Boston Belles - Villain - L. J. Shen - E-Book

Boston Belles - Villain E-Book

L.J. Shen

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Beschreibung

Für die Welt ist er der Böse, für sie ist er ihr Ritter in strahlender Rüstung

In den Medien ist Cillian Fitzpatrick nur als »Villain« bekannt. Der attraktive Milliardär ist ein skrupelloser Geschäftsmann, der seine Firma über alles stellt. Für Persephone Penrose jedoch ist er der Mann, in den sie unsterblich verliebt ist und der ihr mehr als einmal das Leben gerettet hat. Aber selbst Cillians Hilfe hat ihren Preis: Als Gegenleistung soll Persephone in der Öffentlichkeit seine Ehefrau spielen. Doch sie will weit mehr als das - nämlich das kalte Herz von Bostons berüchtigtstem Bad Boy für sich erobern.

"Für mich ist L. J. Shen die absolute Queen. Mit ihren Büchern hat sie Liebesromane auf ein komplett neues Level gehoben." JASMIN von ABEAUTIFULBOOKBLOG_

Band 2 derBOSTON-BELLES-Reihe

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Playlist

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von L. J. Shen bei LYX

Impressum

L. J. Shen

Boston Belles

VILLAIN

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anne Morgenrau

Zu diesem Buch

In den Medien ist Cillian Fitzpatrick nur als »Villain« bekannt. Seit er von seinem Vater die Geschäftsführung übernommen hat, steht für den skrupellosen Milliardär die Firma an erster Stelle. Doch als sein Bruder und seine Schwägerin ein Kind erwarten, sieht er auf einmal seine Stellung bedroht. Er braucht dringend einen Erben, um seine Nachfolge zu sichern. Für Persephone Penrose ist Cillian keineswegs der Schurke, als der er in der Öffentlichkeit dargestellt wird, sondern der Mann, in den sie seit ihrer ersten Begegnung unsterblich verliebt ist und der ihr vor Jahren das Leben gerettet hat. Und jetzt braucht sie wieder seine Hilfe: Ihr Ex-Mann hat sich aus dem Staub gemacht und ihr einen Riesenberg Schulden hinterlassen. Cillian willigt ein, erneut ihren Retter zu spielen, aber für einen Preis: Sie soll auf dem Papier seine Frau werden und ihm einen Erben schenken. Doch Persephone will weit mehr als das – nämlich das kalte Herz von Bostons berüchtigtstem Bad Boy für sich erobern.

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Für Cori und Lana.

Playlist

Sub Urban – Cradles

Bishop Briggs – River

White Stripes – Hardest Button to Button

Gogol Bordello – Sally

Milk and Bone – Peaches

Nick Cave and the Bad Seeds – Red Right Hand

Das Tränende Herz ist eine pink-weiße Blume, deren Blüte eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der üblichen Herzform hat. Sie wird auch als Herzblume oder im Englischen als »Dame im Bad« bezeichnet. Die Blume ist als giftig bekannt, wenn man sie berührt, und als tödlich, wenn man sie isst. Und wie die mythologische Göttin Persephone hat auch sie ihren großen Auftritt im Frühling.

Prolog

Persephone

Meine Liebesgeschichte begann mit einem Tod.

Mit dem Geräusch, mit dem meine Seele auf einem Hospizfußboden zerbrach wie feines Porzellan.

Und mit Tante Tilda, die in ihrem Krankenbett dahinsiechte, während ihr Atem rasselte wie Pennys in einer leeren Dose.

Ich tränkte ihr Krankenhaushemd mit Tränen, umklammerte den Stoff mit meinen kleinen Fäusten und ignorierte Mamas Bitten, von ihrer kranken Schwester herunterzukommen.

»Bitte verlass mich nicht, Tante. Bitte«, schluchzte ich.

Der Krebs hatte sich bis zu ihrer Lunge, ihrer Leber und den Nieren ausgebreitet und machte meiner Tante das Atmen zur Qual. Ich den letzten Wochen hatte sie im Sitzen geschlafen und immer wieder das Bewusstsein verloren.

Mit zwölf war der Tod eine abstrakte Vorstellung für mich. Real, aber dennoch fremd und weit weg. Etwas, das in anderen Familien, bei anderen Leuten vorkam.

Doch nun verstand ich, was damit gemeint war.

Tante Tilda würde mich nie wieder in die Arme nehmen und auf mir herumspielen, als wäre ich eine Gitarre.

Sie würde Belle und mich nie wieder mit Gefrierbeuteln voller Apfelstücke und Erdbeeren von der Schule abholen, wenn unsere Eltern länger arbeiten mussten.

Sie würde mir nie wieder die Haare flechten und mir dabei Sagen von griechischen Göttern und dreiköpfigen Monstern erzählen.

Meine Tante schob mir ein paar blonde Locken hinters Ohr. Ihre Augen glänzten auf so unnatürliche Weise, dass die Krankheit beinahe greifbar war.

»Verlassen?«, stieß sie hervor. »Meine Güte, das ist ein großes Wort. Das würde ich nie tun, Persy. Tot oder lebendig oder irgendwas dazwischen, ich werde immer für dich da sein.«

»Aber wie?« Ich zupfte an ihrem Hemd, klammerte mich an ihr Versprechen. »Woher soll ich wissen, dass du wirklich da bist, wenn ich dich nicht mehr sehen kann?«

»Schau nach oben, du dummes Gänschen. Der Himmel wird uns immer gehören. Da treffen wir uns, zwischen den Sonnenstrahlen und den Wolken.«

An heißen, stickigen Sommertagen lagen Tante Tilda und ich gern am Ufer des Charles und betrachteten die Wolken. Sie kamen und gingen wie Reisende in einem Bahnhof. Zuerst zählten wir sie. Dann suchten wir uns die aus, die besonders lustig aussahen oder besonders flauschig waren. Erst dann gaben wir ihnen Namen.

Mrs und Mr Claudia und Claud Clowdton.

Misty und Smoky Frost.

Tante Tilda glaubte an Magie und Wunder, und ich? Nun, ich glaubte an Tante Tilda.

Während meine ältere Schwester Emmabelle hinter Eichhörnchen herjagte, mit den Jungs Fußball spielte und auf Bäume kletterte, bewunderten Tante Tilda und ich den Himmel.

»Wirst du mir ein Zeichen geben?«, fragte ich drängend. »Dass du dort im Himmel bist? Wirst du einen Blitz schicken? Oder Regen? Ah, ich weiß! Vielleicht kann eine Taube auf mich kacken.«

Mama legte mir eine Hand auf die Schulter. Meine Schwester Belle hätte mich aufgefordert, eine Beruhigungspille zu nehmen – und zwar schnell.

»Lass uns ein Zeichen vereinbaren«, schlug meine Tante vor und lachte atemlos. »Wie du weißt, sind Wolken zuverlässiger als Sternschnuppen. Sie sind immer da, aber trotzdem magisch. Wenn die Zeit kommt und du groß geworden bist, kannst du mich um etwas bitten, das du dir wünschst – von Herzen wünschst –, wenn du eine einzelne Wolke am Himmel siehst. Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen. Dann weißt du, dass ich auf dich aufpasse. Aber du hast nur einen Wunsch frei, Persephone, also pass gut auf, was du dir wünschst. Aber eins verspreche ich dir: Was es auch ist, ich werde dir den Wunsch erfüllen.«

Ich hatte den Wolkenwunsch elf Jahre mit mir herumgetragen wie ein kostbares Erbstück.

Ich hatte ihn nicht eingelöst, als meine Noten absackten.

Auch nicht, als Elliott Fraser mir im zweiten Studienjahr einen anzüglichen Spitznamen gab, der bis zum Ende des Studiums an mir hängen blieb.

Nicht einmal, als Dad seinen Job verlor und ein Besuch bei McDonald’s und heißes Wasser ein seltener Luxus wurden.

Aber am Ende vergeudete ich den Wolkenwunsch in einem einzigen unbedachten Moment.

Für ein zum Scheitern verurteiltes Anliegen, eine dumme Schwärmerei, eine unerwiderte Liebe.

Für den Mann, den alle Medien in Amerika nur den Schurken nannten.

Für Cillian Fitzpatrick.

Drei Jahre zuvor

An dem Tag, an dem meine beste Freundin Sailor vor den Traualtar treten wollte, war ich schon am Vormittag betrunken.

Normalerweise trank ich nur zum Spaß. Und nur so viel, wie ich verantworten konnte. Gerade so viel, dass ich ein bisschen lauter sprach und lachte, dass ich tanzte, als würde mir niemand zuschauen, aber ich rief immer noch ein Taxi, bewahrte meine Freundinnen davor, mit schlechten neuen Freunden abzuziehen, und gestattete niemandem in meiner Umgebung, sich ein Tattoo stechen zu lassen, das er am nächsten Morgen bereuen würde.

Doch diesmal war es anders.

Diesmal war ich voll wie eine Haubitze. Die Art von besoffen, bei der man am Ende mit einem Tropf im Arm im Krankenhaus landet oder mit einem ungewollten Baby oder einer Vorstrafe dasteht.

Es gab verschiedene Gründe dafür, und ich hätte sie alle aufgezählt, wäre ich noch imstande gewesen, klar zu denken.

Das Problem war, dass ich mir den schlechtesten Tag des Jahres ausgesucht hatte, um mich so gehen zu lassen. Denn ich war Brautjungfer. Ein dreiundzwanzig Jahre altes – Tusch und Trommelwirbel, bitte – Blumenmädchen!

War es schlecht, ein Blumenmädchen zu sein? Nein, gar nicht. Es war eine Ehre.

Na gut. Es war ein bisschen peinlich.

Und mit ein bisschen peinlich meine ich furchtbar demütigend.

Aber ein Nein kam nicht infrage.

Schließlich war ich Persephone.

Die unbekümmerte, ausgeglichene, zu allem bereite Freundin.

Diejenige, die für Eintracht sorgte und alles stehen und liegen ließ, wenn jemand Hilfe brauchte.

Aisling, die heute Sailors Schwägerin werden würde, hatte die Aufgabe, sich um die zweieinhalb Meter lange Schleppe à la Pippa Middleton zu kümmern, und meine Schwester Emmabelle war für die Ringe zuständig.

Thorncrown Chapel war eine vornehme Adresse für Hochzeitsfeierlichkeiten an der Küste von Massachusetts. Das mittelalterliche Schloss, das über einer Klippe aufragte, hatte zwanzig Hektar voller altertümlicher Architektur vorzuweisen, aus Frankreich importierten Kalkstein, schön angelegte Gärten und den ungehinderten Blick aufs Meer. In der in Hellbeige gehaltenen Hochzeitssuite gab es eine Badewanne mit Klauenfüßen, eine Terrasse und vier voll bestückte Schminktische.

Die Kosten für die üppige Hochzeit übernahm der Bräutigam, Hunter Fitzpatricks Familie. Sailor heiratete sich nach oben und stieg die Gesellschaftsleiter hinauf.

Die Fitzpatricks konnten sich mit den Rockefellers, den Kennedys und den Murdochs messen.

Sie waren reich, mächtig, angesehen und hatten – das erzählte man sich zumindest – genug Leichen im Keller, um einen eigenen Friedhof aufzumachen.

Es war verrückt, sich vorzustellen, dass das Mädchen, mit dem ich als Kind Himmel und Hölle gespielt und dem ich den Pony geschnitten hatte, in weniger als einer Stunde eine amerikanische Prinzessin sein würde.

Und noch verrückter war, dass genau dieses Mädchen mir den Mann vorgestellt hatte, der inzwischen neunzig Prozent meiner Hirnkapazität und praktisch all meine Träume mit Beschlag belegte.

Den Schurken, der mir das Herz gebrochen hatte, ohne überhaupt zu bemerken, dass es mich gab.

Um nüchtern zu werden, lief ich auf und ab und blieb schließlich am Fenster stehen. Dann beugte ich mich über die Fensterbank und blickte in den Sommerhimmel hinauf. Eine einzelne Wolke glitt träge hinter der Sonne vorbei und versprach einen wunderschönen Tag.

»Tante Tilda, wie schön, dass du gekommen bist! Wie geht es dir?«

Nicht zum ersten Mal sprach ich mit einer Wolke, als wäre sie meine tote Tante, ich konnte diese besondere Marotte also nicht auf zu viel Alkohol schieben. »Das Wetter scheint gut zu werden. Das wird Sailor gefallen. Wie sehe ich aus?«

Ich drehte mich in meinem tannengrünen Kleid vor dem Fenster und warf mir spielerisch das Haar über die Schultern. »Glaubst du, dass er mich jetzt endlich bemerkt?«

Die Wolke brauchte mir nicht zu antworten, ich kannte die Antwort bereits: nein.

Er würde mich nicht bemerken.

Das tat er nie.

Ich fragte mich sogar, ob er überhaupt wusste, dass ich existierte.

Fünf Jahre kannte ich ihn nun bereits, und noch nie hatte er ein Wort mit mir gesprochen.

Seufzend griff ich nach den Blumen, die ich vor der Suite gepflückt hatte, hielt sie mir unter die Nase und atmete gierig ihren Duft ein. Sie rochen warm und frisch wie der Frühling.

Die Blüten waren pink und herzförmig. Ein paar davon steckte ich mir ins Haar, das ich oben ein wenig toupiert hatte.

Dabei verletzte ich mich an einem Finger, den ich mir schnell in den Mund steckte, um das Blut aufzusaugen. Als der klebrige Blütensaft meinen Mund füllte, stöhnte ich.

»Ich weiß, ich weiß, ich sollte ihn einfach vergessen und in meinem Leben vorankommen.«

Schnell leckte ich mir an allen Fingern den Blütensaft ab. »Der Grat zwischen einer Romantikerin und einer Idiotin ist sehr schmal. Und ich denke, ich wandele schon vier Jahre zu lange darauf.«

Seit fünf Jahren schwärmte ich nun schon für den älteren der Fitzpatrick-Brüder. Ein verflixtes halbes Jahrzehnt. Ich hatte jeden Mann, mit dem ich ausgegangen war, mit dem unerreichbaren Tycoon verglichen, ihm schmachtende Blicke zugeworfen und wie unter Zwang jeden Zeitungsschnipsel über ihn gelesen. Einfach zu beschließen, ihn zu vergessen, würde nichts nutzen. Das hatte ich bereits versucht.

Ich musste alles auf eine Karte setzen.

Also würde ich meinen Wunsch bei Tante Tilda einlösen und sie bitten, mir zu helfen.

Doch in dem Augenblick, in dem ich den Mund öffnete, um das zu tun, schnürte sich mir die Kehle zu.

Ich ließ die Blumen fallen und stolperte zum Spiegel. An meinem Hals hatte sich ein Ausschlag gebildet, der aussah wie eine besitzergreifende männliche Hand und sich schnell bis zu dem Tal zwischen meinen Brüsten ausbreitete. In kürzester Zeit war ich am ganzen Körper rot angelaufen.

Was zum Teufel hatte diese allergische Reaktion ausgelöst? Ich war den ganzen Morgen über zu nervös gewesen, um etwas zu essen.

Vielleicht lag es an meiner Eifersucht.

Diesem grünen Monster mit den spitzen Zähnen, das freigelassen werden wollte. Mich daran erinnern wollte, dass ich vom Heiraten geträumt hatte, nicht Sailor, verdammt noch mal.

Sicher, das war weder feministisch noch vorbildlich oder progressiv, aber deshalb war es nicht weniger wahr. Heiraten war mein Traum.

Ich wollte einen Mann, einen weißen Lattenzaun und glucksende Babys in Windeln, die in meinem Garten herumkrabbelten und von leicht müffelnden Hunden gejagt wurden.

Wann immer ich mir erlaubte, darüber nachzudenken (was nur selten vorkam), raubte mir diese Ungerechtigkeit den Atem. Bevor sie Hunter begegnet war, hatte Sailor von Männern nichts wissen wollen.

Trotzdem war sie diejenige, die nun vor allen anderen heiratete.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meiner Trance.

»Pers?«, säuselte meine ältere Schwester Emmabelle – kurz Belle – auf der anderen Seite. »Die Feier beginnt in zwanzig Minuten. Warum kommst du nicht?«

Tja, Belle, weil ich leider aussehe wie ein rosarotes Bonbon.

»Schwing deinen Hintern. Die Braut hat schon zweimal in den Mülleimer in der Limousine gekotzt und den Bräutigam lauthals dafür verflucht, dass er nicht nach Las Vegas mit ihr durchgebrannt ist. Außerdem spielt einer ihrer Fingernägel Verstecken.«

»Was meinst du damit?«, rief ich durch die geschlossene Tür zurück.

»Er ist verschwunden. Hoffentlich nicht in ihrer Frisur.« Ich konnte meine Schwester förmlich grinsen hören. »Ach, und übrigens: Könntest du Hunters Ring mitbringen, wenn sein Bruder ihn nicht rechtzeitig abholt? Eigentlich ist das Cillians Job, aber der ist wahrscheinlich im Garten und häutet eine von den Kellnerinnen, um sich einen hübschen Mantel zu machen.«

Cillian.

Allein bei seinem Namen zog sich mir der Magen zusammen.

»Verstanden. In fünf Minuten bin ich da.«

Ich hörte die Absätze meiner Schwester klicken, als sie zu der wartenden Limousine zurückging.

Ich schaute mich im Zimmer um.

Wie kann ich diesen blöden Ausschlag loswerden?

Mental mit den Fingern schnippend sah ich mich nach Aisling »Ash« Fitzpatricks Handtasche um und entdeckte sie auf dem Bett. Schnell durchwühlte ich sie und legte Pflaster, ein Schweizer Taschenmesser und eine winzige Puderdose beiseite. Sie musste doch irgendwelche Antihistamine dabeihaben. Sie war Pfadfinderin und gegen alles gewappnet, egal, ob es um Ausschlag, einen abgebrochenen Nagel, den Dritten Weltkrieg oder eine plötzliche Pandemie ging.

»Bingo.« Ich zog eine hautberuhigende Salbe aus ihrer mit Diamanten besetzen Hermès-Tasche und cremte mich, zufrieden mit meiner betrunkenen Problembewältigung, gerade damit ein, als hinter mir die Tür aufflog.

»Ich sagte, fünf Minuten, Belle!« Mein Blick hing noch an meinen fleckigen Armen. »Und ja, ich hab das mit Hunters Ring nicht vergessen …«

Ich blickte auf, und mir fiel die Kinnlade herunter. Die nächsten Worte blieben mir im Hals stecken, die Cremetube rutschte mir aus den Fingern.

Cillian »Kill« Fitzpatrick stand in der Tür.

Hunter Fitzpatricks älterer Bruder.

Der begehrteste Junggeselle in Amerika.

Unerreichbar wie der Mond und genauso feindlich und kalt.

Aber vor allem war er der Mann, den ich heimlich liebte, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte.

Sein kastanienbraunes Haar war zurückgegelt, der Blick seiner bernsteinfarbenen Augen undurchdringlich. Trotz des honigfarbenen Rings um die Iris strahlten sie keine Wärme aus. Er trug einen Smoking, eine dicke Rolex und das leichte Stirnrunzeln eines Mannes, der alles, was er nicht ins Bett kriegen oder zu Geld machen konnte, als Störung empfand.

Er war immer ruhig, schweigsam und reserviert, lenkte nie die Aufmerksamkeit auf sich und beherrschte dennoch jeden Raum, den er betrat.

Anders als seine Geschwister war Cillian nicht schön.

Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Sein Gesicht wirkte zu streng, seine Züge zu markant, sein Lächeln zu spöttisch. Das kräftige Kinn und die halb unter den Lidern verschwindenden Augen fügten sich nicht zu einer harmonischen Kombination makelloser Gesichtszüge. Aber er hatte etwas Dekadentes an sich, das ich anziehender fand als die Apoll-artige Perfektion in Hunters Gesicht oder Aislings Schneewittchen-Schönheit.

Cillian hingegen war ein gefallener Gott; nur zu gern hätte ich mich in seine Fänge begeben, sein Leben in der Dunkelheit mit ihm geteilt.

Und ich, die ich nach der Göttin des Frühlings benannt war, wünschte mir sehnlichst, dass die Erde sich auftun und mich verschwinden lassen, mich in seine Unterwelt stürzen und nie wieder hervorkommen lassen würde.

Wow. Der letzte Drink hat wirklich alles getötet, was an Hirnzellen noch funktionierte.

»Cillian«, stieß ich hervor. »Hallo. Hey. Hi.«

Sehr intelligent, Pers.

Während dieser wortgewandten Begrüßung kratzte ich mich auch noch am Hals. Es war typisch für mich, dass ich zum ersten Mal allein mit Cillian in einem Raum war, mich dabei aber nicht nur fühlte wie eine zu heiß gewordene Wärmflasche, sondern auch so aussah.

Mit der lässigen Eleganz eines Raubtiers schlenderte Cillian zum Safe. Die pure Gefahr, die er ausstrahlte, raubte mir den Atem. Bei der Menschenfeindlichkeit, die er an den Tag legte, hatte ich mich oft gefragt, ob er es überhaupt bemerkte, wenn ich mit ihm im gleichen Raum war.

»Drei Minuten, bis die Limousine abfährt, Penrose.«

Also doch.

»Danke.«

Mein Atem ging schwer, wurde langsamer, und mir kam der Gedanke, dass ich vielleicht mal den Notarzt rufen sollte.

»Bist du aufgeregt?«, brachte ich mühsam heraus.

Keine Antwort.

Die Metalltür des Safes klickte mechanisch, als sie sich öffnete. Cillian nahm die schwarze Samtbox mit Hunters Ring heraus und hielt dann inne, um mich zu mustern. Sein Blick wanderte von meinem geröteten Gesicht und den ebenfalls rot angelaufenen Armen zu den pink-weißen Blumen in meinem Haar. Dann huschte etwas anderes über seine Züge – eine Art Zögern –, ehe er den Kopf schüttelte und wieder zur Tür ging.

»Warte!«, rief ich.

Er blieb stehen, drehte sich aber nicht um.

»Ich … ich brauche …« Einen besseren Wortschatz offensichtlich. »Ich möchte, dass du den Notarzt rufst. Ich glaube, ich habe einen allergischen Schock.«

Er drehte sich auf dem Absatz um und musterte mich. Unter seinem strengen Blick sank meine Temperatur um mehrere Grad pro Sekunde. In einem Raum mit Cillian Fitzpatrick zu sein, war etwa so, als säße man in einer dunklen, leeren Kathedrale.

Ich wünschte mir, ich wäre meine Schwester Emmabelle.

Die würde ihm sagen, dass er sich sein Getue sparen konnte und sich nach der Feier einfach im Garten auf sein Gesicht setzen.

Aber ich war nicht Belle. Ich war Persephone.

Die schüchterne, nette Persy.

Die beim Sex in der Missionarsstellung das Licht ausmachte.

Die unbelehrbare Romantikerin.

Die es allen recht machen wollte.

Die Langweilige.

Nach einer kurzen Pause kam Cillian wieder ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

»In deinem hübschen Kopf geht gerade nicht viel vor, was?«

Seufzend zog er sich das Jackett aus, legte es aufs Bett und öffnete seine Manschettenknöpfe. Dann krempelte er sich die Ärmel über die muskulösen Unterarme hoch und blickte missbilligend auf mich herab.

Mein Körper hatte beschlossen, dass dies ein großartiger Moment war, um zusammenzubrechen, also tat ich genau das. Ich fiel auf den Teppich und rang nach Luft.

So hat sich Tante Tilda also gefühlt.

Unbeeindruckt von meinem Sturz betätigte Cillian den Wasserhahn der Klauenfußbadewanne mitten im Zimmer und stellte ihn auf Blau, sodass das Wasser eiskalt sein würde.

Als er mit der Wassertemperatur zufrieden war, kam er zu mir, drehte mich mit der Schuhspitze auf den Bauch, als wäre ich ein Sandsack, und griff nach meinem Kleid.

»Was willst du?«, fragte ich überrascht.

»Keine Sorge«, sagte er und riss mir mit einer einzigen ausholenden Bewegung das Brautjungfernkleid vom Leib. Das Reißen des Stoffs und der Aufprall der Korsettknöpfe waren deutlich zu hören. »Ich steh nicht auf kleine Mädchen.«

Es gab einen Altersunterschied zwischen uns. Zwölf Jahre ließen sich nicht so leicht abtun, aber das hatte mich nie gestört.

Was mich hingegen störte, war meine plötzliche Nacktheit. Ich zitterte wie Espenlaub.

»Verdammt, was hast du gemacht?«, kreischte ich.

»Du hast dich vergiftet«, erklärte er sachlich.

Schlagartig war ich wieder nüchtern.

»Was?«

Zur Erklärung trat er gegen die pinkfarbenen Blumen neben mir. Sie flogen auf die andere Seite des Zimmers.

Meine Atmung wurde flacher, es fiel mir schwerer, Luft zu bekommen. Die Lebenskraft schien meinen Körper zu verlassen. Das Geräusch des Wassers, das in die Wanne lief, war monoton und beruhigend, und plötzlich war ich so erschöpft, dass ich nur noch schlafen wollte.

»Ich hab sie im Garten vor der Suite gefunden«, murmelte ich mit schwerer Zunge. Dann riss ich die Augen auf, denn plötzlich wurde mir etwas klar.

»Ich hab mir sogar den Saft von den Fingern geleckt.«

»Natürlich«, sagte er sarkastisch. Dann warf er mich über seine Schulter, trug mich ins Bad, setzte mich neben der Toilette ab und hob meinen Kopf an, indem er mir ins Haar griff. Meine Knie taten furchtbar weh. Er ging nicht gerade sanft mit mir um.

»Ich sorge jetzt dafür, dass du dich übergibst«, kündigte er an und steckte mir ohne weitere Erklärungen zwei seiner großen Finger in den Hals. Tief. Ich würgte und erbrach mich augenblicklich, während er meinen Kopf festhielt.

Davon werde ich mich nie mehr erholen. Dass Cillian mir die Haare aus dem Gesicht hält, während ich kotze.

Ich leerte meinen Magen, bis Cillian sicher war, dass nichts mehr kommen würde. Erst dann wischte er mir mit der bloßen Hand das Gesicht ab.

»Was war’n denn das für welche, hmmm?«, lallte ich, während mein Kopf auf der Klobrille lag. »Die Blumen.«

Mit erstaunlicher Leichtigkeit hob er mich hoch, trug mich quer durchs Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen. Ich war splitterfasernackt bis auf einen hautfarbenen Tanga.

Ich hörte, wie er die Schränke durchwühlte. Meine Lider flatterten, als ich die Augen öffnete. Er hatte einen Erste-Hilfe-Kasten gefunden, aus dem er eine kleine Arzneiflasche und eine Spritze nahm und mit gerunzelter Stirn die Anweisungen auf dem Fläschchen las, während er antwortete: »Tränende Herzen. Sie sind schön, selten und giftig.«

»So wie du«, hauchte ich. Machte ich auf meinem Sterbebett wirklich Witze?

Cillian ignorierte meine geistreiche Bemerkung.

»Du warst kurz davor, eine ganze Hochzeitsgesellschaft zu vergiften, Emmalynne.«

»Ich bin Persephone«, sagte ich und zog die Brauen hoch.

Komisch, dass ich kaum atmen konnte, aber es immer noch schaffte, beleidigt zu sein, weil er mich mit meiner Schwester verwechselte. »Und meine Schwester heißt Emmabelle, nicht Emmalynne.«

»Sicher?«, fragte er, ohne aufzublicken, steckte die Spritze in die Flasche und zog die Flüssigkeit auf. »Soweit ich mich erinnere, war die jüngere Schwester nicht so vorlaut wie du.«

Ich war in seinem Gedächtnis unter »die jüngere Schwester« abgespeichert. Na super.

»Ob ich sicher bin, dass ich weiß, wer ich bin oder wie meine Schwester heißt?« Ich fing wieder an, mich heftig zu kratzen. »Ach, egal, die Antwort ist Ja. Ich bin mir sicher.«

Meine ältere Schwester war die, an die man sich erinnerte.

Sie war lauter, größer und kurviger, und ihr Haar hatte die auffällige Farbe von Champagner. Normalerweise machte es mir nichts aus, ausgestochen zu werden. Aber ich hasste es, dass Kill sich an Emmabelle erinnerte und nicht an mich, auch wenn er ihren Namen nicht richtig mitbekommen hatte.

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich böse auf meine Schwester.

Kill setzte sich auf die Bettkante und schlug sich aufs Knie.

»Leg dich auf meinen Schoß, Blumenmädchen.«

»Nein.«

»Das Wort kannst du in meiner Gegenwart aus deinem Vokabular streichen.«

»Damit hast du nicht gerechnet, was?« Ich wischte mir den Mund am Bettlaken ab. Ich wusste, dass ich sabberte. Jetzt, wo ich wieder besser Luft bekam, fiel mir auf, dass mein Atem nach Erbrochenem stank.

Ich drehte den Kopf von Cillian weg. Vielleicht war es doch keine schlechte Idee, zu sterben. Der Mann, für den ich seit Jahren schwärmte, war ein absoluter Macho und kannte nicht mal meinen Namen.

»Ist mir egal, wenn ich sterbe«, krächzte ich.

»Mir auch, Schätzchen. Aber mach das lieber, wenn jemand anders die Aufsicht hat.«

Er schlang die Arme um mich und zog mich auf seine Beine. Meine Brüste glitten über seine muskulösen Oberschenkel, meine Brustwarzen streiften seine Hose. Mein Hintern schwebte direkt vor seiner Nase, die Aussicht war perfekt. Glücklicherweise war ich zu schwach, um verlegen zu sein.

»Halt still.«

Er stach mir die Nadel in die rechte Pobacke und drückte den Inhalt langsam in mich hinein. Die Steroide wirkten augenblicklich, und ich atmete tief ein, mein offen stehender Mund berührte seinen Oberschenkel. Ich stöhnte vor Erleichterung und drückte den Rücken durch. Da spürte ich die dicke Wölbung an meinem Bauch. Das Ding gehörte in einen Waffenschrank, nicht in eine Vagina.

Und es wurde noch schlimmer.

Nicht nur in dieser Hinsicht.

Ungefähr zehn Sekunden verharrten wir so, bis ich wieder zu Atem kam, die kostbare Luft einsog und er mir erstaunlich sanft die Blumen aus dem Haar zupfte. Er sammelte die Blüten auf einem Taschentuch, das er mehrmals zusammenfaltete. Als er mir eine Hand auf den Po legte und die Spritze langsam wieder herauszog, erschauerte ich vor Begehren.

Ich ließ den Kopf aufs Bett sinken.

Ich stand beschämend kurz vor einem Orgasmus.

»Danke«, sagte ich leise und stützte mich auf dem Bett ab, um aufzustehen. Doch er drückte mich wieder zurück auf seinen Schoß.

»Bleib liegen. Dein Bad ist gleich fertig.«

Cillian besaß die seltsame, irritierende Fähigkeit, mich wie Dreck zu behandeln und mir gleichzeitig das Leben zu retten. Gelähmt von Trunkenheit, Dankbarkeit und Verlegenheit gehorchte ich.

»Also, Persephone.« Er ließ sich meinen Namen auf der Zunge zergehen und streifte mir mit seinen langen, kräftigen Fingern den Tanga ab. »Haben deine Eltern geahnt, dass du unerträglich sein würdest, und dich deshalb mit dem Namen einer Stripperin bestraft oder waren sie nur gerade begeistert von griechischer Mythologie?«

»Meine Tante Tilda hat mir den Namen gegeben. Sie hat immer wieder gegen Brustkrebs gekämpft. In der Woche, in der ich geboren wurde, ist sie nach ihrer ersten Chemo-Runde für gesund erklärt worden. Deshalb hat meine Mutter sie den Namen aussuchen lassen.«

Im Nachhinein betrachtet hatten wir uns zu früh gefreut. Ein paar Jahre später kam der Krebs mit voller Wucht zurück und nahm meiner Tante das Leben. Wenigstens waren mir noch ein paar gute Jahre mit ihr geblieben.

»Dann konnten sie wohl nicht Nein sagen.« Cillian warf meinen Tanga auf den Boden.

»Ich mag meinen Namen.«

»Er ist geschmacklos.«

»Aber er bedeutet etwas.«

»Nichts bedeutet irgendetwas.«

Ich drehte den Kopf und starrte ihn an, meine Wangen glühten vor Zorn. »Ganz wie Sie meinen, Herr Doktor.«

Jetzt zog Cillian mir auch noch die High Heels aus, sodass ich vollkommen nackt war. Er ließ mich auf dem Bett liegen, um den Wasserhahn zuzudrehen, dann setzte er sich auf den Rand der Badewanne.

»Die Dame im Bad.« Er hielt einen Finger ins Wasser und prüfte die Temperatur.

Ich blickte ihn vom Bett her an.

»Das ist ein anderer Name für das Tränende Herz«, erklärte er mit reservierter Miene. »Rein mit dir.«

Höflich wandte er mir den Rücken zu. Als ich in die Wanne stieg, stockte mir der Atem. Das Wasser war eisig.

Cillian tippte etwas in sein Handy, während das kalte Wasser meine Haut beruhigte. Nach der Spritze fühlte ich mich schon viel besser. Doch obwohl ich das meiste, was ich an diesem Tag gegessen und getrunken hatte, wieder erbrochen hatte, war ich immer noch benommen. In der Stille, die sich zwischen uns ausbreitete, konnte man die Organisatoren des Caterings und der Hochzeit außerhalb der Suite Befehle brüllen hören. Mir war klar, dass ich trotz der peinlichen Situation nur diese eine Gelegenheit hatte, Cillian zu sagen, was ich für ihn empfand. Auch wenn ich keine Chance hatte. Abgesehen von der Erektion, als ich splitternackt auf seinem Schoß gelegen hatte, schien ihn meine bloße Existenz zu nerven.

Aber für mich hieß es »jetzt oder nie«, und nie war eine zu lange Zeit, um sie ohne den Mann zu verbringen, den ich liebte.

»Ich will dich«, sagte ich und lehnte den Kopf an die kühle Badewanne. Die ehrlichen Worte schienen in die Wände und die Decke einzudringen und luden die Atmosphäre mit Spannung auf. Das Wort »Liebe« zu benutzen, war mir zu intim gewesen. Zu beängstigend. Ich wusste zwar, dass ich ihn liebte – trotz seines groben Benehmens –, aber ich wusste auch, dass er mir das niemals glauben würde.

Er tippte weiter auf seinem Handy herum. Vielleicht hatte er mich nicht gehört.

»Ich wollte dich schon immer«, sagte ich lauter.

Keine Reaktion.

Als bettelte ich um Strafe, redete ich weiter, während mein Stolz und mein Selbstvertrauen nach und nach in sich zusammenfielen: »Manchmal sehne ich mich so stark nach dir, dass mir sogar das Atmen wehtut. Aber manchmal ist dieser Schmerz auch eine willkommene Ablenkung davon, wie sehr ich dich begehre.«

Ein Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren. Mit einem Ersatz für das Brautjungfernkleid, das jede von uns trug, stand Aisling auf der Schwelle.

»Du hast geschrieben, dass du mein zweites Kleid brauchst. Warum zum Teufel …?« Sie verstummte, als sie mich hinter der Schulter ihres Bruders erblickte. Ihre Augen funkelten.

»Grundgütiger. Habt ihr beiden etwa …?«

»Nicht in einer Million Jahren«, blaffte Cillian und riss seiner Schwester das Kleid aus der Hand. »Halt den Wagen auf. Sie ist in fünf Minuten unten.«

Damit schlug er seiner Schwester die Tür vor der Nase zu und schloss sie sicherheitshalber auch noch ab.

Nicht in einer Million Jahren.

Glühend heiße Panik packte mich, vermischt mit guter alter Verlegenheit.

Endlich begriff ich, was passiert war.

Ich hatte mich vergiftet.

Betrunken auf Cillian eingeredet.

Mich von ihm ausziehen, zum Erbrechen bringen, mir eine Spritze setzen und in die Badewanne verfrachten lassen.

Dann hatte ich ihm mit den Resten vom Erbrochenen rund um den Mund meine unsterbliche Liebe gestanden.

Ungerührt warf Kill mir einen Bademantel zu.

»Trockne dich ab.«

Brav stieg ich aus der Wanne.

Er kam mit Aislings Ersatzkleid zu mir und half mir, es anzuziehen.

»Ich brauche deine Hilfe nicht«, sagte ich und spürte, wie meine Wangen sich röteten.

Oh Gott, wie dämlich!

»Halt die Klappe.«

Ich zog einen Schmollmund und sah zu, wie seine dunkle Gestalt im Spiegel mein Korsett schneller und geschickter schnürte als jede Schneiderin, die ich je in Aktion gesehen hatte. Es war unglaublich. Wie ein Zauberer wand er das Band um die Häkchen, packte mich ein wie ein Geschenk.

Allmählich dämmerte mir, dass ihm von dem Moment an, in dem er ins Zimmer gekommen und die Blumen in meinem Haar gesehen hatte, klar gewesen war, dass ich mich vergiftet hatte, mir aber erst zu Hilfe gekommen war, als ich ihn bat, den Notarzt zu rufen.

Ich hätte sterben können.

Er hatte es ernst gemeint, als er sagte, er habe mich nur gerettet, weil er nicht wollte, dass ich unter seiner Aufsicht starb – ansonsten war es ihm tatsächlich egal.

Cillian zog an den Satinbändern meines Kleides und straffte sie.

»Du tust mir weh«, fauchte ich und sah ihn mit schmalen Augen im Spiegel vor uns an.

»Das hat man davon, wenn man sich mit Tränenden Herzen abgibt.«

»Meinst du die Blume oder Menschen, deren Herz weint?«

»Beides. Das eine lässt dich schnell sterben. Das andere nur langsam, ist aber letztlich genauso zerstörerisch.«

Ich ließ sein Spiegelbild nicht aus den Augen. Er war so elegant und selbstsicher, so groß und stolz, und er fluchte niemals; er war der korrekteste Mensch, den ich kannte.

Das war es, was ich am meisten an ihm bewunderte. Diese dünne Schicht von Korrektheit, die das brodelnde Chaos in ihm verhüllte. Denn ich wusste, dass unter seinem tadellosen Äußeren etwas Ungezähmtes und Gefährliches lauerte.

Es fühlte sich an, als hätten wir ein Geheimnis. Der perfekte Cillian Fitzpatrick war in Wirklichkeit gar nicht so perfekt. Und ich wollte unbedingt herausfinden, warum.

»Du wolltest mir gar nicht helfen. Du wolltest mich sterben lassen«, sagte ich bedrohlich leise. Mit jeder Sekunde wurde ich nüchterner. »Warum hast du es trotzdem getan?«

»Eine an Gift gestorbene Brautjungfer bringt schlechte Schlagzeilen.«

»Und da behaupten die Leute, es gäbe keine Ritterlichkeit mehr«, bemerkte ich sarkastisch.

»Mag sein, jedenfalls bist du nicht tot, also halt den Mund und sei froh.« Noch einmal zog er die Satinbänder derart ruckartig an, dass ich zusammenzuckte.

Er hatte ja recht. Cillian hatte mir an diesem Morgen nicht nur das Leben gerettet, er hatte auch nicht versucht, irgendwelche dummen Spielchen mit mir zu spielen, und kam wahrscheinlich genauso zu spät wie ich – weil ich so dämlich gewesen war, giftige Blumen zu pflücken.

»Danke«, sagte ich widerstrebend.

Er zog eine Braue hoch, als wollte er fragen: Wofür?

»Dass du so nett warst«, erklärte ich.

Unsere Blicke begegneten sich im Spiegel.

»Ich bin nicht nett, Blumenmädchen.«

Mit einem letzten Ruck quetschte er mich in mein Korsett ein, dann trat er zurück und nahm seine Jacke vom Bett. Jetzt musste ich reagieren, schnell. Mein Blick huschte zum Fenster. Die einzelne Wolke war noch da.

Beobachtete mich.

Reizte mich.

Wartete darauf, dass ich sie benutzte.

Du hast nur einen Wunsch frei.

Dieser war es mir wert.

Ich holte tief Luft und sprach es laut aus, weil ich nichts falsch machen wollte, nur für den Fall, dass es etwas Kleingedrucktes gab und ich irgendwelchen Hokuspokus veranstalten musste.

»Ich wünsche mir, dass du dich in mich verliebst.«

Schon waren die Worte heraus, und Cillian blieb auf dem Weg zur Tür abrupt stehen. Dann drehte er sich um, das Gesicht eine perfekte Maske purer Ablehnung.

Ich holte tief Luft und sprach weiter.

»Ich wünsche mir, dass du dich so heftig in mich verliebst, dass du an nichts anderes mehr denken kannst. Nicht mehr essen und nicht mehr atmen kannst. Als meine Tante Tilda gestorben ist, hat sie mir einen Wunsch geschenkt. Und ich wünsche mir das. Deine Liebe. Es gibt eine Welt jenseits deiner Wände aus Eis, Cillian Fitzpatrick, und sie ist voller Lachen und Freude und Wärme.« Mit weichen Knien machte ich einen Schritt in seine Richtung. »Ich werde mich revanchieren. Ich werde dein Leben retten, auf meine Weise.«

War das ein Fluch?

Ein Zauberspruch?

Eine Hoffnung?

Oder ein Traum?

Zum ersten Mal, seit er das Zimmer betreten hatte, sah ich so etwas wie Neugier in seinem Gesicht. Selbst mein nackter Körper auf seinem Schoß hatte ihn nicht weiter irritiert. Aber jetzt war ich zu ihm durchgedrungen, auch wenn meine Worte nur ein winziges Loch in seiner Rüstung hinterlassen hatten. Mit zusammengezogenen Brauen kam er zu mir zurück, überbrückte die Distanz zwischen uns mit zwei selbstsicheren Schritten. Draußen hämmerten Belle und Aisling an die Tür und schrien, dass wir zu spät kommen würden.

Mit einem Finger hob Cillian mein Kinn an und sah mir fest in die Augen.

»Hör mir gut zu, Persephone, denn ich sage es dir nur ein Mal. Du wirst jetzt aus diesem Zimmer gehen und mich vergessen, genauso, wie ich dich vergesse. Dann wirst du einen netten, gesunden, langweiligen Mann kennenlernen. Der sehr gut zu einer netten, gesunden, langweiligen Frau wie dir passt. Du wirst ihn heiraten, Babys bekommen und deinem Glücksstern danken, dass ich nicht geil genug war, dein kaum verhohlenes Angebot anzunehmen. Ich mache dir das Geschenk, dich abzuweisen. Nimm es an und renn weg, so weit du kannst.«

Zum ersten Mal lächelte er, und dieses Lächeln war so freudlos, so verzerrt, dass es mir den Atem verschlug. Denn es verriet, dass er nicht glücklich war. Seit Jahren nicht. Vielleicht sogar seit Jahrzehnten.

»Warum hasst du mich so?«, fragte ich leise.

Tränen verschleierten mir die Sicht, aber ich weigerte mich, sie laufen zu lassen.

»Du meinst, ich hasse dich?« Mit dem Handrücken wischte er mir die Tränen aus den Augen. »Ich habe keine Gefühle, Persephone. Weder für dich noch für sonst jemanden. Ich bin nicht imstande, dich zu hassen. Aber ich werde dich auch nie … niemals lieben.«

1. KAPITEL

Persephone

Gegenwart

Das Kopfsteinpflaster des Gehwegs drückte sich durch meine billigen Schuhe, als ich mein Fahrrad an den Fahrradständer kettete.

Dunkelheit breitete sich über die Straße im North End. Plaudernd und lachend warfen Mitarbeiter von Pubs großen Müllcontainern dicke, aufgeweichte Mülltüten in den Rachen, ohne auf den heftigen Regen zu achten.

Ich betete stumm, dass sie draußen bleiben würden, bis ich es sicher ins Haus geschafft hatte. Ich hasste es, spät heimzukommen, hatte aber den Babysitter-Job nach dem Unterricht, der mir angeboten worden war, nicht ausschlagen können. Ich raffte den Saum meines nassen Kleides, lief zur Tür, stieß sie auf und lehnte mich aufatmend mit dem Rücken dagegen.

Plötzlich schoss eine Hand aus der Dunkelheit hervor, packte mich am Handgelenk und schleuderte mich quer durch den Flur. Als ich rücklings auf der Treppe landete, schoss mir der Schmerz vom Steißbein bis in den Nacken hinauf.

»Mrs Veitch. Wie schön, dich zu sehen.«

Es war stockdunkel, aber ich erkannte Colin Byrnes an seiner Stimme. Sie war leise und sanft, in seinem Southie-Akzent lag ein Hauch von Spott.

»Es heißt Miss Penrose.« Eilig rappelte ich mich wieder auf, strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht und wischte mir den Schmutz von den Knien. Dann schaltete ich die Deckenleuchte ein. Gelbes Licht erhellte den Flur. Tom Kaminski – für alle, die ihn kannten, nur Kaminski –, Byrnes Laufbursche und Schläger, stand hinter dem dünnen, faltigen Kredithai, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt.

Byrne kam auf mich zu, der starke Duft seines Rasierwassers brachte mich zum Würgen.

»Penrose? Nee, so steht das nicht in deinem Führerschein, Persy-Schatz.«

»Ich habe die Scheidung verlangt.« Mit starrer Miene wich ich einen Schritt vor ihm zurück.

»Und ich verlange einen Dreier mit Demi Lovato und Taylor Swift. Sieht so aus, als würden wir beide nicht bekommen, was wir wollen, Zuckerpüppchen. Die Sache ist die: Du bist mit Paxton Veitch verheiratet, und Paxton Veitch schuldet mir Geld. Einen beschissenen Haufen Geld.«

»Ganz genau. Paxton schuldet es dir«, erwiderte ich hitzig, obwohl ich wusste, dass ich auf verlorenem Posten kämpfte. Byrne würde mir nicht zuhören. Das tat er nie. »Er ist derjenige, der gewettet hat. Und in deinen Läden unser Geld verspielt hat. Er muss die Zeche bezahlen, nicht ich.«

Colin nahm meine linke Hand und strich über den nackten Ringfinger. Die helle Vertiefung an der Stelle, wo der Ehering gesessen hatte, war deutlich zu sehen und erinnerte mich daran, dass die Geschichte mit mir und Paxton noch nicht allzu lange vorbei war.

Ich war nicht nur immer noch mit ihm verheiratet, ich war ihm auch nach wie vor treu. Seit Pax mich verlassen hatte, war ich mit niemandem ausgegangen. Himmel noch mal, ich besuchte sogar nach wie vor einmal die Woche seine Oma im Altenheim und brachte ihr Plätzchen und ihre Lieblings-Kochzeitschriften!

Sie war einsam, und es war nicht ihre Schuld, dass ihr Enkel sich als Mistkerl entpuppt hatte.

»Pax ist jetzt schon ziemlich lange weg, und seine hübsche Frau weigert sich, mir zu sagen, wo ich ihn finden kann.« Byrnes samtweiche Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Er spielte noch immer mit meinen Fingern.

»Seine Frau weiß nicht, wo er ist.« Vergebens versuchte ich, ihm meine Hand zu entreißen. »Aber sie weiß, wie man Pfefferspray benutzt. Wenn man ihr zu nah kommt.«

Ich wollte nicht, dass Belle, die oben in der Wohnung war, die Auseinandersetzung im Flur hörte und nachschauen kam. Sie wusste nichts von meiner Notlage, und ich war mir ziemlich sicher, dass meine wehrhafte Schwester, ohne zu zögern, ihre Glock holen und jedem dieser Kerle ein Loch in den Kopf schießen würde, wenn sie diese Szene mitbekam.

Ich wollte Belle nicht mit meinen Problemen belasten. Jedenfalls nicht mit diesem. Nicht nach allem, was sie bereits für mich getan hatte.

»Nutz doch deinen guten Spürsinn, um ihn aufzustöbern«, sagte Byrne grinsend. »Schließlich ist es dir ja auch gelungen, den schlechtesten Ehemann in ganz Neuengland zu finden. Was du einmal geschafft hast, schaffst du auch ein zweites Mal. Du musst nur an dich glauben.«

»Wir wissen doch beide, dass ich keine Ahnung habe, wo ich suchen sollte. Sein Telefon ist tot, meine E-Mails kommen zurück, und seine Freunde wollen nicht mit mir reden. Es ist ja nicht so, als hätte ich es nicht versucht.« Mit der Hand, die Colin festhielt, stieß ich ihm grob ins Gesicht.

Er rührte sich nicht von der Stelle. Schloss seine Finger nur fester um meine.

»Dann musst leider du jetzt seine Schulden übernehmen. Wie war das noch gleich? In Gesundheit und Krankheit? In guten wie in schlechten Zeiten? Wie geht dieser Schwur noch mal?« Byrne schnippte mit den Fingern und sah sich dann zu Kaminski um.

Der schnaubte und enthüllte eine Reihe verfaulter Zähne.

»Keinen Schimmer, Boss. Hab nie geheiratet. Und hab es auch nicht vor.«

»Kluges Kerlchen.«

Byrne zog meine Hand an seinen Mund, drückte einen kalten Kuss auf den Handrücken und schob mir seine Zunge zwischen Zeige- und Mittelfinger, um mir zu demonstrieren, was er gern mit mir machen würde. Ich schluckte einen Schwall Galle herunter und atmete durch die Nase. Es gelang ihm hervorragend, mir eine Heidenangst einzujagen, und das wusste er auch. Byrne war ein Kredithai, der dafür bekannt war, sich sein Geld rücksichtslos zurückzuholen, und mein Mann schuldete ihm über hunderttausend Dollar.

Byrne drückte meine feuchte Handfläche an seine Wange und rieb sich daran.

»Tut mir leid, Persephone. Es geht nicht gegen dich persönlich. Ich muss nur eine Schuld eintreiben, und wenn ich das nicht bald tue, werden die Leute denken, dass es okay ist, Geld von mir zu nehmen, ohne es zurückzugeben. Falls du in einer anderen Währung zahlen möchtest, kann ich mir etwas ausdenken. Ich bin ja vernünftig. Aber egal wie – du wirst die Schulden deines Mannes bezahlen, und du solltest dich besser damit beeilen, denn im Lauf der Zeit haben sich schon ziemlich hohe Zinsen angehäuft.«

»Was willst du damit sagen?« Mein Herz hämmerte so heftig gegen meine Rippen, als wollte es aus der Brust springen und sich allein davonmachen.

Diese Drohung war in all den Monaten, in denen Byrne und Kaminski mich wöchentlich besucht hatten, noch nie ausgesprochen worden. Ich war Vorschullehrerin, verdammt noch mal. Woher sollte ich hunderttausend Dollar nehmen? Nicht mal meine Nieren waren so viel wert.

Und ja, ich war verzweifelt genug, das zu googeln.

»Ich will damit nur sagen, dass du für mich arbeiten musst, wenn du die ausstehenden Schulden nicht bezahlen kannst.«

»Spuck’s einfach aus, Byrne«, zischte ich. Jeder Nerv in meinem Körper war angespannt und bereit, das Pfefferspray aus der Tasche zu ziehen und es diesen Kerlen in die Augen zu sprühen. Doch so schmierig Colin auch war, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er auf hundert Riesen verzichtete, nur um mich in sein Bett zu bekommen.

»Du könntest doch Männern eine Freude machen, die es mit der Sauberkeit nicht so genau nehmen und auch sonst keine Augenweide sind.« Er lächelte entschuldigend. »Du siehst gut aus, Mädchen, selbst in diesen Lumpen da.« Er zog an dem schmutzigen Fähnchen, das ich trug. »Sechs Monate Arbeit in meinem Striplokal mit Doppelschichten jeden Tag, dann sind wir quitt.«

»Lieber sterbe ich, als an einer Stange zu tanzen!«, zischte ich und versuchte, ihm die Finger der Hand, die er noch immer festhielt, in die Augen zu stoßen. Er wich dem Angriff aus, indem er den Kopf zurückzog, doch es gelang mir, ihm die Wange zu zerkratzen.

Als Kaminski eingreifen wollte, hinderte Byrne ihn lachend mit einer Handbewegung daran.

»Du sollst doch nicht tanzen«, erwiderte er, und seine Augen funkelten vor Vergnügen. »Du wirst auf dem Rücken im VIP-Zimmer liegen. Allerdings kann ich dir nicht versprechen, dass du nicht manchmal auch auf Händen und Knien anschaffen musst, falls der Kunde bereit ist, dafür extra zu bezahlen.«

Der gallige Kloß in meinem Hals war so groß geworden, dass er mir die Luft abschnürte, und ein kalter Schweißfilm bedeckte jeden Zentimeter meines Körpers.

Byrne wollte mich anschaffen gehen lassen, wenn ich das Geld, das Paxton ihm schuldete, nicht auftreiben konnte. In den acht Monaten, die Paxton bereits verschwunden war, hatte ich dummerweise geglaubt, er würde das Richtige tun und im letzten Moment wieder auftauchen, um sich um den Schlamassel zu kümmern, den er angerichtet und in dem er mich sitzen gelassen hatte.

Und ich hatte geglaubt, dass er in die Scheidung einwilligen würde, um die ich ihn in den Tagen vor seinem Verschwinden gebeten hatte.

Ich hatte mich an meine Wut geklammert und mich geweigert zu resignieren, denn dann hätte ich akzeptieren müssen, dass das alles jetzt mein Problem war.

Nun fand ich mich endlich mit den knallharten Tatsachen ab, die für Byrne längst feststanden:

Paxton würde nie zurückkommen.

Ich hatte seine Probleme am Hals.

Und ich brauchte eine Lösung, schnell.

»Was ist, wenn ich nicht bezahle?« Ich biss die Zähne zusammen. Vor diesen beiden Kerlen würde ich nicht weinen, ganz egal, was passierte. Ich war vielleicht nicht so mutig und kampflustig wie meine ältere Schwester, aber ich war immerhin eine Frau aus Southie.

Ich bin sehr romantisch, kann mich aber trotzdem wehren.

Byrnes schwere Stiefel klackten leise, als er zur Haustür schlenderte. »Dann muss ich ein Exempel an dir statuieren. Was – wie ich dir versichern kann, Mrs Veitch – mir mehr wehtun würde als dir. Es ist immer schade, wenn die Frau die Fehler ihres Mannes wiedergutmachen muss.« An der Tür blieb er stehen und schüttelte mit versonnener Miene den Kopf. »Aber wenn ich dir die Sache durchgehen ließe, würde ich meine Glaubwürdigkeit verlieren. Also wirst du bezahlen. Entweder mit Geld, dem Ding zwischen deinen Beinen oder mit deinem Blut. Wir sehen uns, Persy.«

Die Tür fiel hinter den beiden Männern ins Schloss. Donner grollte, durch die Glastür waren ihre Umrisse zu sehen, in stahlblaues Licht getaucht. Sie liefen zu einem schwarzen Hummer, der auf der anderen Straßenseite geparkt war, stiegen ein und fuhren zurück zu dem Drecksloch, aus dem sie gekommen waren.

Ich stolperte die Stufen zur Wohnung meiner Schwester hoch. Ich wohnte bei ihr, seit Paxton sich acht Monate zuvor aus dem Staub gemacht hatte. Mit zitternden Händen drehte ich den Schlüssel im Schloss und drückte die Tür auf.

Ich bezahlte keine Miete. Belle dachte, Paxton hätte das ganze Geld mitgehen lassen, das er und ich gespart hatten, um irgendwann ein Haus zu kaufen. Dieser Teil war nicht gelogen. Schließlich hatte er unser Geld mitgenommen. Was sie nicht wusste, war: Er hatte nicht nur meine gesamten Ersparnisse in einem illegalen Casino verspielt, sondern ich hatte seinetwegen sogar Schulden.

»Pers? Meine Güte. Das ist ja ein heftiges Gewitter da draußen.« Belle lag auf der Couch und rieb sich die Augen. Sie trug ein viel zu großes Fries-Before-Guys-T-Shirt und balancierte eine Tüte Erdnussbutterbrezeln auf dem Bauch, während ein koreanischer Fernsehfilm über den Flachbildschirm flimmerte. Ich spürte einen Stich Eifersucht in der Brust, als ich sie so da liegen sah. So sorgenfrei und entspannt.

Belle musste sich nicht fragen, ob sie bis nächste Woche überleben würde, ohne in einem schmuddeligen Striplokal im South End ihren Körper verkaufen zu müssen.

Sie brauchte sich nicht von Colin Byrne die Hand küssen, ablecken und verdrehen zu lassen, musste den Duft seines billigen Rasierwassers, bei dem es einem den Magen umdrehte, nicht noch Tage nach seinen Besuchen in der Nase haben.

Sie warf sich nicht Nacht für Nacht hin und her und überlegte, wie sie sich vor einem grausigen Tod retten sollte.

Ich hängte meine zerschlissene Windjacke neben die Tür. Emmabelles Wohnung war winzig, aber schick. Sie bestand aus einem Zimmer mit einem Hartholzboden, modischen Palmentapeten, einer dunkelgrünen Decke und ausgefallenen Möbeln, die nicht zusammenpassten. Alles, was Emmabelle besaß und trug, verriet ihren ausgeprägten, anspruchsvollen Charakter. Wir teilten uns ihr Doppelbett.

»Entschuldige. Shannons Eltern sind zu einem Drive-in gefahren und haben offenbar die Zeit vergessen. Ich wusste gar nicht, dass es Drive-ins überhaupt noch gibt. Du?« Ich ließ meine löchrigen Schuhe neben der Tür stehen und verbarg meine Verzweiflung hinter einem Lächeln.

Vielleicht sollte ich einfach zugeben, dass ich nicht mehr weiterwusste, und das tun, was Paxton getan hatte: den nächsten Flug außer Landes nehmen und irgendwo untertauchen.

Nur dass ich, anders als Paxton, an der Stadt hing, in der ich aufgewachsen war. Ein Leben ohne meine Schwester, meine Eltern und meine Freunde konnte ich mir nicht vorstellen.

Paxton dagegen war immer allein gewesen. Da er mit drei Jahren Waise geworden war, hatten ihn seine Großmutter Greta und verschiedene Verwandte großgezogen. Und ihn von einem zum anderen weitergereicht, sobald es mal Probleme gab. Jedenfalls hatte er mir das am Anfang unserer Beziehung erzählt, und er hatte mir leidgetan.

»Dass es noch Drive-ins gibt? Aber natürlich. Einige meiner schönsten Sexeskapaden hatte ich im Drive-in vom Solano’s. Aber im Moment regnet es so stark, dass die beiden da wohl nichts zu sehen bekommen würden. Du hättest mich wirklich anrufen sollen. Ich hätte dich abgeholt. Ich hab doch heute Abend frei.« Sie wackelte unter ihrer Decke mit den Zehen.

Ach ja. Sie hatte heute frei. Warum sollte ich ihr den einzigen Abend kaputt machen, den sie für sich hatte? Sie hatte es verdient, genau das zu tun, was sie gerade tat: sich mit einer Gesichtsmaske zum Sonderpreis aus der Drogerie vom Fernsehprogramm berieseln lassen und mit Junkfood vollstopfen.

»Du tust schon viel zu viel für mich.«

»Nur weil dieser bescheuerte Pax dich geleimt hat. Kannst du mir noch mal sagen, warum du ihn eigentlich geheiratet hast?«

»Aus Liebe?« Ich ließ mich neben ihr auf das senffarbene Cordsofa fallen und legte seufzend das Kinn auf ihre Schulter. »Ich dachte, das hätten wir abgemacht.«

Damals, als wir noch auf dem College gewesen waren, hatten Sailor, Emmabelle, Aisling und ich einander versprochen, nur aus Liebe zu heiraten. Sailor war die Erste, die Wort gehalten hatte. Aber sie hatte das Glück gehabt, sich in einen Mann zu verlieben, der den Boden anbetete, über den sie gegangen war, der aussah wie einer der Hemsworth-Brüder und der genug Geld hatte, um sich ein eigenes Land zu kaufen.

Ich war die Zweite aus der Clique, die Ja gesagt hatte. Ein paar hastige Küsse hinter sorgfältig gestutzten Sträuchern waren alles, was es brauchte, um den größten Fehler meines Lebens zu machen. Paxton Veitch war früher Colins Kaminski gewesen. Ein einfacher Soldat, der nebenberuflich im privaten Bereich als Sicherheitsmann arbeitete. Paxton hatte stets behauptet, bei einer von Colins Bars Türsteher zu sein. Und dass er damit aufhören würde, sobald er einen besseren Job gefunden habe.

Spoileralarm: Er hat nie nach einem gesucht. Er war nicht nur gerne ein Schläger, er gab das Geld, das Byrne ihm zahlte, auch gern in Byrnes Läden aus, wenn er freihatte.

Erst als es zu spät war, fand ich heraus, dass Paxton gar kein Türsteher war. Er bestritt seinen Lebensunterhalt damit, Hände, Nasen und Wirbelsäulen zu brechen, und hatte eine Polizeiakte, die dicker war als der Herr der Ringe. Ich habe Belle, Aisling und Sailor nie erzählt, dass er ein kleiner Gangster war, denn sie hatten ihn fast so sehr geliebt wie Hunter, und ich wollte ihnen ihre Illusionen nicht rauben.

Außerdem war Paxton nicht durch und durch schlecht. Er war attraktiv, lustig und am Anfang auch unglaublich gutherzig. Überall hat er Liebesbriefe für mich versteckt, jede Nacht meine Pausenbrotdose für mich bestückt, mir völlig grundlos Blumen geschickt und spontan Urlaube in Disneyland arrangiert, bei denen wir dann mit unserem klapprigen Auto hinunter nach Florida fuhren, schreckliches Tankstellenessen aßen und aus vollem Hals meine Paula-Abdul- und Wham!-Playlist mitsangen.

Er war ein verlässlicher Freund, der meinen Eltern angeboten hatte, ihnen umsonst das ganze Haus zu streichen, ehe sie es zum Verkauf anboten, der mir einen Verlobungsring gekauft hatte, für den er jeden einzelnen Cent, den er besaß, zusammengekratzt hatte, und der immer da gewesen war, wenn ich ihn brauchte.

Bis er nicht mehr da war.

Ich hatte gedacht, dass ich ihm wieder auf den richtigen Weg helfen, dass Liebe alles überwinden könnte.

Seine Spielsucht aber offenbar nicht.

»Glaubst du immer noch an diesen Unsinn?« Belle holte mich aus meinen Gedanken, indem sie mir die Brezeltüte hinhielt.

»Welchen Unsinn?« Ich nahm eine Brezel und kaute lustlos darauf herum. In den letzten Monaten war ich schrecklich dünn geworden. Eine Nebenwirkung davon, dass ich Paxtons dicke Probleme geerbt hatte.

»An die Liebe?« Belle zog eine Braue hoch. »Glaubst du immer noch an die Liebe, nachdem Pax dich so gründlich enttäuscht hat?«

»Oh ja.« Ich spürte, dass ich rote Ohren bekam, und versteckte meine Verlegenheit hinter einem glucksenden Lachen. »Ist das nicht erbärmlich?«

Meine Schwester tätschelte meinen Oberschenkel.

»Möchtest du darüber reden?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Dann vielleicht etwas trinken?«

Ich nickte. Sie lachte.

»Ich mach uns noch schnell etwas Pizza warm.«

Schon bei dem Gedanken an Essen wurde mir schlecht. Doch mir war klar, dass Belle wegen meines Gewichtsverlusts und meiner Schlaflosigkeit allmählich Verdacht schöpfte.

»Pizza hört sich gut an. Danke.«

Belle stand auf und tänzelte Richtung Kochnische. Ich sah zu, wie sie die Kühlschranktür öffnete und dabei leise pfeifend mit dem Hintern wackelte.

»Belle?« Ich räusperte mich.

»Hmm?« Sie schob ein Stück Pizza in die Mikrowelle und stellte die Zeitschaltuhr auf dreißig Sekunden.

»Was denkst du, was ich mit Pax machen soll?« Ich drückte mir ein Kissen an die Brust und spielte mit einem losen Faden daran. »Ich kann nicht ewig mit ihm verheiratet bleiben, oder? Ich werde doch sicher irgendwann von dieser Ehe erlöst, wenn er sich nicht mehr blicken lässt?«

Belle nahm eine Dose Cola aus dem Kühlschrank und tippte sich nachdenklich auf die Lippen.

»Tja, eine Ehe ist keine Sünde. Ich bin mir nicht sicher, ob man davon erlöst werden kann, aber du kannst bestimmt aus deiner rauskommen, wenn du willst. Dein Mann ist doch schon fast ein Jahr nicht mehr da. Du musst sparen, dir einen guten Anwalt nehmen und diesem ganzen Theater ein Ende machen.«

Ich. Einen Anwalt bezahlen. Na super.

»Irgendwann musst du es tun, das weißt du doch«, fügte meine Schwester, etwas ruhiger jetzt, hinzu. »Dir einen Rechtsbeistand suchen. Und diesen Mistkerl fertigmachen.«

»Womit soll ich das bezahlen?« Ich seufzte. »Und bitte, biete mir jetzt nicht noch einmal an, mir Geld zu leihen. Das kommt nicht infrage.«

Belle arbeitete als Managerin in einem der angesagtesten Clubs in Boston, dem Madame Mayhem. Auf ihrem Gebiet war sie ein Genie und zog so viele gute Kunden an, dass andere Clubbesitzer vor Neid und Wut schäumten, aber in finanzieller Hinsicht hatte sie noch lange nicht ausgesorgt. Außerdem wusste ich, dass sie darauf sparte, sich an der bevorstehenden Umstrukturierung des Madame Mayhem zu beteiligen, damit sie zur Geschäftspartnerin aufsteigen konnte.

»Also, du bist zu stolz, um Geld von mir zu nehmen – deiner eigenen Schwester, wohlgemerkt –, brauchst aber trotzdem einen Rechtsanwalt. Dann geh doch einfach zu Sailor und bitte sie um einen Kredit.« Ihr Ton wurde energischer und drängender. »Die Fitzpatricks haben weiß Gott genug Geld, sie sind stinkreich. Sailor wird es nicht eilig haben, das Geld zurückzubekommen, und dir keine Zinsen berechnen, denn sie weiß, dass sie sich auf dich verlassen kann. Du wirst es ihr irgendwann zurückzahlen.«

»Das kann ich nicht machen«, sagte ich kopfschüttelnd.

»Warum nicht?« Belle nahm die Pizza aus der Mikrowelle, legte sie auf einen Papierteller, kam zum Sofa zurück und stellte den Teller auf das Kissen, das ich an mich gedrückt hielt. »Iss das, Pers. Du bestehst ja nur noch aus Haut und Knochen. Mom meint, du hättest eine Essstörung.«

»Das stimmt nicht«, sagte ich abwehrend.

Belle verdrehte die Augen. »Das weiß ich doch, du Dummchen. Schließlich hast du vor kaum acht Monaten drei Cheesecake-Factory-Mahlzeiten hintereinander verdrückt und sie mit Margaritas, Magentabletten und einer Prise Selbstmitleid heruntergespült. Aber irgendetwas bedrückt dich, und ich will, dass das aufhört. Bitte Sailor um das Geld!«

»Bist du verrückt geworden?« Ich wedelte mit der schlaffen Pizza in der Luft herum. »Sie hat keine Zeit für meine Probleme. Sie hat uns doch gerade erst erzählt, dass sie schwanger ist.«

Drei Tage zuvor bei unserem traditionellen wöchentlichen Mädelsabend hatte Sailor die Bombe platzen lassen. Danach hatte es viel Gekreisch und Tränen gegeben. Hauptsächlich von Ash und mir, während Sailor und Emmabelle uns verständnislos angesehen und darauf gewartet hatten, dass unsere hysterischen Anfälle sich legten.

»Na und?« Belle legte den Kopf schief. »Sie kann doch schwanger sein und dir trotzdem Geld leihen. Frauen sind schließlich multitaskingfähig.«

»Sie wird sich Sorgen machen. Und außerdem möchte ich nicht als Verliererin dastehen.«

»Es geht doch nur um ein paar Tausend Dollar.«

Nein, um hunderttausend.

Aber das wusste meine Schwester nicht.

Und das war der wahre Grund, warum ich Sailor nicht um Hilfe gebeten hatte.

»Denk doch wenigstens darüber nach. Selbst wenn es dir komisch vorkommt, dich an Sailor und Hunter zu wenden, könnte dir immer noch dieser Soziopath namens Cillian das Geld leihen. Er wird es dir sicher nicht leicht machen – dieses Arschloch ist zwar sehr attraktiv, aber leider auch sehr nervig –, aber am Ende wird er es dir geben.«

Cillian.

Nach der Episode in der Hochzeitssuite hatten meine Freundinnen und meine Schwester wissen wollen, was zwischen uns vorgefallen war. Ich hatte ihnen die Wahrheit gesagt. Also, fast die ganze Wahrheit. Von den giftigen Blumen und der Steroidspritze hatte ich ihnen erzählt, aber den Teil, in dem ich ihm meine Liebe gestanden und ihn verflucht hatte, hatte ich lieber ausgelassen.

Warum auch bis ins letzte Detail gehen, nicht wahr?

Mit der Zeit war es mir gelungen, Cillian zu vergessen. Fast. Selbst die Erinnerung daran, wie er mich gerettet hatte, verblasste allmählich und hatte sich zusammen mit der an den Wolkenwunsch-Auftritt, den ich unbedingt aus meinem Gedächtnis tilgen wollte, nach und nach verflüchtigt.

Seit jenem Tag hatte ich nicht mehr mit Tante Tilda gesprochen. Von da an hatte ich aufgehört, einsame Wolken am Himmel zu suchen, und versucht, mit meinem Leben voranzukommen.

Ich hatte mich verliebt.

Geheiratet.

Und war nun praktisch geschieden.

Aber Cillian war noch genauso wie damals.

Alterslos, zeitlos und schweigsam.

Er war immer noch unverheiratet, und soweit ich wusste, hatte er, seit er mich an Sailors und Hunters Hochzeitstag zurückgewiesen hat, auch keine Beziehung gehabt, weder eine ernst zu nehmende noch andere.

Vor acht Monaten – in der Woche, in der Paxton verschwand – hat Kill das Zepter bei Royal Pipelines übernommen, der Ölfirma seines Vaters, und wurde dort offiziell Geschäftsführer.

Wieso hatte ich nicht schon vorher an ihn gedacht?

Bei Cillian »Kill« Fitzpatrick hatte ich die besten Aussichten, das Geld zu bekommen.

Er war nur sich selbst Rechenschaft schuldig, konnte Geheimnisse bewahren, und seine Lieblingsbeschäftigung war es, Menschen zu quälen.

Er hatte mir schon einmal geholfen und würde es wieder tun.

Hunderttausend Dollar waren Kleingeld für ihn. Er würde sie mir geben, wenn auch nur, um zuzusehen, wie mein Gesicht verschiedene Rottöne annahm, wenn ich ihm jeden Monat schamhaft einen Scheck in den Briefkasten steckte, der ihn überhaupt nicht interessierte. Ich würde mich sogar bereit erklären, den Fluch zurückzunehmen, in dem ich ihm befohlen hatte, sich in mich zu verlieben.

Zum ersten Mal seit langer Zeit lief mir das Wasser im Mund zusammen.

Nicht wegen der Pizza, sondern wegen der Lösung, die sozusagen vor meiner Nase lag.

Ich hatte einen Plan.

Einen Ausweg.

Der ältere Fitzpatrick-Bruder würde mich retten – schonwieder.

Im Gegensatz zu meinem Mann musste ich nichts anderes tun, als meine Karten richtig auszuspielen.

2. KAPITEL

Persephone

»Tut mir leid, meine Liebe, ich glaube nicht, dass Sie heute mit Mr Fitzpatrick sprechen können.« Mit einem giftigen Lächeln auf den scharlachroten Lippen warf die unterernährte persönliche Assistentin geziert ihren platinblonden Pferdeschwanz zurück. Sie trug ein quietschrosafarbenes Lackkleid, in dem sie aussah wie eine BDSM-Barbie, genug Parfüm, um einen Otter zu betäuben, und einen Gesichtsausdruck, der verriet, dass sie lieber sterben würde, als eine andere Frau an ihren Boss heranzulassen.

Ich war gleich nach der Arbeit unangekündigt im Hauptquartier von Royal Pipelines aufgekreuzt und hatte darum gebeten, zu Mr Fitzpatrick vorgelassen zu werden. Sailor hatte erwähnt, dass Hunter, der auch im Familienunternehmen arbeitete, mit ihr zum ersten Termin beim Frauenarzt gehen wolle und deshalb früh Feierabend machen würde. Ich wollte nicht, dass Hunter mich sah und mit meinen Freunden darüber redete.

Nach meiner Ankunft hatte Cillians Assistentin ihn angerufen und dabei die ganze Zeit einen Schmollmund gezogen.

»Hiiii, Mr Fitzpatrick. Hier ist Casey Brandt.«

Pause.

»Ich bin seit zwei Jahren Ihre Assistentin, Sir.«

Pause.

»Ja! Die Pinke.« Sie kicherte. »Tut mir schrecklich leid, dass ich Sie störe, aber ich habe hier eine MissPersephone Penrose, die keinen Termin hat.«

Pause.

»Sie sagt, sie muss dringend mit Ihnen reden, aber irgendwie weigert sie sich, mir mehr zu sagen?«

Ich fragte mich, warum sie es wie eine Frage klingen ließ. Aber ich fragte mich ja auch, warum Cillians Assistentin aussah, als gehörte sie in eine pinke Corvette, in der sie mit ihrem Plastikfreund Ken und ihrem Hund Taffy herumfuhr.

»Ja, ich weiß, dass es mein Job ist, das aus ihr herauszubekommen. Leider ist sie sehr unkooperativ, Sir.«

Pause.