Blutroter Stahl -  - E-Book

Blutroter Stahl E-Book

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Beschreibung

Wir sind der Schrecken im Auge unserer Feinde. Wir sind das Wispern ihrer verlorenen Seelen. Wir sind Blut und Stahl. Möget ihr unsere Namen auch vergessen, unsere Taten leben ewig! Diese spannende Kurzgeschichtensammlung bietet einen einmaligen Einblick in die vielfältige deutschsprachige Fantasy-Szene. Neue Talente und bekannten Größen der schreibenden Zunft präsentieren fantastische Geschichten aus dem sog. "Sword & Sorcery" Genre. In 18 Kurzgeschichten treffen martialische Elemente auf klassische und düstere Fantasy. Mit Geschichten von Anja Bagus, B.C. Boldt, Tom Daut, Torsten Exter, Marc Geiger, Christian Günther, Peter Hohmann, Daniel Isberner, Mike Krzywik-Groß, Thorsten Küper, Gloria H. Manderfeld, Kay Noa, Christel Scheja, Judith & Christian Vogt, Florian Wehner, Dominik Schmeller, Jörg Benne, Mario Steinmetz und Karl-Heinz Zapf.

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BLUTROTER STAHLSWORD & SORCERY-ANTHOLOGIE

Herausgeber:André Skora, Michael Quay und Ingo Schulze

Überarbeitete Neuauflage

Veröffentlicht durch denMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYKFrankfurt am Main 2018www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen AusgabeMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Lektorat & Korrektorat: Anja KodaSatz: Karl-Heinz ZapfCovergestaltung: Begovic & Matthias Lück

VP: 205-138-01-03-0618

eISBN: 978-3-96188-045-4

André Skora,

Ingo Schulze &Michael Quay (Hrsg.)

BLUTROTERSTAHL

Roman

INHALTSVERZEICHNIS

Christian Günther: In den Wäldern so still

Anja Bagus: Das letzte Lied

Judith & Christian Vogt: Das Geheimnis des Stahls

Thorsten Küper: Finde Frieden unter den geborstenen Monden

B. C. Bolt: Die Rosine im Kuchen

Marc Geiger: Die träumende Stadt

Kay Noa: Treue

Tom Daut: Die letzte Schlacht

Gloria H. Manderfeld: (K)ein Held für einen Tag

Daniel Isberner: Die Rache

Christel Scheja: Der Weg einer Königin

Florian Wehner: Wiedergeburt

Mike Krzywik-Groß: Der Krähenkönig

Peter Hohmann: Blutstein

Torsten Exter: Die Welle der Meeresbiester

Dominik Schmeller: Ein wahrer Waræger

Mario Steinmetz: Die Nadel

Jörg Benne: Tulmirs Dämonen

Karl-Heinz Zapf: Im bleichen Licht des Mondes

CHRISTIAN GÜNTHER

In den Wäldern so still

Dem ersten der Spektren, deren dunkle Schemen sich aus dem Nebel schälten, rammte Gor den Schaft seiner Axt vor den Kehlkopf. Ein unirdisches Kreischen ertönte, bevor Gor die Waffe in einem großen Bogen schwang und mit dem rot glühenden Blatt den Schädel der Kreatur zerteilte. Mit einem schauerlichen Stöhnen verwehte ihr Leib zu glitzerndem Staub. Einen Wimpernschlag lang herrschte Stille, die gleich darauf vom anschwellenden Wehklagen der übrigen Spektren vertrieben wurde.

Wirbelnd entstiegen diese der weißen Wand, die Gor mittlerweile vollständig eingeschlossen hatte. Mal silbrig schimmernd und weiße Funken sprühend, mal von entsetzlicher, geradezu alles verzehrender Dunkelheit. Haut wie zerrissenes Papier, Münder, aus denen schwarzer Rauch wich. Hände griffen aus dem Weiß, entstellt, verstümmelt, tasteten sich vorwärts.

Zorn mischte sich in den Trauergesang, das Gekreische wurde ohrenbetäubend. Die Stämme der umliegenden Bäume erzitterten, Laub fiel. Der Tümpel, an dessen Ufer Gor stand, vibrierte, das Wasser aufgewühlt. Der Hüne machte sich bereit für die nächste Attacke, prüfte seinen Stand auf dem moosigen Boden, griff die Axt fester. Wenn sie gleichzeitig angriffen, wäre es nicht mehr so leicht wie beim ersten Mal. Nicht, dass er den Geistern eine Chance zubilligte, trotzdem würde es mehr Mühe kosten. Gor spie auf den Boden und verfluchte den Händler, der ihm die Abkürzung durch diesen verdammten Wald empfohlen hatte.

Dann griffen sie an.

Die Luft in der Gaststube war stickig, es roch nach gekochtem Fleisch und schalem Bier. Dazu mischten sich die Ausdünstungen der Menschen, die hier Schutz gesucht hatten. Die angsterfüllte Stimmung hing so schwer zwischen ihnen wie die Gerüche aus der Küche in ihren Kleidern. Dunst waberte unter dem geschwärzten Deckengebälk, feuchte Wärme, Stimmengewirr. Heldengeschichten wurden lautstark feilgeboten, Erzählungen von Mut und Entschlossenheit sollten die trübe Stimmung vertreiben. Doch mit jedem schrillen Schrei, der aus dem umgebenden Wald drang, wuchs die Furcht in ihren Herzen. Ein Händler mit mächtigem Bauch versuchte sich am Gesang. Einige Gäste stimmten ein, doch schon beim nächsten Gekreisch zwischen den Ästen erstarb die Melodie auf den Lippen der Singenden.

Per, der Wirt, hatte drei Händler gezählt, die hier nacheinander kurz vor Einbruch der Dunkelheit eingekehrt waren. Zwei von ihnen kannte er flüchtig, sie waren schon öfter bei ihm zu Gast gewesen. Nur die Zahl ihrer Wachen war gewachsen. Der dritte Händler schien mit seiner ganzen Familie unterwegs zu sein, vielleicht waren sie auch auf der Flucht. Dieser Wald trieb die Menschen vor sich her wie eine Herde Vieh, während er sich unaufhaltsam über das Land ausbreitete und Feld für Feld verschlang. Niemand hatte ihm bislang Einhalt gebieten können – wie sollte man auch einen Wald bekämpfen? Feuer versiegte rasch in seinem feuchten Schoß, und aus der Asche wuchsen neue Bäume, noch schneller als zuvor. Bald würde auch der Gasthof von Per vom Wald verschlungen werden, schon jetzt drückten schwere Äste sein Dach ein, Moos bedeckte die Außenwände, und die Straße war gesprengt von mächtigen Wurzeln.

Als Letztes war ein junges Paar eingetroffen, das jetzt eng aneinandergeschmiegt direkt neben der Feuerstelle saß. Die Wärme konnte jedoch das Zittern des Mädchens nicht vertreiben.

Per waren die bemerkenswert guten Pferde aufgefallen, auf denen sie eingetroffen waren. Er war neugierig – vielleicht die Sprösslinge wohlhabender Eltern, denen ihre Liebschaft nicht recht war? Die sich jetzt zur Flucht entschlossen hatten, fort aus dem Schoß ihrer Familien? Per seufzte innerlich – er mochte solch romantische Geschichten, lieber noch als die ewigen Berichte von Schlachten und Gemetzel seiner üblichen Gäste, die sich im Nachhinein meist als Schilderungen gewöhnlicher Wirtshausprügeleien entpuppten. Wer wirklich einmal das Grauen der Schlachtfelder erlebt hatte und ihm lebend entronnen war, sprach für gewöhnlich nicht gern darüber.

Per rann der Schweiß von der kahlen Stirn, während er sein würziges Bier in große Krüge zapfte. Er verzichtete heute darauf, es mit Wasser zu verdünnen. Stattdessen hatte er Holsen, seinen Küchenjungen, der inzwischen auch als Koch und Stallbursche fungierte, angewiesen, eine Extraportion Salz ins Essen zu geben, um den Durst der Gäste zu befeuern.

Einer der Wachleute, die mit dem ersten der Händlerwagen eingetroffen waren, lehnte am Tresen und sah ihm bei seiner Arbeit zu. Voller Bart, dunkle Augen, wettergegerbtes Gesicht.

»Was führt Euch hierher?«, fragte der Wirt ihn. »Die meisten Händler fahren inzwischen weiter westlich, die neue Straße entlang. Hier treibt sich eigentlich nur noch allerhand Gesindel herum.«

Der Wachmann brummte, zuckte die Schultern und nahm einen tiefen Zug aus seinem Krug. Schaum blieb im Bart zurück, als er das Bier wieder absetzte. »Wir fürchten keine Straßenräuber.« Wieder erklang ein Schrei aus dem Wald.

Per zuckte zusammen. »Und das – fürchtet Ihr das? Oder könnt Ihr zumindest sagen, was es ist?«

»Nein«, sagte der Mann nur, Per wusste nicht, auf welche seiner Fragen sich diese Antwort bezog. Er stellte einen vollen Krug auf dem Tresen bereit und nahm einen leeren zur Hand.

Der Wachmann trank aus und schob dem Wirt seinen Krug hinüber. »Euer salziges Essen macht durstig.« Per meinte, ein breites Grinsen unter dem Bart zu erkennen, und lächelte schmallippig zurück. Schnell füllte er den Krug des Mannes und reichte ihn zurück über den Tresen. »Geht aufs Haus.«

Das Grinsen des Mannes wurde eine Spur breiter, verschwand jedoch augenblicklich, als weiteres Geschrei von ferne erklang. Er prostete dem Wirt zu und ging dann wieder an seinen Tisch zurück. Per zapfte einen weiteren Krug, dann ging er nach hinten und gab seinem Küchenjungen Bescheid, es mit dem Salz nicht zu übertreiben.

Es war Pers Glück, dass Holsen sich so geschickt in der Küche anstellte. Er hatte seine Köchin entlassen müssen, ebenso wie die Schankmädchen und den grimmigen Kerl, der seinen Stall betreut hatte. Holsen hatte seine Finger zuletzt ohnehin mehr unter dem Rock der Köchin gehabt als bei der Arbeit – aber offenbar hatte er neben Liebeskünsten auch etwas Sinnvolles von ihr gelernt.

Doch was nutzte es – sehr bald musste sich Per auch von ihm trennen und konnte nur noch zusehen, wie die Bäume sein altes Haus zerdrückten und das Unterholz die Trümmer überwuchern würde.

Per betrachtete das junge Paar, als er an seinem Tisch das Geschirr einsammelte. Sie trugen verschmutzte Kleider, unter dem Staub glitzerte die goldene Stickerei eines Wappens hervor. Eine Brokatbordüre baumelte zerfasert herab. Das Mädchen umklammerte ein Amulett. Vielleicht hatte Per recht mit seiner Vermutung. Doch er wagte nicht, sie zu fragen.

Die Hände des Jungen zitterten nicht weniger als die seiner Geliebten. Sicher fürchtete er sich, doch darin unterschied er sich nicht viel von den sonstigen Gästen. Auch erfahrene Haudegen waren von den durchdringenden Schreien verunsichert. Die Wachen der Händler sangen lauter als sonst, bekämpften ihre Nervosität mit Lärm und Alkohol. Ihr Lachen wurde wilder, die Geschichten, die sie erzählten, wurden konfuser und immer übertriebener.

Ein Schauer erfasste Per, als erneut ein Schrei durch die Äste drang, gefolgt vom fernen Echo vieler weiterer. Ein schrecklicher Klang, der sich direkt durch die Wände des Hauses in die furchtsamen Herzen der Menschen fraß. Einige hatten von Geisterlichtern erzählt, von Schemen, die jenseits der Straße zwischen den Bäumen umherhuschten. Stimmen, Kreischen. Die Händler hatten schon blass ausgesehen, als sie hier angekommen waren. Per konnte sich nur auf die Erzählungen der Gäste verlassen, er hatte keine Zeit gehabt, selbst nachzusehen. Doch das Geschrei war nicht zu überhören.

»Es hat aufgehört«, sagte jemand erleichtert.

Per drehte sich um, sah einen der Händler, der nun einen tiefen Zug von seinem Bier nahm. »Endlich.« Nervöses Lachen, einige versuchten, nach draußen zu lauschen. Alle Geschichten und Erzählungen waren für den Moment beendet.

Tatsächlich – das Flüstern, Klagen und Schreien war verebbt. Stille herrschte im Wald.

Stille, die nun von Schritten unterbrochen wurde, die sich dem Gasthaus näherten. Schwere Stiefel.

Der große Hund eines Händlers, der bisher träge vor dem Feuer geschlafen hatte, erhob sich mit eingeklemmtem Schwanz und begann zu winseln. Die Wachleute wechselten nervöse Blicke. Der Bärtige erhob sich, lockerte das Schwert in der Scheide auf seinem Rücken.

Per schluckte.

Donnernde Schläge ließen die Tür erzittern. Einige der Gäste blickten zu Per, als wollten sie ihm die Entscheidung überlassen, ob geöffnet werden sollte oder nicht.

Seine Hände wrangen nervös die Schürze. »Wer ist da?«, rief er.

Ein knurrender Laut erklang von jenseits der Tür.

Ein untersetzter, feister Mann, der trotz der Wärme im Raum noch immer seine Wolljacke trug, klagte mit dünner Stimme: »Öffnet bloß nicht – wir werden alle sterben!« Er konnte nicht länger verhehlen, wie sehr er sich fürchtete. Ärgerliche Blicke wurden ihm zugeworfen.

»Halt dein Maul!«, rief einer.

»Buchhalterschwächling!«, ein anderer.

Der Mann, der sich bei seinem Ausbruch erhoben hatte, sank wieder auf den Schemel zurück. Sein Nebenmann klopfte ihm beschwichtigend auf die Schulter und schob ihm einen Krug zu. Der Protestierer fügte sich, ertränkte seinen Widerstand mit einem tiefen Schluck.

Nach kurzem Zögern schritt Per auf die Eingangstür zu und machte sich daran, den schweren Riegel zur Seite zu schieben. Geister klopfen nicht an Türen, sagte er sich.

Kurz entschlossen ließ er den Riegel zu Boden poltern, zog die Tür auf und trat einen Schritt zurück.

Alle Anwesenden starrten nun zur Tür, außer dem jungen Mädchen, sie hatte ihr hübsches Gesicht abgewandt und presste es gegen die Schulter ihres Begleiters. Der strich ihr unbeholfen über das Haar und führte mit der anderen einen Schnaps zum Mund.

Der Hund bellte einige Male aufgeregt, gab sich dann jedoch wieder dem kläglichen Winseln hin und verkroch sich unter einem Tisch zwischen den Beinen seines Besitzers.

Einige Blätter wehten herein, und mit ihnen trat eine hünenhafte Gestalt durch den Türrahmen. Der Koloss musste sich bücken, seine Schultern waren so breit, dass sie die geschwärzten Bohlen des Rahmens auf beiden Seiten streiften, als er eintrat. Drinnen richtete er sich auf und stieß fast mit dem Kopf gegen die Deckenbalken. In seiner rechten Hand ruhte eine schwere Axt, die er direkt unter dem Blatt gefasst hatte. Ihr Stiel war so lang wie der eines Besens und so dick wie der Unterarm eines kräftigen Mannes. Über seinen Schultern trug er einen schweren Umhang aus dunklem Fell. Sein Kopf war kahl, sehr kantig und blass, die Haut überzogen von bläulich schimmernden Tätowierungen, winzige Zeichen, die Muster, Strudel und Spiralen bildeten, ein Irrgarten aus Schrift. Er war im Schein der Lampen, die in der Gaststube verteilt hingen, nur schwer zu erkennen, doch auf seiner Kleidung, seiner Waffe und auch seinem Gesicht glitzerte silbriger Staub, der unter ihm zu Boden rieselte.

Niemand sprach ein Wort, die gesamte Gaststube war in Furcht erstarrt. Da erhob der Neuankömmling seine tief dröhnende Stimme.

»Zwölf erledigt, die anderen sind fort. In den Wald. Weiß nicht wie lange.« Er deutete mit dem Finger auf Per, der ihm am nächsten stand. »Durst.«

Per nickte und machte sich eilig daran, ihm einen Krug mit Bier zu besorgen. Auf seinem Weg zum Tresen hielt ein Händler ihn unwirsch an der Schürze zurück. Flüsternd redete er auf den Wirt ein. »Seid Ihr verrückt geworden? Ihr könnt doch so jemanden hier nicht einfach reinlassen. Wer weiß, was das für ein Wahnsinniger ist? Vielleicht einer, der mit den Geistern da draußen lebt. Im Wald. Und …« Der Mann wagte es nicht, in die Richtung des Neuankömmlings zu blicken.

Ärgerlich riss Per sich los. »Wer hier reinkommt und wer nicht, entscheide immer noch ich«, sagte er laut.

»Aber Ihr wisst doch gar nicht, wer …«, setzte der Händler an, lauter als zuvor.

»Mein Name ist Gor!«, dröhnte es von der Tür herüber. »Ich bin kein Geist. Ich bin nur durstig.« Beiläufig wischte er sich glitzernden Staub von der Schulter.

Der Händler zuckte zusammen, als Gor sich direkt an ihn wandte: »Keine Angst. Keine Angst.« Doch der Mann war nicht im Mindesten beruhigt, im Gegenteil, die Aufregung machte ihn mutig.

»Komm nicht näher. Du kommst von dort draußen. Wo die Geister sind. Wir haben sie schreien gehört. Jetzt sind sie verstummt. Und Ihr taucht auf.« Er blickte sich Hilfe suchend um. Einige der Männer um ihn herum nickten aufmunternd und zustimmend.

Der Händler redete sich jetzt in Rage. »Niemand kann dort draußen einfach zwischen den Geistern umhermarschieren und ungeschoren davonkommen. Niemand! Ihr müsst etwas mit ihnen zu tun haben!«

Gor seufzte, trat an den Tisch des Händlers und klopfte Geisterstaub von seinem Handschuh auf das feuchte Holz zwischen den Krügen. »Ich habe zwölf von ihnen getötet. Deshalb bin ich jetzt hier. Das ist alles, was ich mit ihnen zu tun habe. Und jetzt schweigt, ich habe keine Lust auf Streitereien. Ich bin müde und durstig. Kann ich hier nun etwas zu trinken bekommen oder nicht?« Er wandte sich an Per.

Der Wirt zögerte.

»Nein!«, rief eine Stimme aus dem Dunkel der Schankstube, gefolgt von Gelächter und zustimmendem Gemurmel. Der Branntwein hatte den Männern inzwischen ihren Mut wiedergebracht.

Der Händler fühlte sich bestätigt. Er stand auf und stellte sich vor Gor. Er reichte ihm bis knapp unterhalb der Schulter. »Siehst du? Einer wie Ihr ist hier nicht erwünscht!«, presste er hervor. Sein Blick war unstet, die Stimme vom Alkohol geschliffen.

Gor starrte ihn vollkommen bewegungslos an. »Ich habe mit dem Wirt gesprochen, nicht mit Euch. Ich kenne nicht einmal Euren Namen.«

Der Händler drehte sich zu seinen Begleitern um. »Meinen Namen! Er will meinen Namen wissen! Habt ihr das gehört?« Nervöses Lachen entrang sich den Kehlen der Männer. Niemand von ihnen wagte es, ihren Anführer zurückzuhalten, selbst die Wachen rührten sich nicht. Pers Blick schweifte zu dem bärtigen Wächter, mit dem er sich vorhin unterhalten hatte. Auch der griff nicht ein, musterte den Neuankömmling jedoch intensiv.

Per musste etwas tun, damit die Situation nicht eskalierte. Er ließ den Krug, den er gerade füllen wollte, stehen und ging zum Tisch des Händlers. »Lasst es gut sein, Vestray. Lasst es gut sein.« Der Händler schaute ihn verunsichert an, wollte offenbar sein Gesicht nicht verlieren.

»Er soll bleiben«, erklang eine helle Stimme aus Richtung der Feuerstelle. Der junge Bursche, der noch immer seine Geliebte fest im Arm hielt, hatte sich zu Wort gemeldet. Sowohl Gor als auch der Händler wandten sich zu ihm um.

»Was weißt du denn schon, Bürschchen?«, ereiferte sich der Händler. »Ich erkenne eine Gefahr, wenn ich sie sehe. Du kannst das nicht, du solltest lieber sehen, dass du nach Hause kommst.«

»Vestray! Es reicht«, ging Per mit scharfer Stimme dazwischen.

Gor hob die Hand. »Schluss damit! Gebt mir einen Krug Bier. Dann werde ich gehen. Ich will keinen sinnlosen Streit in Eurem Haus hervorrufen.«

Per nickte dankbar und brachte ihm den Krug. Alle Blicke ruhten unverhohlen auf dem Neuankömmling.

Der mächtige Krieger leerte sein Bier gleich an Ort und Stelle, holte ein paar kupferne Münzen hervor und drückte sie Per in die Hand. »Danke.« Dann wandte er sich um und verließ den Schankraum.

Per atmete auf, als die Tür hinter dem seltsamen Besucher zuschlug. Schnell brachte er den Riegel in Position. Langsam hoben die Gespräche wieder an, die Spannung ließ nach. Es war an der Zeit, mehr Bier unter die Leute zu bringen.

Gor atmete tief die kalte Nachtluft ein. Das Bier hatte gutgetan, doch hungrig war er immer noch. Aus einem Gasthaus geworfen zu werden, war für ihn keine neue Erfahrung. Doch diese Gäste hatten einen Fehler gemacht. Sie ahnten nicht, dass die Spektren im umliegenden Wald auf sie aufmerksam geworden waren. Diese Geisterwesen irrten nicht planlos umher. Irgendetwas leitete sie, lenkte ihre Wege. Sie bewachten den Wald und waren normalerweise nur tief in seinem Inneren zu finden. Irgendetwas hatte sie hierher geführt.

Er ging um das Haus herum und warf einen Blick in den angrenzenden Stall. Das leise Schnarchen eines Wächters war zu hören, dazu nervöses Schnauben und Scharren von Hufen. Dunkel zeichneten sich die Konturen der Händlerwagen ab, die man hier abgestellt hatte. Gor schlich sich zu einem der Wagen, hob die Plane an, die die Ladung bedeckte. Er konnte kaum etwas sehen, lediglich die schwache Öllampe des schlafenden Wächters warf zuckende Schatten in den Stall. Trotzdem tastete er unter die Plane.

Er hatte es geahnt. Diese Narren hatten Schwarzholz aus dem wachsenden Wald gewildert. Wahrscheinlich wollten sie es an unwissende Bauern oder gierige Zimmerleute verkaufen. Das Holz war stark und widerstandsfähig, ließ sich wunderbar verarbeiten. Das Problem war, dass es schon nach wenigen Monaten verrottete, zu Staub und Fasern zerfiel wie ein altes Vogelnest. Wenn die Händler dieses Holz aus dem wachsenden Wald geholt hatten, hatten sie damit wahrscheinlich auch den Zorn der Spektren auf sich gezogen.

Gor verließ den Stall – dort würde er ohnehin nicht bleiben können, weil die Tiere vor ihm scheuen würden. Sie waren unruhig genug.

Doch er war entschlossen, das Gasthaus nicht seinem Schicksal zu überlassen. Seufzend suchte er sich eine geeignete Stelle am Waldrand, von der er die Schänke im Auge behalten konnte. Er bettete sich auf Moos und Farn. Diese Nacht würde er mit wenig Schlaf auskommen müssen.

Ein Rumpeln ließ ihn auffahren. Gor rieb sich die Augen und richtete sich auf. Die Nacht war sternenklar. Doch was tat sich am Gasthaus? Gor sah, dass die Tür offen stand und mehrere Gestalten mit Laternen herausstolperten. Diese Narren!

Er knirschte mit den Zähnen. Bleibt doch in eurer verfluchten Kneipe. Wenn ihr euch im Wald verteilt und angegriffen werdet, kann ich euch nicht helfen.

Doch er verhielt sich ruhig, um seine Anwesenheit nicht preiszugeben. Was hatten die Männer vor? Er konnte den großmäuligen Händler Vestray unter den Gestalten entdecken.

Die Gruppe folgte der leuchtenden Spur, die Gor bei seiner Ankunft hinterlassen hatte. Der glitzernde Staub würde sie zu dem Tümpel führen, an dessen Ufer er die Spektren besiegte. Direkt in die Arme der heranziehenden Geister, die nur von einem Wunsch beseelt waren – diejenigen zu finden und zu richten, die es gewagt hatten, am mächtigen Leib des Herrn der Wälder zu sägen, ihn zu verwunden und zu verstümmeln.

Gor erhob sich und folgte den Männern.

Was hatten sie nur vor? Wollten Sie überprüfen, ob seine Geschichte stimmte? Wahrscheinlich. Langsam und behände bewegte er sich zwischen den tief hängenden Zweigen hindurch. Er sollte sie warnen. Glücklicherweise gaben sich die Männer vor ihm keine große Mühe, leise zu sein. Zumindest gelang es ihnen nicht. Sie hatten eindeutig bereits zu viel getrunken, waren erfüllt von falschem Mut.

Sie stolperten zwischen den Bäumen hindurch, schwenkten ihre Laternen umher und waren sich der Gefahr nicht bewusst, in der sie schwebten. Gor spürte bereits, wie die ersten Ausläufer des eisigen Geisternebels seine Füße berührten. Ein weißes Leuchten lag jetzt zwischen den Bäumen, Nebel wallten eilig heran und trugen das unheilvolle Glitzern der Spektren mit sich.

Er hörte Flüche von der Menschengruppe, die nun auch den aufziehenden Nebel bemerkte.

Sie hatten inzwischen das Ufer des Tümpels erreicht. Doch außer großzügig verstreutem, silbernem Staub, der auch von den umliegenden Ästen glänzte und in der Luft schwebte, fanden sie nicht viel. Die Überreste der Spektren, die wie verkohltes schwarzes Papier am Boden lagen, traten sie unwissend ins Laub.

Die Männer fluchten, jemand grunzte etwas über Gor und seine Mutter. Wenn du wüsstest, dachte der Hüne. Wenn du wüsstest.

Die Männer entschieden sich endlich zur Umkehr, doch da war es bereits zu spät. Wie eine Wand war das dichte Weiß inzwischen herangezogen, Schemen bewegten sich darin. Eine Hand schoss aus dem Nebel hervor, bleich und knochig, und griff nach dem ersten Menschen, den sie erwischen konnte.

»Los, zurück, ihr Narren!«, brüllte Gor den Männern zu, sprang ihnen zur Seite und schlug die Knochenhand mit einem Axthieb ab. Sie fiel zu Boden und begann sofort, sich in einer Staubwolke aufzulösen.

Verwirrt wichen die Männer zurück. Gor sah, wie einer von ihnen kopflos direkt in den Nebel hineinlief. Ein Kreischen erklang, der Mann schrie. Die anderen mühten sich, von dem Nebel fortzukommen, doch der war nun überall, umgab sie und nahm ihnen die Orientierung.

»Zusammenbleiben!«, rief Gor wieder, doch die Männer waren in heillose Panik ausgebrochen. Ein weiterer verschwand im Nebel, an einer anderen Stelle traten schemenhafte Gestalten aus dem weißen Nichts hervor, dunkel, sie rochen wie verbrannt und verwehten wie Asche. Ein kleiner, dicklicher Mann, der noch immer seine Laterne fest umklammert hielt, stand wie gelähmt vor ihnen und sah bewegungslos zu, wie die grausigen Erscheinungen ihn umkreisten und sich in seinen Körper fraßen. Blut sprühte hervor, das Innere trat nach außen und klatschte zu Boden. Er gab keinen Laut von sich, als er zusammenbrach. Gor sprang herbei und richtete die zwei Untoten, die gerade ansetzen wollten, sich an ihrem Opfer zu laben. Seine Axt erblühte in einem gelben, flammenden Schein und traf die verwehenden Geister, als seien sie fassbar. Sie verwandelte die Asche in geschwärzte Leichen und schickte sie zu Boden.

Weitere Schemen lösten sich aus dem Nebel. Nur Gor und Vestray waren noch übrig.

»Wohin? Wohin? Wohin denn nur?«, murmelte der großmäulige Händler vor sich hin, während er sich die Unterlippe blutig biss und Tränen über sein Gesicht rannen.

Gor griff ihn am Arm und zerrte ihn fort, doch mehrere Spektren flogen heran und stellten sich ihm in den Weg. Sie stießen Drohungen und Verwünschungen in einer unverständlichen Sprache aus. Gor musste den Mann wieder loslassen und sich auf den Kampf konzentrieren. Eine eisige Hand fuhr über seinen Oberarm, eine weitere griff nach seiner Wade. Er sprang vorwärts, drehte sich seitlich und trat durch den Körper eines der Spektren hindurch. So konnte er die Geistwesen zwar nicht verwunden, sich aber zumindest etwas Zeit verschaffen. Asche und glitzernder Staub wirbelten auseinander.

Dazwischen der Flammenschein der Axt. Kurze, effiziente Hiebe. Um Gor herum flogen die Spektren, kreischend und singend. Das Feuer seiner Waffe stemmte sich ihrer unirdischen Kälte entgegen. Äste vereisten und brachen, andere glommen auf und sandten glühende Funken in den Nachthimmel.

Gor keuchte, wirbelte, schlug und blockte.

Keuchend ließ er Klinge erst nach Dutzenden Schlägen sinken, die Spektren zerschlagen oder vertrieben. Er sah sich nach dem Händler um, der inzwischen zu Boden gesackt war. Ungeformte Hände griffen nach ihm, schienen seinen Körper fortzuziehen in ihr Nebelreich. Gor sprang voran, ließ seine Axt niedersausen, schlug die Hände ab. Er zerrte den leblosen Mann zu sich, richtete sich dann wieder auf. Ließ abermals die Axt ihr Werk verrichten. Geister verwehten zu Asche, Kälte und Hitze brannten gleichermaßen in Gors Augen. Er warf sich Vestray über die Schulter. Schwerer als gedacht. Arme und Beine schlenkerten herum wie die Glieder einer Puppe. Kaum möglich, mit dieser Last auf der Schulter zu kämpfen. Gor entschied sich dafür, zunächst einmal den Händler in Sicherheit zu bringen. Er schlug eine weitere eisige Hand zur Seite und lief los. Im Vertrauen auf seinen Instinkt wählte er eine Richtung und hoffte, dass ihn der Weg zurück zum Gasthaus führen würde. Die Geister umwirbelten ihn, doch sie vermochten nicht, sich aus dem Nebel zu lösen und ihm zu folgen.

Schnaufend brach Gor durch die Bäume, einen Schweif von Feuer hinter sich herziehend. Seine Axt stand jetzt lichterloh in Flammen.

Nach einem schweißtreibenden Lauf erreichte er die alte Handelsstraße, ein Stück weiter ragten die schwarzen Giebel des Gasthauses zwischen den Bäumen auf. Husten schüttelte ihn, sein Hals schmerzte, als sei er gerade einer brennenden Ruine entkommen. Der Nebel blieb ihm auf den Fersen.

Zum zweiten Mal erreichte er die Tür. Diesmal trat er ein, ohne anzuklopfen. Der Riegel war nicht vorgeschoben. Man hatte mit der Rückkehr der Händler gerechnet – doch nicht mit ihm.

Er legte den verletzten Händler auf einem der Tische ab. Zunächst wichen einige der Gäste angeekelt zurück, doch dann besannen sie sich eines Besseren. Wasser wurde geholt, Verbandsmaterial und Schnaps. Einer der Männer erwies sich als erfahren im Versorgen von Wunden und kümmerte sich um die Verbände.

Gor übernahm das Kommando. »Ihr müsst die Fensterläden schließen. Wer eine Waffe besitzt, sollte sie jetzt bei sich tragen. Scharfe Klingen, alles andere ist unnütz.« Der junge Mann stand auf und ging zu einem der Fenster hinüber. Gor hörte, wie er erschrocken die Luft einsog, als er hinausblickte. Draußen war nichts mehr zu erkennen, das Haus war in einem Meer von weißem Nebel eingeschlossen.

Aus dem Nichts drang Kreischen hervor, das in den Ohren schmerzte.

»Los jetzt! Die Riegel vor, alle!« Endlich kam Bewegung in die Leute. Per machte sich daran, die Hintertür zu verriegeln.

»Was ist mit den Ställen?«, fragte er den Riesen.

»Verdammt!«, grunzte Gor. »Wartet – ich erledige das.« Er nahm die lange Axt zur Hand, deren Blatt nun beständig glühte, und eilte durch die Küche hinaus zu den Stallungen. Er konnte bereits das unruhige Scharren darin hören. Ängstlich wieherten die Pferde. Der Wachmann schlief noch immer, neben ihm ein leerer Schlauch Wein. Gor trat ihn unsanft von den Heuballen und eilte an ihm vorbei, ohne ihn weiter zu beachten. Er öffnete sämtliche Tore, kappte Seile und Zügel, die die Tiere hielten, und scheuchte sie hinaus. Sollten sie doch ihr Heil in der Flucht suchen, hier würde sie der sichere Tod erwarten.

Gor sah den Tieren hinterher, die voller Angst davonstoben, den Nebel verwirbelten und zwischen den Bäumen verschwanden. Dann kehrte er in das Gasthaus zurück.

Das Leuchten des Nebels fraß sich inzwischen durch jede Ritze, in dem Gastraum war es unwirklich hell.

»Sind alle Riegel vor? Und alle Fenster verschlossen? Oben ebenfalls?« Zustimmende Laute erklangen. Der Bärtige hatte Posten an der Tür bezogen, sein Schwert in der Hand. Innerlich seufzte Gor. Wahrscheinlich ein guter Krieger, doch leider würde er gegen die Geister mit blankem Stahl und starken Armen nichts ausrichten können.

War die Entscheidung richtig gewesen hierzubleiben? War dies nicht eine Todesfalle? Gor zweifelte. Wahrscheinlich wäre es schlauer gewesen, die Menschen ebenso wie die Tiere fortzujagen, solange noch Zeit gewesen war. Doch dafür war es nun zu spät.

»Hört mir zu, wenn ihr überleben wollt. Diese Geister da draußen – sie haben es anscheinend auf irgendetwas oder irgendjemanden hier drinnen abgesehen. Wer oder was das ist, weiß ich nicht. Sie sind geschwächt, sie sind weit weg von ihrer Heimat. Sie können uns nicht gefährlich werden, wenn wir uns an ein paar einfache Regeln halten.« Das stimmte zwar nicht so ganz, doch er brauchte jetzt ganz dringend etwas Positives, um die Leute bei der Stange zu halten. Die Unruhe wuchs, als draußen Schritte und Scharren am Holz zu vernehmen waren. Er würde sich kürzer fassen müssen.

»Niemand geht raus! Niemand öffnet ein Fenster oder eine Tür! Am besten bleiben alle hier unten zusammen. Sauft nicht zu viel! Er ließ seinen Blick über die blassen Gesichter wandern. Der Bärtige schien ihm brauchbar, vielleicht auch der Wirt. Besser als nichts. Die übrigen Wachen? Einfache Söldner aus Alaris, überbezahlt und kaum in der Lage, einen Speer zu halten. Die konnten höchstens ein paar Strauchdiebe mit Knüppeln in die Flucht schlagen.

Gor warf einen Blick auf Vestray. Der Händler wimmerte leise vor sich hin. Den schweren Verletzungen zufolge, die seinen ganzen Körper entstellten, würde er diese Nacht nicht überstehen. Die Hände der Spektren hatten ihn förmlich zerfleddert. Kurz überlegte er, ihn hinauszuwerfen, um die Geister zu besänftigen – vielleicht war er derjenige, der für die Holzwilderei verantwortlich war.

Der Wirt meldete sich zu Wort. »Ich habe einen Keller. Wäre es sinnvoll …«

»Nein, dort säßen wir in der Falle.« Als würde es einen Unterschied machen. »Wir bleiben hier. Es gilt nur, bis zum Morgen durchzuhalten, das kann nicht mehr allzu lange dauern.«

»Nein!«, gellte plötzlich die Stimme des jungen Burschen durch den Raum, der sich wieder zu seiner Gefährtin gesellt hatte. Nun war er aufgesprungen und starrte sie entsetzt an.

Langsam erhob sie sich, immer noch die Hand an ihrem Medaillon. Der Bursche versuchte, sie festzuhalten, doch sie schüttelte ihn entschlossen ab. Alles starrte sie an. Sie raffte ihr Kleid und ging langsam auf die Tür zu. Der Bärtige stellte sich ihr in den Weg. Gor trat ebenfalls zu ihr. »Was habt Ihr vor?«, fragte er sie.

Mit leiser Stimme antwortete sie ihm. »Ich bin es.« Sie starrte ins Leere. »Mich wollen sie. Mich.«

Gor verstand nicht, blickte sie fragend an.

Langsam löste sie die Hand von dem Amulett um ihren Hals. Eine Blüte kam zum Vorschein. Sie hing, nein, sie wuchs an einem langen Band um ihren Hals, und Gor erkannte jetzt, dass es eine Wurzel war, die aus ihrem Schlüsselbein entsprang. Sie schob ihren Ärmel hoch, Moos kam zum Vorschein, das direkt aus ihrer Haut spross. Dann öffnete sie ihre Finger, die Handfläche nach oben gerichtet. Eine weitere Blüte öffnete sich in ihrer Hand, orangefarbene Blätter leuchteten auf. Tränen liefen über ihre Wangen, die sie trotzig fortwischte. »Wir haben uns verirrt im Wald. Er hat mich zu sich genommen. Ich gehöre zu ihm.« Ihre Stimme nur noch ein Flüstern. »Der Herr der Wälder. Er lässt mich nicht gehen. Er will mich schützen.« Sie schluckte, warf einen Blick zurück zu ihrem Geliebten, der jetzt den Kopf in den Händen hielt und sie aus entsetzten Augen anstarrte. »Wenn ihr leben wollt, dann lasst mich gehen. Seine Saat ist in mir.«

Gor überlegte noch, sah ihr in die Augen, als sich darin der Wald spiegelte. Grün floss unter ihren Lidern hervor, füllte ihren Blick. Grün schlich sich auch auf ihre Wangen, winzige Halme durchstießen ihre Haut. Schmerzerfüllt krümmte sie sich zusammen. »Lasst mich!«

Ihr Begleiter schüttelte seine Erstarrung ab, stürmte zu ihr, schlang seine Arme um sie. Er wollte sie halten, nur ein letztes Mal noch. Der Stoff ihres Kleides riss, als weitere Wurzeln hervorschossen, sich um den Rücken des Burschen wanden. Gor zerrte an der Schulter des jungen Kerls – in seiner Naivität käme er noch auf die Idee, mit ihr zusammen sterben zu wollen. Seine schweren Stiefel brachen durch den Holzboden. Rund um das Kleid des unglückseligen Mädchens waren die Bohlen in Windeseile verrottet, Spinnen, Käfer und Ameisen wimmelten dort jetzt. Weiße Maden lagen in Spalten und Bruchstellen, wuchsen unmöglich schnell, zerplatzten und gaben weitere Insekten frei. Gor scherte sich nicht um das Gekrabbel auf dem Boden, er kletterte aus den Trümmern des Bodens hervor, weitere Bohlen zerfielen zu Staub. Prüfend zog er an den Wurzeln, die den Burschen an den Körper seiner Geliebten fesselten. Sie wurden dicker und fester. Gor zerrte daran. Endlich kam ihm der Bärtige zu Hilfe, setzte über einen Tisch hinweg, schnitt mit seiner Klinge geschickt den Jungen frei und zerrte ihn fort. Eine Blutspur schmierte über den Boden, ganz unverletzt war der Bursche nicht davongekommen.

Schon griffen die Wurzeln nach Gor, woben Spinnen ihre Netze an seinen Stiefeln, wanden sich Ranken um seine Beine. Mit aller Kraft riss er sich los und zog sich zur Tür zurück. Die übrigen Anwesenden pressten sich an die Wände der Schankstube, Vestray lag bewegungslos auf seinem Tisch. Gor war nicht sicher, ob der Mann noch lebte. »Raus hier!«, brüllte er die anderen an, doch außer dem Wirt rührte sich niemand. Den sah er hinten durch die Küche verschwinden. Kluger Mann. Der Bärtige hatte inzwischen den Riegel fortgeschleudert, die Tür aufgerissen und den Jungen hinaus ins Freie gezerrt. Der wimmerte und schrie unartikuliert, rief nach seiner Geliebten. Doch die verwandelte sich immer weiter; von dem hübschen Mädchen, das sie einst gewesen war, blieb nichts mehr übrig. Äste sprossen ihr aus dem Schädel, Haut verwandelte sich in harte Rinde, ein Farn wucherte ihr aus dem Bauch. Um sie herum verfaulte alles, nur um kurz darauf zu erblühen, zu vergehen und wieder neu zu wachsen. Deckenbalken krachten nieder, das Feuer des Kamins stob auseinander und entzündete das Haus. Die Menschen, die sich noch in den Schatten der Wände verbargen, schienen verloren.

Das Wuchern hörte nicht auf, als die Äste durch das Dach brachen.

Gor schrie die verbliebenen Menschen an, doch sie hörten ihn offenbar nicht oder waren einfach gelähmt vor Angst. Wurzelfäden schossen durch den Raum; aus dem Körper des Mädchens, der inzwischen eher wie ein verwachsener Baum aussah, quollen Spinnen hervor, die sogleich begannen, alles einzuweben.

Gor sprang auf das Mädchen zu. Äste schossen auf ihn zu wie Pfeile, kratzen aber nur an seiner runenübersäten Haut oder verfingen sich in seinem Fellumhang. Mit wenigen Sätzen war er bis zu ihr vorgedrungen und hieb auf ihre hölzerne Haut ein. Wieder glühte das stählerne Blatt der Waffe auf, Flammenschweife und Funken begleiteten jeden Hieb. Ranken griffen Gors Beine, unzählige Insekten umschwirrten ihn und krabbelten an ihm empor. Doch er war fokussiert. Schlag auf Schlag ließ er auf das Monstrum niedergehen, das aus dem einst so hübschen Mädchen geworden war. Er schlug dort, wo einmal ihr Knie gewesen war, eine tiefe Scharte in die wuchernde Borke. Späne flogen, Harz quoll aus der Wunde, sprühte umher und legte sich klebrig auf alles. Die Spektren und der Nebel drangen nun ebenfalls in die zertrümmerte Gaststube ein, umringten Gor und zerrten mit ihren Knochenfingern an ihm. Doch er drosch weiter auf den Stamm ein, wieder und wieder versenkte er die Klinge tief in das Holz. Blut mischte sich mit dem Harz, Fleisch verbarg sich unter dem Holz. Gor schlug und schlug, bis der Baum, viele Sommer später, die er in Augenblicken durchwandert hatte, endlich fiel. Das Kreischen der Spektren hob noch einmal zu einem mächtigen Lärm an, dann verließ sie ihre Kraft und sie verblassten, huschten raschelnd fort in den Schutz des Waldes.

Gor ließ die Axt sinken, ihre Flamme erlosch, nur ein Glimmen blieb zurück. Er war über und über mit Harz und Blut besudelt, sein Umhang hing in Fetzen, knietief stand er in Laub und toten Ästen.

Vor ihm lag der Leichnam des Mädchens, verwoben mit den Resten des Baumes, den er gefällt hatte. Ein grässlicher Anblick. Einige der Menschen, die sich in den Schatten verborgen hatten, waren noch am Leben und krochen nun hinaus aus ihren Verstecken.

Der Herr des Waldes war fürs Erste besiegt, doch er würde wiederkehren. Keine Axt der Welt konnte ihn lange aufhalten.

Gor schulterte seine Waffe und verließ den Gasthof.

Der Wald lag schweigend vor ihm.

ANJA BAGUS

Das letzte Lied

Könntest du bitte deine Füße aus meinem Gesicht nehmen?«, knurrte Kal.

»Es ist nicht meine Schuld, dass wir uns keine zwei Betten leisten konnten«, murmelte Eimon schlaftrunken.

»Na ja, wenn du mir die richtigen Zeichen gegeben hättest …« Kal riss an der dünnen muffigen Decke, die sie sich teilten.

»Das hab ich«, schimpfte Eimon und zog seinerseits. »Du bist kurzsichtig, das sage ich dir schon lange.«

»Du hast ein paar Finger gehoben. Danach war deine Zunge in dieser Kellnerin, und ich musste raten, was du damit meinst.«

Eimon drehte sich auf den Bauch, und Kal spürte schon wieder einen großen Zeh an seinem Ohr. »Die war aber auch süß«, sagte der Fußbesitzer seufzend. »Und drei Finger bedeuten: Gib auf, der Kerl blufft nicht.«

»Wie sollte ich sehen, wie viele Finger es sind? Deine Hand war zu schnell in ihrer Bluse.« Kal gab das Schlafen auf, überließ die Decke seinem Freund und stand auf. Während er sich in den Pisspott erleichterte, sah er aus dem Fenster.

Die Stadt erwachte schon. Händler brachten die ersten Waren zum Markt, Handwerker eilten zu ihren Baustellen, Lieferanten drängten sich durch das Gewühl, um ihre Botengänge pünktlich zu erledigen. Kal betrachtete alles distanziert. Es war nicht seine Zeit. Morgens war jeder ungeduldig und kritisch und sicher nicht bereit für ein Spielchen. Er zog seinen Gürtel wieder zusammen und hörte seinen Partner schnarchen. Eimon war, im Gegensatz zu ihm, fähig, jederzeit und überall tief zu schlafen. Eine nützliche Eigenschaft, wenn man fast immer auf der Flucht war.

Kal fasste in seine Tasche, fand ein paar Kupferstücke und eine fremde silberne Münze. Er hatte keine Ahnung, was die wert war. Sie würden einen Geldwechsler fragen müssen. Wo hatte er die überhaupt her? Sicher aus einer schnellen Runde eines Karten- oder Würfelspiels in Hinterhöfen und Seitengassen, die seiner Meinung nach viel erfolgreicher waren als die langen Spiele in den Kneipen. Aber Eimon schleppte ihn immer wieder in die verbotensten Glücksspieltempel.

Nun waren sie mal wieder pleite, bis er jemanden fand, der die merkwürdige Währung wechselte. So ein exotisches Geldstück würde außerdem wahrscheinlich nur zu einem miesen Kurs gehandelt. Das bedeutete tagelange kleinste Einsätze am Hafen. Bauerntölpel und Seefahrer abzocken. Kal hasste das, aber er konnte es gut. Sein Bauch knurrte. Er hatte Hunger und musste etwas essen. Also glättete er sich seine Haare und nestelte aus Eimons Westentasche noch ein paar Geldstücke. Bis dieser aufwachte, sollten die sich vermehrt haben.

Er drückte sich an dem Wirt vorbei, der gerade ein neues Fass anschloss, und atmete draußen erst einmal die frische Luft ein. Frisch … das hieß morgenfeucht und geschwängert von Pisse und Jauche. Aber der Wind hatte über Nacht gedreht und brachte einen Hauch salzige Verheißung vom Meer her mit. Die Schleierwolken verhinderten, dass es jetzt schon so drückend heiß war, wie es sicher in ein paar Stunden werden würde.

Kal rieb sich die Wange um die lange und wulstige Narbe herum, die sich von seiner rechten Schläfe bis zu seinem Mundwinkel zog. Sie war der Grund, weshalb viele Damen und auch Herren ihm nicht mehr als einen flüchtigen Blick gönnten. Aber das machte nichts. Schönheit war Eimons Ressort. Kal hatte andere Vorzüge. Die befanden sich am Ende seiner Arme und hatten zehn Finger, die sich blitzschnell bewegen konnten. Er verschränkte seine wertvollen Hände vor sich und ließ die Gelenke knacken, bevor er die Rechte in seine Hosentasche steckte, wo er erst seine Kronjuwelen sortierte und dann mit den dort immer befindlichen Würfeln spielend lautlos pfeifend losmarschierte.

Zwei Stunden später war er satt und hatte einen kleinen Beutel voll Münzen an einem sicheren Platz in seiner Kleidung. Eine Wurst und etwas Brot waren noch übrig, und er lächelte dem Wirt diesmal beim Vorübergehen zu.

»Ich bezahl mal das Zimmer für heute«, sagte er und legte die entsprechende Währung auf den Tresen. »Und ich möchte heute Nacht bitte noch ein weiteres Bett haben.« Weitere Münzen folgten. Er drehte und mischte sie, sodass der Wirt nur verwirrt nicken konnte. Die haarige Pranke strich die Geldstücke schnell ein, die vom ewigen Schlafmangel roten Augen zählten schnell noch einmal nach, und der bärtige Schädel nickte.

Kal folgte Eimon, der pfeifend durch die Gassen ging. Sein Freund war größer als er, fast zwei Köpfe, und hatte lange Beine. Für jeden Schritt, den Eimon machte, musste Kal zwei machen.

»Renn doch nicht so«, sagte er grollend.

»Es ist ein herrlicher Tag«, sagte Eimon und blieb unvermittelt stehen. Kal bremste auch und schob sich die ins Gesicht gefallenen dunklen Strähnen aus dem Gesicht. Eimon runzelte die Stirn und leckte sich seinen Zeigefinger.

»Wir sollten die Stadt wechseln. Hast du noch etwas vom gestrigen Gewinn übrig?«, fragte Eimon und strich sich den kleinen Schnurrbart mit dem feuchten Finger glatt. Seine braunen Locken kräuselten sich an der feuchten Luft unwiderstehlich – sagten die Frauen. Kal fand seinen Freund fast zu schön für einen Mann. Nicht zum ersten Mal dachte er darüber nach, aus welchem adeligen Haus Eimon wohl geflüchtet sein mochte. Sein Freund erzählte nie etwas über sich und seine Vergangenheit. Kal kannte niemanden, der so ausschließlich im Hier und Jetzt lebte. Selbst die Dirne von gestern Nacht war für Eimon wahrscheinlich nur noch eine verschwommene Erinnerung. Das hatte schon oft zu unangenehmen Szenen geführt.

»Ich hab gestern viel gewonnen«, sagte Kal mürrisch. »Und noch mehr verloren.« Eimon lächelte eine Blumenverkäuferin an und suchte sich aus ihrer Bruchware eine blaue Blume aus, die er sich in ein Nestelloch seines Hemdes steckte. Sie küsste ihn sogar noch dafür, und Kal hätte sich nicht gewundert, wenn die Dame Eimon dafür bezahlt hätte, dass er mit ihrer Blume herumlief. Die Welt war manchmal ungerecht, aber eigentlich gereichte es Kal letztlich zum Vorteil. Er speiste oft gut von den Krümeln, die von Eimons Teller fielen, und die Leute achteten nicht darauf, was er tat, wenn sein Freund dabei war.

»Ach, komm, ein paar Münzen wirst du noch haben«, sagte Eimon. »Ich kenn dich doch.« Sie waren am Hafen angekommen und studierten den Aushang am Pier. Hier stand immer, welche Schiffe woher angekommen waren und welche heute ausliefen. Die Besatzungen von Schiffen, die lange auf See gewesen waren, waren ihre besten Kunden. Heute war nichts Lukratives dabei. Kal fischte das silberne Geldstück aus seiner Hosentasche.

»Ich hab keine Ahnung, was das hier wert ist«, sagte er und warf es hoch. Mit einem hellen Pling trudelte es verheißungsvoll silbern glitzernd, sich mehrfach überschlagend durch die Luft. Eimon streckte automatisch die Hand aus.

Als das Metall seine Haut berührte, explodierte die Luft. Die Druckwelle versetzte sogar nahe Schiffe in Schaukelbewegungen, und ein paar Möwen fielen ohnmächtig ins Meer.

Zumindest wäre das eine angemessene Auswirkung der Reaktion gewesen, die sich auf Eimons Gesicht abspielte. Er wurde unter seiner Bräune kreidebleich, seine Lippen pressten sich zusammen, und seine Hand krampfte sich um das Geldstück.

»Was ist?«, fragte Kal.

»Nichts.« Aber so, wie sein Freund das Wort ausspuckte, war klar, dass das gelogen war. Eimon sah auf das Meer hinaus, welches heute wie ein glänzender Spiegel vor ihnen lag und nur träge gegen die hölzernen Bohlen schwappte. Dann holte er aus und schleuderte das Geldstück weit in den Hafen hinein. Es verschwand wie ein silbernes Fischchen, und die ganz und gar nicht ohnmächtigen Möwen kreisten verwirrt um den Landungspunkt.

Eimon drehte sich um und ging mit langen Schritten in die Stadt hinein.

»Was sollte denn das?«, rief Kal ihm hinterher. »Was hast du vor?«

»Wir werden Geld verdienen«, antwortete Eimon über seine Schulter hinweg. Er drehte sich plötzlich um, legte die Hände auf Kals Schultern und sah ihm in die Augen: »Wir werden heute episch viel Geld verdienen. Wir werden so viel gewinnen, dass wir aus dieser Müllkippe, dieser Brutstätte von nichts als Ratten, Moder und Geschlechtskrankheiten, also aus dieser herrlichen Hauptstadt des Gurdelianischen Reiches, mit einer Geschwindigkeit verschwinden müssen, die uns Tränen in die Augen treiben wird.«

Kal zuckte zusammen, weil der Griff von Eimons Fingern mit jedem Wort eiserner geworden war. Die Augen seines Freundes loderten, das Grün der Iris war dunkel und unergründlich geworden. So hatte er Eimon noch nie gesehen. Also nickte er nur und rieb sich die Stellen später unauffällig. Es würde ihn nicht wundern, wenn er davon blaue Flecke behalten würde.

Sie begannen an Orten, wo man sie kannte. Zuerst in den Seitenstraßen. Kleine Spielchen, Würfel – nicht gezinkt, aber ein Könner konnte trotzdem gute Gewinne machen. Der dritte Seemann, der sie auszahlte, hatte in seinem Beutel wieder eine solche Münze, wie Eimon sie in den Hafen geworfen hatte.

Bevor Eimon sie sehen konnte, griff Kal schnell danach, sagte nichts und versenkte das Geldstück unauffällig in einer anderen Tasche. Dann wurde kurz gebadet und sich umgezogen. Gegen Mittag spielten sie ein gepflegtes Kartenspiel in einem feinen Lokal mit erfolgreichen Händlern, die gute Geschäfte gemacht hatten. Diesmal war Kal nicht schnell genug, als einer der Händler seine Börse auf den Tisch entleerte. Eine Handvoll der mysteriösen Silberstücke rollten über den Tisch, und Eimon schob sie brüsk zurück.

»Die nehme ich nicht an«, sagte er.

»Ich hab nichts anderes«, protestierte der Händler rülpsend. »Geld ist Geld.«

»Gib mir deinen Ring«, verlangte Eimon.

»Nein«, sagte der Händler. Er war zwar angetrunken, aber seine kleinen Augen kniffen sich misstrauisch zusammen. Kal wischte über den Tisch, schob die Münzen zusammen und zu sich. Als Eimon ihn ansprechen wollte, schüttelte er energisch den Kopf. Was war in seinen Freund gefahren? Sie verließen das Lokal kurz danach und waren kaum zwanzig Meter weg, als Eimon anhielt und Kal aufforderte, ihm die Münzen zu geben.

»Hör zu Eimon«, sagte Kal und hielt seinen Beutel fest. »Ich mach jetzt seit einem Jahr mit dir alles, was dir so einfällt. Ich bin mit dir in dieser Zeit aus«, er holte tief Luft, »31 Kneipen geflogen. Acht Hurenhäuser im freizügigen Hafen von Linas lassen uns nie mehr rein. In ganz Ratia sollten wir uns besser nicht mehr blicken lassen, falls uns unsere Kronjuwelen wichtig sind. Im Kelgonischen Reich sind wir auf der Liste der meistgehassten Männer gelandet, was lebenslange Kerkerhaft bedeutet, falls uns jemand von dort erwischt. In Hunders, im Dreifaltischen Reich und in Firneg hängen unsere Konterfeis an jedem Baum, in den man einen Nagel einschlagen kann.

Ja sicher, das ist eine beeindruckende Liste und bringt uns unter unseresgleichen auf der Rangliste der meistgesuchten Diebe und Betrüger an Platz eins. Das macht mir alles nichts aus. Auch nicht, dass ich nicht weiß, wo wir als Nächstes hingehen sollen. Die zivilisierte Welt wird langsam zu klein für unser Strafregister. Du hast einen Plan, so scheint mir, und ich vertraue dir, obwohl ich nicht weiß, warum.

Aber ganz ehrlich? Geld ist Geld. Und das wirft man nicht weg. Wenn du mir nicht sofort sagst, was es mit diesen seltsamen Silberstücken auf sich hat, dann verlass ich dich hier und jetzt.«

Eimon blinzelte. Kal wusste nicht, ob er schon jemals so viele Worte in einem Atemzug ausgesprochen hatte, aber viel wichtiger war jetzt, was sein Freund dazu sagen würde. Der strich sich über die Augen und legte eine Hand auf Kals Schulter.

»Du hast recht«, sagte er resigniert. »Du hast so recht. Ich muss es dir sagen. Aber nicht hier.« Er ging los und Kal folgte ihm. Sie überquerten den Marktplatz. Mitten darüber. Mitten am Tag.

Eine Stunde später war er verschwitzt und wütend. Eimon hatte ihn quer durch die Stadt gescheucht, an allen gemütlichen Kaffeehäusern und schattigen Tavernengärten vorbei. Dann war er abgebogen auf den steilen Weg den Scharta hoch. Der Berg endete oben mit einem Leuchtturm, der schon seit Jahren verlassen war, da man einen Neuen gebaut hatte. Es war nachts ein Treffpunkt für Liebende, aber tagsüber nichts als der heißeste Platz in der Stadt. Die Sonne brannte unbarmherzig auf den Gipfel und erhitzte die gelbe Erde sowie die Steine der Ruine. Um diese Tageszeit gab es keinen Wind, nichts, was die Lage erleichtert hätte.

Eimon zeigte auf das Meer.

»Sieh hin«, sagte er.

Kal starrte hinaus bis seine Augen tränten. »Ich sehe nichts.«

»Da.« Eimons Finger zeigten und lenkten seinen Blick. Kal kniff die Lider zusammen und glaubte, einen Schemen zu erkennen. Und noch einen, und noch einen … oder waren es dunkle Wolken? Braute sich da ein Unwetter zusammen? Er zuckte mit den Schultern und sah seinen Freund an.

»Das ist die Flotte von Königin Sintara aus dem Reich Morhan«, sagte Eimon. Kal hielt nun eine Hand an die Stirn, um seine Augen zu beschatten. Sein Herz schlug schneller. Angst kroch in seine Eingeweide.

»Das sind aber eine Menge Schiffe«, murmelte er heiser.

»Ja, und sicher ausgerüstet mit jeder Menge Kanonen und Soldaten.«

Jedes Kind an der alderanischen Küste wuchs mit wüsten Geschichten der Morhanner auf. Sie waren die gefürchtetsten Krieger. Sie waren riesig, stark und hatten die besten Waffen und Rüstungen. Man sagte, schon ihr Blick könnte einen lähmen, sodass sie nur noch zustechen müssten, um ihr wehrloses Opfer zu töten.

Die Morhanner machten nie Gefangene und jeder von ihnen kämpfte unermüdlich für seine Königin. Sie waren Stoff von Mythen und Legenden.

Jeder machthungrige Junge spielte auf der Straße einen der blutrünstigen Krieger nach, und jedes Mädchen träumte davon, eine morhannische Prinzessin zu sein. Kal wusste nicht, wie viel von den Legenden wahr war, und es war ihm auch herzlich egal. Das Morhanner Reich lag weit über dem Ozean, und es verirrten sich selten Schiffe hierher. Der Expansionsdrang der Morhanner ging eigentlich in die andere Himmelsrichtung, nach Westen, nicht nach Osten.

»Was machen die hier?«, fragte er vorsichtig.

»Die Königin stirbt.«

Kal runzelte die Stirn. »Und was … was hat das mit den Geldstücken und mit uns zu tun?«

Eimon setzte sich auf einen der glühend heißen Steine, seufzte schwer und sagte dann: »Die sind meinetwegen hier. Allein meinetwegen.« Er legte beide Hände vor die Augen und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Kal sah noch einmal zu den Schiffen. Er konnte sie immer noch nicht genau erkennen, aber er schätzte, es waren Hunderte.

»Was wollen die denn von dir?«

»Ein Lied.«

»Ein Lied?«, fragte Kal ein paar Stunden später zum wohl tausendsten Mal. Sie hatten gegessen und getrunken. Viel getrunken. Irgendwann hatte Kal es aufgegeben, mit Eimon mithalten zu wollen. Der soff, als wolle er an Alkoholvergiftung sterben.

»JA, GENAU!«, brüllte sein Freund nun und rollte mit den Augen. Er schob eine beleidigte Dirne von sich, die sonst immer Platz auf seinem Knie fand. »Ein Lied.«

»Hör zu, Eimon«, sagte Kal zornig. »Wenn ich dir weiter die Würmer aus der Nase ziehen muss wie einen Bandwurm aus dem Hintern nach einem Rizinusöleinlauf, dann geh ich lieber. Schau doch allein, wie du mit den Morhannern klarkommst. Ich hab die Nase voll von deinen Geheimnissen.«

»Bleib!«, jaulte Eimon und griff nach ihm. Erst als Kal wieder neben ihm saß, ließ er diesen los und griff nach seinem Bier. Dann schob er es aber angewidert weg und räusperte sich.

»Jede morhannische Prinzessin bekommt einen Barden an die Seite, der sie begleitet. Immer. Überallhin. Und am Ende ihres Lebens singt er ihr ihr Leben noch einmal vor. Ein Lied, welches nur für sie komponiert und nur für ihre Ohren bestimmt ist.« Das kam wie auswendig gelernt und für die Alkoholmenge sehr verständlich aus Eimons Mund.

Trotzdem verstand Kal nichts. »Ja, und?«

Eimon rülpste und schluckte etwas herunter. »Ich bin der Barde der jetzigen Königin.« Sein Zeigefinger deutete vage auf seine Brust.

»Und du bist abgehauen.«

»Ja.«

»Warum?«

Eimon sah ihn an, und Kal entdeckte eine Träne, die ungehindert aus dem seitlichen Augenwinkel lief. Kal wandte sich ab und seufzte. »Du hast dich in sie verliebt.«

Eimon schloss gequält die Augen. »Sie war erst ein Kind, und ich war auch ein Kind, aber dann … bei den Göttern Kal, sie wurde eine Frau … es war eine Qual. Ständig in ihrer Nähe zu sein und sie zu riechen, sie zu beobachten, die Hände fremder Männer auf ihr zu sehen. Ja, ich liebte sie. Aber sie heiratete.«

»Liebte sie dich auch?«

»Nein.« Eimon schüttelte den Kopf. »Das kam nie infrage.«

Kal konnte sich keine Frau vorstellen, die Eimon nicht vergötterte, und war eigentlich ein wenig neugierig. Wahrscheinlich hatte es etwas mit Standesunterschieden und so zu tun.

»Aber wenn sie jünger war als du, wie kann es dann sein, dass sie jetzt stirbt?«

»Sie wurde krank. Die Ärzte … sie gaben ihr noch ein Jahr. Ich konnte das nicht … verstehst du? Ich konnte sie nicht sterben sehen. Ihr Mann flüchtete sich zu Konkubinen … ich war der Einzige … Und da bin ich geflohen.«

»Und jetzt haben sie dich gefunden.«

Eimon nickte. »Sie werden vor nichts haltmachen, um mich zu holen«, sagte er düster und legte seinen Kopf auf die Tischplatte.

»Herrgott, dann sing halt dieses Lied!«, sagte Kal und trank sein Bier aus. Es schmeckte schal, und die Hefe am Grund machte seinen Magen sauer. »Oder ist dir keines eingefallen?« Kal dachte darüber nach, dass er seinen Freund eigentlich noch nie hatte singen hören. Er wusste nicht, ob dieser überhaupt eine schöne Stimme hatte.

»Das ist nicht der Punkt«, murmelte Eimon betrunken. »Das Lied ist schon lange da … lediglich die letzten Strophen müssen gedichtet werden. Aber …« Er brachte den Satz nicht zu Ende, weil er sich heftig übergeben musste. Kal brachte seinen Freund schnell in ihr Zimmer, wo dieser sofort einschlief. Es war zwar ein Schlaf, der näher an einer Bewusstlosigkeit war als an dem natürlichen Bedürfnis nach Ruhe, und er erwachte immer wieder, um sich erneut zu erbrechen, aber er sagte diese Nacht nichts mehr.

Am nächsten Tag erschien er mit blutunterlaufenen Augen und kniff diese immer wieder zusammen, wenn ein lautes Geräusch ertönte. Kal beobachtete ihn eine Weile, dann ließ er ein spezielles Gebräu kommen, welches helfen sollte.

»Wir müssen denjenigen finden, der dieses Geld in Umlauf bringt«, krächzte Eimon schließlich.

»Ich hab mich schon umgehört«, sagte Kal. »Ich weiß, wo wir ihn finden. Aber willst du dich nicht erst präsentabel machen?« Eimon hatte noch das Gleiche wie gestern an. Es war zwar feine Kleidung, aber voller Bier und Mageninhalt.

Eimon nickte und verzog dann das Gesicht. Kal kam mit und packte seine wenigen Habseligkeiten. Sie gingen durch die Gassen und blieben vor einem Gasthaus stehen, welches so weit von ihrem normalen Einzugsbereich entfernt war, dass niemand sie hier kannte. Die Wirtsleute waren misstrauisch, aber Kal sah sofort die beiden Krieger, die eine Tür bewachten.

Das konnten nur die legendären Mohanner sein. Eimon ging furchtlos auf sie zu, und obwohl die riesigen Kerle sich nicht bewegten, wusste Kal, dass jeder der beiden ihn in wenigen Sekunden mit einer der vielen Waffen, die an ihrer schwarzen Rüstung hingen, töten konnte. Das Leder geölt, die Schnallen poliert, die Haare ordentlich gestutzt und frisiert … sie sahen aus wie grimmige Statuen. Unglaublich, dass sie aus dem gleichen Land stammten wie sein immer gut gelaunter Freund. Eimon sagte etwas in einer fremden Sprache, und sie nickten ernst.

Er öffnete die Tür …

Es war danach alles rasend schnell gegangen. Man hatte sie nochmals gewaschen und neu eingekleidet. Sie wurden zu einem kleinen Schiff gerudert, welches sie zu den riesigen Kriegsschiffen der morhannischen Flotte gebracht hatte. Kals Eingeweide hatten rebelliert, einerseits wahrscheinlich wegen Seekrankheit, andererseits angesichts der schieren Masse an Schiffen und Bewaffnung. Aber die Morhanner waren sofort mit dem ersten günstigen Wind losgesegelt, ohne dass ein Tropfen Blut vergossen wurde.

Kal konnte sich nicht beschweren. Nachdem er sich an die See gewöhnt hatte und endlich etwas im Bauch behalten konnte, erfüllte man ihm alle Wünsche. Es gab sogar Frauen, die keine Miene verzogen, als sie ihm zugeführt wurden, und er ließ es sich gefallen. Warum nicht?

Ja, warum nicht, dachte er missmutig, wenn ihm wieder einmal auffiel, dass er allein war. Seitdem sie die Planken des Schiffes betraten, hatte er Eimon nicht mehr gesehen. Alle diesbezüglichen Fragen wurden stur ignoriert, und er wusste, dass es keinen Zweck hatte, nachdrücklicher vorzugehen.

Nach langen Wochen kam Land in Sicht, und sie wurden in einen Palast gebracht. Alles war fremdartig und exotisch, und Kal konnte sich kaum sattsehen an den Reichtümern, die hier wie nebensächlich zur Schau gestellt wurden. Der Garten vor seinem Fenster war saftig grün und reich an Früchten, Blumen und Düften. Sein Zimmer war groß wie eine Markthalle. Zahme Tiere rieben sich genauso anhänglich an ihm wie die Frau, die jeden Abend zu ihm kam.

Aber nach ein paar Tagen begann er es zu hassen. Er war nur ein Tier für diese Leute, ein Vogel im goldenen Käfig. Er wollte mit jemandem sprechen, der seine Sprache verstand, er wollte Eimon sehen, er wollte hier weg. War er nun ein lebenslanger Gefangener? Die Frau, Hila, wie er sie nannte, versuchte, ihn zu beruhigen.

»Ich will Eimon sehen«, schrie er sie eines Abends an und schob sie unsanft aus dem Zimmer. »Du brauchst nie wiederzukommen, wenn du nicht dafür sorgen kannst.«

Es dauerte nicht lange, dann klopfte es wieder. Er öffnete, und eine verschleierte Frau, schwer bewacht von mehreren Kriegern, stand reglos und wartete. Er bat sie herein, obwohl er nicht genau wusste, warum. Sie setzte sich, und er bot ihr etwas von den reichhaltigen Platten an Früchten und Süßigkeiten an. Sie schüttelte den Kopf.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er schließlich, obwohl er eigentlich nicht hoffte, eine Antwort zu erhalten.

»Ich wollte den Freund meines Sohnes sehen«, sagte sie und lüftete ihren Schleier. Kal bekam trotz der lauen Luft eine Gänsehaut. Die Frau war eindeutig mit Eimon verwandt, aber er hätte sie nie für seine Mutter gehalten. Sicher, sie war kein junges Mädchen mehr, aber vor ihm enthüllte sich eine reife Schönheit, die vollendet auf dem Grat zwischen klassisch und üppig wanderte.

»Sie sind Eimons Mutter?«, krächzte er. »Dann können Sie mir erklären, was das alles bedeutet. Wann kann ich ihn sehen und wann können wir abreisen?«

Die großen dunkel umrandeten Augen der Frau betrachteten ihn traurig, und eine Träne rollte über ihre Wange.

»Sie wissen es nicht?«, flüsterte sie mit brüchiger Stimme.

Kal blinzelte. Das war zu viel. Diese Frau weinen zu sehen, war sehr schmerzhaft. »Nein, ich weiß es nicht. Was weiß ich nicht?«, fragte er gröber, als er es gewollt hatte. Sie wischte sich die Träne weg und sah ihn furchtlos an.

»Ich soll Ihnen ausrichten, dass Eimon Ihnen sehr, sehr dankbar ist. Das letzte Jahr war ein Geschenk, welches er Ihnen verdankt. Ohne Sie wäre es nicht möglich gewesen. Und er möchte Ihnen dafür seinerseits etwas schenken.«

Kal wehrte ab. »Vielen Dank, gute Frau, aber ich will nichts. Ich will abreisen. Mir ist diese ganze Sache hier egal. Ich warte noch, bis Eimon fertig ist, und dann hauen wir hier ab. Er braucht mir nichts zu schenken.«

»Eimon wird nicht mitkommen können.«

»Warum nicht? Wird er die Königin heiraten? Hat sie ihm doch noch ihre Liebe gestanden? Ich wusste es … Verdammt, er soll nicht immer mit seinem …« Kal stoppte sich, bevor er die unflätigen Worte aussprach, die ihm auf den Lippen lagen. Eimons Mutter senkte den Blick und blieb stumm. Sie machte eine Handbewegung, und einer der Krieger übergab eine lederne Tasche. Kal wollte sie erst nicht öffnen, aber dann konnte er nicht anders. Es waren Papiere und ein Armreif.

»Eimon überschreibt Ihnen seine Besitztümer«, erklärte Eimons Mutter. »Und der Armreif weist Sie als Besitzer von ihm aus.« Sie zeigte auf einen Krieger, der Kal seinen Arm hinhielt. Tatsächlich besaß der eine Tätowierung, die dem Symbol auf dem Schmuckstück entsprach.

»Garmon wird Ihnen ab jetzt überallhin folgen und Sie beschützen.«

»Was? Unsinn! Das geht nicht …« Kals Gedanken überschlugen sich. »Das ruiniert mich!« Man konnte doch nirgendwo hingehen mit so einem riesigen Schatten … »Ich verdiene mein Geld als …«

»Betrüger und Falschspieler, ich weiß«, sagte die Frau. »Aber das brauchen Sie nun nicht mehr. Sie sind reich, Kal, sehr reich.«

Sie stand auf. »Es wird Ihnen sicher jemand anderes erklären, wie reich Sie sind. Ich muss jetzt gehen. Es war mir eine Ehre, Sie kennengelernt zu haben.«

Sie nahm seine Hand und küsste sie. Kal bekam wieder eine Gänsehaut, als sie ihm auch noch über die Wange strich, die narbige. Dann weinte sie wieder und eilte aus dem Raum. Die Krieger folgten ihr, bis auf – wie hieß er noch? – Garmon. Kal sah den Mann an und erkannte eine Ähnlichkeit.

»Bist du Eimons Bruder?«, fragte er. Garmon zog die Augenbrauen hoch. Er verstand ihn nicht. Kal suchte nach einer Flasche. Er musste etwas trinken. Das war alles zu viel.

Als sie ihn am nächsten Tag holten, hatte er Kopfschmerzen. Inzwischen war ihm alles egal. Er hatte angezogen, was sie ihm gegeben hatten, er hatte gegessen, was sie ihm vorgesetzt hatten – und es dann wieder von sich gegeben. Er folgte Garmon, der ihm tatsächlich kaum von der Seite wich. Sie fuhren in einer Kutsche aus der Stadt heraus, und dann kamen sie an eine lange und hohe Mauer. Viele Menschen waren hier, die Frauen verschleiert, die Männer in pompösen Aufmachungen, behängt mit Amtsketten und anderen Symbolen ihrer Wichtigkeit. Aber die Stimmung war gedämpft, man sprach leise; jeder wusste, war er zu tun hatte, und Kal ahnte, wo er war: auf einer Beerdigung. Die Königin war tot, und das hier war wohl so eine Art Friedhof.

Tatsächlich waren hinter der Mauer allerlei Gebäude. In Miniaturformat hatte man Paläste, Kirchen, aber auch schlichte Häuser nachgebildet, manche waren fantastisch seltsam, andere wie etwas aus der Natur, eine Schnecke oder ein Nest. Es waren Grabmäler, und die Prozession führte lange durch das riesige Gelände. Die Sonne ging gerade auf, und Feuchtigkeitstropfen glänzten auf der gepflegten Bepflanzung, aber auch auf dem Gesicht vieler Menschen.