Blondinen in Opposition - Martina Bohr - E-Book

Blondinen in Opposition E-Book

Martina Bohr

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Beschreibung

Frisch (erzählt) vom Bauernhof Vorsicht! Rauch- und handyfreie Zone! In einer Zeit geschrieben, als es so etwas wie ein Handy noch nicht gab. Dafür hatten Blondinenwitze Hochkonjunktur. Wer nun glaubt, eine eingestaubte Geschichte zu lesen, der irrt!!! Der Leser merkt nicht, dass er in der Zeit ein wenig zurückversetzt wird. Denn all die Geschehnisse sind auf einem Bauernhof fast alltäglich? Selbst verbale Angriffe sind gerade in der heutigen Zeit schon beinahe an der Tagesordnung. Wenn der Bauer keine Söhne hat und es die Sendung Bauernhof sucht Schwiegersohn noch nicht gibt, dann müssen die Damen auf dem Hof zur Heugabel greifen. Wie in dieser Geschichte Gitti und Jutta, denen die Arbeit auf dem elterlichen Hof sehr viel Spaß bereitet. Kommt nun ein junger Mann dahergelaufen und äußert ganz ungeniert seine Meinung darüber, dass Frauen sich wohl kaum dazu eignen, einen Traktor zu fahren. Er seine Meinung darüber allerdings nicht ausschließlich an der Tatsache festmacht, dass Gitti eine Frau ist, vielmehr macht er sich darüber lustig, dass Gitti zudem auch noch blond ist. Jede blonde Leserin wird sich wünschen, dass Gockel Bernd endlich einmal Gittis Faust zu spüren bekommt. Bleiben Sie entspannt. Spätestens dann, wenn Gitti mit der Unterstützung ihrer Freunde zum Gegenschlag ausholt, um Gockel Bernd Beine zu machen, haben alle Blondinen endlich auch einmal etwas zu lachen. Gitti und ihre Schwester sind nicht nur schlagfertig, sie sind auch wortgewandt und beherrschen neben der Muttersprache noch die Hühnersprache. Eine Geschichte für Jung und Alt, egal welche Haarfarbe Mann oder Frau gerade hat. Sehr humorvoll geschrieben und frisch vom Bauernhof.

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Neuauflage

Martina Bohr (ehem. Mußmann) Erstmals veröffentlicht 2013 Neu überarbeitet: 2024 Layout Buchcover: Martina Bohr Alle Rechte verbleiben bei der Autorin. Jede Form der Vervielfältigung ohne Genehmigung der Autorin ist nicht gestattet. Cover Foto Hahn: fotolia.de

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 1

An einem heißen Samstagnachmittag im Mai schlenderte ich durch unsere kleine Stadt. Die schmalen Gassen waren kühl und schattig. Durch die Sohlen meiner Sandalen spürte ich die Unebenheit des Kopfsteinpflasters. Nach einigen hundert Metern brannten meine Füße unter dem zusätzlichen Einfluss der Hitze.

Die Geschäftsöffnungszeiten waren an diesem Samstag verlängert. Seit Ewigkeiten hatte ich einmal wieder einen freien Tag. Die Kauflust zog mich nicht in die Stadt, ich wollte einfach mal wieder bummeln gehen. Ich liebte es, vor dem Rathaus zu sitzen, einen Becher Eis zu essen und mir dabei die vielen Passanten anzuschauen.

Als ich so darüber nachdachte, kürzte ich meinen Bummel durch die City ab und nahm direkt Kurs auf den Rathausplatz. Kurz bevor ich ihn erreichte, dröhnten Musik und ein Sprechgesang an meine Ohren. Dort angekommen, bot sich mir ein buntes Bild. Auf dem sonst so ruhigen Platz hatte sich eine Menschentraube rund um den Brunnen gebildet. Ich konnte nicht erkennen, was der Anlass für diesen Massenauflauf war. Schaulustige versperrten mir die Sicht auf die Mitte des Platzes. Ich reckte meinen Hals und hoffte so, besser sehen zu können. Dabei kam ich einem älteren Herrn zu nahe.

Sein Ellenbogen erwischte meinen Brustkorb mit einer solchen Wucht und Heftigkeit, dass ich einen Meter weiter auf meinem Po landete. Jetzt war meine Neugier noch mehr gewachsen. Während ich einen geeigneten Platz suchte, fragte ich eine Dame neben mir, ob es sich hier um eine besondere Veranstaltung handele?

Sie allerdings sah mich nur an, dann deutete sie mit ihrer Hand auf meinen Kopf und grinste breit. Ich strich unsicher über mein Haar, da fühlte ich nichts Ungewöhnliches und ersparte mir noch weiter nachzuhaken.

Der Rathausplatz wurde an einer Seite von einer Mauer eingefasst, ich arbeitete mich durch die grölende Menschenmenge, bis ich endlich davorstand. Mir war heiß und wenn ich gewusst hätte, dass es mir heute so schwer gemacht werden würde, ein Eis zu essen, dann wäre ich zu Hause geblieben.

Den Eisschrank zu Hause hätte ich über die Terrasse ohne Hindernisse schneller erreicht. Auf der Mauer saßen schon junge Leute, sie waren ungefähr in meinem Alter. Hier werde ich mir einen Sitzplatz ergattern. Notgedrungen würde ich den Ellenbogentrick anwenden, den hatte ich ja gerade erst gelernt.

Als ich nach einer freien Stelle auf der Mauer Ausschau hielt, schauten die jungen Leute eigenartig auf mich herunter.

Ich dachte: Steht hinter mir etwa ein Elefant, schaute mich um, da ist nichts! Die „Mauerhocker“ sahen, wie ich mich unsicher umschaute und meine Nase befühlte, dann lachten sie schadenfroh. Haha! dachte ich, die meinten mich.

Ziemlich sauer darüber, von fremden Menschen so ausgelacht zu werden, fragte ich patzig: „Was ist? Hä, hab ich Farbkleckse im Gesicht oder eine lange Nase, wie Pinocchio? Oder warum lacht ihr so bescheuert?“

„Nö!“, antwortete ein junger Mann. Indem er mir die Hand reichte, forderte er mich auf, mich zu ihnen zu gesellen. Ich nahm seine Hilfe dankend an und mit einem Ruck saß ich auf der Mauer. Der junge Mann legte seinen Arm um mich und zeigte mit dem Finger, der echt lang war, auf die Mitte des Rathausplatzes.

Ich folgte mit zusammengekniffenen Augen, der mir angezeigten Richtung. Nun erkannte ich, was sich dort abspielte. Zeitgleich wünschte ich mir schon zum zweiten Male, ich wäre heute daheim geblieben.

Niemals hatten mich Blondinenwitze gestört. Oft genug lachte auch ich darüber und erzählen konnte ich sie auch.

Doch was ich hier sah, machte mich sprachlos. Vielleicht hätte ich laut losgelacht, wenn, ja, wenn ich nicht selber blond wäre.

Meine Fragen im Kopf, stifteten augenblicklich ein Durcheinander, Was war hier nur los? Hätte mich nicht jemand vorwarnen können? Wie kam es zu dieser Demo?

Ich wusste nämlich, zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es sich bei dieser Veranstaltung lediglich um eine Abschlussfeier von Abiturientinnen handelte.

Erst musste ich kräftig schlucken, dann habe ich meine Augen einmal fest geschlossen, als ich sie wieder öffnete, war das Bild dennoch nicht verschwunden, also war das hier auch kein Traum. Vor meinen Augen tat sich das Bild einer tanzenden Gruppe von blonden Frauen auf, dazu sangen sie Parolen. Der junge Mann, dessen Arm nach wie vor auf meiner Schulter lag, um mir mit seinem Finger die Blickrichtung anzuzeigen, sprach in mein Ohr: „Das sind Abiturientinnen, alle haben sich die Haare blondiert und unter dem Motto >auch blond schafft Abitur< diesen Aufmarsch organisiert, cool, oder?“

Sie alle trugen ein weißes T-Shirt, auf dem stand, Sprich langsam, ich bin blond! Blondinen in allen Größen und Formen. Zu fetziger Musik tanzten sie. Hielten Schilder, wie bei einer Demo hoch, auf denen standen Parolen wie, Wir protestieren gegen alle, die sich blondieren – nur wir sind echt, eure Witze sind echt schlecht!“ Ein weiteres, Bist du blond, hast du Chancen bei James Bond oder brünett und schwarz ist öd, blond ist gar nicht blöd!

Alle Damen sangen nun die erste Parole laut. Ohne Text hätte mir die Choreografie dazu sogar gefallen können, in diesem Zusammenhang allerdings, konnte ich das alles nicht gutheißen.

Mein Hang zum Artenschutz breitete sich plötzlich auf die Spezies blonder Frauen aus. Die Menschenmenge applaudierte und jubelte der blonden Gruppe zu. Da saß ich nun, als Blondine zwischen dunkelhaarigen Männern und Frauen, einige schauten provokativ zu mir herüber, einmal sah es so aus als hätten plötzlich alle einen Blondinenwitz parat, oder als warteten sie auf eine Reaktion von mir. Ich blieb ganz ruhig und hoffte auf eine Chance, der ganzen Situation unauffällig zu entfliehen. Jetzt mit zu jubeln und zu applaudieren fand ich irgendwie unpassend.

Oder sollte ich nun etwas sagen oder unternehmen, womit keiner rechnen würde. Von der Mauer hopsen und einfach abhauen, war mein erster Wunsch und schien mir hier die einfachste Lösung. Ein weiterer Wunsch, der nun auch die Mehrzahl meiner inneren Stimmen erhielt, war der, dass ich den jungen Mann neben mir gerne näher kennenlernen wollte. Vorsichtig schaute ich nach links und nach rechts, lächelte verkrampft und fragte mutig: „Kennt ihr den schon? Treffen sich zwei Blondinen …“, mit diesen Worten entschloss ich mich nun doch zu meinem Abflug, von der Mauer.

Just in dem Moment, als ich abheben wollte, hielt mich der junge Mann am Arm und lachte mir ins Gesicht. „Willst du nicht noch ein bisschen bleiben, bis sich der Menschenknoten da unten aufgelöst hat? Ich habe mich noch nicht vorgestellt, ich bin Ralf und wie heißt du?“ „Gitti 007 Blond! Freunde nennen mich auch kurz Gitti“, sagte ich mit verstellter Bondstimme. „Gut 007 Blond, wie wäre es, darf ich dich auf ein kühles Blondes, autsch, kühles Bier, meine ich natürlich, einladen?“ Dabei lachte er und sein charmantes Lächeln traf mich so, dass meine Knie, obwohl ich nicht stand, ganz weich wurden.

Ich stotterte: „Weiß nicht, vielleicht heut nicht grad, ich müsste da noch was erledigen.“

Nun lacht der schon wieder. So hat mich noch kein Mann angelacht, Wahnsinn!

Dann fragte er mit Nachdruck: „Heute nicht? Dann eben an einem anderen Tag?“

Wie gerne hätte ich ihn unter anderen Umständen kennengelernt. Liebe nach dem zweiten Lächeln? Mein Kopfkino spielte schon den Liebesfilm ab, den ich mir mit ihm vorstellte. Mir wurde heiß. Das lag wohl an den Temperaturen.

Ich hatte nun Bedenken, er könnte spüren, was mir durch den Kopf ging. Dann lächelte ich so charmant zurück, wie es mir im Moment möglich war. Da man so etwas auch nicht vor dem Spiegel übt, sah es bestimmt total lächerlich aus.

Endlich bahnte sich der Blondinenzug einen Weg durch die Menschenmenge, gefolgt von einigen Zuschauern.

Die Versammlung löste sich langsam auf. Ich saß noch auf der Mauer, wollte jetzt auch nicht mehr fort, an meiner Seite saß ja noch der nette Ralf, mit dem zauberhaftesten Lächeln von der Welt. Nein, es war nicht von dieser Welt und ich drohte auch schon meiner Welt zu entrücken, vor lauter Entzücken. Wie bekam ich nun seine Telefonnummer, ohne direkt so freiheraus danach zu fragen? Natürlich hatte ich nichts zu erledigen. Diese Ausrede brauchte ich, weil ich so verschwitzt, wie ich war, nirgends hingehen konnte und mit ihm dann schon gar nicht. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der Aufmarsch der Blondinen hatte mich ganz schön verwirrt, oder war es Ralf? Wie gern würde ich ihn einfach einpacken und mitnehmen.

Was sollte ich auch ausgerechnet heute in der Stadt? Ich sah mich schon zwischen den vielen Menschen, die den ganzen Abend Blondinenwitze erzählten. Nein danke! Nach der Veranstaltung, die hier soeben stattfand, war es wohl offensichtlich, dass das Haupt-Gesprächs-Thema der Aufmarsch der „Blondinen in Opposition“ sein würde, und heute dürfte sich bestimmt jeder über eine Blondine lustig machen.

Diese Wahrscheinlichkeit war für mich im Moment auf jeden Fall größer, als die Wahrscheinlichkeit, dass mein Wunsch, mit Ralf allein zu sein, in Erfüllung gehen könnte.

Als ich aus meinen Gedanken aufblickte, saßen nur Ralf und ich auf der Mauer. Er hakte sich bei mir unter und wir hüpften gemeinsam von derselben.

Noch immer untergehakt, schlenderten wir die Fußgängerzone entlang. Ganz beiläufig fragte er: „Was hast du denn heute noch vor?“

„Ich muss die Kühe melken.“, diese Antwort rutschte einfach so spontan aus mir heraus, im selben Moment bereute ich meine Aussage. Dass er nun denken könne, ich sei eine Landwirtin, beeinflusste vielleicht unsere weitere gemeinsame Entwicklung.

Denn das Zucken seiner Gesichtsmuskeln war mir nicht entgangen. Seinem Gesichtsausdruck nach dachte er wohl, ich hätte einen Scherz gemacht und fragte leicht irritiert: „Wie jetzt, du musst die Kühe melken?“

Da es jetzt eh schon so aussah, als würde er sich über meine bevorstehende Tätigkeit amüsieren, schien es, als hätte ich nichts weiter zu verlieren.

Daher posaunte ich auch gleich heraus: „Wer nix wird, wird Wirt und ich, lieber Ralf, hab’s zumindest bis zum Landwirt geschafft und die müssen ab und an auch mal die Kühe melken. Wusstest du das nicht?“, dabei sah ich ihn übertrieben mitleidig an.

„Ha“, lachte er, „das glaube ich nicht, so wie du aussiehst, arbeitest du doch nicht auf einem Bauernhof?“

„Ach nein?“ Er hatte Glück, dass er so zauberhaft aussah, ansonsten hätte mich seine Aussage geärgert. Wie sieht denn jemand aus, der auf einem Bauernhof arbeitet. Wie meint er das? Hat er vielleicht ein Problem damit, dass ich Landwirtin bin. Ich schaute ihn fragend an, teilte ihm meine Gedanken aber nicht mit.

„Und was treibt dich in die Stadt?“, fragte er weiter.

„Ich war auf dem Weg zum Friseur, wollte mir die Haare schwarz färben, und so“, antwortete ich kess.

„Du bist echt schlagfertig, das gefällt mir. Im Übrigen wäre es schön, wenn du so bleiben könntest, wie du bist, denn so gefällst du mir nämlich, wenn ich das sagen darf?“, lächelte er wieder.

Schmelz, klar darf er das sagen. Mehr davon.

„Leg noch ein paar Komplimente drauf, wenn du magst und dir noch mehr einfallen. Ich bin da ganz offen, weißt du.

In meinem Kopf ist viel Platz, also her damit, bis mein blondes Köpfchen raucht“, sagte ich lachend, neckisch fügte ich hinzu: „Zudem hast du Glück, dass ich mir auch so gefalle, wie ich bin. Für einen Friseurbesuch ist es heute eh viel zu warm.“

„Schade, dass du jetzt keine Zeit hast, länger zu bleiben, ich würde gerne noch den ganzen Nachmittag mit dir verbringen. Deine Art verspricht auf jeden Fall, dass es ein amüsanter Nachmittag werden könnte.“

Während er, wie ein junger Hund vor mir her hopste bettelte er weiter: „Kannst du nicht ein paar Wichtelmänner bestellen, die die Kühe melken? Bitte! Bitte!

Außerdem passen die zum Melken auch besser unter die Kühe.“

„Pah, du bist ja ein Witzbold, das geht nicht! Die Wichtel haben Urlaub und kommen erst zur Heuernte zurück. Tut mir leid.“

„Ah“, sagte er, als hätte er eine geniale Idee, „wie lange dauert denn so eine Aktion, könnte es sein, dass dich die Kühe zum Abend wieder frei geben oder hast du heute Abend schon etwas vor?“, mit den Worten hakte er sich wieder bei mir ein und schaute mir von der Seite demonstrativ ins Gesicht, sodass ich seinem Blick nicht ausweichen konnte.

Ich löste mich von seinem Arm. Ging mir das jetzt zu schnell? dachte ich. Nein! Ich hatte gehofft er würde mich das fragen und nun wusste ich nicht, was ich sagen sollte, denn augenblicklich platzierte sich ein Frosch in meinem Hals und ich brauchte für meine Antwort zwei Anläufe. Schließlich stotterte ich: „Nein, eigentlich nicht, ich habe mir noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht gehe ich noch spontan aus. Warum fragst du?“

„Mein Freund Bernd hat heute Geburtstag und ich würde dich nur zu gerne mit zu seiner Fete nehmen“, sagte er ganz gelassen, als würden wir uns schon lange kennen.

Eigentlich war das keine schlechte Idee, dazu wäre es eine gute Möglichkeit sein Umfeld abzuleuchten und ihn bei der Gelegenheit auch näher kennenzulernen. Zudem schien es mir, als sei der Besuch einer privaten Party heute genau das Richtige, um dem Stadttrubel, der zu erwarten war, zu entkommen.

Ungläubig fragte ich ihn: „Kann ich denn da einfach so mitkommen?“ „Klar, jeder darf seinen Partner mitbringen!“

„Ja, hat denn deine Partnerin keine Zeit?!“, fragte ich gespielt naiv.

„Nein“, grinste Ralf und zog die Augenbrauen hoch, „bis jetzt weigert sie sich noch, weil sie den Abend lieber im Kuhstall verbringen möchte, befürchte ich.“

Oh man, das halte ich nicht aus, dachte ich bei mir, dieses Lachen.

„Ha, ich bin aber nicht deine Partnerin?!“, rief ich aus, als hätte ich im Quiz die Antwort zuerst gewusst. Dabei schaute ich ihn mit Dackelblick fragend an.

„Was nicht ist, kann ja noch werden!“, neckte er. Mein Herz klopfte mir augenblicklich bis zum Hals. Ich hatte das Gefühl, ganz schnell antworten zu müssen, damit er es sich nicht anders überlegen würde. Also sagte ich spontan: „Okay, du hast gewonnen. Die Kühe können auch einmal ohne ein Schlaflied von mir auskommen. Wo sollen wir uns treffen?“

„Wir treffen uns gar nicht, ich würde dich gerne von zu Hause abholen. Dann kannst du mir nach der Party nicht einfach so entwischen, wie es das Aschenputtel vor Jaaahren mit dem Prinzen gemacht hat. Du kannst dich vielleicht noch an die Geschichte erinnern?“

„Ja klaro, das hat doch fett in der Zeitung gestanden. Alle Welt hat darübergeschrieben und gesprochen, sogar heute erzählt man sich noch diese Geschichte vom Aschendingsmädel Brödel, meine ich“, erwiderte ich im theatralischen Tonfall, „ich begrüße es zudem auch, dass du mich abholen möchtest. Du kennst ja meine Trinkgewohnheiten nicht, vielleicht weiß ich nach zwei Stunden schon gar nicht mehr, wo ich wohne?!“ Dann gab ich ihm meine Adresse und meine Telefonnummer. Wir verabschiedeten uns etwas zögerlich, ja fast schon schüchtern voneinander.

Am Parkplatz angekommen, stieg ich in mein Auto, drehte das Radio sofort lauter, sie spielten „Am Fenster“ von City.

So fuhr ich in Gedanken an Ralf nach Hause und stellte mir die Frage: Habe ich das alles nur geträumt? Wenn nicht, wie könnte das mit uns dann weitergehen? Eine Antwort darauf fand ich nicht. Stattdessen sang ich den Refrain des Liedes mit und klopfte im Takt zur Musik auf meinem Lenkrad. „Hoho dubbidubidei, lalalalalei lalalalei, Hey, lalala, Hey lalala…“

Kapitel 2

Auf unserem Hof angekommen, begrüßte mich meine jüngere Schwester Jutta freudestrahlend. Sie war meine Lieblingsschwester, was nicht wirklich verwundern dürfte, da sie meine einzige Schwester war.

„Ist etwas passiert in der Stadt?“, fragte sie neckisch.

„Wieso?“, fragte ich zurück mit heller Stimme, als hätte man mich bei irgendetwas erwischt. „Ach, du hast so etwas Verträumtes im Gesicht.“

„Hör bloß damit auf, ich habe heute schon einmal geglaubt, ich hätte etwas im Gesicht!“, schimpfte ich. Jutta fütterte gerade die Schweine, und mit meinen letzten Worten verschwand sie im Stall.

Manchmal übernahm Jutta einige Arbeiten auf dem Hof, damit ich, so wie heute auch einmal Zeit für mich hatte. Sie machte das gerne und sah die Arbeit als angenehme Abwechslung und als Ausgleich zu ihrem doch zeitweise sehr stressigen Beruf als medizinischtechnische Assistentin.

Meine Eltern arbeiteten auch auf unserem Hof. Zusätzlich bot mein Vater den Bauern im umliegenden Kreis seine Dienste als Lohnunternehmer an. Meine Mutter organisierte die Auslieferungen unserer Milch, dem eigens angebauten Gemüse und den Verkauf in unserem kleinen Hofladen. Alleine könnte ich die anfallende Arbeit auf unserem Hof nicht bewältigen.

Zudem wurden wir von unseren Mitarbeitern unterstützt. Einige kamen nur für die Erntezeit, andere waren das ganz Jahr über bei uns beschäftigt. Mein Vater hatte diesen Hof gekauft, als er ungefähr in meinem Alter gewesen war. Meine Mutter wuchs auch auf einem Bauernhof auf.

Gemeinsam hatten sie hier ganz klein angefangen. Mein Vater hatte anderen Landwirten seinen Dienst als Lohnunternehmer angeboten. Er investierte ein kleines Vermögen in moderne Landmaschinen. Denn die meisten Landwirte in dieser Gegend besaßen keine eigenen Mähdrescher, Heuwender, Pressen, Förderbänder und Gebläseanlagen, daher waren sie auf die Unterstützung meines Vaters angewiesen. Zusätzlich renovierte er die große Scheune auf dem Hof, diese diente nun als Heu- und Strohlager und als Lager für Silageballen. In der Umgebung lebten viele Pferdeliebhaber, die auch heute noch froh waren, dass wir sie mit Heu versorgten.