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Was, wenn sich die Prinzessin nicht in den Prinzen verliebt, sondern in das Monster?
Aisling Fitzpatrick ist nach außen hin die perfekte Prinzessin der Bostoner High Society. Aber hinter der makellosen Fassade versteckt sie ihre dunkle Seite - die, die sich seit Jahren nach Sam Brennan sehnt, dem gefürchteten und mächtigen Mafiaboss von Boston. Sam sieht in Aisling jedoch nicht mehr als die Tochter seines wichtigsten Klienten - der ihn großzügig dafür bezahlt, die Finger von ihr zu lassen. Bis Aisling in einer Nacht alles auf eine Karte setzt, um Sam für sich zu gewinnen. Doch kann die Prinzessin das Monster wirklich dazu bringen, sie zu lieben?
"L. J. Shen schreibt keine Geschichten über Liebende. Sie schreibt düstere Bücher über Seelenverwandte, und ich liebe jedes einzelne davon!" MALLAK von ENDLESSBOOKWORLD
Band 3 der Boston-Belles-Reihe
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Seitenzahl: 585
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Widmung
Playlist
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von L. J. Shen bei LYX
Impressum
L. J. Shen
Boston Belles
MONSTER
Roman
Ins Deutsche übertragen von Anne Morgenrau
Aisling Fitzpatrick ist nach außen hin die perfekte Prinzessin der Bostoner High Society: fürsorgliche Tochter, aufstrebende Ärztin und treue Freundin. Doch hinter der makellosen Fassade versteckt sie ihre dunkle Seite – die, die sich nach Sam Brennan sehnt, dem gefürchteten und mächtigen Mafiaboss der Bostoner Unterwelt. Seit er ihr vor Jahren auf einem Jahrmarkt den ersten Kuss gestohlen hat, bekommt sie ihn einfach nicht mehr aus dem Kopf. Aber für eine Frau – und erst recht für die Liebe – ist in Sams gefährlichem und brutalem Leben kein Platz. Daher sieht er in Aisling nicht mehr als die kleine Schwester seiner besten Freunde und die Tochter seines wichtigsten Klienten – der ihn großzügig dafür bezahlt, die Finger von ihr zu lassen. Bis Aisling in einer Nacht alles auf eine Karte setzt, um Sam zu verführen. Dieser lernt sie von einer ganz anderen Seite kennen, denn Aisling ist keineswegs so unschuldig und naiv, wie er immer dachte. Doch kann die Prinzessin das Monster wirklich dazu bringen, sie zu lieben?
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer LYX-Verlag
Für alle Monster und für Pang und Jan, die Schwertschwinger. Danke, dass ihr in mein Leben gestürmt seid.
Kasabian – You Are in Love with a Psycho
The Subways – Rock & Roll Queen
Kelsey Lu – I’m Not in Love
Falling in Reverse – Good Girls Bad Boys
Zara Larsson – Wow
The Gossip – Listen Up
Skeeter Davis – The End of the World
Was wäre ein Ozean ohne ein Monster, das in der Dunkelheit lauert? Das wäre wie Schlaf ohne Träume.
Werner Herzog
9 Jahre alt
Heute hast du zum letzten Mal in deinem Leben geweint, kleiner Scheißer.
Nur das ging mir durch den Kopf, als die Frau, die mich geboren hatte, fünfmal hintereinander auf die Klingel hämmerte und die Rückseite meines T-Shirts umklammert hielt, als wollte sie einen Punk, der ihr Haus mit Klopapier umwickelt hatte, auf der Türschwelle ihres Nachbarn entsorgen.
Die Tür von Onkel Troys Penthouse flog auf. Sie schubste mich über die Schwelle.
»Hier. Behaltet ihn. Ihr habt gewonnen.«
Ich warf mich Tante Sparrow an die Brust, die zurücktaumelte und mich beschützend in die Arme schloss.
Sparrow und Troy Brennan waren zwar in Wirklichkeit nicht meine Tante und mein Onkel, aber ich verbrachte eine Menge Zeit bei ihnen – und mit »eine Menge« meine ich, dass es immer noch zu wenig war.
Cat, alias die Frau, die mich geboren hatte, gab mich fort. Sie hatte sich an diesem Abend dazu entschlossen, als sie auf dem Weg zu ihrem Schlafzimmer an mir vorbeikam.
»Warum bist du so klein? Pams Sohn ist genauso alt wie du, aber er ist riesig.«
»Weil du mir nie was zu essen machst, verdammt!« Ich ließ den Joystick neben mich fallen und sah sie empört an.
»Du bist zehn oder elf, Samuel, was weiß ich. Mach dir selbst ein Sandwich.«
Ich war erst neun und außerdem unterernährt, aber sie hatte recht: Ich sollte mir ein Sandwich machen. Hätte ich auch, wenn wir die Zutaten dafür gehabt hätten. Aber in unserem Haus gab es nicht einmal Gewürze, nur Drogenutensilien und genug Alkohol, um den Charles River damit zu füllen.
Cat interessierte das nicht die Bohne. Sie war stinkwütend, weil ich ihr das Kokain geklaut, es ein paar Typen auf der Straße verkauft und mir von dem Geld vier McMeals und eine Nerf Gun gekauft hatte, als sie mich an diesem Abend unbeaufsichtigt gelassen hatte.
Wenn es um meine Erziehung ging, erledigte Grandma Maria den Hauptteil. Sie wohnte bei uns und hatte zwei Jobs, um uns zu unterstützen. Catalina blieb im Hintergrund wie ein Möbelstück – anwesend, aber im Grunde nicht wirklich da. Wir wohnten zwar unter demselben Dach, aber sobald sie ihren jeweiligen Freund so weit unter der Fuchtel hatte, dass er sie bei sich wohnen ließ, zog sie wieder aus. Sie ließ sich in Entzugskliniken behandeln, hatte Dates mit verheirateten Männern und kam irgendwie an genug Geld, um sich teure Handtaschen und Schuhe zu kaufen. Die Jungs in der Schule erzählten mir dauernd, ihre Väter meinten, dass Cat jede Matratze im Motel 6 bei uns im Ort kannte, und obwohl ich nicht wusste, was das heißen sollte, war ich mir sicher, dass es nichts Gutes sein konnte.
Einmal hatte ich gelauscht und zufällig mitbekommen, wie Onkel Troy zu ihr sagte: »Verdammt noch mal, Cat, er ist nicht die Hamptons. Du kannst ihn nicht nur gelegentlich bei gutem Wetter besuchen.«
Catalina hatte geantwortet, er solle gefälligst die Klappe halten. Ich sei der schlimmste Fehler, den sie je im Rausch gemacht hatte.
An jenem Tag wurde ich des Unterrichts verwiesen. Ich hatte Neil DeMarco verprügelt, weil er gesagt hatte, seine Eltern würden sich wegen meiner Mom scheiden lassen.
»Deine Mom ist eine Schlampe, und jetzt muss ich in ein kleineres Haus ziehen! Ich hasse dich!«
Als ich mit ihm fertig war, hatte er einen weiteren Grund, mich zu hassen. Einen Grund, an den er sich immer erinnern würde, weil er sein Gesicht verändert hatte.
Als Cat mich abholte, schrie sie mich an, sie würde mein Gesicht so zurichten, wie ich es mit Neils getan hatte, aber ich sei es nicht wert, dass sie sich die frisch manikürten Nägel ruinierte. Ich hörte sie kaum. In meinem Kopf war alles wie angeschwollen von der Prügelei und von Gedanken, die mir Kopfschmerzen bereiteten.
Aber ich wusste, dass sie zu geizig war, um mich zur Notfallambulanz zu bringen, also beschwerte ich mich nicht.
»Behalten?« Tante Sparrow musterte Catalina aus schmalen grünen Augen. »Was redest du da? Heute ist nicht Sams Tag bei uns.«
Tante Sparrow hatte rotes Haar und Sommersprossen und einen Körper wie eine Vogelscheuche, nur Haut und Knochen. Sie war nicht so hübsch wie Catalina, aber ich liebte sie trotzdem mehr.
Cat verdrehte die Augen und trat gegen die Sporttasche mit meinem Zeug darin. Die Tasche traf Onkel Troy am Schienbein.
»Jetzt tut doch nicht so, als hättet ihr es nicht die ganze Zeit genau darauf abgesehen. Ihr nehmt ihn mit in den Urlaub, er hat ein Zimmer bei euch, und ihr geht zu all seinen Fußballspielen. Du würdest ihn stillen, wenn du Titten hättest, was bedauerlicherweise nicht der Fall ist.« Catalina ließ den Blick über Sparrows Körper wandern. »Ihr wolltet ihn immer schon haben. Er wird eure langweilige kleine Familie vervollständigen, zusammen mit eurer langweiligen kleinen Tochter. Also, heute ist euer Glückstag, denn ab jetzt gehört das Arschloch offiziell euch.«
Ich schluckte heftig und starrte wütend auf den Flatscreen hinter Sparrow. Ihr Wohnzimmer sah chaotisch aus, aber chaotisch auf die positive Art. Überall war Spielzeug verteilt, rosa Kuscheldecken und ein violett glitzernder Kinderroller lagen herum. Merida – Legende der Highlands flimmerte über den Bildschirm. Sailors Lieblingsfilm. Wahrscheinlich schlief sie schon.
Für sie gab es eine Schlafenszeit. Regeln. Routine.
Sailor war Troys und Sparrows zweijährige Tochter. Ich liebte sie wie eine Schwester. Wenn ich bei ihr war und sie sich vor einem Monster unter ihrem Bett fürchtete, kam sie in mein Zimmer getapst, schlüpfte unter meine Decke und schlang die Arme um mich, als wäre ich ein Teddybär.
»Pass auf mich auf, Sammy.«
»Immer, Sail.«
»Nicht vor dem Kind.« Troy machte einen Schritt auf Cat zu und brachte sie damit auf Abstand zu mir. Mein Magen knurrte, und mir fiel ein, dass ich nach den eilig verschlungenen McMeals nichts mehr gegessen hatte.
»Sam, lässt du uns einen Moment allein?« Sparrow fuhr mir mit den Fingern durch die staubigen Haare. »Ich habe dir das Videospiel besorgt, nach dem du gefragt hast. Hol dir etwas zu essen und spiel ein bisschen, bis wir hier fertig sind.«
Ich nahm mir etwas Beef Jerky – Onkel Troy hatte mir erzählt, dass ich von Proteinen schneller wachsen würde –, verschwand im Korridor und bog um die Ecke, ging aber nicht in mein Zimmer. Seit dem ersten Schultag hatte ich hier mein eigenes Reich. Grandma Maria sagte, der Grund sei, dass Troy und Sparrow in einem Viertel mit guten Schulen lebten und dass wir ihre Postleitzahl brauchten, um mich dort anmelden zu können. Aber auch nachdem ich von der ersten Schule geflogen war, kam ich noch oft hierher.
Mein »richtiges« Zuhause befand sich in einer üblen Gegend in Southie, wo um jeden Strommast herum Typen in Tennisschuhen lungerten, und auch wenn man überhaupt nicht auf Streit aus war, musste man garantiert einen Kampf hinter sich bringen, um zu überleben.
Weil ich lauschte, hörte ich, wie Troy an der Tür knurrte: »Fuck, was soll das?« Es gefiel mir, wie er das Wort »Fuck« aussprach. Es klang wie ein Peitschenhieb, und die Haut an meinen Armen fing auf einmal an zu prickeln und sah ganz komisch aus. »Maria ist noch keine drei Wochen unter der Erde, und du fängst schon wieder an, Scheiße zu bauen.«
Grandma Maria war vor weniger als einem Monat im Schlaf gestorben. Ich war es, der sie gefunden hatte. Cat war die ganze Nacht weg gewesen, um zu »arbeiten«. Ich umarmte Grams und weinte, bis ich die Augen nicht mehr aufmachen konnte. Als Cat schließlich nach Hause kam, mit verschmiertem Make-up und Whiskey im Atem, sagte sie, das sei ganz allein meine Schuld.
Grams hätte von meinem Bullshit genug gehabt und beschlossen, zu verschwinden.
»Kann ihr keinen Vorwurf machen, dass sie den Löffel abgegeben hat, Junge. Wenn ich könnte, würde ich es genauso machen!«
Noch an demselben Morgen hatte ich meine Sporttasche gepackt und sie unter dem Bett versteckt.
Ich wusste, dass Cat mich nicht behalten würde.
»Pass du mal lieber auf, was du sagst. Ich trauere noch. Du weißt schon, dass ich völlig unerwartet meine Mutter verloren habe, oder?«, sagte Catalina jetzt aufgebracht.
»Tja, Pech gehabt. Sam hat nie eine Mutter gehabt.« Obwohl er leise sprach, ließ Troys Stimme die Wände beben.
»Dieser Junge ist einfach nicht zu bändigen! Dumm wie Brot und aggressiv wie ein tollwütiger Hund. Es hat keinen Sinn, dass er bei mir bleibt. Ist nur eine Frage der Zeit, bis er im Jugendknast landet«, fauchte meine Mutter. »Er ist ein Monster.«
Das war ihr Spitzname für mich. Monster.
Das Monster hat dies gemacht. Das Monster hat jenes gemacht.
»Hör zu. Mir ist egal, was ihr von mir haltet, du und deine perfekte kleine Frau. Es ist einfach zu viel Verantwortung. Ich bin raus. Für eine Therapie oder so was kann ich nicht bezahlen. Schließlich bin ich kein Goldesel.« Catalina drehte einen Absatz in den Boden. Ich hörte, wie sie ihre Chanel-Tasche nach Zigaretten durchwühlte. Sie würde keine finden. Während sie in ihrem Schlafzimmer high wurde, hatte ich im Garten die Hälfte des Päckchens geraucht. Der Rest lag in meiner Tasche.
»Wenn Geld das Problem ist …«, setzte Sparrow an.
»Oh Mann, halt endlich die Klappe«, fiel ihr Cat bösartig zischend ins Wort. »Dein Geld kannst du behalten. Und ich kann nur hoffen, dass du nicht dumm genug bist, dich für etwas Besseres zu halten bei all der Hilfe, die du von deinem Mann und einem Harem von Nannys und Lehrerinnen bekommst. Sam ist eine Ausgeburt der Hölle. Ich schaffe das nicht allein.«
»Du machst es ja auch nicht allein«, stieß Troy hervor. »Wir haben das gemeinsame Sorgerecht für ihn, du dumme Kuh.«
Meine Brust wurde heiß wie Feuer. Dass Sparrow und Troy das Sorgerecht für mich hatten, war mir neu. Ich wusste zwar nicht, was das bedeutete, aber es schien wichtig zu sein.
»Wenn ihr ihn nicht nehmt, stecke ich ihn in ein Waisenhaus«, sagte Cat und gähnte.
Auf eine gewisse Art war ich erleichtert. Mir war völlig klar gewesen, dass Cat nach Grandmas Tod sofort versuchen würde, mich loszuwerden. In den Wochen zuvor hatte ich befürchtet, sie würde das Haus mit mir darin anstecken, um die Versicherung zu kassieren. Immerhin war ich noch am Leben.
Ich wusste, dass meine Mutter mich nicht liebte. Sie sah mich niemals an. Und wenn sie es doch tat, sagte sie, dass ich sie an ihn erinnerte.
»Das gleiche Edward-Cullen-Haar. Die gleichen toten grauen Augen.«
Er war Brock Greystone, mein verstorbener Vater. Vor seinem Tod war er bei Troy Brennan angestellt gewesen. Brock Greystone war schwach und erbärmlich und ein Betrüger. Eine Ratte. Alle sagten das. Grandma, Cat und Troy.
Mein schlimmster Albtraum war es, so zu werden wie er, und genau darum erzählte mir Catalina immer wieder, wie sehr ich ihm ähnelte.
Und dann war da noch Onkel Troy. Ich wusste, dass auch er ein böser Mann war, aber ein ehrenhafter.
Die Schlaumeier bei mir im Viertel behaupteten, dass Blut an seinen Händen klebte.
Dass er Menschen bedroht, gequält und getötet hatte.
Mit Troy legte sich niemand an. Niemand warf ihn aus dem Haus, schrie ihn an oder bezeichnete ihn als größten Fehler seines Lebens. Und er hatte eine Ausstrahlung, als wäre er … ja, als wäre er aus Marmor. Manchmal betrachtete ich seinen Brustkorb und wunderte mich, dass er sich bewegte.
Ich wünschte mir so sehr, er zu sein, dass mir beim bloßen Gedanken daran die Knochen wehtaten.
Seine Existenz war irgendwie lauter als die der anderen.
Immer wenn Onkel Troy mitten in der Nacht verschwand, kam er zerzaust und mit blauen Flecken zurück. Er brachte Donuts mit und ignorierte die Tatsache, dass er nach Schwarzpulver und Blut roch. Bei Tisch erzählte er uns unanständige Witze, und damit Sailor sich nicht mehr fürchten musste, behauptete er, er habe gesehen, wie die Monsterfamilie aus ihrem Kleiderschrank ausgezogen war.
Einmal war eine Menge von seinem Blut auf einen Donut getropft, und Sailor hatte ihn gegessen, weil sie dachte, dass es sich um roten Zuckerguss handelte. Tante Sparrow wäre beinahe explodiert. Sie jagte ihn mit einem Besenstil durch die Küche und fuchtelte damit herum, während Sail und ich kichernd zusahen. Sie traf ihn tatsächlich zweimal am Ohr. Als sie ihn schließlich erwischte (aber nur, weil er sich erwischen ließ), packte er sie bei den Handgelenken, drückte sie auf den Boden und küsste sie fest auf den Mund. Ich glaube, ich habe sogar seine Zunge hervorblitzen sehen, aber dann schlug sie ihm gegen die Brust und kicherte.
Vor lauter Lachen und Glück unterlief Sailor ein Missgeschick, obwohl sie eigentlich längst aufs Töpfchen ging.
Doch auf einmal spürte ich, wie sich meine Brust zusammenzog, denn ich wusste, dass sie mich später am Nachmittag wieder zu Cat schicken würden. Das erinnerte mich daran, dass ich im Grunde nicht zu ihrer Familie gehörte.
Das war die einzige gute Zeit, die ich hatte. Jedes Mal, wenn ich in meinem Bett lag und Cats Bettfedern unter dem Gewicht eines Fremden quietschen hörte, rief ich ihn mir immer wieder ins Gedächtnis.
»Wir nehmen ihn«, sagte Sparrow kalt. »Verschwinde. Wir schicken dir die Papiere, sobald unser Anwalt die Dokumente zusammenhat.«
In diesem Augenblick füllte sich mein Brustkasten mit etwas Warmem. Etwas, das ich nie zuvor empfunden hatte. Ich konnte es nicht aufhalten. Es fühlte sich gut an. Hoffnung? Eine Chance? Mir fiel kein Name dafür ein.
»Red«, flüsterte Troy den Spitznamen seiner Frau.
Und sofort wurde es in meinem Inneren wieder kalt. Er wollte mich nicht adoptieren. Warum auch? Sie hatten bereits eine perfekte Tochter. Sailor war süß und lustig und normal. Sie geriet nie in Schlägereien, war nicht dreimal von der Schule geflogen und hatte sich mit Sicherheit nicht sechsmal bei gefährlichen Unternehmungen die Knochen gebrochen, weil der Schmerz sie daran erinnerte, dass sie noch lebte.
Ich war kein Idiot. Ich wusste, wohin mein Weg mich führen würde – auf die Straße. Kinder wie ich wurden nicht adoptiert. Sie wurden zu Straftätern.
»Nein«, blaffte Sparrow ihren Mann an. »Ich habe mich entschieden.«
Für einen Moment sagte niemand etwas. Ich bekam richtig Angst. Ich wollte Cat schütteln und ihr sagen, wie sehr ich sie hasste. Dass ich mir wünschte, sie wäre anstelle von Grandma Maria gestorben. Dass sie es verdient hatte, zu sterben, mit all ihren Drogen und Liebhabern und Entzugsversuchen.
Ich habe nie jemandem erzählt, dass sie mir zum Einschlafen immer kleine Gläschen Rum verabreichte. Wenn Troy oder Sparrow überraschend zu Besuch kamen, rieb sie mir weißes Pulver auf das Zahnfleisch, damit ich aufwachte. Dabei fluchte sie leise und drohte, mich zu verbrennen, wenn ich nicht aufwachte.
Ich war sieben, als ich begriff, dass ich abhängig war.
Wenn ich das weiße Pulver nicht täglich bekam, begann ich zu zittern und zu schwitzen und schrie in mein Kissen, bis ich vor Erschöpfung ohnmächtig wurde.
Ich war acht, als ich die Sucht überwand.
Ich weigerte mich einfach, Rum oder Pulver von ihr anzunehmen. Drehte jedes Mal durch, wenn sie mit dem Zeug in meine Nähe kam. Einmal habe ich Cat so fest in den Arm gebissen, dass ich ein Stück Haut von ihr im Mund behielt. Es schmeckte salzig und metallisch und fühlte sich zwischen meinen Zähnen hart an.
Danach versuchte sie es nie wieder.
»Du kannst verdammt froh sein, dass meine Frau so dickköpfig ist«, zischte Troy. »Wir nehmen Sam, aber es gibt Bedingungen, und zwar einige.«
»Ist ja schrecklich«, entgegnete Cat. »Und die wären?«
»Du überlässt seine Erziehung uns und unterzeichnest alle dafür notwendigen Papiere, ohne Verhandlungen und ohne einen Penny zu verlangen.«
Cat lachte trocken. »Geht klar.«
»Du verschwindest aus Boston. Zieh weit weg. Und wenn ich weit sage, Catalina, dann meine ich einen Ort, an dem er dich nicht besuchen kann. Damit die Erinnerung an seine Versagerin von Mutter nicht mehr so schmerzt. Am besten wäre ein anderer Planet, aber wir können nicht riskieren, dass du Außerirdischen begegnest, die dann glauben, wir wären alle solche Arschlöcher. Zwei Staaten Abstand sind meine Mindestforderung. Und wenn du jemals zurückkommst – wovon ich dir dringend abrate –, fragst du erst mal mich, wenn du ihn sehen willst. Wenn du ihn jetzt verlässt, verlierst du all deine mütterlichen Rechte. Wenn ich dich dabei erwische, dass du dieses Kind … mein Kind schlecht behandelst …« Er legte eine Pause ein, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »… dann bereite ich dir den langsamen, qualvollen Tod, um den du seit fast zehn Jahren bettelst. Und ich werde dafür sorgen, dass du dir dein Sterben im Spiegel ansiehst, du eitles Stück Luftverschwendung.«
Ich nahm ihm das ab.
Und ich wusste, dass sie es auch tat.
»Du wirst mich nie wiedersehen.« Cats Stimme rasselte, als steckte ihre Kehle voller Münzen. »Er ist von Grund auf verdorben, Troy. Deshalb liebst du ihn. Du siehst dich selbst in ihm. Sein finsteres Wesen spricht dich an.«
Das war der Augenblick, in dem ich zur Salzsäule erstarrte. Jedenfalls fühlte es sich so an. Ich befürchtete, zu zerspringen, falls mich jemand anfasste.
Ich konnte wie Troy sein.
Ich konnte bedrohlich sein. Gewalttätig. Ich hatte alles, was ihn zu diesem großartigen Mann machte.
Ich hatte den gleichen Hunger und empfand die gleiche Verachtung für die Welt, und mein Herz war einfach nur ein Herz – ein Organ ohne viel Inhalt.
Ich konnte die Kurve kriegen.
Ich konnte jemand anderes sein.
Ich könnte jemand sein, Punkt.
Das war eine Möglichkeit, die ich noch nie in Betracht gezogen hatte.
Cat verschwand kurz danach. Dann redeten Troy und Sparrow miteinander. Ich hörte, wie er sich einen Drink einschenkte. Sie sprachen über Rechtsanwälte und darüber, was man Sailor sagen sollte. Sparrow schlug vor, mich auf eine Montessori-Schule zu schicken, was immer das auch war. Auf Zehenspitzen machte ich mich auf den Weg ins Bett, war zu müde, um mir Sorgen um meine eigene Zukunft zu machen. Meine Knie stießen aneinander, und ich spürte, wie mir das Beef Jerky hochkam. Ich machte einen Boxenstopp im Badezimmer und kotzte mir die Seele aus dem Leib.
Waisenkind. Ein Fehler. Ein Monster.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bevor die beiden in mein Zimmer kamen.
Ich stellte mich schlafend, denn ich wollte nicht reden. Alles, was ich wollte, war, mit geschlossenen Augen dazuliegen, voller Angst, dass sie letztlich doch beschlossen hatten, mich nicht zu nehmen, oder dass sie mir etwas anderes erzählen würden, was ich nicht hören wollte.
Ich spürte, wie das Bett sich senkte, als Sparrow sich auf den Rand setzte. Ich hatte grün-weiße Bettwäsche in den Farben der Boston Celtics, besaß eine PlayStation, einen Fernseher und ein Trikot von Bill Russell, das an der Wand hing. Mein Zimmer war grün gestrichen, und überall hingen gerahmte Fotos von mir mit Troy, Sparrow und Sailor in Disneyland, den Universal Studios in Hollywood und auf Hawaii.
In meinem Zimmer in Cats Haus gab es nur ein Bett, eine Kommode und einen Papierkorb.
Keine Farbe. Keine Fotos. Kein Garnichts.
Ich hatte nie nach den Gründen gefragt.
Warum die Brennans mich aufnahmen.
Warum ich Teil dieses bescheuerten Arrangements war.
»Wir wissen, dass du wach bist.« Unter Troys nach Whiskey riechendem Atem breiteten sich die Haare, die meine Augen bedeckten, fächerförmig aus und ließen meine Nase jucken. »Du wärst ein Idiot, wenn du an einem Abend wie diesem einschlafen würdest, und mein Sohn ist kein Idiot.«
Vorsichtig öffnete ich die Augen. Troys Silhouette verdeckte den Großteil des Zimmers. Sparrow legte mir eine Hand auf den Rücken und begann, ihn in Kreisen zu reiben.
Ich zersplitterte nicht.
Ich atmete auf.
Okay, ich bin doch keine Salzsäule.
»Bist du mein echter Vater?«, platzte ich heraus, besaß aber nicht den Mut, ihn dabei anzusehen. »Hast du mich mit Cat gemacht?«
Ich hätte ihm diese Frage längst stellen sollen. Es war die einzig sinnvolle Erklärung. »Sonst würdet ihr euch doch nicht um mich kümmern. Ihr lasst mich doch nicht hier rumhängen, nur weil Grandma Maria irgendwann mal eure Toiletten geschrubbt hat. Bin ich ein Bastard?«
»Du bist kein Bastard, und du bist nicht von mir«, sagte Troy rundheraus und richtete den Blick auf das Fenster. Vor ihm erstreckte sich die Skyline von Boston. Lauter Dinge, die ihm gehörten und über die er herrschte. »Jedenfalls nicht biologisch gesehen.«
»Ich bin ein Greystone«, sagte ich.
»Nein«, fauchte er. »Du bist ein Brennan. Greystones haben das Herz-Gen nicht.«
Von diesem Gen hatte ich noch nie gehört. Was daran liegen könnte, dass ich damals an den meisten Tagen die Schule schwänzte. Stattdessen stand ich vor Kneipen und Bars herum, rauchte Zigaretten und verkaufte, was ich an dem jeweiligen Tag gestohlen hatte, um meine nächste Mahlzeit bezahlen zu können.
»Ich bin nicht perfekt«, sagte ich und setzte mich mit finsterem Blick im Bett auf. »Wenn es das ist, was ihr wollt – einen perfekten Jasager –, dann werft mich gleich wieder raus.«
»Du sollst nicht perfekt sein.« Sparrow rieb mir schneller und fester über den Rücken. »Wir wollen nur, dass du bei uns bist. Du bist Samuel. Ein Geschenk Gottes. In der Bibel bekam Hannah ihren Samuel nach Jahren des Betens. Sie glaubte, unfruchtbar zu sein. Weißt du, was das Wort bedeutet?«
»Eine Frau, die keine Kinder bekommen kann.« Ich schauderte. Um Kinder zu kriegen, musste man sie erst mal machen, und ich wusste genau, was Menschen taten, damit das passierte. Ich hatte Catalina einige Male beim Üben mit ihren Kunden erwischt, und das war verdammt peinlich gewesen.
Sparrow nickte. »Nachdem Sailor geboren war, haben mir die Ärzte gesagt, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann. Nun, offenbar muss ich das auch nicht. Ich habe dich. Dein Name bedeutet ›Der Herr erhört dich‹ auf Hebräisch. Shma-el. Gott hat meine Gebete erhört und all meine Erwartungen übertroffen. Du bist großartig, Samuel.«
Großartig. Haha. Das Wort würde ich für ein berühmtes Gemälde oder so benutzen, aber nicht für einen neunjährigen ehemaligen Kokainabhängigen und trockenen Alkoholiker, der aktiver Raucher und kleiner als die anderen Kinder in seinem Alter war.
Meine Kindheit war dermaßen kaputt, dass meine Unschuld und ich nicht mehr die gleiche Postleitzahl hatten, und wenn sie glaubte, dass etwas Hausmannskost und ein paar Rückenmassagen daran etwas ändern konnten, stand ihr eine unangenehme Überraschung bevor.
»Sagt mir, warum ich hier bin und nicht in einem Waisenhaus. Ich bin alt genug, es zu erfahren«, sagte ich, ballte die Fäuste und biss die Zähne zusammen. »Und kommt mir bloß nicht mit der Bibel. Kann ja sein, dass der Herr Hannah erhört hat, aber mir hat er bestimmt nicht zugehört.«
»Du bist hier, weil wir dich lieben«, beteuerte Sparrow, während Troy sagte: »Du bist hier, weil ich deinen Vater getötet habe.«
Stille machte sich breit. Sparrow sprang von meinem Bett auf und starrte ihren Mann aus großen Augen an. Ihr Mund stand offen wie bei einem Fisch.
Troy fuhr fort. »Er hat gesagt, dass es seinem Sohn zusteht, das zu erfahren. Und er hat recht, Red. Sam, die Wahrheit ist, dass dein Vater Sparrow kurz vor seinem Tod gekidnappt hat mit der Absicht, sie zu töten. Ich musste meine Frau retten, und genau das habe ich getan, und zwar ohne zu zögern. Aber ich will, dass du eine Vaterfigur hast. Jemand, zu dem du aufblicken kannst. Der Plan war, dich hin und wieder zu Basketballspielen mitzunehmen. Dich mit Orientierung, Rat und einem üppigen Fonds fürs College zu versorgen, damit du einen guten Start ins Leben hast. Eine Bindung zu dir herzustellen war nie Teil meines Plans, aber es ist trotzdem passiert.« Er blickte mir unverwandt in die Augen. »Mir wurde ziemlich schnell klar, dass du kein Projekt warst. Du gehörtest zur Familie.«
»Du hast meinen Vater getötet«, wiederholte ich.
Ich wusste, dass Brock Greystone tot war, aber Catalina und Grandma Maria hatten immer gesagt, es sei ein Unfall gewesen.
»Ja«, sagte er nur.
»Wer weiß davon?«
»Du. Ich. Cat. Tante Sparrow. Gott.«
»Hat Gott dir vergeben?«
Troy schmunzelte. »Er hat mir dich gegeben.«
Was auch eine Strafe sein konnte, je nachdem, wen man fragte.
Und nun war Brock tot und Cat weg. Ob es mir gefiel oder nicht: Die Brennans waren meine einzige Überlebenschance.
»Alles klar?«, fragte Troy. Mit seinem Southie-Akzent klang es wie »As klar?«.
Ohne jeden Plan, was ich denken oder tun sollte, starrte ich ihn an.
»Ich gehe jetzt ein paar Donuts holen.« Er bückte sich, griff nach meiner Schultertasche und holte Cats Zigarettenpackung heraus. Es war kurz vor Mitternacht, und er brach definitiv auf, um eins seiner »Geschäfte« zu erledigen.
»Donuts helfen immer«, sagte Sparrow und führte seine Lüge fort. »Pass auf dich auf, Schatz.«
Er beugte sich über sie und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Immer, Red. Und du …« Er zerzauste mit seiner großen Hand mein Haar. »… keine Zigaretten mehr. Das Zeug kann dich früh ins Grab bringen.«
Das war der Augenblick, in dem ich beschloss, weiter zu rauchen, bis meine Lunge kollabierte. Nicht, um mich Onkel Troy zu widersetzen, sondern weil ich einen frühen Tod für keine schlechte Idee hielt.
Als er das Haus verließ, wandte ich mich an Sparrow. Meine Nerven lagen blank. Ich hatte keine Ahnung, ob ich mich noch einmal übergeben würde, diesmal in ihren Schoß. Dabei übergab ich mich nie, und ich weinte auch nie.
»Er wollte mich nicht haben«, sagte ich.
Sie fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und brachte es wieder in Ordnung. »Ja, aber nur weil er nicht wollte, dass deine Mutter aus deinem Leben verschwindet.«
»Aber dir war das scheißegal. Warum?«
»Weil ich weiß, dass es besser ist, keine Mutter zu haben als eine schlechte, und weil mir jeder Tag, den du bei ihr verbracht hast, in der Seele wehtat.«
»Grams ist auch weg.«
»Sie ist nicht weggegangen, Schätzchen. Sie ist gestorben. Es war nicht ihre Entscheidung.«
»Ist mir egal. Ich hasse Frauen. Ich hasse sie alle.«
»Eines Tages wirst du eine Frau kennenlernen und deine Meinung ändern.« Sparrow lächelte in sich hinein, als wüsste sie etwas, das ich nicht wusste. Aber sie irrte sich.
Grams war gestorben und hatte mich mit Cat zurückgelassen.
Cat hatte mich mehrmals beinahe umgebracht.
Frauen waren nicht verlässlich. Männer auch nicht, aber Männern konnte ich wenigstens in die Eier treten, und Männer machten niemals irgendwelche Versprechungen. Ich hatte keinen Vater oder Großvater, auf den ich wütend sein konnte.
»Ich werde meine Meinung nicht ändern. Niemals«, murmelte ich und kämpfte gegen meine schweren Lider an, die ständig zufallen wollten.
Mehrere Stunden, nachdem Troy gegangen war, schlief ich in Sparrows Armen ein.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich eine goldene Kette auf dem Nachttisch liegen.
Ich betrachtete den Anhänger, der den heiligen Antonius darstellte. In die Medaille waren meine Initialen eingraviert.
S. A. B.
Samuel Austin Brennan.
Jahre später erfuhr ich, dass Troy und Sparrow gleichzeitig mit dem alleinigen Sorgerecht für mich eine gesetzliche Namensänderung von Greystone zu Brennan beantragt hatten.
Ich wusste, wer der heilige Antonius war: der Schutzpatron aller verlorenen Dinge.
Ich war verloren gewesen, und sie hatten mich gefunden.
Neben der Kette standen ein Pappteller mit einem glasierten Donut und eine Tasse heißer Kakao.
Ich war jetzt ein Brennan.
Gehörte zur Aristokratie der Bostoner Unterwelt.
Privilegiert, respektiert und vor allem gefürchtet.
Eine entstehende Legende.
Und ich würde den Erwartungen meiner Namensvetter gerecht werden, um jeden Preis.
Meine Eltern waren gescheitert, aber ich … Ich würde erfolgreich sein.
Ich würde aus der Asche auferstehen und sie stolz machen.
Ich würde den Himmel stürmen.
Zum ersten Mal verspürte ich dieses Gefühl.
Gewissheit.
17 Jahre alt
Das Herz ist ein Monster.
Deshalb ist es hinter unseren Rippen eingesperrt wie in einem Käfig.
Gewusst hatte ich das immer schon, vom Moment meiner Geburt an, aber an diesem Abend konnte ich es spüren.
Nachdem ich zwanzig Minuten lang auf der Interstate 90 stadtauswärts gefahren war, musste ich mir eingestehen, dass ich mich verfahren hatte.
Ich fuhr mit offenen Fenstern, die feuchte Sommerluft peitschte meine nassen Wangen. Noch immer liefen mir die Tränen.
Süß und berauschend stieg mir der Duft von Frühlingsblumen in die Nase und vermischte sich mit der Frische des Abends.
Sie wird nie wieder Frühlingsblumen riechen.
Nie wieder schief lächeln, als wären die Geheimnisse des Universums zwischen ihren Lippen verborgen.
Nie wieder wird sie mir ein Kleid vor die Brust halten, aufgeregt mit den Schultern wackeln und »Da steht dein Name drauf!« rufen.
Warum nur musstest du das tun, B?
Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich.
In der Ferne blitzten Neonlichter an gelb und rot gestreiften Zelten. Auf der Radnabe eines glitzernden Riesenrades war ein riesiges Schild zu sehen.
Aquila Fair.
Ertrinken.
Ich musste ertrinken.
In Lichtern, Gerüchen und Geräuschen, in einfachen Leben, die anders waren als mein eigenes.
Ich bog scharf rechts ab.
Ich parkte zwischen SUVs, heruntergekommenen Fahrzeugen und Sportwagen und stolperte in meinem schwarzen Hoodie, abgeschnittenen Shorts und Sneakers aus dem Volvo. Die Daisy Dukes hatte ich selbst gemacht. Ich hatte einer alten Jeans die Beine dermaßen weit oben abgeschnitten, dass man den Ansatz meines Hinterns noch aus dem Weltall sehen konnte. Normalerweise glich mein Erscheinungsbild dem von Kate Middleton. Sittsam, korrekt und prinzessinnenhaft. Aber an diesem Abend wollte ich ihr ans Bein pissen, weil sie gestorben war. Ihr den Finger zeigen, weil sie nicht geblieben war.
»Amerikanische Mädchen zeigen so viel Haut, als wüssten die Männer nicht, was sie unter der Kleidung erwartet. Du, ma chérie, wirst einen Mann dazu bringen, dass er sich jeden Zentimeter von dir verdienen muss, und dazu wirst du dich angemessen und gesittet kleiden, hörst du?«
Meine Füße trugen mich vorwärts, und allmählich drang der Duft von Zuckerwatte, Popcorn und Paradiesäpfeln in mein System ein.
Sie mochte es nicht, wenn ich Junkfood aß.
Sie sagte, Amerikaner fräßen sich gewohnheitsmäßig eine Typ-2-Diabetes an. Sie vertrat zahlreiche Meinungen zu Amerikanern, die allesamt an Ausländerhass grenzten, und ich verbrachte die Hälfte meiner Zeit damit, ihr Amerikas Vorzüge zu erklären.
Zelte mit Live-Shows, Verkaufsbuden und eine kleine Spielhalle säumten die Fahrgeschäfte und dienten als Begrenzung für den Jahrmarkt. Das Klimpern der Spielautomaten und die mechanischen Geräusche der Fahrgeschäfte ließen meinen leeren Magen vibrieren. Das Riesenrad in der Mitte badete in einem Ozean aus Licht.
Ich kaufte mir rosa Zuckerwatte und eine Cola Light und schlenderte auf dem Platz herum.
Es gab knutschende, lachende, streitende Pärchen. Gruppen von rufenden und johlenden Teenagern. Schreiende Eltern. Rennende Kinder. Auf sie alle war ich unerträglich wütend.
Weil sie lebten.
Weil sie nicht mit mir trauerten.
Weil sie ihren seltenen, wertvollen Zustand für selbstverständlich hielten: lebendig, gesund und gut drauf zu sein.
Ich warf die Reste der Zuckerwatte in eine Mülltonne, sah mich um und überlegte, in welches Karussell ich zuerst einsteigen sollte. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich ein riesiges Schild.
The Creep Show: Erlebnisse im Spukschloss.
Spukschlösser waren meine Spielwiese.
Schließlich wohnte ich in einem – unser Haus barg die Geheimnisse von sieben Generationen Fitzpatricks –, und zu Geistern und Monstern hatte ich mich immer schon hingezogen gefühlt.
Ich reihte mich in die Schlange ein und trat von einem Fuß auf den anderen, während ich mein Handy checkte. Meine Mutter und meine Brüder suchten nach mir.
Cillian: Wo bist du, Aisling? Ruf mich sofort zurück.
Hunter: Yo, Schwesterherz. Alles gut? Klingt, als stecktest du irgendwie in der Scheiße. Grüße aus Cali.
Mutter: Ich habe gehört, was passiert ist. Ganz schrecklich, Liebes. Bitte komm nach Hause, damit wir darüber reden können. Es ist schrecklich, dass du so etwas sehen musstest.
Mutter: Du weißt, dass es mir Angst macht, wenn ich dich nicht erreichen kann. Du musst nach Hause kommen, Ash.
Mutter: Oh Aisling, was soll ich nur tun? Du hast mir nicht einmal meinen Kräutertee gemacht, bevor du verschwunden bist. Ich bin ein Wrack!
So war sie, meine Mutter. Ichbezogen, auch wenn es meine Welt war, die gerade in winzige Teile implodierte. Immer zuerst um ihr eigenes Wohlergehen besorgt.
Ich schob mein Handy wieder in die Tasche und reckte den Hals, um mir die Wagen anzusehen, die aus dem Mund eines lachenden bösen Clowns herausglitten. Aus dem Inneren des Fahrgeschäfts waren gedämpfte Schreie zu hören. Die Leute, die herauskamen, stiegen mit wackeligen Knien und vor Erregung zitternd aus den Wagen.
Als ich schließlich selbst einstieg – die Gondel sah aus wie eine zerbrechliche Nussschale und war überall mit roter Farbe beschmiert, die Blut darstellen sollte –, saß ich allein darin, obwohl genug Platz für zwei war.
Ich wusste, dass mir in einem Kirmeskarussell nichts passieren würde.
Trotzdem fühlte ich mich an diesem Abend schwach, verloren und unerträglich einsam. Es war, als hätte mir jemand in einem Ruck die Haut abgezogen und es mir überlassen, mich als chaotischer Haufen aus Knochen, Venen und Muskeln durch die Gegend zu schleppen.
Ich hatte gerade meine beste Freundin verloren. Die Einzige, die zählte.
Ich zog den Typen, der sich um die Wagen kümmerte, am Hemdärmel.
»Hol mich hier runter.«
Er musterte mich von oben bis unten, wobei sein Blick ein bisschen zu lange auf meinen nackten Schenkeln ruhte.
»Verdammt, Süße, ich hole dir gern einen runter, aber da musst du bis zum Ende meiner Schicht warten. Ich brauch das Geld«, lallte er. Er klang stoned.
Ich klammerte mich an den Arm seines Hurley-Hoodies und schlug in diesem Moment der Verzweiflung vierzehn Jahre Benimmunterricht in den Wind. »Nein! Ich will hier raus. Es sei denn, Sie setzen jemanden zu mir in den Wagen.« Meine Stimme klang hoffnungsvoll.
»Oh Mann, diese Fahrt packt jeder, der über eins zwanzig groß ist.« Er schüttelte meine Hand ab und runzelte die Stirn. »Du wirst hier schon lebend wieder herauskommen.«
»Ich weiß. Ich hab ja auch keine Angst. Es ist nur …«
»Pass auf …« Um die Flut von Wörtern aufzuhalten, hob er eine Hand. »Wenn ich nicht alle drei Minuten auf den roten Knopf da drüben drücke, verliere ich meinen Job. Also: Steigst du aus oder stehst du es durch?«
Ich wollte gerade sagen, dass alles in Ordnung war und ich mich albern benommen hatte, da trat jemand vor und schob sich an der Schlange vorbei bis zu meinem Wagen.
»Sie wird es durchstehen, Mister Kifferkopp.«
Ein Vorhang aus zurückgehaltenen Tränen versperrte mir die Sicht, und ich wusste, wenn ich ihn wegblinzelte, würde jeder sehen, dass ich weinte. Ich war so verlegen, dass ich am liebsten gestorben wäre. Der bekiffte Typ, den ich nur noch verschwommen sehen konnte, öffnete beflissen die Metallschiene, begrüßte den Fremden mit einem gemurmelten »Hallo« und zog den Kopf ein.
Der Mann schlüpfte zu mir in den Wagen, zog die Metallstange vor unsere Bäuche und schnippte eine Zigarette zur Seite. Eine Rauchwolke hüllte uns ein.
Ich wischte mir die Augen und formte mit den Lippen beschämt ein Dankeschön. Als ich den Kopf hob, trafen sich unsere Blicke, und mein Inneres zersplitterte wie ein Glasdach, das von einem Meteoriten getroffen wurde.
Er.
Ich kannte ihn nicht, aber ich hatte von ihm geträumt.
Seit ich neun war, hatte ich jede Nacht von diesem Mann geträumt.
Seit ich angefangen hatte, unter der Bettdecke romantische Bücher zu lesen über tapfere Ritter und die Prinzessinnen, von denen sie geliebt wurden.
Wunderschön und prinzenhaft, mit Augen, die einem in die Seele blicken konnten.
Er sah aus wie Anfang zwanzig. Der Wind hatte sein rötliches Haar zu chaotischer Sexyness zerzaust. Seine Augen waren zwei Silbermonde – die Sorte Augen, die je nach Lichteinfall die Farbe wechselt. Seine Haut leuchtete wie in Gold getaucht, und er war so groß, dass seine Knie aus dem Wagen herausragten. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt, das sich an seine muskulöse Brust und seinen Bizeps schmiegte, und eine schwarze, an den Knien zerrissene Jeans.
An einem abgetragenen Lederband hing ein Medaillon mit dem heiligen Antonius darauf um seinen Hals.
»Ich … Ich bin Aisling.« Ich reichte ihm die Hand. Mit einem Ruck fuhr unser Wagen an und quietschte, als zwei Mädchen in meinem Alter in die Nussschale hinter uns stiegen. Sie tratschten ganz aufgeregt über ein Mädchen namens Emmabelle, die mit ihnen zur Schule ging und offenbar mit dem halben Football-Team geschlafen und der anderen Hälfte einen geblasen hatte.
Er ignorierte meine ausgestreckte Hand. Ich schluckte, zog sie zurück und ließ sie in meinen Schoß sinken.
»Mieser Abend?« Sein Blick verweilte auf meinen geschwollenen Augen.
»Verdammt mies.« Ich vergaß meine Manieren so weit, dass ich nicht einmal höflich lächelte.
»Das bezweifle ich.«
»Jede Wette, dass mein Abend schlimmer ist als der aller anderen hier auf dieser Kirmes.«
Er musterte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue, und mir wurde klar, dass sein gutes Aussehen etwas Teuflisches hatte, dem vermutlich nur wenige Frauen widerstehen konnten.
»Ich würde nicht mit mir wetten.«
»Ach nein? Und warum nicht?«
»Weil ich immer gewinne.«
»Es gibt für alles ein erstes Mal«, sagte ich leise und dachte, dass er für meinen Geschmack ein bisschen zu selbstbewusst war. »Jede Wette, dass ich von allen Leuten auf diesem Jahrmarkt den schlimmsten Abend habe.«
»Tatsächlich? Jede Wette?«
»Innerhalb eines vernünftigen Rahmens natürlich.« Ich straffte den Rücken und rief mir ins Gedächtnis, wer ich war. Sie hatte immer gesagt, dass ich mich zu benehmen hatte. Wenn sie in diesem Augenblick als Geist über mir schwebte, würde sie mein Auftreten nicht gutheißen. Meine Unschuld nicht wegen einer dämlichen Wette an diesen gut aussehenden Fremden zu verlieren war das Mindeste, das ich tun konnte.
»Du bist vermutlich die Sensible.« Er drehte ein Feuerzeug zwischen seinen schmalen Fingern hin und her, eine Geste, die ich merkwürdigerweise als beruhigend empfand.
»Die Sensible?«
»Von deinen Geschwistern.«
»Woher weißt du, dass ich Geschwister habe?« Ich spürte, wie ich vor Überraschung die Brauen hochzog.
Er sah mir offen ins Gesicht, und sein Blick sagte Dinge, die mir eigentlich kein Fremder sagen durfte. Es war, als gehörte ihm die ganze Welt, und da ich ein Teil davon war, gehörte ihm auch ich. Auf einmal wurde mir klar, dass hier etwas sehr Merkwürdiges und möglicherweise Gefährliches vor sich ging.
Ich wollte mich vor diesem Mann entblößen, und ich hatte mich noch nie, schon gar nicht aus romantischen Gründen, vor einem Mann entblößen wollen – und damit meinte ich nicht nur, dass ich meine Kleidung ablegen wollte.
Ich wollte ihn explodieren lassen wie eine Piñata, ihm in die Gedärme fassen und jede Eigenart, jeden Charakterzug und jede seiner schlechten Angewohnheiten ans Tageslicht zerren. Wer war er? Wie war seine Geschichte? Warum redete er mit mir?
»Du glaubst, dass du nichts Besonderes bist«, sagte er leise.
»Halten sich Menschen denn normalerweise für etwas Besonderes?«
»Ja, vor allem die, die es nicht sind.«
»Ich glaube, du warst der Unruhestifter unter deinen Geschwistern.« Ich schob mir die Haare hinter die Ohren. Er schmunzelte, und ich spürte sein Lächeln überall in meinem Körper. Die Luft wurde wärmer, nur weil er zufrieden war.
»Bingo.«
»Du musst als Kind ein ganz schöner Teufelsbraten gewesen sein.« Ich legte den Kopf schief, als könnte ich ihn aus einem anderen Blickwinkel als Neun- oder Zehnjährigen sehen.
»Ich war ein derartiger Unruhestifter, dass meine Mutter mich rausgeworfen hat, als ich neun war.«
»Oh, das tut mir leid«, sagte ich.
»Mir nicht. Ich bin sozusagen einer Kugel ausgewichen.«
»Und dein Vater?«
»Der nicht.« Wie Jack Nicholson in Einer flog übers Kuckucksnest holte der Mann eine Zigarettenschachtel aus dem aufgekrempelten Hemdärmel. Er hielt sich eine Hand über den Mund und zündete sich eine weitere Kippe an. Ich bemerkte, dass der Kiffertyp es sah, aber kein Wort dazu sagte. »Er wurde erschossen, als ich noch ein Kind war.«
»Verdienterweise?«, hörte ich mich fragen.
»Allerdings.« Der heiße Fremde zog an seiner Zigarette. Die orangefarbene Glut flammte auf wie das Ding in meinem Brustkorb. »Was ist mit deinen Leuten?«
»Leben beide noch.«
»Aber irgendjemand ist gestorben. Sonst würdest du nicht weinen.« Er schickte eine Rauchspirale in den Himmel und wir sahen beide zu, wie sich der graue Nebel über uns auflöste.
»Ich habe heute Abend jemanden verloren«, räumte ich ein.
»Und wen?«
»Nichts für ungut, aber das geht dich nichts an.«
»Schon gut, aber nur fürs Protokoll …« Er hob mein Kinn mit der Hand an, in der er die Zigarette hielt. »… mich geht alles etwas an, was in Suffolk County passiert, und da du dich innerhalb der Bezirksgrenzen befindest, solltest du lieber noch mal darüber nachdenken.«
Ein merkwürdiges Gefühl überkam mich. Angst, Begehren und Seelenverwandtschaft bekämpften sich in meinem Inneren. Er war direkt und aggressiv, ein Kämpfer. Und so unwahrscheinlich es auch klingen mochte, ich wusste, dass er und ich an derselben Stelle gesprungen waren, auch wenn man uns auf unterschiedliche Art gebrochen hatte.
Unser Wagen setzte sich in Bewegung und schob sich durch einen schwarzen Vinyl-Vorhang. Ein riesiger Zombie aus Plastik beugte sich aus einer Wolke aus grünem Rauch zu mir herab und lachte mir leise ins Ohr.
»Das Monster wird dich holen.«
Um uns herum drehten sich Tiere, Zombies kreischten und spuckten uns Wasser ins Gesicht, und eine Familie von Leichen aß zu Abend. Die roten Augen eines Babys schossen Laserstrahlen auf uns ab. Langsam und stetig fuhren die Wagen immer weiter hinauf. Die Leute um uns herum quietschten vor Vergnügen.
»Hast du dich jemals verloren gefühlt?«, fragte ich flüsternd.
Auf der Plastikbank unter uns verflocht der Fremde seine Finger mit meinen. Seine Hand war warm, trocken und schwielig. Meine war kalt, weich und verschwitzt. Ich entzog sie ihm nicht, auch nicht, als ich das Summen der Gefahr spürte, als die Luft stickig wurde und mir das Atmen immer schwerer fiel.
Spiel ruhig mit Monstern, aber wundere dich nicht, wenn sie dich beißen.
»Nein. Ich musste schon in frühester Jugend zu mir selbst finden.«
»Glückspilz.«
»Dieses Wort würde ich nicht unbedingt verwenden, um mich zu beschreiben.« Er lachte leise.
»Du bist also kein Ire?« Ich musste einfach weiterbohren.
Jedenfalls sah er nicht irisch aus – er war zu groß, zu muskulös, zu tief gebräunt –, aber er hatte diesen Southie-Akzent, den die meisten irischen Arbeiter zur Schau stellten.
»Kommt auf den Blickwinkel an«, antwortete er. »Aber kommen wir zum Thema zurück. Du fühlst dich verloren.«
»Ja, genau.« Ich räusperte mich und dachte erneut an sie. »Ich glaube nicht, dass ich jemals zu mir finden werde. Ich habe nur wenige Freunde. Tatsächlich hatte ich nur eine einzige echte Freundin, und die ist heute gestorben.«
»Da gibt es nichts zu finden. Im Leben geht es nicht um Selbstfindung. Es geht darum, sich selbst zu erschaffen. Es hat etwas Befreiendes, zu wissen, was man draufhat, wozu man fähig ist. Kompromisslos du selbst zu sein macht dich unbesiegbar.« Seine Stimme drang in mich ein und schlug Wurzeln. Unsere Finger schlangen sich fester umeinander. Der Wagen wackelte gelegentlich, wenn Zombies die Arme nach uns ausstreckten und uns zu packen versuchten. Die Leute um uns herum schrien und kicherten.
Er hatte mir nicht sein Beileid ausgesprochen, wie es jeder andere getan hätte. »Und wer bist du?«, flüsterte ich.
»Ich bin ein Monster.«
»Nein, ich meine es ernst«, protestierte ich.
»Es ist wahr. Ich gedeihe am besten im Dunklen. Mein Job ist es, Angst zu verbreiten, und für manche Leute bin ich ein Albtraum. Und wie alle Monster nehme auch ich mir, was ich will.«
Wir erreichten den höchsten Punkt. Den Gipfel.
»Und in diesem Moment, Aisling, will ich dich küssen.«
Die Gondel machte einen Ruck nach hinten und quietschte. Dann neigte sie sich nach vorn und raste mit zunehmender Geschwindigkeit die Schienen hinunter.
Der Fremde erstickte meinen Schrei mit seinem Mund. Seine heißen, salzigen Lippen pressten sich besitzergreifend auf meine. All meine Vorbehalte, Befürchtungen und Ängste lösten sich in Luft auf. Er schmeckte nach Zigaretten, Pfefferminzkaugummi und Sex. Er schmeckte nach Mann. Ich ließ das Geländer los, krallte die Hände in den dünnen Stoff seines schwarzen Hemds und zog ihn an mich, ertrank in dem, was wir in diesem Augenblick waren. Ein Monster, das eine Prinzessin verschlang, und kein Ritter in Sicht, der sie retten würde.
Er legte den Kopf schief, berührte mit einer Hand meine Wange und umfasste mit der anderen meinen Hinterkopf. Seine Zunge drang in meinen Mund ein, berührte die meine, anfangs nur sanft, bis ich zuließ, dass unser Kuss sich vertiefte. Unsere Zungen umspielten einander, tanzten, neckten, suchten. Mein Magen schlug einen Salto, und die Angst löste sich in Luft auf.
Die Welt fühlte sich auf einmal anders an. Heller. Größer.
Zwischen meinen Beinen wurde es warm, und meine Hüften drängten sich wie von selbst nach vorn. Ich fühlte mich sehnsüchtig und leer. Ich presste gerade die Schenkel zusammen, da spürte ich einen Hauch frischer Luft auf dem Gesicht.
Die Fahrt war vorbei.
Wir waren wieder draußen.
Er beendete den Kuss und zog sich mit ausdrucksloser Miene zurück. Er wirkte beängstigend ruhig.
Die Mädchen im Wagen hinter uns murmelten: »Heilige Scheiße« und: »Das war scharf« und: »Ja, das war definitiv er, Tiff«.
Wer ist er?
»Dein erster Kuss, was?« Er strich mir mit dem Daumen über den Mundwinkel, und sein Blick verriet kalte Belustigung. Als wäre ich ein Spielzeug, wertlos und leicht zu ersetzen. »Das lernst du schon noch.«
Die Mädchen hinter uns kicherten. Meine Seele fuhr ihren imaginären Laptop hoch, öffnete Google Earth und suchte nach einem angemessenen Plätzchen, an dem ich mich vor Scham vergraben konnte.
»Du willst mir also wirklich nicht verraten, wie du heißt?« Meine Stimme klang heiser, und ich räusperte mich. »Stell dir vor, es wäre wirklich mein erster Kuss. Vielleicht bin ich fürs Leben gezeichnet, womöglich traumatisiert, sodass ich nie wieder einem Mann vertrauen kann.«
Der Kiffer öffnete die Metallschiene und schlenderte an der Reihe der Wagen entlang. »Das war’s, Leute. Aussteigen.«
Der Fremde strich mir das Haar aus dem Gesicht.
»Du wirst es überleben«, sagte er mit rauer Stimme.
»Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.«
»Unterschätz mich nicht. Ich weiß eine ganze Menge über Menschen. Außerdem habe ich dir bereits gesagt, dass mein Name Monster lautet.«
»Okay, das ist vielleicht dein Spitzname …«, setzte ich an.
»Spitznamen verraten mehr als Geburtsnamen.«
Dem musste ich zustimmen. Mein Vater nannte Cillian, meinen ältesten Bruder, mo órga, was auf Gälisch »mein Goldener« bedeutet. Meinen zweitältesten Bruder, Hunter, nannte er ceann beag, was so viel wie »Kleiner« heißt.
Für mich hatte er keine Spitznamen.
Mein Name bedeutet Vision oder Traum. Vielleicht war ich für meinen Vater genau das. Etwas Unwirkliches, nicht Greifbares, etwas, das nicht wichtig war. Ich sollte nur ein Gedanke sein. Eine schöne Hülle, die er vorführen und ausstellen konnte.
Eine kleine Tochter, hübsch, sittsam und anständig, ohne den Druck, sie auf eine große Rolle vorbereiten zu müssen. Eines Tages die Firma übernehmen. Ihm männliche Erben schenken, die sein Vermächtnis fortführen würden. Ich war sein Geschenk an meine Mutter, und ich spielte meine Rolle, indem ich sie verwöhnte, all ihre Launen ertrug und die Stunden, in denen er geschäftlich unterwegs war, mit Einkaufsbummeln, gegenseitigem Frisieren und ähnlichen Dingen füllte.
Und nun hatte ich vor, Medizin zu studieren, um mich nach dem Abschluss auch um ihr physisches Wohl zu kümmern. Jane Fitzpatrick hatte Arztbesuche immer schon gehasst. Sie sagte, sie fühlte sich von Ärzten beurteilt und missverstanden.
Ich konnte den Tag kaum erwarten, an dem ich qualifiziert genug sein würde, ihr den Arzt zu ersetzen und ein weiteres Kästchen auf der unmöglichen Wunschliste meiner Eltern abzuhaken.
»Ich fürchte mich nicht vor Monstern«, sagte ich und straffte die Schultern.
Zufrieden mit meiner Antwort, berührte er mein Kinn. »Vielleicht bist du ja eine von uns. Du hast selbst gesagt, dass du nicht weißt, wer du bist.«
Ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Ich war nicht zu stolz, ihm zu folgen und ihn zu fragen, was er damit meinte. Aber er war schneller, schlüpfte rasch aus dem Wagen und entfernte sich mit der animalischen Anmut eines Tigers.
Er verschwand im Gedränge der wirbelnden Lichter und Körper und löste sich in Luft auf, so, wie Monster es nun mal taten.
Ich war hergekommen, um zu ertrinken.
Nun konnte ich kaum noch atmen.
Drei Stunden später summte mein Körper noch immer vor Adrenalin und Schmerz. Ich hatte alle Karussells ausprobiert. Zu viele Süßigkeiten gegessen. Auf einer Bank Rootbeer getrunken und Leute beobachtet. Aber die Ablenkung konnte den Schmerz nicht dämpfen. In meinem Geist wiederholte sich ständig der Moment, in dem ich erfahren hatte, dass sie tot war, so als würde ich versuchen, mich selbst – ja, wofür eigentlich? – zu bestrafen. Dass ich es nicht verhindert hatte? Dass ich nicht früher da gewesen war?
Es gab nichts, was ich hätte tun können, um es zu verhindern.
Nicht da gewesen? Sie hat dich um Hilfe gebeten. Du hast ihr nie geholfen.
Obwohl ich es nicht wollte, suchte ich den ganzen Abend lang nach Monster. Mein Blick schweifte umher, überprüfte die Warteschlangen und die Pärchen und die Trauben von Menschen. Ich fragte mich, ob ich ihn mir nur eingebildet hatte. Alles an dieser Begegnung kam mir so unwirklich vor.
Als ich in einer der Mobiltoiletten eine Pinkelpause einlegte, sah ich, dass jemand vor Kurzem etwas in die Tür geritzt hatte. Worte, die nur für meine Augen gedacht zu sein schienen.
Lust verweilt, Liebe bleibt.
Lust ist ungeduldig, Liebe wartet.
Lust brennt, Liebe wärmt.
Lust zerstört. Aber Liebe tötet.
S. A. B.
Als die Uhr Mitternacht schlug, gab ich auf. Ich würde ihn nicht finden.
Mein Handy explodierte fast vor Nachrichten, und ich wusste, dass meine Eltern einen Suchtrupp losschicken würden, wenn ich nicht bald nach Hause kam.
Eine vermisste Siebzehnjährige war kein Problem, wenn man sie acht Stunden zuvor zuletzt gesehen hatte.
Eine vermisste siebzehnjährige Öl-Erbin, deren Daddy einer der reichsten Menschen auf der Welt war, stellte hingegen durchaus ein Problem dar, und ich zweifelte nicht daran, dass meine Familie einen Riesenaufstand machen würde.
Ich war eine Fitzpatrick, und Fitzpatricks mussten beschützt werden, immer.
Erneut blickte ich auf mein Handy.
Mutter: Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen. Bitte antworte mir. Ich verstehe, dass du aufgebracht bist, aber wenn du einfach so verschwindest, regst du uns alle auf. Ich kann nicht schlafen. Und du weißt, wie sehr ich meinen Schlaf brauche.
Mutter: Dein Vater wird mir die Schuld für dieses ganze Martyrium geben. Ich hoffe wirklich, dass dich das freut, Aisling. Mich in Schwierigkeiten zu bringen.
Oh, merde. Komm mal wieder runter, Mutter.
Hunter: Dad kriegt bald ’ne Herzattacke, Schwesterchen. Ich sag’s nur. (Noch mehr Grüße aus Cali)
Cillian: Sei nicht so sentimental. Sie war nur eine Angestellte.
Dad: Tut mir leid, dass du sie verloren hast. Bitte komm nach Hause.
Unter meinen Füßen knisterten Blätter, als ich mich auf den Weg zu Moms Volvo XC90 machte. Ich wollte gerade die Tür öffnen, einsteigen und schleunigst zurück nach Avebury Court Manor, also nach Hause, fahren, da hörte ich es. Ein Knacken, das nichts mit meinen Füßen zu tun hatte. Ruckartig hob ich in der Dunkelheit den Kopf. Am Rand des Parkplatzes, ungefähr drei Fahrzeuge von meinem entfernt, befand sich eine Lücke in der dichten Baumreihe, die in die Wälder neben dem Highway führte. Abgeschieden und dunkel.
»Nein, nein, nein! Bitte! Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, aber ich verspreche dir, es kommt nicht wieder vor«, jammerte jemand. Ein Mann.
Ich blinzelte, duckte mich zwischen mein Auto und einen Chevrolet Impala und starrte auf die beiden Gestalten unter dem dichten Blattwerk. Eine von ihnen stand aufrecht und hielt eine Pistole in der Hand. Die andere kniete vor der stehenden Gestalt, als betete sie einen unbarmherzigen Gott an. Vielleicht lag es daran, dass ich an diesem Abend bereits Zeugin eines Todes geworden war, jedenfalls brachte ich nicht den Grad an Hysterie auf, den ich in dieser Situation eigentlich hätte verspüren müssen.
»Lügen wird dir nichts nützen«, sagte der stehende Mann grob.
»Warum glaubst du, dass ich …«
»Deine Lippen bewegen sich.« Der stehende Mann trat mit der Schuhspitze nach dem Mann auf den Knien, was ein animalisches Heulen hervorrief. »Ich habe dir gesagt, dass es kein drittes Mal geben wird.«
»Aber ich …«
»Einen letzten Wunsch noch, Mason.« Der Mann schnalzte mit der Zunge, und mir gefror das Blut in den Adern, als ich die Stimme erkannte. Und ich begriff, dass ich sie überall erkennen würde, von diesem Abend bis zum Ende meines Lebens.
Es war die Stimme von Monster.
Meinem Monster.
Die Stimme des Mannes, der mich zum ersten Mal geküsst hatte.
Der Kerl auf den Knien zitterte vor Angst und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Er schüttelte den Kopf und platzte schließlich heraus: »Wenn Nikki fragt, sag ihr, es hatte etwas mit Drogen zu tun. Ich möchte nicht, dass sie die Wahrheit erfährt. Sie hat schon genug durchgemacht.«
»Mach ich. Und tschüss.«
Und damit feuerte Monster zweimal die Pistole ab, die er dem Mann an die Stirn gedrückt hatte. Dem dumpfen Ploppen nach zu urteilen, hatte die Pistole einen Schalldämpfer. Ich schlug mir eine Hand vor den Mund, um den entsetzten Schrei zu ersticken, der sich meiner Kehle entrang.
Er hatte einen Menschen getötet.
Er hatte in aller Öffentlichkeit einen Menschen getötet.
Ohne mit der Wimper zu zucken.
Meine Beine zitterten, und ich sank auf den Boden. Der Beton grub sich schmerzhaft in meine Knie. Sie fingen an zu bluten, und ich wühlte in meinem Hoodie nach dem Autoschlüssel.
Merde, lauf! Lauf!
Ich schloss den Volvo auf und ließ mich auf den Fahrersitz gleiten. Hektisch wischte ich mir Schweiß und Tränen aus dem Gesicht, damit ich wieder klarsehen konnte, und biss mir auf die Unterlippe, um einen Schrei zu unterdrücken.
Das hier passiert gar nicht. Das bildest du dir alles nur ein.
Ein Schlag an das Fenster neben mir ließ mich dermaßen hochfahren, dass ich mir den Kopf am Wagendach stieß. Ich drehte mich um und sah, dass es Monster war. Er musste mich gesehen oder schlimmer noch … meinen Schrei gehört haben. Mit zitternden Fingern und blind vor Tränen ließ ich den Motor an. Das Monster steckte lässig irgendetwas in die Wagentür, schloss sie mit erschreckender Mühelosigkeit auf und hinderte mich daran, den Rückwärtsgang einzulegen.
Seine Hände ruhten auf dem Dach des Autos. Sein Bizeps wölbte sich unter kurzen Ärmeln, und er sah blasiert und gleichgültig aus.
»Dieser Abend ist die reinste Hölle für dich, stimmt’s, kleine Aisling?« Die tödliche Ruhe in seiner Stimme machte alles noch viel schlimmer.
»Ich habe nichts gesehen«, rief ich und zuckte zurück, als hätte er Anstalten gemacht, mich zu schlagen.
Zu meiner Überraschung fing an er zu lachen. Rückhaltlos. Ein gutturales Geräusch, das aus seinem Mund merkwürdig klang, so als wäre er es nicht gewöhnt, zu lachen.
»Glaubst du mir jetzt, dass ich ein Monster bin?« Er beugte sich vor, seine Lippen schwebten dicht über meinen. Mir gefror das Blut in den Adern, und dennoch war ich vollkommen unfähig, zurückzuweichen. Das muss der Schock sein, dachte ich. In dieser Situation gab es eigentlich nur die Wahl zwischen Kampf und Flucht, aber mein treuloser Körper entschied sich für Option Nummer drei: erstarren.
Nein. Es war nicht nur Angst. Da war noch etwas anderes. Etwas Heißes und Stechendes. Etwas, das ich von mir selbst nicht wissen wollte.
Wissen, was man draufhat.
Dieser brutale Typ hatte gerade jemandem zwei Kugeln in den Kopf geschossen, und dennoch war ich hier, und mein Körper summte, knisterte und bettelte förmlich darum, von ihm berührt zu werden.
»Lässt du dich tatsächlich von mir küssen?« Er zog die Brauen zusammen, seine Lippen streiften beim Sprechen bereits meinen Mund. Ich war wie gebannt. Sprachlos. Ich musste mich bewegen.
Beweg dich, merde! Los, beweg dich.
Endlich brachte ich ein Kopfschütteln zustande.
Er nahm meine Unterlippe zwischen die Zähne, saugte herausfordernd daran und fuhr dann mit der Zunge über die Innenseite.
»Du bist eine sehr hübsche Lügnerin, Aisling.« Sein leiser Tenor vibrierte in meinem Magen. »Ich nehme an, jetzt hast du dich gefunden. Du bist auch ein Monster.« Noch einmal küsste er mich intensiv, bevor er sich endgültig zurückzog.
»Erzähl jemandem, was du gesehen hast, und ich finde dich und töte dich auch. Ich schlage vor, du verschwindest jetzt. Schnell und weit. Ich gebe dir zwei Minuten Vorsprung, dann komme ich hinterher.«
Und mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und schlenderte davon. Die Straßenlaternen erhellten seine Silhouette und ließen ihn aussehen wie den Bösewicht mit dem komplexen Charakter, dem man in einem Film Noir die Daumen drückt. Er schlüpfte in ein Auto, das eine Reihe von meinem entfernt stand.
Langsam. Ruhig. Tödlich.
Ich gab Gas und sah mich nicht mehr um.
Ich fuhr so schnell, dass der Motor heulte und den Geist aufgab, als ich zu Hause angekommen war.
Kurz nach der Aquila Fair kann mein Bruder Hunter endgültig aus Kalifornien zurückkommen.
Tief gebräunt und goldblonder denn je. Er bezog ein Penthouse in der Innenstadt, zusammen mit einem Mädchen namens Sailor, die als sein Babysitter eingestellt worden war. Ich hatte sie schon mehrmals gesehen, als ihre Mutter zu besonderen Anlässen bei uns gekocht hatte.
Dad liebte es, uns alle mit eiserner Faust zu regieren, und Hunter war bei Weitem am schwersten zu zähmen.
Einige Tage, nachdem Hunter und Sailor zusammengezogen waren, besuchte ich ihn in seinem Penthouse. Sailor war nicht da, und er nahm gerade eine von seinen extra langen Duschen, bei denen es angesichts der Tatsache, dass er niemanden daten durfte, seit er wieder in Boston war, vermutlich vor allem um Masturbation ging.
Ich sah mich ein wenig im Wohnzimmer um, das aussah, als wäre es von einem Profi ausgestattet worden, bevor es zum Verkauf angeboten wurde. Alles war zu ordentlich, zu glänzend und zu modern, um noch wohnlich zu wirken. Der einzige Hinweis darauf, dass hier tatsächlich Menschen lebten, bestand in einer Reihe von Bildern auf dem Kaminsims neben dem deckenhohen Fenster. Noch bevor ich sie mir aus der Nähe ansah, wusste ich, dass nicht Hunter, sondern Sailor sie dort aufgestellt hatte.
Hunter war der Meinung, keine richtige Familie zu haben, und da er seit seinem siebten Lebensjahr nicht mehr zu Hause wohnte, konnte ich ihm das im Grunde nicht vorwerfen.
Schließlich siegte meine Neugier, und ich ging hinüber zum Kaminsims. Auf dem ersten Bild war eine junge, rothaarige Frau zu sehen, in der ich Sailor erkannte. Ihr jugendliches Gesicht war voller Sommersprossen, und sie umarmte einen dunkelhaarigen Mann in mittleren Jahren und eine ältere Version von sich selbst – Sparrow.
Auf dem zweiten Bild war das rothaarige Mädchen mit zwei blonden Frauen in ihrem Alter auf einer Party zu sehen. Alle lachten und trugen seltsame Sonnenbrillen mit Neongestell.
Das waren die Penrose-Schwestern. Kürzlich waren sie in den Lokalnachrichten aufgetaucht, weil sie vor den Häusern älterer Mitbürger Schnee schaufelten.
Das dritte …
Das dritte war ein Bild von Sailor und dem Monster.
Meinem Monster.
Dem Kerl vom Jahrmarkt.
Er starrte grimmig in die Kamera, während sie ihn anblickte, als wäre er der Mond – ihr Lichtpunkt in der endlosen Dunkelheit.