Biel - Alex Gfeller - E-Book

Biel E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Band 1: Biel (deutsch) Volume 2: Bienne (français) Band 3: Seeland (deutsch) Volume 4: Le Seeland (français) Band 5: Frienisberg (deutsch) Volume 6: Le Frienisberg (français) Band 7: Jura (deutsch) Volume 8: Le Jura (français)

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Seitenzahl: 34

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Ich gedenke Akiwa Hofmann.1

1 Akiwa Hofmann, 1919-1943, aus Visna Apsa, Tschechoslowakei, Hutmacher, im KZ ermordet.

Jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse, hoffe ich, niemanden anzutreffen, den oder die ich kenne, und in der Coop halte ich den Blick stur gesenkt. Ich weiche der infamen Frage „Wie geht’s?“ systematisch aus. Im Keller oder in der Garage des Hauses gehe ich schnell an den Leuten vorbei, als wäre ich in Eile. Daran erkennt natürlich jedermann auf den ersten Blick, dass ich ziemlich weggetreten bin. Mir egal, denn ich bin ja weggetreten. Weg sind die frühere Leutseligkeit, die Gesprächigkeit, die Offenherzigkeit und die anerzogene Freundlichkeit, sowie der ganze Scherz und Schalk, die mich früher so sehr geprägt haben.

Nicht einmal Leute, die mir ganz bestimmt immer noch freundlich gesinnt sind, möchte ich noch jemals antreffen. Ich bin ein stets dunkel gekleideter, unauffälliger Muffel geworden, den man am besten gar nicht erst zur Kenntnis nimmt, ein mürrischer, alter Trottel, der mit niemandem mehr spricht und niemanden mehr zu sprechen wünscht. Zudem wird mein Bart immer länger; mein Gesicht wächst langsam zu und wird auch immer länger. Könnte es sein, dass ich mich tatsächlich zusehends in mich selbst verkrieche oder bereits verkrochen habe? Dass ich mich allmählich bis zur Unscheinbarkeit zurückziehe?

In meinen Träumen taucht immer wieder ein eigenartiges Motiv auf: Fische. Zum Beispiel heute: Ich habe ein halbes Dutzend schöne, glänzende Fische gekauft, bunt gestreift und prächtig wie Korallenfische von der Größe von Forellen. Ich habe sie stolz in einen flachen Teller gelegt, damit man sie besser betrachten und bewundern kann. Aber in diesem Teller liegen sie bald einmal schon sehr lange, schon viel zu lange, also schon wochenlang, um ehrlich zu sein, und ich schaue sie verdutzt an und wundere mich, dass sie nicht schon längst verfault sind und stinken. Doch sie sehen zu meiner Überraschung immer noch frisch wie am ersten Tag aus. Im Traum überlege ich mir, wie ich sie am besten entsorgen könnte, denn ich gehe davon aus, dass man sie längst nicht mehr konsumieren kann, und ich mache mir im Traum Vorwürfe; ich sage mir, dass ich die Fische schon längst hätte entsorgen müssen. Aber wie? Ich halte nach einem geeigneten Plastiksack Ausschau, dann habe ich ihn bereits gefunden, denn ich habe vor, die Fische draußen in den großen Abfallcontainer zu werfen, wo sie weniger auffallen, wenn sie zu stinken beginnen sollten. Doch ich frage mich, ob nicht gerade dies auffallen würde im Quartier, ob dies nicht alle Katzen anziehen würde, oder ob ich damit nicht doch noch bis zu dem Tag zuwarten sollte, da die Kehrrichtabfuhr den Container leert. Gleichzeitig ärgere ich mich, dass ich sie nicht längst zubereitet habe; ich empfinde diese geplante Entsorgung völlig zu Recht als unverständliche Verschwendung.

Mein Vater hat bei seinem Besuch von seinem Vater erzählt: Die Familie ließ im Dorfladen jeweils alles anschreiben. Am Ende der Woche, wenn sein Vater, also mein Großvater, den Lohn vom Bauplatz in Bern oder vom Straßenbau im Moos nach Hause brachte, zählte er am Küchentisch die Schulden beim Krämer zusammen: Wenn das mehr ergab, als er hatte, pflegte er zu sagen: „Es hat keinen Sinn, das alles zu bezahlen; es reicht ja doch nicht für alles. Bezahlen wir halt auch diesmal nichts!“ Und mein Vater, als Knirps, der als Ältester mit dem viel zu großen Rucksack im Dorfladen einkaufen gehen musste, ließ sich vom Krämer hämisch verhöhnen: „Es gibt hier nichts mehr! Geh und sag deinem Vater, er soll zuerst seine Schulden bezahlen!“ Und mit leerem Rucksack kehrte der kleine Bub nach Hause zurück und kriegte dafür Prügel.

Somit schreite ich eigentlich recht hoffnungsfroh ins neue Jahr. Die Erwartungen sind jedenfalls viel erfreulicher denn je. Schon lange hatte ich nicht mehr die Gelegenheit gehabt, mich derart auf die Zukunft zu freuen; das ist bereits etwas, das ich gar nicht mehr gekannt habe. Ich werde in Zukunft sicher Schlaues tun, ganz bestimmt, ich weiß nur noch nicht, was es sein wird.