habe.

Danke

Kapitel 1

Ein stechender Schmerz durchzog meinen Kopf.

„Sunny, Sunny aufwachen! Mensch jetzt steh endlich auf!“

Unsanft wurde ich mit einem Rucken an meinem Oberkörper geweckt. Ich versuchte, langsam meine Augen zu öffnen, jedoch verhinderte das Sonnenlicht, welches durch mein Schlafzimmerfenster schien, dies abrupt. Meine Augen schmerzten, mein Kopf brummte und mein ganzer Körper fühlte sich an wie ein Wrack.

Noch einmal probierte ich, meine Augen zu öffnen, um herauszufinden, wer da an meinem Bett stand und mich mit energischer Stimme aufzuwecken versuchte.

„Sunny du musst jetzt aufstehen, Ben ist schon wach und fragt nach dir!“

Ich öffnete meine Augen und sah meine liebe Freundin Clara vor mir stehen. Sie wirkte etwas zerknirscht und schaute sie mich mit ihren braunen Rehaugen an. Die Hände in ihre weibliche Hüfte gestemmt, um ihrem ernsten Auftreten noch mehr Ausdruck zu verleihen.

Ich konnte einen besorgten Ausdruck in ihrem Gesicht erkennen und ihren Blick kannte ich nur zu gut. Es war dieser Blick, der einem sagen soll, dass man ganz schön Mist gebaut hat. Nun blickte auch ich an mir hinunter und stellte fest, dass ich in meinem Bett lag - in voller Montur. Kleid, Schuhe, noch nicht mal den Schmuck hatte ich vergangene Nacht abgenommen. Mühsam setzte ich mich auf, strich mir meine braunen Haare, die kreuz und quer um meinen Kopf zu hängen schienen, aus meinem Gesicht und sah meine Freundin fragend an.

„Was ist passiert? Wie komm ich hierher?“

„Tja, Kleines, das war wohl gestern Abend dann doch etwas zu viel für dich. Es war auch nur eine Frage der Zeit, wann du unter dem Druck zusammenbrechen würdest.“

Mit traurigen Augen sah ich sie an und mir wurde bewusst, was gestern geschehen war. Gestern hatte Ben, mein kleiner Sohn, Geburtstag und als die Kids nach der Party von ihren Eltern abgeholt wurden, habe ich noch ein Essen für die Familie und gute Freunde gegeben, nur dass dieses Jahr unsere Familie nur noch aus mir, meinen Eltern und meinen zwei besten Freundinnen Clara und Saidi bestand. Ich hatte mich von meinem Ehemann getrennt. Dies war schon einige Monate her, aber an Bens Geburtstag habe ich das ganze Ausmaß dann erst richtig realisiert. Und um die Realität zu verdrängen, habe ich anscheinend etwas zu tief ins Glas geschaut.

Der Rest des Abends ist dann nur noch schemenhaft in meiner Erinnerung vorhanden. Und um ehrlich zu sein, dieses Gefühl von Nichtwissen und gedankenlos sein war für diesen Abend genau das, was ich brauchte.

Die Ungewissheit und Zukunftsangst, die mich die meiste Zeit zu lähmen schienen, waren schier übermächtig. Ein Neuanfang mit Mitte dreißig. War ich dafür bereit?

Nach acht Jahren Ehe hatte ich mich von meinem Mann und dem Vater meines Sohnes getrennt. Ich hatte mich für ein Ende mit Schrecken entschieden, anstatt in einer Ehe zu verweilen, nur weil es sich so 'gehört'.

Und nun saß ich hier mit dem größten Kater meines Lebens. Mein Kopf brummte und ich konnte nicht genau sagen, ob das an den Nachwehen vom Alkohol lag, oder an dem ewigen Gedankenkarussell, welches sich schon seit Wochen in meinem Kopf drehte. Doch grübeln und sich hängen lassen konnte ich nicht. Ich hatte einen Sohn, der seine Mum brauchte. Ich musste funktionieren und mit dem Beenden dieses Gedankens vernahm ich auch schon das fröhliche Lachen von Ben, der sich bei der 'Tom and Jerry Show' köstlich zu amüsieren schien.

Langsam brachte ich zuerst meine Beine aus dem Bett und merkte sogleich, dass ich diesen Tag nur unter größter Anstrengung überleben würde. Der ganze Raum schien sich zu drehen und mit jeder Drehung machte sich ein dumpfes Gefühl von Unwohlsein in meiner Magengegend breit.

Schwankend ging ich ins Badezimmer, ohne auch nur einen Blick in den Spiegel zu werfen, da ich wahrscheinlich genauso aussah, wie ich mich fühlte - einfach beschissen. Mit Mühe konnte ich mich auf meinen Beinen halten und war froh, dass ich mich am Waschbecken abstützen konnte. Ich fühlte mich leer, kraftlos, so als würde die ganze Welt auf meinen Schultern liegen.

Ich nahm eine Handvoll kaltes Wasser und versuchte, etwas von dem Make-up von gestern zu entfernen.

Dies gelang mir jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Meine Augenringe wurden nur noch größer durch das verschmierte Mascara und ich sah aus wie eine menschliche Version eines Pandabären. Auch der Lippenstift versuchte noch sein Versprechen vom '24-Stunden-Halt' einzuhalten und umrandete, wenn auch verschwommen, meine Lippen großzügig mit tiefroter Farbe.

Noch ein Schwung Wasser, und wieder kamen mir diese Gedanken. Gedanken, die ich Milliarden Mal in meinem Kopf begrüßt hatte und nur mit Mühe wieder verabschieden konnte. Mein Kopf holte immer und immer wieder dieselben Gedanken hervor, wie ein Hamster im Hamsterrad. Jedoch, wie der Hamster kam auch ich nicht von der Stelle. Es war diese Art von Gedanken, die einem den Magen umdrehen und den Boden beben lassen. Es fühlte sich an, als würde man am Abgrund einer Klippe stehen und nur warten, dass jemand von hinten kommt und einen herunterwirft.

Aber all dies hatte ich so gewählt. Für mich. Für mein Leben.

Nun ist Tom weg, die Liebe meines Lebens. Der Mann, den ich im College kennen und lieben gelernt habe.

Der Mann, mit dem ich alt werden wollte und eine Zukunft aufgebaut hatte. Ich musste mit meinem Schmerz fertig werden und auch noch für unseren Sohn stark sein.

Ja, Ben, er ist doch noch so klein, gerade mal sieben Jahre alt. Wie konnte ich ihm das alles nur antun? Jetzt sollte er nicht mehr in einer heilen Familie aufwachsen. Doch auch bei diesem Gedanken bemerkte ich, wie ich mich selbst belog. Heile Familie.

Wäre sie das gewesen, so hätte ich mich nicht getrennt. Nach außen hin schien es so. Wir waren die perfekte amerikanische Vorstadt-Familie. Mann mit gutem Job, Haus, Frau, Kind, Hund. Es war ein perfektes Bild. Nur war dieses Bild schon lange nicht mehr ehrlich, geschweige denn der Realität entsprechend. Wir hatten uns auseinandergelebt, im Alltag verloren und es nicht geschafft, unsere Liebe am Leben zu halten. Irgendwann hatten wir nur noch aneinander vorbei gelebt. Festgefahren in einem altmodischen Rollenbild. Aber diesem Bild konnte und wollte ich irgendwann nicht mehr entsprechen. Und nun stand ich hier. Allein und einsam. Jahrelang habe ich um diese Liebe und diese Familie gekämpft, es hat leider nur nicht ausgereicht.

Es war endgültig. Ich spürte, wie Wut in mir aufstieg.

Wut auf mich, Wut auf Tom und einfach auf die ganze Welt und diese scheiß Liebe, die manchmal so verdammt weh tut. Manchmal fühlte es sich an, als ob mein Herz in Millionen von Teilen zerspringen wollte.

Dann wiederum fühlte es sich an, als ob alles leer wäre. Als ob mein Herz einfach taub wäre, nicht im Stande, auch nur die kleinste Emotion zu fühlen. Ich war mir nicht sicher, welches Gefühl schlimmer war.

Empfand es dann aber doch immer beängstigender, gar nichts zu fühlen, da ich mir nicht sicher war, wie lange dieses Taubheitsgefühl anhalten wird. Würde ich jemals wieder etwas wie Freude oder gar Liebe empfinden können? Ich dachte an meinen kleinen Sohn, Ben. Ben schien stark zu sein. Er ließ sich nichts anmerken, so als hätte er seine Gefühle ausgeschlossen. Aber war dies richtig, war es gesund?

Immer, wenn er nach Daddy fragte, bekam ich wieder diesen Kloß im Hals und das schlechte Gewissen übermannte mich schier. Ich unterdrückte meine Tränen. Wie erklärt man seinem siebenjährigen Sohn, dass Mummy und Daddy nicht mehr zusammen sein wollten - ohne dass jemand dabei schlecht wegkommt? Ich hatte mir geschworen, dass Ben nicht unter unserer Trennung leiden sollte. Er sollte sich geliebt und geborgen fühlen, jedoch war ich mir nicht sicher, was in seinem Inneren vor sich ging und ob gerade ich, die sich selbst so verloren vorkam, ihm die Geborgenheit geben konnte, die er gerade jetzt so nötig hatte.

Sehr lange haben mich schon Gedanken über diese Trennung begleitet. Dass ich diesen Schritt unbedacht gegangen bin, konnte man mir nicht vorwerfen.

Insgeheim stand ich Jahre zuvor schon einmal vor dieser Entscheidung, hatte jedoch damals nicht den Mut, es bis zum Ende durchzuziehen. Meine Freundinnen konnten nie verstehen, wie eine Frau, die scheinbar mit beiden Beinen im Leben steht, das ganze Familienleben organisiert und allgemein alles im Griff zu haben scheint, es jahrelang nicht schafft, für sich und ihre Bedürfnisse einzustehen. Eine, die einst voller Selbstvertrauen und Freude gesprüht hat. Sich scheinbar mit den Jahren vollkommen aus den Augen verloren hat. Wie konnte ich mich nur so verlieren?

Oder besser noch: Wann und warum habe ich mich selbst verloren? Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich nicht glücklich war und auch Tom nicht glücklich zu sein schien. Aber manchmal muss man im Leben erst ganz tief fallen, bis man realisiert, dass genug einfach genug ist.

Dieser Fall war für mich schmerzhaft und kam völlig unerwartet. Wir waren auf einer Firmenfeier von Tom.

Es war ein Benefiz Golfturnier geplant und mir ging es den ganzen Tag schon nicht sehr gut. An sich ging es mir wochenlang schon nicht sehr gut, aber immer, wenn ich mein Unwohlsein geäußert hatte, wurde es nur mit blöden Sprüchen abgetan. Doch an diesem Tag war es anders, ich hatte schon morgens Probleme, mich anzuziehen und das Stehen und Gehen fiel mir sichtlich schwer. Als ich Tom daraufhin angesprochen hatte, dass ich lieber zu Hause bleiben wolle, meinte er nur, ich könne ihn doch nicht im Stich lassen und sollte auch mal an ihn denken. Das Ende vom Lied war, das ich auf der Feier einen Zusammenbruch hatte und mit dem Rettungswagen allein ins Krankenhaus musste.

Tom kam erst, als die Firmenfeier vorbei war und hielt mir einen Vortrag, was mir überhaupt einfällt und wie sehr ich ihn blamiert hätte. In diesem Moment brach für mich eine Welt zusammen. Alles wofür eine Ehe und unsere Beziehung stand, stellte ich nun in Frage.

Füreinander da sein, sich um den anderen kümmern, das gab es bei uns nicht mehr.

Die letzten Wochen und Monate hatte ich durch Toms Verhalten noch öfter über mein Leben nachgedacht und kam immer wieder zum gleichen Entschluss: Es kann so nicht weiter gehen. Ich wollte geliebt und gesehen werden, aber um jeden Preis? Nein! Ich war mehr als nur die Haushälterin, die die Wäsche wäscht, das Haus in Ordnung hält, sich um das Kind kümmert und die Freizeitaktivitäten koordiniert. Ich war mehr als die vorzeigbare Ehefrau, die auf Familienfesten immer nett lächelt und gute Miene zum bösen Spiel macht. Ich war mehr und ich wollte mehr.

Außer mit Clara und Saidi hatte ich mit niemandem über meine Gedanken und die Konsequenzen, welche diese nach sich ziehen würden, gesprochen

Und nun stand ich hier, in High Heels und zerknittertem Kleid in meinem Badezimmer. Der Sturm war vorbei. Tom war ausgezogen und außer dem Gelächter von Ben, der anscheinend sehr viel Spaß im Wohnzimmer zu haben schien, war es totenstill.

„Sunny, wird es gehen?“, ich bemerkte, wie Clara nun in der Badezimmertür stand und mich immer noch mit diesem besorgten Blick ansah. Im selben Augenblick traten mir auch schon wieder Tränen in die Augen. Ich spürte, wie sich mein Hals zuschnürte und die Tränen versuchten sich den Weg in meine Augen zu bahnen.

Da ich nicht schon wieder anfangen wollte zu weinen, vergrub ich mein Gesicht in dem Handtuch und nickte nur schnell und bat sie, doch schon mal zu Ben zu gehen, ich würde gleich nach unten kommen.

Ich nahm eine Dusche und genoss das Gefühl, wie das heiße Wasser langsam und stetig über meinen Kopf bis hin zu meinen Füssen floss und stellte mir vor, wie jeder Tropfen Wasser etwas von dem Schmerz wegspülen würde, der meinen ganzen Körper in Besitz genommen hatte. Leider war dies nur Wunschdenken – der Schmerz blieb.

Während sich die Kopfschmerztabletten sprudelnd im Wasserglas auflösten, saß ich in meinem pinken Bademantel, welcher das einzig Fröhliche an mir zu sein schien, am Frühstückstisch. Ich gab mir alle Mühe, mich so gut es ging, zusammenzureißen. Für meinen kleinen Schatz. Er hat mich schon viel zu oft traurig gesehen und das sollte doch nun für immer vorbei sein. Ich nippte an meinem Kaffee, den meine Freundin wohlwissend extra stark zubereitet hatte und spürte, wie die Lebensgeister in meinen Körper langsam zurückkamen. Wir drei saßen eine Weile am Esstisch, bis Clara Ben den Vorschlag unterbreitete, heute mit ihr und ihrem Sohn Mo ins Schwimmbad zu gehen. Das Wetter war herrlich und auch für diesen Tag hatte der Wetterdienst hohe Temperaturen und dauerhaft Sonnenschein vorhergesagt. Ben war sogleich Feuer und Flamme und lief, nachdem er seine Pancakes schnell hinuntergeschlungen hatte, in sein Zimmer und packte die nötigsten Sachen zusammen.

Clara stand auch auf und kam zu mir. Sie nahm mich in den Arm, und als hätte sie Gedanken lesen können, wusste sie genau, was ich in diesem Moment benötigte. Ich legte meine Arme um ihren weichen, angenehm riechenden Oberkörper und umarmte sie so fest, als hinge mein Leben davon ab. Sie streichelte sanft über meinen Rücken und sagte schon fast wie ein Mantra, dass ich stark sei und alles schaffen könne.

Clara, die immer schon eine spirituelle Ader hatte, holte aus ihrer Hosentasche einen wunderschönen schwarzen Stein heraus und legte ihn mir in meine kalten Hände. Der solle mir Kraft geben und mich vor negativen Gedanken beschützen. Ich spürte, wie mein Herz etwas ruhiger schlug und meine allgemeine Anspannung sich langsam verflüchtigte. Mit einem Mal fühlten sich meine Arme schwer an und meinen ganzen Körper schien eine Erschöpfung, die ich noch nie zuvor gespürt hatte, zu durchziehen. In diesem Moment war ich über Claras Hilfe über alle Maßen dankbar. Ben kam juchzend die Treppe runter und ich wusste, dass er heute einen schönen Tag haben würde. Ich konnte mich wiederum noch etwas ausruhen. Als ich die beiden verabschiedete, fiel mein Blick auf zwei Bücher, die Clara mir dagelassen hatte.

Wohl in der Hoffnung, ich würde vielleicht doch trotz meiner schon öfter bekundeten 'Abneigung' gegen dieses 'Hokuspokuszeugs', einen Blick hineinwerfen.

Ich legte mich auf mein Sofa und wartete, bis der Tee, den ich mir gemacht hatte, endlich eine für mich angemessene Trinktemperatur hatte. Meine Hündin Miley gesellte sich dazu und drückte ihre warme Hundeschnauze gegen meine Hand, als wollte auch sie mir etwas Trost spenden. Besonders in letzter Zeit genoss ich die Anwesenheit von ihr sehr. Obwohl sie nur ein Hund war, schien sie empathischer zu sein als so mancher Mensch.

Gedankenversunken ließ ich den Blick durchs Zimmer fliegen. Und wieder sah ich diese beiden Bücher. Die Bücher, die Clara mir mitgebracht hatte. Bücher über Spiritualität, etwas mit dem ich noch nie etwas zu tun hatte. Und es auch immer sehr offenkundig als Nonsens abgetan hatte.

Es klingt jetzt vielleicht komisch, aber es war so, als würden die Bücher mich magnetisch anziehen. Auch wenn mir nicht sonderlich nach lesen zumute war, so nahm ich mir beide Bücher auf meine Couch, machte es mir gemütlich und blätterte den Nachmittag über in ihnen,notierte sogar die ein oder andere für mich interessante Passage und war erstaunt, wie schnell die Zeit verging. Irgendwann überkam mich dann die Müdigkeit und ich schlief mit den Büchern in meiner Hand und dem Hund zu meinen Füßen ein.

*Es ist Stärke, Schwäche zu zeigen und Hilfe anzunehmen*

Kapitel 2

„Nun komm schon, wir sind schon wieder spät dran!“

Ben schleppte missmutig seine Schultasche die Treppe hinunter. Wenig begeistert, zur Schule zu müssen und dann auch noch den ganzen Tag, da ich nun als alleinerziehende Mutter mehr arbeiten musste, um mich und Ben zu versorgen und Haus und Auto halten zu können.

Ich musste mir selbst eingestehen, dass das Leben, welches ich vorher gelebt hatte, auch seine Annehmlichkeiten hatte. Ich musste mir keine Gedanken über das Geld und die Haushypothek machen. Tom hatte dies immer bezahlt, da er Vollzeit gearbeitet hatte und ich nur eine Teilzeitstelle bekleidete. So musste ich mir erstmal einen groben Überblick über die finanziellen Verpflichtungen machen und bekam währenddessen einen leichten Nervenzusammenbruch. Wie sollte ich das alles nur schaffen? Diese Frage kreiste unentwegt in meinem Kopf umher. Doch ich war bereit, alles in meiner Macht stehende zu tun, um mein neues Leben zu meistern. Tag für Tag und Stück für Stück.

Es war auch noch zu früh, wenn ich sagen würde, es ginge mir gut, seit Tom ausgezogen war. Jedoch wurde es jeden Tag etwas besser, das redete ich mir jedenfalls ein. Und der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge. Mit einem lauten Knall wurde ich abrupt aus meinen Gedanken gerissen. Ben schmiss mir missmutig seine schwere Schultasche vor die Füße und untermauerte seine schlechte Laune noch mit einem Meckermonolog, den ich besonders momentan nur sehr schlecht verdauen konnte. Ich erklärte ihm, wie jeden Morgen, dass wir zusammenhalten müssen und es irgendwann auch wieder besser wird.

Es bedurfte nur einen kurzen Blick in den Spiegel, den ich momentan so sehr mied wie der Teufel das Weihwasser. Ich wusste genau, wie ich momentan aussah. Augenränder so tief wie der Grand Canyon und mein Gesicht wirkte blass und eingefallen. Meine langen braunen Haare sahen stumpf aus und waren lieblos zu einem Dutt zusammengebunden. Gegessen hatte ich schon seit Tagen nicht mehr richtig. Schon allein der Gedanke an Essen schnürte mir die Kehle zu.

Der einzig positive Effekt hieran war, dass mir meine Hosen, die ich vor meiner Schwangerschaft mit Ben getragen hatte, endlich wieder passten. Daraus resultierte dann auch die Antwort auf die Frage:

„Mensch, Sunny, welche Diät probierst du denn momentan aus? Du hast schon richtig abgenommen“, die Antwort: „Tja, kann ich nur empfehlen, trenn dich von deinem Mann, dann purzeln die Pfunde.“