Betrachtung - Franz  kafka - E-Book

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Franz kafka

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Beschreibung

"Betrachtung" ist ein Sammelband mit 18 meist kurzen Prosatexten von Franz Kafka, der Ende 1912 erschienen ist. Es war Kafkas erstes veröffentlichtes Buch und wurde - mit der Jahreszahl "1913" - im damals jungen Rowohlt-Verlag verlegt. Der kleine Sammelband trägt die Widmung Kafkas "Für M. B.", also für den Freund Max Brod. Bereits 1908 waren acht der Prosastücke mit dem Obertitel "Betrachtung" in der Zeitschrift "Hyperion", herausgegeben von Franz Blei, veröffentlicht worden.

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Seitenzahl: 27

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Inhaltsverzeichnis

Kinder auf der LandstraßeEntlarvung eines BauernfängersDer plötzliche SpaziergangEntschlüsseDer Ausflug ins GebirgeDas Unglück des JunggesellenDer KaufmannZerstreutes HinausschaunDer Nachhause WegDie VorüberlaufendenDer FahrgastKleiderDie AbweisungZum Nachdenken für HerrenreiterDas GassenfensterWunsch, Indianer zu werdenDie BäumeUnglücklichseinImpressum

Kinder auf der Landstraße

Ich hörte die Wagen an dem Gartengitter vorüberfahren, manchmal sah ich sie auch durch die schwach bewegten Lücken im Laub. Wie krachte in dem heißen Sommer das Holz in ihren Speichen und Deichseln! Arbeiter kamen von den Feldern und lachten, daß es eine Schande war.

Ich saß auf unserer kleinen Schaukel, ich ruhte mich gerade aus zwischen den Bäumen im Garten meiner Eltern.

Vor dem Gitter hörte es nicht auf. Kinder im Laufschritt waren im Augenblick vorüber; Getreidewagen mit Männern und Frauen auf den Garben und rings herum verdunkelten die Blumenbeete; gegen Abend sah ich einen Herrn mit einem Stock langsam spazierengehn, und ein paar Mädchen, die Arm in Arm ihm entgegenkamen, traten grüßend ins seitliche Gras.

Dann flogen Vögel wie sprühend auf, ich folgte ihnen mit den Blicken, sah, wie sie in einem Atemzug stiegen, bis ich nicht mehr glaubte, daß sie stiegen, sondern, daß ich falle, und fest mich an den Seilen haltend, aus Schwäche ein wenig zu schaukeln anfing. Bald schaukelte ich stärker, als die Luft schon kühler wehte und selbst der fliegenden Vögel zitternde Sterne erschienen.

Bei Kerzenlicht bekam ich mein Nachtmahl. Oft hatte ich beide Arme auf der Holzplatte und, schon müde, biß ich in mein Butterbrot. Die stark durchbrochenen Vorhänge bauschten sich im warmen Wind, und manchmal hielt sie einer, der draußen vorüberging, mit seinen Händen fest, wenn er mich besser sehen und mit mir reden wollte. Meistens verlöschte die Kerze bald und in dem dunklen Kerzenrauch trieben sich noch eine Zeitlang die versammelten Mücken herum. Fragte mich einer vom Fenster aus, so sah ich ihn an, als schaue ich ins Gebirge oder in die bloße Luft, und auch ihm war an einer Antwort nicht viel gelegen.

Sprang dann einer über die Fensterbrüstung und meldete, die anderen seien schon vor dem Haus, so stand ich freilich seufzend auf.

»Nein, warum seufzst du so? Was ist denn geschehn? Ist es ein besonderes, nie gut zu machendes Unglück? Werden wir uns nie davon erholen können? Ist wirklich alles verloren?«

Nichts war verloren. Wir liefen vor das Haus. »Gott sei Dank, da seid ihr endlich!« — »Du kommst halt immer zu spät!« — »Wieso denn ich?« — »Gerade du, bleib zu Hause, wenn du nicht mitwillst.« — »Keine Gnaden!« — »Was? Keine Gnaden? Wie redest du?«Wir durchstießen den Abend mit dem Kopf. Es gab keine Tages- und keine Nachtzeit. Bald rieben sich unsere Westenknöpfe aneinander wie Zähne, bald liefen wir in gleichbleibender Entfernung, Feuer im Mund, wie Tiere in den Tropen. Wie Kürassiere in alten Kriegen, stampfend und hoch in der Luft, trieben wir einander die kurze Gasse hinunter und mit diesem Anlauf in den Beinen die Landstraße weiter hinauf. Einzelne traten in den Straßengraben, kaum verschwanden sie vor der dunklen Böschung, standen sie schon wie fremde Leute oben auf dem Feldweg und schauten herab.

»Kommt doch herunter!« — »Kommt zuerst herauf!« — »Damit ihr uns herunterwerfet, fällt uns nicht ein, so gescheit sind wir noch.« — »So feig seid ihr, wollt ihr sagen. Kommt nur, kommt!« — »Wirklich? Ihr? Gerade ihr werdet uns hinunterwerfen? Wie müßtet ihr aussehen?«