Bewusstlosensprechstunde - Jörg Schneider - E-Book

Bewusstlosensprechstunde E-Book

Jörg Schneider

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Beschreibung

SATWir leben in absurden Zeiten – und das nicht erst seit einem sich auf Welttournee befindenden Virus. Denn während demagogische Hasseinpeitscher ihre grölende Abendlandsermeute mit völkischen Blödoyers bei der Brechstange halten und ein vierundsiebzigjähriger Fünfjähriger jeden Tag aufs Neue seine nahezu beschreibungsresistente Universaldummheit vom eigenen Kindertellerrand in den Äther pöbelt, hobeln wir alle uns mit der Zerstörung des globalen Ökosystems gemeinsam die einzige nachhaltige Sitzgelegenheit unter unseren Ärschen weg. Alles in allem kein allzu glänzendes Zeugnis für unsere evolutionäre Unentbehrlichkeit. Der Satiriker Jörg Schneider und der Politiker Dominic Harapat haben sich daher einmal umgehört und „die Menschen im Land" zu deren Sicht der Dinge befragt. Herausgekommen ist dabei eine subtile Bestandsaufnahme des bereits lange vor der aktuellen Pandemie in der Welt grassierenden Wahnsinns … und ein schonungsloses Protokoll des Scheiterns. Jörg Schneider ist Autor zahlreicher Bücher. Er schrieb zudem u.a. für Frankfurter Rundschau, taz, Titanic, Eulenspiegel und die Harald Schmidt Show. Der Rockstar a.D. ist unbekannt aus Funk und Fernsehen und seit vielen Jahren auf großen und kleinen Bühnen unterwegs. Dominic Harapat ist hessischer Landesvorsitzender der Partei Die PARTEI und gilt aufgrund seiner schmierigen Rhetorik und juvenilen Redlichkeit vor allem unter älteren Mitbürgern als die perfekte Verkörperung des politischen Enkeltricks. Eben ein echter Profi.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Vorab in eigener Sache

Einleitung: Über die Plage der Dummheit, das Dilemma des Resignierens und dieses Buch

Einleitung: Über Politik, Satire und wie man lebend da rauskommt

Drei Fragen an ...

Dr. Anna Beniermann (Biologiedidaktikerin)

Tobias Bach (Gastronom)

Dr. Jochen Blom (Wissenschaftler, Bioinformatiker)

Katja Thorwarth (Journalistin)

Dr. Götz Eisenberg (Sozialwissenschaftler, Psychologe und Publizist)

Holger Engel (Tätowierer und Psychotherapeut)

Vera Bonica (Seenotrettungsaktivistin)

Marc Debus (Förderschullehrer)

Margot Riemel (Krankenschwester)

Boris Winter (Büdinger Bürger)

Tess Wiley (Musikerin)

Dr. Holm Gero Hümmler (Physiker und Autor)

Andreas Mette (Sozialpädagoge)

Ricarda Hinz (Dokumentarfilmerin und säkulare Aktivistin)

Dr. Jürgen Roth (Schriftsteller und Publizist)

Drei Fragen an …

Dustin Hoffmann (Büroleiter für Martin Sonneborn MdEP)

Victoria Jürgens (Streetworkerin in Frankfurt)

Ulas Zabci (Sozialarbeiter und Stadtrat in Mönchengladbach)

Natalie Harapat (Autorin)

Johann Fernwaldt (Software Ingenieur)

Janina

Andrea Kübert (Studentin)

Dr. Bernd „fucking“ Föhr (Remote Site Monitor [klinische Forschung] und Wrestler)

Katharina V. Drängler (Feinmechanikerin)

Alexa Waschkau (Autorin, Podcasterin und Volkskundlerin)

Leser fragen – niemand antwortet

Schreibstark-Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter https://dnb.de abrufbar.

Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechts­ge­setz­es ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen.

ISBN: 978-3-946922889 (E-Book)

Erscheinungsjahr 2020

Alle Rechte vorbehalten –

Schreibstark Verlag

Saalburgstr. 30

61267 Neu-Anspach

Umschlagabbildung: Metulczki, Trinkgedächtnisse – Heinrichplatz I., 2019, Acryl auf Leinwand, 25 x 21 cm Galerie: ARTAe Galerie Leipzig – www.artae.de/Metulczki

Satz und Umschlaggestaltung: Dominic Harapat

Konzept und Spielertrainerlektorat: Jörg Schneider

Besonderer Dank an Anna Glomski, Kai Müller-Lenz, Bratislaus Metulczki und natürlich an alle, die Fragen gestellt und beantwortet haben.

Vorab in eigener Sache

Bisweilen brummt uns die Welt Herausforderungen auf, die einem noch verheerender als üblich vor Augen knüppeln, wie hauchdünn der zivilisatorische Lack auf den Grundfesten unserer vermeintlich humanistisch geprägten und angeblich auf Solidarität basierenden Gesellschaft ist. Daher hier einige klärende Informationen zur Chronologie und Lage der Dinge:

Dieses durchaus ambitionierte Buch war seit 2018 in Arbeit!

Dementsprechend verwundert es nicht, dass sich vieles darin Angesprochene und Vorhergesagte mittlerweile leider bewahrheitet hat. Wieder anderes überrollte uns im Nachhinein derart flächendeckend, dass es selbst für so professionell arbeitende und seriös den Kaffeesatz durchforstende Propheten und Kristallkugelbegucker wie uns nicht zwingend vor­her­zusehen war. Denn obwohl wir es oft hinterher vorher schon immer wussten – und das sogar meist besser –, hatten auch wir Covid-19 und die damit einhergehenden gravierenden gesell­schaftlichen Veränderungen nicht einmal ansatzweise auf un­serer Milchmädchenrechnung.

Ob die Coronavirus-Pandemie jedoch tatsächlich die von vielen frühzeitig herbeigeoptimistelte Zeitenwende und nachhaltige Rückbesinnung auf wesentlichere Werte einläutet, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen – steht es doch vielmehr nahe­zu brecheisenfest zu befürchten, dass selbst die Halbwertszeit der größten Katastrophe nicht mit der Lernunfähigkeit des Menschen konkurrieren kann.

Ich habe jedenfalls (und das nicht erst seit einigen Büchern) so meine Bedenken, ob wir im kollektiven Rausch unseres auf Maßlosigkeit, Gier und profanem Größenwahn basierenden Geschäftsmodells nicht bereits längst ein Betriebsblind­heits­stadium erreicht haben, das uns die natürlich gesetzten Wachs­tums­grenzen unseres Lebenswandels schon lange nicht mehr akzeptieren – – – ja, sie uns mittlerweile wahrscheinlich sogar noch nicht einmal mehr erkennen lässt.

Denn auch wenn die bisher den Ton angebenden apokalyp­tischen Tendenzen vorläufig von einem allgegenwärtigen Virus in die zweite Reihe gerempelt wurden, so sind sie doch noch immer aktuell und laufen in all ihrer nicht minder infektiösen Gefährlichkeit auch weiterhin unbeirrt nebenher mit.

Von ihnen – und so manchen anderen Fragwürdigkeiten – handelt das folgende, über die vergangenen knapp zwei Jahre (und damit vor „Corona“) entstandene Pamphlet.

Und da die darin behandelten Themen (egal, ob naheliegend oder so weit hergeholt wie die Kinder von Madonna) auch in Zeiten neu gewichteter Prioritäten zu ihrem Recht kommen sollen, haben wir uns ganz bewusst dafür entscheiden, es inhaltlich auch nachträglich nicht mehr entsprechend zu aktualisieren. Zumal damit der Fall ins ohnehin drohende Bodenlose nur umso wahrscheinlicher wäre.

Diese persönliche Vorbemerkung und ein zeitlich vergleichbar datierter Text von Herrn Harapat bilden daher unser einziges Immunitätszugeständnis an eine Pandemie, deren Aus­brei­tungsgeschwindigkeit momentan vermutlich nur noch von der Rasanz der sie angeblich aufschlüsselnden Verschwö­rungs­theorien – und vor allem der rapide wachsenden Herden­dumm­heit ihrer ebenfalls erschreckend ansteckenden Verbrei­ter – in den Windschatten gestellt wird.

Denn vorneweg segelt auch hier, wie immer hart am argu­men­tativen Wind, die übliche Armada intellektuell ähnlich fatal Verseuchter direkt in ihr Ankerzentrum aus ideologischer Verblend und blödung … und ein ohne Not darin Herum­lungern gilt nicht von ungefähr als deppenexklusives Tun.

Und doch ist ihr Realitätsflüchtlingslager, wohl nicht zuletzt aufgrund seiner niederhirnigen Aufnahmebedingungen, perso­nell stets gut besetzt und mit den unzähligen Reservierungen aus dem allseits bekannten Paralleluniversumspanoptikum offenbar auch bereits für den Rest der Homo-sapiens-Laufzeit komplett ausgebucht.

Sich dieser Tage dennoch eindrucksvoll um potenzielle freie Plätze prügelnd: Die Phalanx aus etablierten Fachkräften und virusresistenten Neuzugängen, die sich erstmals vereint im augenblicklich angesagten Panini-Pandemie-Corona-Sammelalbum 2020 mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung gemein­schaftlich die Blöße gibt.

Denn es ist die dümmste aller möglichen Welten, in der Ignoranz, Unbelehrbarkeit und vor allem der hemmungslose Hass auf lediglich vom eigenen Irrsinn zusammenfantasierte scheinbare Feinde und Verräter (also alle auch nur geringfügig Andersdenkenden) in grenzüberschreitender Personalunion endgültig den letzten Zentimeter Unzurechnungsfähigkeitstoleranz zerdeppern, der bis dato noch den Schwachkopf vom Arschloch trennte.

Ganz so, wie das seit jeher Brauch und gute Trotteltradition ist.

Sehen Sie dieses Buch daher gerne als eines, das sich über die Welt wundert, wie sie einmal war, noch immer ist … und auch seinerzeit schon nicht sein sollte.

Jörg Schneider, irgendwann und irgendwo im März, April oder Mai 2020.

„Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues.“

(Samuel Beckett, „Murphy“)

„Was für Zeiten, was für Sitten! O tempora, o mores!“

(Marcus Tullius Cicero, römischer Redner und Staatsmann,

106 – 42 v. Chr.)

„Fortschreitend verwittere auch ich ins Herumstehende.“

(Eckhard Henscheid, „Die Mätresse des Bischofs“)

Einleitung: Über die Plage der Dummheit, das Dilemma des Resignierens und dieses Buch

Von Jörg Schneider

Machen wir uns nichts vor. Wir leben in Zeiten von der klassischen Eleganz eines formvollendet tätowierten Arschgeweihs – und im Rahmen der damit einherröhrenden, zunehmend schonungsloser wütenden gesellschaftlichen Gesamtverwahrlosung hat vor allem die kulturelle Landschaft enorme Kollateralschäden zu beklagen.

Denn während ringsum die kapitalen Hochleistungshornochsen eines medial gepimpten Dorftrotteltums die Kontrolle übernommen haben, nur noch gebrüllt und längst nichts mehr gesagt, geschweige denn verstanden wird, und ein ebenso uninformiertes wie uniformiertes Nicht-zu-Ende-Denken nicht mehr als Makel hinterherhumpelt, sondern stolz grölend vornewegmarschiert ... in solchen Premiumzeiten verwundert es nur wenig, wenn man sich kaum noch des Eindrucks erwehren kann, dass bei einer personell derart flächendeckend herumirrlichternden Idiotenelite wohl auch zukünftig noch ein paar saubere Hochbegabtenstipendien anstehen dürften. Kurzum: Es ist die Dummheit, die den Menschen so zur Plage reifen lässt. Im schlimmsten Fall garniert mit Hass und Hetze.

Und wenn es sich die größte Wirtschaftsmacht der Welt leistet, ihre Führung einem sich selbst als stabiles Genie bezeichnenden infantilen Choleriker anzuvertrauen, der u.a. Belgien für eine großartige Stadt hält, die Schreibweise des Landes Wales mit der dicker Säugetiere verwechselt und im Gegensatz zu den ihn verwundert dabei beobachtenden Vorschulkindern nicht in der Lage ist, die Flagge des ihm weltanschaulich unterstellten Landes farblich korrekt auszumalen (dafür aber mit Filzstift Wetterkarten fälscht), der sich jedoch beharrlich ein sehr, sehr großes Gehirn attestiert, weil er bei einem Intelligenztest für Kleinkinder die Begriffe Elefant, Giraffe und Nashorn fehlerfrei den entsprechenden Bildern zuordnen konnte; wenn regressive Rück­wärts­denker, demagogische Brunnenvergifter und geistige Evo­lu­tions­verweigerer die Horden ihrer grazil mit Schaum vor dem Mund krakeelenden Anhänger mit der Tiefgründigkeit eines Suppentellers durch die Verführung der Verflachung und völkische Blödoyers bei der Brechstange halten, während die Zentraldenker eines anachronistischen Zwergengottesstaates im Herzen Roms auch im 21. Jahrhundert noch immer unbeirrt versuchen, ihren Leicht- bzw. Schwerstgläubigen aus einem intellektuellen Wachkoma heraus die Welt anhand eines aus den jahrtausendealten Mythen einer archaischen Hirtenkultur zusammengestümperten heiligen Buches zu erklären ... dann sind subtiles Analysieren und gehaltvolles Hinterfragen unseres immer offensichtlicher ins Schräge rutschenden Zeitgeistes aber mal ganz gewaltig am Arsch! Zumal am tätowiert gekrönten.

Ja, selbst ein profanes Begucken der unterschiedlichsten Katastrophengesinnungen und des weltweit wuchernden Wahnsinns vermag einen mittlerweile fast schon so aggressiv zu machen wie die Aussicht auf ein Gästezimmer bei der Check-24-Familie.

Oder etwas kompakter ausgedrückt: Die Welt ist voller Schwach­köpfe, Brüllaffen und ähnlich lärmender Ignoranten. Zugegeben, die gab es früher auch schon zur Genüge, doch noch nie sind sie sich durch die kurzen Wege der digitalen Vernetzung so oft und problemlos begegnet – und noch nie konnten sie sich gegenseitig so unverhohlen für ihr jeweiliges Schwachkopfsein und ihre tief verinnerlichte Oberflächlichkeit bewundern und beklatschen. Denn noch nie zuvor in seiner Geschichte hatte der Mensch so unfassbar viele frei zugängliche Informationen zur Verfügung, wie es heute durch das Internet der Fall ist.

Einerseits ist das selbstverständlich eine ganz hervorragende Sache, die im Idealfall zu einem vernünftigen, auf Fakten basierenden Verständnis der Welt führen sollte … oder es zumindest könnte. Doch die schwammigen Untiefen des Konjunktivs lassen bereits das drohende „Andererseits“ erahnen, denn die knüppelharte Realität des Indikativs weiß wiederum nur allzu gut um die Tatsache, dass eben auch noch niemals zuvor so viel haarsträubender Unsinn verbreitet wurde. Jedenfalls nicht in dieser Reichweite und Geschwindigkeit.

Vollkommen wurscht, wie absurd-grotesk-obskur deine Weltverschwörungs- und Erklärungshypothesen (ganz gleich zu welchem wunderlichen Thema) auch sein mögen, in den Abgründen Internet'scher Hochkultur werden sich – von den weniger harmlosen, weil beschleunigt gewaltbereit Verwirrten und deren agitatorischen Vorplärrern und Verblödungseinpeitschern an dieser Stelle ganz zu schweigen – zahllose andere Aluhutträger und Co-Hirnlose finden, die das alles ganz genauso sehen.

Und genau darin, im sich rasend schnell erweiternden Aktionsradius all der gemäßigt fundiert Bedenkentragenden, liegt ein wesentlicher Unterschied zum bereits vor 110 Jahren von Karl Kraus so trefflich analysierten „fieberhaften Fortschritt der menschlichen Dummheit“ und der „Welthirnjauche“ seiner Tage, die der Freund und Kollege Jürgen Roth vor einigen Jahren in einem seiner Bücher nicht minder zielgenau zur „Geisteskloake“ verdichtete.

Zwar wird jene kollektive Degeneration schon seit eh und je begrübelt und bejammert, doch heute nimmt die, um erneut mit der Fachkraft Roth zu stänkern, „mediale Vertrottelung Ausmaße an, von denen Karl Kraus nicht mal albzuträumen vermochte“, obwohl auch der schon damals ahnte, wenn nicht sogar wusste: „Der wahre Weltuntergang ist die Vernichtung des Geistes.“

Ähnlich verheerend konstatierte das auch der umsichtige, jedoch mit der Menschheit etwas versöhnlicher ins Gericht gehende Dieter Hildebrandt (dem ich persönlich lediglich ein wenig übel nehme, dass er ausgerechnet an meinem Geburtstag sterben musste), als er die Lage zwar ebenfalls exakt erkannte, aber doch durchaus charmant resümierte: „Die Diskussion, ob wir verblöden oder nicht, beschäftigt sich gar nicht mehr mit dem 'oder nicht'.“

Doch mit einer arglos vor sich hintröpfelnden Homöopathisierung profanen Minderdenkens ist es heutzutage ja leider längst nicht mehr getan.

Denn die internationale Deppensymbiose hat durch die globale Verflechtung und ihr partout nicht über den eigenen Kindertellerrand hinausschauendes Ignorantenregiment mittlerwei­le eine nie zuvor gekannte Spannweite und Truppenstärke – und damit auch mediale Macht – erreicht, dass einem wirklich angst und bange werden kann.

Und im Sog eines solch fatalen Massenstrudels werden, der natürlichen Richtung des Abgrunds und jeglicher gravitativer Bedenken zum Trotz, immer skurrilere Gestalten und geistige Nichtschwimmer – direkt nach oben – in die mächtigsten Ämter gespült, die dort nun wahrlich nicht das Geringste verloren haben … aber von ihresgleichen dummerweise genau dafür gleichermaßen deplatzierten Beifall ernten.

Aber auch das ist ja nicht wirklich neu. Doch seit der römische Kaiser Caligula, seinerzeit ebenfalls ein veritabler Einzelirrer, vor knapp 2.000 Jahren sein Lieblingspferd Incitatus zum Konsul ernannte, war wohl kaum ein politisches Amt – so man den Führer mal beiseitelässt und dem Pferd nicht zu nahe treten möchte – so dramatisch fehlbesetzt, wie es momentan das des geistigen Oberbefehlshabers der USA ist. Selbst bei genauestem Stöbern wird man wohl kaum einen Menschen auf der Welt finden, der intellektuell, charakterlich und moralisch ungeeigneter für eine solche Machtfülle wäre als der aktuelle Amtsinhaber. Offen gestanden, fallen einem auf Anhieb sogar etliche Tiere, Pflanzen und Mineralien ein, die das gehaltvoller hinbekämen.

Und auch sein (den menschengemachten Klimawandel sauber in einem Aufwasch mit der Evolutionslehre wegleugnendes) stellvertretendes Hinterhertrotthündchen Mike Pence, der – offenbar im Irrsinn der Sache und des Arbeitskollegiums liegend – stets ein wenig entrückt wirkt, wenn er an der Seite seines Chefs debil grinsend in seinem naiv frömmelnden Paralleluniversum vor sich hin dämmert, scheint nicht uneingeschränkt über die geistigen Kapazitäten zu verfügen, die für eine solche Position hilfreich, wenn nicht sogar unabdingbar wären.

Es ist der ewige Kreislauf zeitlos zyklischen Dummenabfischens, die bereits von Nietzsche erkannte Wiederkehr des Immergleichen, nur stets in der Fratze der jeweiligen Zeit. Und es scheint schlichtweg kein Entrinnen zu geben. Mit Morbus Möbius auf einer in sich selbst übergehenden Endlosschleife in die Zukunft … bzw. eben direkt wieder zurück.

Oder wie es, nicht weniger perfekt in sich geschlossen, Ror Wolf in seinem laut Thomas Blum (Neues Deutschland) „schönsten, klarsten, lehrreichsten, vernünftigsten und stilistisch gelungensten aller jemals in deutscher Sprache verfassten Gedichte“ „Wetterverhältnisse“ so unsterblich elegant umrundete:

„es schneit, dann fällt der regen nieder,

dann schneit es, regnet es und schneit,

dann regnet es die ganze zeit,

es regnet, und dann schneit es wieder.“

Und doch gibt es Vorgänge und Wahrheiten, die sich eben nicht beliebig wiederholen oder endlos abnicken lassen. So diagnostiziert bspw. Prof. Harald Lesch (vor einigen Jahren vielleicht noch etwas zu dramatisch in Richtung Bauerntheater chargierender, aber heute dankenswerterweise grundsympathisch agierender Fernsehdenker und gewiefter Welterklärer) bei seinen Vorträgen und in seinen Büchern ja nicht bloß aus einer Hiob'schen Laune heraus immer wieder den zwar uralten, allerdings einer breiten Masse offenbar noch immer nur schwer zu vermittelnden verhängnisvollen Universalbefund: „Die Erde hat Mensch.“

Aber leider nicht als profanes Symptom, sondern als Ursache ihrer globalen Übelkeit.

Das mag für sie, die Erde, zwar keine langfristige Erkrankung sein, da wir uns ja früher oder später auch wieder von selbst erledigen, aber in unserer Eigenschaft als Krankheitserreger ist es eben doch ein recht erschreckender, weil intellektueller Offenbarungseid. Denn auf unser komplex entwickeltes Gehirn bilden wir uns ja – gemäß dem dort ansässigen Größenwahn – gerne ordentlich was ein.

Und das auch nicht ganz zu Unrecht, denn die Evolution hat uns ja durchaus das zerebrale Rüstzeug mit auf den Weg gegeben, um uns der außergewöhnlich zuvorkommenden Gastfreundschaft unseres Heimatplaneten bewusst zu sein und zu erkennen, dass wir uns der Größe dieser Möglichkeit (wenigstens der Höflichkeit halber) lieber als würdig erweisen und sie gebührend fürsorglich behandeln sollten, anstatt diese enorme Chance süffisanten Blickes in die braune Tonne zu kloppen.

Und Zeit, das zu begreifen hatten wir für unsere Verhältnisse auch reichlich, denn das menschliche Gehirn hat sich in seiner Grundstruktur seit ca. 300.000 Jahren, als der biodeutsche Homo sapiens in Afrika auf der Bildfläche erschien, um seine Artgenossen zu kolonialisieren, kaum verändert und war daher schon damals zu allerlei Überlegungen und Abwägungen fähig.

Heraus kamen dabei aber vor allem die seitdem leider ebenso unveränderte Einsatzbereitschaft, Konflikte mittels interner Keulengewalt vom Tisch zu fegen und die spätere (wahrscheinlich aus den entsprechenden Erfolgen resultierende) internationale Spitzenidee, das traditionelle Verprügelmonopol auch zunehmend extern auf den Bereich Natur auszudehnen.

Zumal es ja gerade dort gilt, in puncto nachhaltiger Gewaltbereitschaft endlich mal unmissverständliche Prioritäten zu setzen und die vielbeschworene klare Kante zu zeigen. Denn „wenn die Natur hier schon mit uns leben will, dann hat sie sich gefälligst auch ein wenig anzupassen.“ (Stefan Waghubinger)

Aber zum Glück hat sie das inzwischen ja auch eingesehen und schließt sich mittlerweile ausgesprochen engagiert unserem kapitalistischen Wachstumsideal an und legt tatsächlich hervorragende Expansions- und Entwicklungsraten an den Tag: immer höhere Temperaturen, schnellerer Gletscher- und Polkappenschwund, steigende Hochwasser und häufigere Überschwemmungen, mehr Wirbelstürme und Supertaifune, heftigerer Starkregen und ganz allgemein eine ausgesprochen ambitionierte Qualitäts- und Quantitätssteigerung bei nahezu allen erdenklichen Naturkatastrophen.

Und auch wenn die Umsetzung dieser Vorgaben in früheren Jahrhunderten bisweilen etwas verbummelt wurde, ist ja die Erkenntnis der unbedingten Notwendigkeit einer auf Kosten der Natur beständig wachsenden Markterweiterung keineswegs neu.

Denn bereits die alten Völker wussten – wenn auch in Ermangelung kapitalistischer Praxis und technischer Massenabfertigungsmöglichkeiten – schon seit jeher um die Unersetzbarkeit wirtschaftlichen Renditedenkens. Nicht von ungefähr lautet eine alte, den Segen jeglicher Industrialisierung preisende Indianerweisheit: „Erst wenn die letzte Ölplattform versenkt, das letzte Auto stillgelegt und die letzte Tankstelle geschlossen ist, dann werdet ihr merken, dass Greenpeace nachts kein Bier verkauft.“

Dementsprechend ist es wohl auch nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten tiefbegabten Klimawandelleugner auf die finale High-Endlösung kommen, die beste, weil wirtschaftlich lukrativste und damit sinnvollste Maßnahme, die konjunktur­feindliche Erderwärmung langfristig außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu halten, sei dann wohl doch eine Mauer. Und mit der wäre dann ja wenigstens auch weiterhin die fachgerechte Kühlung des hauseigenen, in den entsprechenden Vakuumschädeln beheimateten intellektuellen Permafrosts gewährleistet.

Bis dahin wird man sich, geistig ähnlich bodennah angesiedelt, wohl hierzulande auch weiterhin auf die viel zitierten deutschen Tugenden besinnen und sich eine entsprechend misch­volk­resistente Leitkultur zurückwünschen, die sich allerdings für die meisten weniger aus den traditionellen teutonischen Jägerzaunidealen Fleiß, Ordnungssinn und Strebsamkeit rekrutiert, sondern sich eher bei den weitaus beliebteren Sparten Steuerhinterziehung, Familie verdreschen und ohne Tempolimit besoffen Auto fahren bedient.

Allesamt unsterbliche menschliche Qualitäten, die von der kollektiven Doppelgesichtigkeit des sogenannten Volkscharakters zeugen, der seine wahre Absicht ja ganz gerne mal hinter einer gewissen bürgerlichen Eigenverharmlosung verschanzt. Oder wie sonst würde man sich erklären, dass bspw. so fragwürdige Gestalten wie die einst überaus beliebten Teletubbies zeit ihres Fernsehdaseins ausschließlich unter ihrem niedlichen Pseudonym berühmt waren und nicht unter dem (ihre zwielichtigen Absichten wesentlich besser unterstreichenden) Banden­originalnamen „Die Bruderschaft der Schatten“.

Und wenn sich die politische, soziale und persönliche Diskussionskultur auch weiterhin an einem Auseinandersetzungsgrad orientiert, der weniger an ein zivilisiertes und friedliches Miteinander andockt, als vielmehr an den Verhaltenskodex der Auslandsreisen Dschingis Khans erinnert … dann ist das für den Solidaritätswillen einer vermeintlich humanistischen Gesellschaft in etwa so verräterisch, als taufte man sein neu erworbenes Schiff auf den Namen „Unsinkbar II“.

So viel vorerst dazu.Die zweite Hälfte dieser Einleitung besteht aus einer seltsamen Melange aus Erklärung und Entstehungsgeschichte dieses Buches und kann daher bei Bedarf bzw. Nichtinteresse getrost übersprungen werden, da sie inhaltlich eigentlich nichts weiter mit dem Rest des Buches verbindet, sondern lediglich meine persönlichen Beweggründe erklärt, warum es diesmal galt, ein für meine Verhältnisse fast schon erschreckend seriöses Buch zusammenzuschrauben. Diejenigen Leser, die das völlig zu Recht nicht interessiert und denen derlei subtile Hintergründe – vermutlich ebenfalls zu Recht – zu exhibitionistisch daherkommen, können ja einfach weiterblättern und erst wieder beim wahrscheinlich eher ihren kranken voyeuristischen Boulevardgeschmack bedienenden Kapitel „Dicke Titten im Holocaust“ einsteigen.

Sei's drum und für alle anderen: Spätestens an dieser Stelle gilt es nämlich einmal aufzuklären, was es mit diesem Buch eigentlich auf sich hat, denn diese Publikation unterscheidet sich in nahezu allen Bereichen von meinen vorigen Büchern – ein Umstand, der sich hoffentlich auch bis zu den Verkaufszahlen herumsprechen wird.

So vertraue ich hier, neben einem komplett anderen Publikationsmodell, das jedoch für eine reibungslose Lektüre keinerlei Rolle spielt, in Teilen auch erstmals der Unterstützung eines … ja, was eigentlich? ... „Co-Autor“ passt hier nicht so recht, denn der Begriff suggeriert ja das gemeinsame Verfassen eines Textes und das trifft in diesem Fall nicht zu. Vielmehr hat der im Anschluss etwas näher vorzustellende Mitarbeiter die ihm zugedachten Passagen ebenso selbstständig wie oberaufsichtsfrei verfasst. Gemeinschaftlich Geschriebenes findet sich hier dementsprechend nicht.

Teer und Federn können daher zwar mit Fug und Recht uns beiden blühen, allerdings für unterschiedliche Vergehen bzw. schon ähnliche Verfehlungen, aber eben dennoch Individualdelikte, denn der eine hat nun mal nichts mit den Passagen des anderen zu tun – außer dass allesamt eine gemeinsame Heimat im selben Buch finden.

Doch ich bin mir sicher, dass es hier für ihn nur Lob und wenig Tadel hageln wird, denn der PARTEI-Politiker Dominic Harapat ist (nebst seiner Eigenschaft als David-Hasselhoff-Lookalike-Contest-Verlierer) ein politisches Naturtalent von echtem Schrot und Korn, gegen das selbst Gandhi, Albert Schweitzer und Ben Cartwright wie eine korrupte Bande schmieriger Gebrauchtwagenhändler wirken. Ein nimmermüder Kämpfer für die gute Sache und damit für die älteren Mitbürger die perfekte Verkörperung des politischen Enkeltricks.

Warum er überhaupt mit an Bord ist, hat mit dem ursprünglichen Konzept des Buches zu tun, das jedoch ruhigen Gewissens unerwähnt bleiben kann, da wir uns erfreulicherweise rechtzeitig eines Besseren besannen. Aber am Hals hatte ich ihn damit natürlich trotzdem.

Und so gleicht die Struktur dieser fragwürdigen Co-Produktion dann auch ein wenig dem Arbeitsverhältnis von BATMAN und ROBIN, wenn auch in diesem Fall der Novize (Herr Harapat) dem weisen Mentor und Haudegen (mir) – ganz im Gegensatz zum realen Background des echten Superheldenduos – zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht haushoch überlegen ist, sehe ich mich als freiberuflicher Autor ja seit Jahr und Tag mit einer Situation konfrontiert, die Hartz-IV-Empfänger für mich in finanzieller Hinsicht als „die da oben“ ausweist.

Zur weiteren Veranschaulichung dieser Koalition würde sich eventuell auch noch die Verbindung zwischen Yoda und Luke Skywalker eignen ... aber vielleicht zu kompliziert das wäre.

Diesmal ist also vieles anders und das hat auch einen ebenso guten wie hoffentlich nachvollziehbaren Grund. Ursprünglich sollte es nämlich ein Buch in der Tradition zweier seiner Vorgänger werden (und damit gleichsam eine Art Abrechnungsfinale meiner persönlichen Dollar-Trilogie, wenn auch leider ohne den monetären Beifang des Sergio-Leone-Originals), das sich vornehmlich dem aktuell in der Welt wabernden Irrsinn, dessen überdurchschnittlich unterbegabten Wortführern und der wahr­lich furchteinflößenden Ignoranz gegenüber der zunehmenden gesellschaftlichen Verwesung sowie der Kleinigkeit des Planetenverfalls widmen sollte – und damit die bereits in früheren Büchern ansatzweise abgehandelten Themen möglichst ähnlich anmaßend abrunden.

Eine Idee, die jedoch, wie ich zu meiner eigenen Überraschung erstaunlich früh einsah, aus mindestens zwei Gründen komplett zum Scheitern verurteilt war.

Zu energisch und wohl auch ein wenig zu einsatzbereit, wenn auch vom jahrelangen Kopfschütteln über den sackgassig vor die Wand krachenden Lauf der Welt rechtschaffen müde und mürbe, versuchte ich mich direkt zu Beginn einmal mehr am schriftlichen Abarbeiten einer veritablen Liste medial gepimpter Scheinwesen und auf der nach unten offenen Belanglosigkeits­skala evolutionär ähnlich sinnfrei angesiedelter Resthirnvergeuder, deren schriftliche Erledigung im Idealfall ganze Schein­be­rufs­gruppen, wie etwa die in verhängnisvoller Personalunion die Katastrophenkombination Influencer, Schmuckdesigner und Tanzshowteilnehmer in sich vereinende professionelle Spielerfrau in den verdienten Niedergang reißen sollte.

Ein aussichtsloses Unterfangen, das sowohl an der schier unermesslichen Quantität als auch an der ebenfalls kaum mehr erfassbaren, nahezu beschreibungsresistenten Trottelqualität schei­tern musste.

Mit anderen Worten: Das zu behandelnde Gesamtpaket war schlichtweg nicht zu stemmen, denn Schreiben – so man es denn mit Leidenschaft, Hingabe und aus einer gewissen desperaten Eigentherapie heraus betreibt – ist auch immer eine äußerst ambivalente Mischung aus Brandstifter und Feuerwehr in einem. Vor allem dann, wenn man sich dabei auf das Himmelfahrtskommando begibt, sich an Themen abzuarbeiten, die bereits beim bloßen Durchdenken und ohne eigenes kreatives Zutun den finalen Rettungsschuss für Nerven und Leber bedeuten können. Und doch war der zweite Grund der bei Weitem ausschlaggebendere:

Ich habe das alles – Stichwort Morbus Möbius – schon zigfach in ähnlicher Form in früheren Publikationen geschrieben und heruntergeledert, komplette Bücher zu den absonderlichsten und mich nervlich am meisten aufreibenden Narrenthemen verfasst und den ganzen Kram zudem auf Lesungen noch viel öfter biergestählt hinausposaunt … doch die Mauern des modernen Jericho kamen (wenig überraschend) nicht einmal ins Bröckeln und trotzten unbeschadet meinem törichten Getöse. Dabei hieß es doch immer: Werde Schneider, dann kannst Du was ändern.

Daher konnte und wollte ich mich einfach nicht mehr des mir immer unmissverständlicher einleuchtenden Eindrucks erwehren, thematisch – zumal ohne jeden erkennbaren Raumgewinn – immer schwindelerregender im Kreis zu schimpfen, auf der Stelle zu treten und mich dabei doch immer wieder nur um meine eigene Achse des Blöden zu drehen. Doch all das nimmermüde und zunehmend verzweifeltere, ja hilflose Poltern brachte letztendlich nichts anderes mehr hervor als ein stetiges (wenn auch immerhin nicht zahnloses) Wiederkäuen umformulierter Vari­anten des ohnehin schon unzählige Male Hochgewürgten.

Es fühlte sich so an, als würde man die Leute wieder und wieder ergebnislos an eigentlich Selbstverständliches erinnern und etwa sinngemäß mahnen: „Esst bitte keinen Beton!“ … während im Hintergrund bereits Gewürze und Servietten angeschleppt werden.

Allerdings bin ich weit davon entfernt, tatsächlich der Meinung zu sein, irgendwelche zuvor noch nie gedachten Überlegungen zur besseren Verdauung der Welt beitragen zu können. Das ganz sicher nicht. Dieser Übung nahmen sich erfreulicherweise bereits Generationen wesentlich klügerer und geschul­terer Köpfe an, nein, mir ging es lediglich um in meinem eigenen Schädel offenbar irrtümlich unter der Geschmacksrichtung „gesunder Menschenverstand“ geführter Selbstverständlichkeiten. Und zwar weitab blasierter und exklusiver Wahrheitserkennungsvorgaukelei, die hierzulande ja gerade populistische Placebohirne und deren emsig mitblubbernde Putzerfische immer wieder gerne für sich beanspruchen. Allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass echte Putzerfische (den berühmten „neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen“ zufolge) zumindest offenbar über genug Grips verfügen, um sich in einem Spiegel selbst zu erkennen, während die hier Erstgenannten dort ausschließlich in die Visage ihrer ideologischen Wirtstiere glotzen.

So denkt man bspw. bei jedem neuen schäbigen, in einer widerlichen Mischung aus rechter Gesinnung und niederträchtigem Provokationskalkül von der angeblichen „Alternative für Deutschland“ inszenierten Eklat, dass die Leute doch „spätestens jetzt“ merken müssten, aus welch dunkelbraunem Holz die allermeisten Köpfe dieses Gruseltrupps geschnitzt sind. „Spätestens jetzt müssen sie es doch erkennen", denkt man sich immer wieder aufs Neue. Aber nichts ist zu hören, außer dem verlogenen Opferrollengepolter ihrer hetzenden Hassprediger und deren sie geifernd umlungernder, jeden Müll nachplärrender Volksidioten- und Abendlandsermeute, die gierig wie ein Rudel hungernder Wölfe nach immer neuen, vormals verbotenen Pöbelparolen ihrer mittlerweile vollkommen entfesselten Anheizer lechzt. Doch was will man auch von Leuten erwarten, deren eigene Gedankengänge bereits nach wenigen Millimetern in einer Sackgasse enden?

Und während die medialen Sturmtruppen ihre virtuelle Dolchstoßlegende immer tiefer in den Rücken der Demokratie twittern, wird die parteiinterne Liste der Affronts mit nahezu jedem Tag länger und länger und wieder denkt man sich: „Spätestens jetzt …"

Stattdessen wird öffentlich immer wieder die Verschiebung der Grenzen des Sagbaren und das immer höhere Maß an Niedertracht bejammert, ohne wirklich etwas dagegen zu unternehmen. Nicht, dass ich wüsste, wie es – außer vielleicht mit Bildung, politischer Aufklärung, der damit einhergehenden Demaskierung der Fanatiker und vor allem dem profanen Bemühen des bereits erwähnten gesunden Menschenverstandes – letztlich hinzubekommen ist, um dem allen endgültig Einhalt zu gebieten, aber wenn man sich zum Beispiel nur mal den jubelnd verspritzten Geistesdurchfall ansieht, der nach dem Tod des im Juni 2019 von einem rechtsextremistischen Schwachkopf ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke von den entsprechenden Arschlöchern ins Internet geschissen wurde, „spätestens dann" sollte man doch sehen (und nicht zuletzt riechen), wessen Stallgeruch hier – nicht nur olfaktorisch – den Nährboden für ein solches Abfeiern mit seiner ideologischen Gülle gedüngt hat.

Und dieser auf verbalen Fäkalien basierende Gestank nimmt nun mal nicht ab, wenn seine vulgär johlenden Verbreiter als zusätzlichen Duft- und Rhetorikverstärker ausschließlich auf den Hektoliter-Flakon Eau de Tourette vertrauen.

Ganz im Gegenteil: Denn zu allem Überfluss (erschreckend konsequent auch nach den Morden von Halle und Hanau zu beobachten) gesellt sich sogar noch ein inflationärer Gewöhnungs- und damit gleichsam Abstumpfungseffekt dazu, denn je öfter, lauter, beständiger und ungenierter solche Diarrhö in aufnahmewillige Hohlköpfe tropft, ja, im dümmsten Falle prasselt, desto eher geht sie als vermeintlich legitime Meinungsfreiheit durch. Allein, die ständige Wiederholung und das permanente frisch Heraufbeschwören von so offensichtlich alter Scheiße macht sie nun mal nicht wohlriechender; der dauerhafte Effekt aber ist ebenso beschissen wie schamlos kalkuliert: Die Leute gewöhnen sich zunehmend an den Geruch!

Und doch ist es immer wieder erstaunlich, welche Unmengen ideologischer Exkremente in einen einzelnen Arsch und wie viel Dummheit in einen einzelnen Kopf passen – auch wenn sich die erwähnten Körperteile hier nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Aber ein gerüttelt Maß an willfähriger Dämlichkeit kommt den Verursachern selbstverständlich ausgesprochen gut zupass, da es natürlich wesentlich einfacher ist, einem Vollidi­oten irgendwelchen Schwachsinn zu verkaufen, als jemandem, der die Dinge hinterfragt und nicht alles ohne den Umweg eines eigenen Gedankens sinnfrei nachkläfft.

Doch wie bereits erwähnt: Ich drehe mich diesbezüglich im Kreis, zumal sich meine abgrundtiefe Verachtung für derlei Entwicklungen und deren Personal mittlerweile ohnehin immer bedrohlicher der Grenze ihrer sprachlichen Vermittelbarkeit nähert.

Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mit vermehrtem Schwindelbefall resigniert zur Kenntnis zu nehmen, wie hungrig die nächsten Betonfresser schon wieder ihr virtuelles Besteck auf dem Facebook'schen Präsentierteller posten. Und dennoch fragt man sich auch als routiniert desillusionierter Degenerationschronist immer wieder, was sich solche Leute denn bei ihrem Tun so denken mögen? Allzu viel wird es sicherlich nicht sein.

Doch auch wenn dieser Vermutung eine Zielgenauigkeit zugrunde liegt, die fast schon an die Raum und Zeit überwindende Treffsicherheit des im Sherwood Forest streunenden Lucky Luke heranreicht, so bietet sie natürlich keineswegs eine rundum zufriedenstellende Antwort. Die Zeit schien daher reif für einen klärenden Geistesblitz – der dann auch bereits umgehend nach wenigen Jahren einschlug.

Denn nachdem ich derlei Fragestellungen bereits unzählige Male von allen sich mir irgendwie erschließenden Seiten, Haupt- und Nebenschauplätzen konsequent durchgrübelt, analysiert und im besten Falle halbwegs pointiert durchleuchtet hatte – aber dennoch nicht final dahinterstieg –, fand ich trotz weitreichender geistiger Ausritte, die mich durch die seltsamsten, teilweise menschenleeren Landschaften führten, schließlich zu der erfreulich naheliegenden Erkenntnis: Frag doch einfach mal, was andere dazu zu sagen haben! Denn was nutzt die idyllischste Inselbegabung, wenn das Eiland unbewohnt ist.

Erstaunlich genug, dass ich da nicht schon viel früher drauf kam. Insbesondere da sich bei mir weder öffentlicher Geltungsdrang (ich bin nicht sonderlich durchbruchsorientiert … zumindest nicht nach oben) noch der damit einhergehende artver­wandte Mittelpunktswille besonders ausgeprägt zeigen.

Fernab bspw. von der penetranten Profilierungssucht eines Markus Lanz, der sich im Rahmen der mit seinem Namen gebrandmarkten Talk- bzw. Monologshow sogar noch bei Interviews mit Auschwitzüberlebenden immer wieder bedenkenlos in den Vordergrund schwätzt, um zwischen deren unfassbarem Leid mit seinen Antarktiserfahrungen aufzutrumpfen.

Daher also die Bewusstlosensprechstunde.

Der Buchtitel spielt einerseits auf jenes im übernächsten Kapitel immer wieder bemühte „Ohnmachtsgefühl" an, das einen beim Blick auf die Welt und deren Teilnehmer mindestens mal beschleicht, wenn nicht sogar hemmungslos umtost – andererseits liegt Herrn Harapat und mir natürlich nichts ferner, als die hier im Buch zu Wort Kommenden despektierlich unter der Rubrik „bewusstlos" zu verbuchen. Das genaue Gegenteil ist der Fall!

Es handelt sich samt und sonders um Menschen, die sich über den Zustand der Welt und den darin herumwütenden Zeitgeist teilweise bemerkenswerte Gedanken machen. Und dass sich deren diesbezügliche Analysen – sowohl in Richtung als auch Einordnung und Empörungsgrad – erheblich voneinander unter­scheiden, war durchaus beabsichtigt und somit Sinn der Sache. Wir haben es daher, nur wenig überraschend, mit einer breit gefächerten Bestandsaufnahme kontroverser Befindlichkeiten zu tun.

Und doch gibt es unter allen Beteiligten zwei Gemeinsamkeiten: Erstens haben sich alle sehr gewissenhaft mit der Beantwortung unserer Fragen beschäftigt – daher bereits an dieser Stelle erstmals verbindlichsten Dank! – und zweitens wurden allesamt mehr oder weniger von uns in die Nummer reingequatscht. Das allerdings aus gutem Grund. Denn die vermeintliche „Bewusstlosensprechstunde" speist sich eben keineswegs aus dem kollektiven Dahindämmern ihrer Teilnehmer, sondern rekrutiert sich vielmehr aus hellwachen, uns Rede und Antwort stehenden Menschen, deren Ansichten und Meinungen uns einfach interessiert haben.

Und vielleicht ja auch die Leser ... im Idealfall sogar alle beide.

„Die größte Zumutung der Freiheit ist Satire.“

(Julian Reichelt)

„Dafür, dass diese Antifa so gewaltbereit ist, kommen unverhältnismäßig wenig Nazis um.“

(Alix Schwarz)

„Hahaharapat!“

(Martin Sonneborn)

Einleitung: Über Politik, Satire und wie man lebend da rauskommt

Von Dominic Harapat

Als Jörg mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm gemeinsam ein Buch zu schreiben, war ich sofort überaus dionysisch. Wie alle großen gescheiterten Geister (Dostojewski, Bukowski, Hitler) erstrebe auch ich naturgemäß ein Dasein in der Autorenschaft, um das Publikum mit den Lehren meines Misserfolgs zu drangsalieren. Es ist außerdem die letzte Disziplin öffentlicher Existenz, in der sich auch der allerletzte Vollidiot (Handke, Ulfkotte, Hitler) verwirklichen kann. Entsprechend musste ich nicht überlegen und willigte sofort ein. Dass ich bereits einen Vollzeitjob mit diversen Ehrenämtern verbinden musste, ignorierte ich geflissentlich. Wird schon, ich bin ja belastbar, flexibel, kundenorientiert und was man sonst so alles in eine nichtssagende Bewerbung hineinlügt.

Nach einigem Hin und Her, wie denn der Inhalt gestaltet werden sollte, machte ich mich mit der Leichtigkeit eines Kindersoldaten ans Schreiben. Und da begannen auch schon die unüberwindbaren Probleme. Wo ich anfangs noch der Idee verfallen war, dass es verminderter Arbeitsaufwand sei, wenn man nur der Co-Autor ist, da man schließlich nur ein halbes Buch schreiben muss, um ein ganzes zu veröffentlichen, trat nun Verzweiflung auf den Plan: Was soll ich denn noch erzählen, das Jörg nicht bereits mannigfaltig zu Papier gebracht hat? Nun, lange später, ist das Werk so gut wie fertig und prall gefüllt mit vorher nicht absehbaren und leider auch viel zu seriösen Inhalten. Einzig diese Einleitung ist die letzte offene Baustelle, um nicht sogar von einer offenen Wunde zu sprechen, die die Gesamtheit des ansonsten geradezu meisterlich anmutenden Schrift­stücks mit sich in die [Fragment]

Am besten beginne ich vielleicht damit, mich vorzustellen. Das könnte auch zum Verständnis beitragen, warum Jörg ausgerechnet mich in die erbarmungslose Welt derjenigen Satzbauer mit runterreißt, die bei einem Bier über den Niedergang der Gesellschaft grübeln und sich nur drei Bier und zwei Korn später bereitwillig und grölend selbst daran beteiligen.

Wer also dieses Buch in Händen hält, mich bislang nicht kannte und sich die Mühe macht, meinen Namen durch das Internet zu jagen (so wie Gauland seinerzeit ankündigte, Merkel zu jagen), wird mich wohl in einer eher unseriös anmutenden politischen Herrenwitzvereinigung, auch Die PARTEI genannt, verorten. Wenn man mir nun die ernsthafte Absicht andichtet, mir in Sachen satirischer Schriftstellerei einen Namen machen zu wollen, dann erscheint der Weg aus den Reihen eines als Partei auftretenden Titanic-Gags mit Ethanolhintergrund doch weniger als ein Sprungbrett, sondern eher als ein Stolperdraht, der vor eine Fallgrube voller Schlangen, Skorpione und der Twitter-Blocklist von Jutta Ditfurth gespannt wurde. Doch frei nach Clint Eastwood gibt es immer zwei Wege: den harten und den falschen. Entsprechend möchte ich an dieser Stelle gern von dem falschen Weg erzählen, den ich bisher gegangen bin und der mich in diese missliche Lage gebracht hat.

Obwohl mich der geschätzte Kollege Schneider auch gern mal als Jungpolitiker bezeichnet, ist das schon etwas an der Realität vorbei. Sicher erfüllt mich, verglichen mit Altkanzler Kohl, noch eine erfrischende Jugendlichkeit, um nicht zu sagen: Lebendigkeit. Aber selbst die Junge Union hätte mich mittlerweile aus ihren Reihen verbannt und würde mich fortan der Altherrenmannschaft zusprechen, selbst wenn man beim Anblick Tilman Kubans nicht gerade von dem Gefühl ereilt wird, dass die Altersobergrenze der CDU-Kaderschmiede wirklich unter 50 Jahren liegt. Es trifft jedoch zu, dass ich noch nicht lange in der Politik beheimatet bin. Aufgewachsen im sozialen Brennpunkt Wetzlars, war ich früher SPD-Wähler, auch wenn mir das heute etwas peinlich ist. Machte man aber so, wir waren ja Arbeiter. Mein Leben drehte sich auch mehr um Musik als um feiste, alte Männer mit fahlen Gesichtern und gleichfarbigen Gedanken in langweiligen Anzügen. Mein politisches Interesse dümpelte eher an der Oberfläche und doch war ich in meinem persönlichen Umfeld noch mit am ehesten am alltäglichen Ge- und Misslingen der Parlamentarier dieser Welt interessiert. Als Kneipenrockstar, der ich zu jener Zeit war oder gerne gewesen wäre, ist das aber auch kein Kunststück.

Bei meiner ersten Bundestagswahl als Wahlberechtigter half ich noch dem Currywurst- und Flaschenbierkanzler Gerhard Schröder in eine weitere Amtszeit, was ich auch immer wieder tun würde, allerdings nicht wegen seiner Politik, sondern wegen seines Lifestyles. Der Elitenfreund aus Niedersachsen hatte mich jedenfalls damals mit dem Versprechen gelockt, Deutschland würde sich unter der Führung der Sozialdemokraten nicht am amerikanischen Angriffskrieg gegen den Irak beteiligen. Ein paar Sozialgesetze später war ich dann schon nicht mehr ganz so überzeugt und gab meine Zweitstimme gelegentlich der Linken oder den Grünen, was mir heute ebenso peinlich ist. Jede Wahlentscheidung war immerzu mit dem Gefühl verbunden, dass es ohnehin nicht wirklich besser kommen würde, sondern nur unterschiedlich schnell schlechter wird, je nachdem, wer die Macht bekommt. Peer Steinbrücks SPD erhielt am Wahlsonntag noch eine Mitleidsstimme von mir. Ich sah die Sozen derartig im Sinkflug, meine Stimme kam einer 10€-Spende an den WWF gleich, um das Aussterben des Säbelzahntigers und des Pterodaktylus doch noch zu verhindern. Bei der Kommunalwahl im März 2016 sollte zum vorerst letzten Mal die SPD von meiner Gutmütigkeit profitieren, seither sorge ich höchstpersönlich für meine Wahlentscheidungen und wähle mich einfach selbst.

Am Ende war es wohl Jan Böhmermann und der Aufschrei um das Erdoğan-Schmähgedicht, was mich in Die PARTEI getrieben hat. Bis dahin hatte ich sogar mit dem Eintritt in die SPD geliebäugelt. Nicht etwa, weil ich die sonderlich überzeugend fand, sondern weil ich den tollkühnen Versuch wagen wollte, den muffigen Lobbyisten-Ramschladen von innen heraus wieder sozialdemokratisch zu machen. Einzig ein utopisch hoher Monatsbeitrag und die Gewissheit, aufgrund meines Vorhabens über kurz oder lang depressiv zu werden, oder besserenfalls nur völlig zu verblöden, hatten mich bisher davon abgehalten. Als Fan von Blues-Musik und Eintracht Frankfurt konnte ich auch wirklich nicht noch mehr alltägliche Stimmungshemmer ertragen.

Das Schmähgedicht schlug jedenfalls hohe Wellen. Was man jedoch völlig vermisste, war die Bundesregierung, die sich schützend vor ihre Künstler stellt und der Türkei die einzig richtige Antwort entgegenschmettert, nämlich eine totale Kriegserklärung oder wenigstens eine Belehrung über Kunst- und Meinungsfreiheit. Damit hatten die etablierten Spaßparteien ihren kümmerlichen Rest an Glaubwürdigkeit bei mir verspielt. Die Bundesregierung stellte sich stattdessen auf die Seite eines irren Despoten. Ein Verrat an der Freiheit und für mich eine deutliche Entscheidungshilfe, meine politische Heimat genau dahin zu verlegen, wo der in Salz gewendete, rostige Löffel in die offene Wunde der Demokratie gebohrt wird. Ich beantragte die Mitgliedschaft in der PARTEI, selbst wenn das bedeuten sollte, dass ich auf ewig unbezahlt und von den übrigen Angehörigen des Politikbetriebes, nicht ganz zu Unrecht, geächtet in der außerparlamentarischen Opposition mein Dasein fristen würde.

Es folgte eine steile Karriere des Scheiterns. Ich scheiterte erstmals, nur wenige Tage nachdem ich Mitglied geworden war, mit meiner Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle des Bürgermeisters von Wetzlar. Natürlich durch Schiebung und Korruption. Ich scheiterte als Direktkandidat zur Bundestagswahl 2017 und als Kandidat für das pharaonengleiche Amt des Landrates des Lahn-Dill-Kreises, auch wenn ich bei der Wahl 100 % mehr Stimmen als die CDU erringen konnte. Schließlich scheiterte ich als Listenplatz-Dritter unter dem Spitzenkandidaten Bouffier (Mario) bei der Landtagswahl in Hessen. Auch mit meiner Bewerbung als Vize-Landrat kam ich nicht durch und zuletzt versuchte ich erfolgreich den Einzug ins Europaparlament zu verpassen. Aber um in der Sprache unserer Großeltern zu bleiben: Es war nicht alles schlecht. Denn schließlich kann ich selbstsicher von mir behaupten, für alle meine Wähler bis heute immerzu eine offene Tür, ein offenes Ohr und eine offene Hose zu haben.

Martin Sonneborn wird das Zitat zugesprochen „Es gibt eben nur vier, fünf Arten auf den alltäglichen Irrsinn des kapitalistischen Systems zu reagieren: Alkoholismus, der bewaffnete Widerstand, Politik, Satire.“ Ich würde vielleicht noch „uner­messlicher Reichtum“ ergänzen, denke aber, das erklärt meinen Ansatz ganz gut, warum ich versuche, ausgerechnet mit Satire Politik zu machen (oder auch andersrum), auch wenn ich zugeben muss, dass die CSU unter Markus Söder gegenwärtig mehr Satire zu bieten hat als Die PARTEI. Jede Minute, die ich mich nicht dem Rausch hingebe, ist eine gewonnene Schlacht gegen mich selbst, gleichzeitig ein Sieg des Establishments, das mich nüchtern und klar für meine tägliche, niedere Lohnarbeit braucht, um sich noch einen auf meinem Rücken erwirtschafteten 1950er Macallan einzuschenken. Ich fürchte den Kapitalismus nicht und ich kann auch nicht behaupten, dass ich ihn verachte, persönlich habe ich es mir darin nämlich relativ kommod gemacht. Ich bezweifle allerdings stark, dass sich weltweiter Wohlstand durch ein ressourcenverschlingendes, aus­beu­terisches System erreichen lässt, das auf Wachstum ausgelegt ist und bei Nichterreichen seiner Ziele sofort zu Lasten der weniger Etablierten und der Abgehängten ins Schwanken gerät. Da sich das Ganze eigentlich sowieso nicht aufhalten lässt – schon gar nicht von einem herablassenden Provinzpolitiker wie mir – bleibt mir auch gar nichts anderes übrig, als Hohn und Spott für diejenigen aufzubringen, die den rational kalkulierten Wahnsinn zugunsten toller Wahlprognosen schönreden und fördern. In der epischen Entscheidungsfrage, ob ich an der Verblödung der Welt kaputtgehen oder mich da­rüber kaputtlachen will, habe ich Letzteres gewählt. Kaputt macht es mich wohl so oder so.

Ich hatte mich also entschieden, statt mich seriös am politischen Betrieb zu beteiligen, diesem lieber mit angemessen-wohlportionierter Verachtung zu begegnen. Und Gründe dafür werden täglich fachgerecht und frisch wie Wilke-Wurst produziert; immerhin das hat die grölende Irrfahrt in den Abgrund der Dummheit für sich. Da wäre beispielsweise die twitternde US-Präsidentschaft eines betagten Irren, sozusagen eines Vergreisteskranken, der sich als Milliardär den Kampf gegen das Establishment, welches in seinem Fall offensichtlich für Frauen, Erkrankte und Mexikaner steht, auf die falsch ausgemalte Fahne geschrieben hat. Dabei muss man ihm zugutehalten, dass er sogar Kim Jong-un davon überzeugt hat, es diesmal mit einem wirklich echten Verrückten zu tun zu haben, so dass diesem nur noch die Flucht in Friedensverhandlungen übrigblieb, ehe der debile Onkel noch in seiner „großartigen und unvergleichlichen Weisheit“ anfängt zu schießen. Unter dem wirkungsvollen Lebensmotto „Wahnsinn ist die beste Verteidigung“ konnte Trump also bislang tatsächlich aus Versehen für eine punktuelle Entspannung des weltpolitischen Klimas sorgen, selbst wenn er es wahrscheinlich nicht vom weltpolitischen Wetter zu unterscheiden vermag.

Aber soweit muss man gar nicht schauen, gibt es doch auch hierzulande veritable Klogriffe in hohen Ämtern. Denken wir nur an verkehrspolitische Unfälle wie Andreas Scheuer oder dessen Vorgänger Alexander Dobrindt (beide CSU), die trotz besseren Wissens, der Rechtslage und trotz des Willens der Wählerschaft auf Biegen und Brechen eine Maut umsetzen und Unsummen an Steuergeldern überfahren mussten. Denken wir an den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen (CDU), der der rechtsextremen AfD zu seiner Amtszeit noch Tipps gab, wie diese der Beobachtung durch eben jenen Verfassungsschutz entgehen kann und der sich heute in der sogenannten Werte-Union für ein Bündnis mit dieser, in großen Teilen, verfassungsfeindlichen Partei stark macht. Das Ganze wäre nur halb so schlimm, wenn er sich nicht auch ununterbrochen und vehement für den Kampf gegen einen vermeintlich grassierenden linken Terror stark machen würde, während rassistische und faschistoide „Einzeltäter“ reihenweise Morde begehen. Denken wir an Ursula von der Leyen, die aus Gründen der Demokratieförderung nicht selbst zur EU-Wahl antrat, sich dann aber im Zuge heimlich zusammengeschnürter Hinterzimmerseilschaften doch mal eben zur EU-Kommissionspräsidentin wählen ließ. Und das mithilfe der rechtpopulistischen PiS-Partei aus Polen und Orbáns ebenso fragwürdig ausgerichteter FIDEZ.

Und was wäre diese Aneinanderreihung wahrer Blindgänger ohne die amtierende Verteidigungsministerin und gescheiterte CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer? Zwar ist man aufgrund der gemeinsamen Herkunft und regionalen Gepflogenheiten im Saarland versucht, AKK eine gewisse Verwandtschaft zu Oskar Lafontaine und Erich Honecker zu unterstellen, politisch ist das Verhältnis jedoch alles andere als geschwisterlich. So setzt die Oberbefehlshaberin im Putzfrauentarnanzug schon mal die Linkspartei mit Faschismus oder auch Homosexualität mit Inzest gleich (ausgerechnet als Saarländerin!) und brilliert auch sonst beständig mit dem zarten Einfühlungsvermögen einer in Flammen stehenden, arsenge­tränkten mittelalterlichen Streitaxt. Bei so viel staatstragender Feingeistigkeit wäre die Kanzlerschaft geradezu selbstverständlich die nächste Sprosse der Karriereleiter gewesen, wenn der meiner Meinung nach geeignetere Kandidat Friedrich Merz, ein echter Verbrecher vom alten CDU-Schlag, ihr nicht doch noch in die Suppe gespritzt hätte. Das ist jedoch mit katastrophalen Folgen für die Trägerin zahlreicher Karnevalsauszeichnungen verbunden, denn nach alter saarländischer Tradition werden gescheiterte Wiederheimkehrerinnen öffentlich für das Besudeln der Familienehre geläutert, indem man ihnen eine Lyoner um den Hals hängt, sie mit Maggi übergießt und eine Woche bei den Schafen schlafen lässt, wie es der Brauch will.

Angesichts dieses kleinen Auszugs an spaßigen UnterhaltungspolitikerInnen – und die Liste ließe sich mit genug Zeit auch nahezu endlos erweitern – muss ich mir natürlich die Frage gefallen lassen, was ich mir erhoffe, mit meiner politischen Tätigkeit und letztlich auch diesem Buch, noch ausrichten zu können. Eigentlich ist doch bereits alles gesagt und die Wirklichkeit hat die Satire längst überholt. Ich kann also auch kaum noch die Realität überspitzt darstellen, ohne dazu ihren eigenen Windschatten zu nutzen und muss aufpassen, dass sie mich nicht am Ende sogar abhängt.

---ENDE DER LESEPROBE---