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Ein weltweites Projekt Mit dem Anliegen, eingreifende feministische Politik zu entwerfen, wandte sich Frigga Haug an Frauen in aller Welt. Ihr Aufruf erhielt ein starkes Echo und aktivierte politische Energie rund um den Globus: 49 Feministinnen aus 13 Ländern auf 6 Kontinenten meldeten sich zu Wort. Die Briefe aus der Ferne zeigen, wie global diese Welt auch den Feminismus gemacht hat. Die Beiträge variieren von sachlichen Bestandsaufnahmen der politischen Lage an verschiedenen Orten über theoretische Erörterungen möglicher Politikformen bis zu flammenden Postulaten für Bündnisse gegen den globalen Kapitalismus. Die Orientierung über den jeweils eigenen Tellerrand hinaus, vielerorts schon vollzogen, anderswo noch Vision, lässt das Projekt über den Hier-und-jetzt-Bezug hinaus in die Zukunft weisen. Jede Politik, die heute gemacht wird, betrifft das Soziale. So gut wie alles hat globale Folgen. Eine feministische Einmischung ist im Gang.
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Seitenzahl: 500
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Frigga Haug (Hg.)
Briefe aus der Ferne
Anforderungen an ein feministisches Projekt heute
Argument Sonderband Neue Folge AS 304
Übersetzungen von Ulrike Behrens,
Daniel Fastner, Sylvester Fraundorf, Frigga Haug,
Iris Konopik, Else Laudan, Christine Lehmann,
Anja Lieb, Sabine Plonz, Sabine Zürn
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
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unter Verwendung einer Grafik von © James Steidl - Fotolia.com
Satz: Iris Konopik
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
ISBN 9783867549523
Erste Auflage 2010
Cover
Titel
Impressum
Frigga Haug: Einleitung
Die Briefe
Mari Paz Balibrea
Linker Feminismus heute
Abigail Bray
Toni Brinkmann
Wie könnte eine linke feministische Bildungspolitik aussehen?
Christel Buchinger
Fragen an ein linkes feministisches Projekt
Judith Butler
In Prozesse der Prekarisierung eingreifen
Gabriela Cañas
Von Klamotten und Silikon
Cynthia Cockburn
Die feministische Agenda in die Linke tragen – geht das?
Bronwyn Davies und Susanne Gannon
Feminismus und Poststrukturalismus
Gabriele Dietrich
Bündnisse für eine Gesellschaft des Lebens
Hester Eisenstein
Judith Ezekiel
Linker Feminismus und ein Feminismus für die Linke: eine franko-amerikanische Sicht
Rose Baaba Folson
»Ohne Frauen ist kein Programm zu machen«
Harriet Fraad
Eine marxistisch-feministische politische Plattform
Montserrat Galcerán
Was kann linker Feminismus heute bedeuten?
Ingrid Galster
Thesen zu einem linken feministischen Projekt heute
Lena Gunnarsson
Bereit für die Liebe?
Frigga Haug
Feminismus – wer versteht was darunter und was bedeutet er uns?
Rosemary Hennessy
Maria Joó
Nach der Befreiung der Frau. Butler oder Beauvoir in der postsozialistischen Situation?
Larissa Krainer
Praktischer Feminismus – feministische Praxis
Birge Krondorfer
Eine gute Partie?
Jo Labanyi
Die Ethik der Rechte durch eine Ethik der Sorge ersetzen
Christine Lehmann
Überlegungen zu einem modernen Feminismus
Elisabeth List
Links oder sozialistisch?
Isabel Loureiro
Susanne Maurer
»Soziale Phantasie« – Feminismus und Herrschaftskritik heute
Sara Mills
Liv Mjelde
Neue Herausforderungen und neue Anforderungen an die Geschlechterfrage
Maxine Molyneux
Gisela Notz
Zukunft und Visionen für eine feministische Arbeitspolitik
Claudia Pinl
Was heißt feministische Politik heute?
Nora Räthzel
Maria da Consolação Rocha
Die Auswirkungen der neoliberalen Politik auf das Leben der brasilianischen Arbeiterinnen seit den 1990er Jahren
María Ruido und Virginia Villaplana
Notizen zur Debatte um Beziehungen zwischen Kunst und Politik
Helke Sander
Birgit Sauer
Femifest. Ein feministisches Manifest?
Antje Schuhmann
Nation, Staat, Partei: Leerstellen feministischer Veränderung?
Sarah Schulman
Terri Seddon
An einer »Politik des Wir« arbeiten
Lynne Segal
Erneuerungen des Feminismus
Ruth Seifert
Geschlecht und Klasse und der »liberale Friede« in der Nachkriegsrekonstruktion
Gayatri Chakravorty Spivak
Sybille Stamm
Anforderungen an ein linkes feministisches Projekt und die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt
Janna Thompson
Gedanken zu einer feministischen Politik
Renate Ullrich
Neuer Feminismus?
Christa Wichterich
Das Projekt linker Feminismus im 21. Jahrhundert. Eine Skizze
Nira Yuval-Davis
Toni Brinkmann: Erste Eindrücke
Frigga Haug: Kein Abschluss
Frigga Haug: Anhang
Fußnoten
Veröffentlichungen von Frigga Haug bei Argument
Warum sollte man ein Buch mit internationalen Stimmen zu einem aktuellen linken feministischen Projekt ausgerechnet mit Lenin beginnen? Soweit man heute überhaupt noch von ihm weiß, so, dass er mit Gewalt und Terror zusammenzudenken ist. Man mag sich noch an seine umstürzende Rolle in der russischen Revolution erinnern, aber auch da wohl kaum an eine besondere Verbindung zur Frauenfrage. Lenin soll zwar gesagt haben, die »Köchin soll den Staat regieren«1, aber genügt dies, dass wir unser Buch über den internationalen politischen Feminismus mit Gedanken über ihn eröffnen?
Zunächst faszinierte mich der Titel »Briefe aus der Ferne«, wie einige seiner Texte zusammenfassend heißen. Ich wollte ihn unbedingt für unser internationales Projekt übernehmen, um so auch den Briefcharakter, den die Texte zumeist haben, hervorzuheben und das Echo einer unklaren Sehnsucht anklingen zu lassen. Da dies aber von Lenin entwendet war, musste ich es extra begründen und machte mich also daran, seine Briefe zu lesen, immer auch mit der Möglichkeit, von meinem Vorhaben abzulassen. Hier aber fand ich Unerwartetes, das die Titelwahl ganz anders fundiert und unsere fertigen Vorurteile herausfordert.
»Wunder gibt es weder in der Natur noch in der Geschichte, aber jede schroffe Wendung der Geschichte, darunter auch jede Revolution, offenbart einen solchen Reichtum an Inhalt, entfaltet so unerwartet eigenartige Kombinationen der Kampfformen und der Kräfteverhältnisse der Kämpfenden, dass dem spießbürgerlichen Verstand vieles als Wunder erscheinen muss.« (7) So schrieb Lenin im März 1917 aus dem Schweizer Exil in ein Russland, in dem soeben eine Revolution ausgebrochen war. Er durchforschte fieberhaft die internationalen Zeitungen, suchte nach Nachrichten über die Vorgänge in Russland, entwarf Ratschläge, ja Anweisungen, die er Briefe aus der Ferne nannte2. Sie mussten »diese verfluchte Ferne« (35) überbrücken, in der er nicht vor Ort der Geschehnisse sein konnte.
Wiewohl unsere Briefe aus der Ferne weder in einer revolutionären Situation geschrieben sind, noch die Schreibenden unbedingt vor Ort sein wollen, geht es auch in unserem Projekt um Ratschläge, diesmal für die Neuaufnahme des feministischen Projekts in Deutschland in einer Gestalt, die allgemein politisch eingreifen will. Dafür sucht es internationalen Rückhalt. Aus je anderer Lage schreiben Frauen aus vielen Teilen der Welt, wie von ihrem Standpunkt betrachtet diese Neuaufnahme heute aussehen müsste. Dass sie sich aufgerufen fühlen und Antwort geben, ist in hohem Maße erstaunlich. Zeugt es doch von einem feministischen Internationalismus, wie er seit Abklingen der zweiten Frauenbewegung kaum mehr möglich schien.
Jetzt zur Lenin-Lektüre: Er hat in seinen drei Briefen immer wieder darauf bestanden, dass alle, Frauen und Männer gleichermaßen und »gleichberechtigt«, in den Prozess der Übernahme der Aufgaben des Staates einzubeziehen seien. »Denn ohne die Frauen zum öffentlichen Dienst, zur Miliz, zum politischen Leben heranzuziehen, ohne die Frauen aus ihrer abstumpfenden Haus- und Küchenatmosphäre herauszureißen, kann keine wirkliche Freiheit gewährleistet werden, kann nicht einmal die Demokratie, vom Sozialismus ganz zu schweigen, aufgebaut werden.« (43)
Die Sätze verblüffen auf mehrfache Weise. Man erwartet revolutionäre Radikalität und erfährt sie auf der Seite einer neuen Geschlechtergerechtigkeit und wundert sich, dass zu so was Kraft und Zeit war, ja dass es zu den dringlichen existenziellen Aufgaben einer neuen Gesellschaft gehören sollte.
Springen wir in die Gegenwart und sehen, dass nicht nur die sozialistische Planwirtschaft, ein Ergebnis der Revolution von 1917, die im März ihre erste Etappe durchschritt, scheiterte, sondern von einem feministischen Standpunkt auch, dass die Einbeziehung des weiblichen Geschlechts als Menschen auf allen Ebenen von Staat und Wirtschaft immer noch ungewisse Zukunft ist.
Tenor der drei Lenin-Briefe ist, die Trennung von Politik und Ökonomie aufzuheben. Als Politik zu begreifen, sich für die Wirtschaft verantwortlich zu fühlen und so zu handeln und vor allem, dies beim Machen zu lernen. Lenin ist in dieser Hinsicht offenbar ein Anhänger des Learning by doing. Demokratie ist für ihn »eine wirkliche Erziehung der Massen zur Teilnahme an allen Staatsgeschäften« (43). Dafür entwirft er ein Modell, das mit dem »demokratischen Instinkt jedes Arbeiters, jedes Bauern, jedes werktätigen und ausgebeuteten Menschen« (41) rechnet: Wenn ein jeder und eine jede zwei Tage im Monat sich der politischen Arbeit widmen würde, müsste dies als normaler Arbeitstag mit entsprechendem »üblichen Lohn« gelten. Die unmittelbare Folge wäre ein riesiges Heer an politisch Verantwortlichen.
Rosa Luxemburg, die von der russischen Revolution im Oktober 1917 begeistert war und ebenso aufgeregt im Exil des Gefängnisses die Nachrichten verfolgte wie Lenin die erste Etappe im März in Zürich, kritisiert in der Folge aufs Heftigste, dass eben die Vorschläge aus dem dritten der drei Briefe, die Einbeziehung der Massen beim Aufbau des Sozialismus, nicht befolgt wurden. Sie wendet sich gegen die Zentralisierung der Regierung anstelle der vielfältigen Einmischung des Volkes und vor allem gegen die Abschaffung gerade derjenigen Formen aus der bürgerlichen Gesellschaft, die zu den Kampfbedingungen gehört hatten:
Lenin und Trotzki haben anstelle der aus allgemeinen Volkswahlen hervorgegangenen Vertretungskörperschaften die Sowjets als die einzige wahre Vertretung der arbeitenden Massen hingestellt. Aber mit dem Erdrücken des politischen Lebens im ganzen Lande muss auch das Leben in den Sowjets immer mehr erlahmen. Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. (GW 4, 362)
Wir wissen, dass die Pläne Lenins vom Frühjahr 1917 niemals Wirklichkeit wurden. Aber die Spaltung in Sozialismus ohne Demokratie und Demokratie ohne Sozialismus hat beide beschädigt, den Sozialismus im Osten ebenso wie die Demokratie im Westen. Und in jedem Fall bleibt die Beteiligung der Frauen ein ebenso unerledigtes Projekt wie der Sozialismus überhaupt.
So energisch sich der Kapitalismus gegen Revolution und mit Reform durchsetzte, so sehr sind seine Grundlagen in den zwei Jahren der Weltwirtschaftskrise am Ende des ersten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends erschüttert. Wieder einmal erscheinen die Frauenfragen gemessen an der Ungeheuerlichkeit von weltweiter Armut, von Hunger, Arbeitslosigkeit, Klimakatastrophe und Krieg als zweitrangig und später anzugehen. Die Krise des Kapitalismus trifft auf eine Linke, die lange schon nicht mehr an die Möglichkeit dachte, dass die marxschen Analysen zum Kapitalismus zutreffend seien und also eine alternative Gesellschaft auf der Tagesordnung stehe. Zersplittert, miteinander verfeindet, aufgerieben und mutlos geworden, sammeln sich dennoch spät jetzt allenthalben Gegenkräfte. Was aber tun die Frauen? Eher noch effektiver als die Arbeiterklasse sind Feministinnen delegitimiert. Sie selbst haben sich den entscheidenden Tritt versetzt, politisch korrekt zunächst sich als Frauen, dann überhaupt, indem sie jedes kollektive Subjekt aus der Geschichte zu streichen empfahlen. »Feminismus ist tot«, war zwar der triumphale Schlussstrich unter eine große internationale Bewegung von rechts und aus dem Mainstream, er traf zugleich auf einen Feminismus, der sich längst aufgegeben hatte.3
Ziehen wir noch ein letztes Mal die leninschen Briefe zu Rate. Bei der Analyse der vielfältig überdeterminierten Situation, in der die »erste Etappe« der Revolution in Russland wirklich wurde, schärft er wiederholt ein, dass es wesentlich sei, »alle politischen Richtungen und Aktionsmethoden« (9) zu studieren; benennt den Betrug und die Entzweiung der Arbeiter, den Hunger und schärft ein, zu erkennen, dass sich völlig verschiedene Ströme, »völlig ungleichartige Klasseninteressen, völlig entgegengesetzte politische und soziale Bestrebungen vereinigten« (13). Jetzt gelte es, klare, von allen verstandene und gewollte einfache Losungen zu finden, die nicht von oben, von außen vorzustellen seien, sondern aus dem vielfältigen Begehren der Unterdrückten kamen: Frieden, Brot und Freiheit.
Unsere Situation ist eine andere. Sie ist weniger dramatisch und verlangt doch zugleich großen Mut. Allen Lehren widersprechend, dass es ein Kollektiv-Subjekt Frauen nicht gebe, dass die divergierenden und entgegengesetzten Interessen größer seien als die gemeinsamen, gilt es, das Projekt der Frauenbefreiung neu zu eröffnen. Es ist der Schlüssel für eine alternative Gesellschaft. Bei diesem Aufbruch sind wir nicht allein. Schon gibt es Stimmen, die den Verlust des politischen Subjekts beklagen und zum neuerlichen Aufbruch mahnen.4
In der Regierungspolitik zur Weltwirtschaftskrise wird überaus deutlich, dass diese Gesellschaft nicht vom Standpunkt ihrer Reproduktion gefasst wird, sondern stur und hilflos vom Versuch, alles genau so wiederherzustellen, wie es war – mit Überakkumulation von Gütern und von Kapital, mit Krieg –, und dabei Hunger, wachsende Arbeitslosigkeit und Angst in Kauf nehmend. Vom Reproduktionsstandpunkt sieht man ohne Weiteres, dass die Ressourcen verbraucht werden, dass es für die meisten heißt, den Gürtel, der nicht sonderlich weit war, sehr viel enger zu schnallen, und dass niemand so recht zu wissen scheint, wie alle in diese schwere Lage kamen. Die krisenhafte Entwicklung geht so schnell, dass es sogar schwerfällt, die Verwandlung der eigenen Wünsche zu erinnern. Noch vor wenigen Jahrzehnten ging es um die Verkürzung der Arbeitszeit und Humanisierung der Arbeitswelt; aus der Frauenbewegung kamen die Forderungen nach Anerkennung von Hausarbeit als Arbeit. Dann kam mit dem Neoliberalismus als neue Lösung aller Probleme die vollständige Selbstbestimmung eines jeden als Fortschritt. Die Losung, ein jeder und eine jede könnten Unternehmer sein, und sei es nur ihrer eigenen Arbeitskraft, bleibt eine zynische Verbrämung der Verwandlung so vieler in neue Sklaven und Sklavinnen der Banken, deren Kredite ein neues Leben versprachen: Eigentumswohnungen und Glück durch Konsum. Und jetzt in der Weltwirtschaftskrise geraten die einzelnen Momente täglichen Lebens aus den Fugen. Schon geht es nurmehr darum, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben, egal welcher Qualität. Der Klassenkampf scheint stillgestellt und ebenso der Konflikt mit dem ›Feind im eigenen Bett‹. Dramatisch gehen die Scheidungsraten nach unten. Da man nicht weiß, wie viel schlechter alles wird, scheint es sicherer, vorerst zusammenzubleiben, wie zerstritten auch immer. Die versprengten Einzelnen ducken sich, um vielleicht davonzukommen.
Aber dies ist der Moment, sich aufzurichten und die Fragen noch einmal neu zu durchdenken.
Vom Standpunkt der Reproduktion der Gesellschaft gewinnen die einzelnen Bereiche des Lebens eine andere Bedeutung. An oberste Stelle rückt das Leben selbst als Zweck und Ziel und also das Verlangen, dass es gut sei. Alle Arbeit, die hierfür direkt geleistet wird, ist selbstverständlich Arbeit, gehört aufgewertet und als soziale Befähigung für alle Geschlechter5 zugänglich gemacht. Sie braucht Raum und Zeit. So wird ein feministisches Projekt einer Linken heute nicht bei der Gleichstellung der Geschlechter in der schlecht verwalteten und barbarischen Gesellschaft beginnen, sondern bei der Arbeit und ihrer Verteilung. Dafür müssen wir als Erstes gegen den bornierten Blick streiten, der nur das als Arbeit zählt, was heute in der Form der Lohnarbeit geregelt ist. Alle Arbeit in der Gesellschaft gehört besichtigt und ihre Verteilung gerecht angegangen. Dafür brauchen wir einen anderen Arbeitsbegriff und eine andere Vorstellung von Gerechtigkeit, die nicht mehr bloße Tauschgerechtigkeit wäre, sondern orientiert ist an ihrem Gegensatz, dass keinem Unrecht geschehe. Besichtigen wir die Gesamtgesellschaft, so gibt es überall Aufgaben im Überfluss, von deren Erfüllung nur ein Teil bezahlt wird und vieles überhaupt ungetan bleibt, weil keine Zeit und keine Kraft vorhanden und weil andere Ziele dominant sind. Das gilt wohl für viele Fragen des Umgangs mit Natur, der menschlichen wie der, die zu unseren Lebensbedingungen zählt. Eine gerechte Verteilung der Arbeit beträfe die Verteilung der Arbeit an den Mitteln des Lebens, die in der heutigen Form der Lohnarbeit ein zum guten Leben ausreichendes Einkommen erbringen muss; dann der Menschheitsarbeit, sich des neuen, des kranken, des alten Lebens und seiner selbst sorgend anzunehmen, heute Reproduktions- oder auch Sorgearbeit, manchmal Familienarbeit geheißen. Beides sind Menschenrechte. Als Menschenrecht soll auch gelten, die eigenen Anlagen zu entfalten. Dies ist sowohl eine Notwendigkeit wegen der schnell sich ändernden Erfordernisse des Lernens, aber auch eine sinnhafte Aufgabe, als schöpferischer Mensch sein Leben als Kunstwerk zu begreifen. Schließlich bleibt die Arbeit der politischen Gestaltung von Gesellschaft im Großen, die wir Politik nennen. Uneingelöst ist in der Abgabe des Politischen an eine spezielle Berufsgruppe mit nachfolgender politischer Entmündigung der Bürger das menschliche Bedürfnis, seine Lebens- und Arbeitsbedingungen zu gestalten. – Dass Politik ein Bedürfnis auch nach Lebenssinn ist, zeigt die wachsende Zahl von »ehrenamtlich« Tätigen, die sich – fast jeder Zweite in Deutschland – unentgeltlich der Gemeinwesenarbeit verpflichten.
Eine politische Utopie für die Neuordnung der Bereiche des Lebens, die zugleich Anleitung zum alltäglichen politischen Handeln ist, ist die Vier-in-einem-Perspektive.6 Suchen wir daraus die »klare Losung« für politisches Handeln, so wäre es: Das geteilte Leben muss in ein ganzes Leben zusammengebracht werden. Eine gerechte Teilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit und Demokratie jetzt! Es muss um die Verfügung über Zeit gestritten werden. Dafür braucht es eine radikale Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit tendenziell auf ein Viertel des alltäglich tätigen Lebens und einen guten Arbeitsplatz als Menschenrecht wie ebenso die Teilhabe aller an der Arbeit für Mensch und Natur in einem weiteren Viertel. Zeit und Raum für Entwicklung als Menschenwürde und politische Beteiligung von allen. Alle anderen hier nicht diskutierten Bereiche lassen sich in dieser Verknüpfung anordnen.
Auf der einen Seite scheint die Lage der Frauen in Deutschland schlecht, und nur wenige sind gewillt, sich ihrer gesondert anzunehmen. Die beste Losung scheint die der modernisierten CDU, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als die Verhängung von Dauerstress über das weibliche Volk verstärkt voranzutreiben. Auf der anderen Seite geschah es 2007 fast wie ein Wunder, dass sich die vielen versprengten Linken und die Gebliebenen aus dem aufgegebenen Sozialismus mit den von der Sozialdemokratie enttäuschten Gewerkschaftern zusammenschlossen zu einer neuen Linken. Das Projekt schreitet, wie zu erwarten behindert durch innere Zerwürfnisse und durch Medienblockaden oder -kampagnen, dennoch voran. Als Hauptprogrammatik hat es einige Lehren aus den sozialen Bewegungen aufgenommen. So, dass sich die neue Partei als sozial, als ökologisch und als feministisch begreift.
Die Partei wächst nicht sprunghaft, jedoch stetig. Der nach außen verkündete Feminismus erschöpft sich bislang in der Quote, die einzuhalten schwierig ist, wenn die weiblichen Mitglieder nicht entsprechend nachwachsen. Es ist zu wenig, wenn die Kultur und die Programmatik den Feminismus nicht grundlegend einbeziehen, so dass linke Frauen sie als ihre Partei erkennen, in die sie sich einmischen wollen.
Das Programm der neuen Linken so auf eine alternative Gesellschaft zu orientieren, dass sie gleichwohl auch innerhalb der alten Gesellschaft handlungsfähig bleibt, dazu dient das Projekt der Vier-in-einem-Perspektive. Es kann bei der Diskussion des neuen Programms, die bis zum Jahr 2011 abgeschlossen sein wird, hilfreich sein. Dieser Prozess hat begonnen.
Es geht im folgenden Buch um 47 Texte aus 13 Ländern auf sechs Erdteilen, sehr unterschiedlich in Umfang und Detailliertheit, von feministischen Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen, die sich politisch äußern. Alle hatten die Frage, wie sie sich ein linkes feministisches Projekt heute vorstellen, und eine Kurzfassung des Projekts der Vier-in-einem-Perspektive bekommen. Alle Briefe beziehen sich auf ein ebenso mögliches wie notwendiges linkes Projekt heute: So sprechen sie, verteilt über den Globus, von einem gemeinsamen Fluchtpunkt. Sie sind sich aus der Ferne nah, wie wir uns aus der Nähe fern. Dies ist zugleich das Eigentümliche und Optimistische an den Nachrichten von überall, dass es dieses kollektive feministische Projekt international schon gibt. Es muss sich nur weiter selbst finden.7
Das vorliegende Buch ist erst ein Anfang. Das Projekt hat kein Ende: Die meisten Autorinnen arbeiten weiter und schicken weitere Texte.8 Erste Lehren aus der Umfrage sind:
In der globalisierten Welt müssen die Fragen auch vor dem Hintergrund der transnationalen Kapitale gestellt werden, die wiederum die Frauenschicksale in aller Welt mit sich reißen, so wie eben jetzt in der Weltwirtschaftskrise. Sozialismus (fast alle in der Umfrage sprechen von Sozialismus) ist als besseres Leben zu begreifen. Politik ist auf verschiedenen Ebenen anzupacken – von unten als ›Graswurzel-Politik‹ und feministisch-sozialistisch zugleich. Der Kampf um den Wohlfahrtsstaat muss als Kampf gegen seinen Abbau in den westlichen kapitalistischen Ländern zugleich mit dem Kampf für seinen Aufbau in den Dritt-Welt-Ländern verknüpft werden.
Gegen sexistische Gewalt ist bis in die Kommunikationsstrukturen hinein zu streiten – dafür müssen wir eine Sprache finden, die uns für den Umbau fehlt. Die Gewalt besteht in jedem Land der Welt fort und nimmt viele Formen an, von Vergewaltigung als Waffe im Krieg über häuslichen Missbrauch bis zum Ausschluss von Frauen und Mädchen von Gesundheitsfürsorge, Wahlfreiheit, Bildung und öffentlichem Leben, ein Ausschluss, der ihre Chancen weiter beschränkt und ihnen die Möglichkeit nimmt, ihre Rechte einzufordern.
Die außergewöhnlich große Rolle, die der gesamte Reproduktionssektor für die Erhaltung des Systems, für die Art der Erwerbsarbeit, für die Lebensweise spielt, gilt es zu erforschen und zu begreifen. Dies umfasst den Umgang mit Natur und verbietet eine Beschränkung auf den bloß gewerkschaftlichen Kampf, bzw. fordert seine Politisierung und Erweiterung. Wir streiten für eine Welt, in der Individuen beiderlei Geschlechts aufrecht leben können. Daher ist die Frage der Familienpolitik zentral für ein linkes Projekt. In ihr stellt sich die Hegemoniefrage. Es ist die Masse der Frauen betroffen. Gegen die konservative Rechte ist zu streiten, die sich Familienpolitik auf Kosten von Frauen und Familien zunutze macht. Es muss für die Erkenntnis gearbeitet werden, dass Umwelt- und andere soziale Probleme – etwa der Ausbau des Militärs – auch Familienprobleme sind. Wir wollen zur Frage ermutigen, welche Art von Welt wir für unsere Kinder wollen, und wir wollen zum Kampf für diese Welt antreten.
Wichtige Dimensionen und Kämpfe gelten der Frage von Selbstveränderung, der Wiederentdeckung des eignen Standpunktes und der Herstellung einer ›Politik des Wir‹, also kollektiver Handlungsfähigkeit. Gegen die neoliberale Vereinzelung brauchen wir bewusste Zusammenschlüsse. Gegen die Gefangennahme der Begriffe in die neoliberale Agenda wollen wir auch Sprachpolitik entwickeln. Aus den täglichen Grenzüberschreitungen können wir alternative Erfahrungen schöpfen.
Ein Hauptergebnis aus dieser internationalen Umfrage ist auch eine Lehre und ein Wegweiser: Ein möglicher Einschluss feministischer Dimensionen in ein linkes Programm wird weltweit als aufregend diskutiert. Diese Diskussion ist daher für sich selbst schon ein Politikum. Sie verändert das Klima um die Partei, gibt Feministinnen Auftrieb. Dass die Diskussion nicht abgeschlossen ist, dass keine Rezepte herauskommen, kann uns nicht entmutigen, sondern an die Arbeit setzen. Wie zum Beispiel nimmt man die notwendige Globalität eines aktuellen Feminismus in ein Programm? Oder die Notwendigkeit, gegen Gewalt und gegen alltäglichen Sexismus einzuschreiten? Wir brauchen eine Diskussionskultur, die es erlaubt, alle Fragen öffentlich zu erarbeiten und im internationalen Rahmen weiter zu bewegen. Dies ist selbst das Politische, das wir feministisch ins Programm bringen. Wir wollen nicht fertige Antworten auf einzelne nationale Punkte. Wir lernen aus dem Internationalismus der Arbeiterbewegung, der selbst eine große Kraft ist. Dies ist das Format, das wir anzielen. Es braucht Strukturen, in denen diese Diskussionen geführt werden können, Räume. Linker Feminismus ist ein Projekt, das von uns stets neu lebendig geschaffen wird, wozu wir beweglich dialektisch denken lernen müssen, alles stets in Veränderung begreifen und gerade dadurch handlungsfähiger werden.
Frigga Haug, Los Quemados, 1. September 2010
Dr. María José Balibrea Enriquez, Professorin für spanische Literatur und Kulturwissenschaft am Institut für Spanisch, Portugiesisch und Lateinamerika-Studien der University of London.
Veröffentlichung: Tiempo de exilio: una mirada critica a la modernidad espanola desde el pensiamiento republicano en el exilio, Montesinos 2007.
Einige grundsätzliche Voraussetzungen des linken Feminismus, wie ich ihn verstehe:
• Linker Feminismus zielt auf strukturelle Veränderungen. Es geht darum, die Strukturen oder den Status quo der Frauenunterdrückung in der jeweiligen Gesellschaft zu erkennen und diese Strukturen entsprechend zu verändern, welche Form sie im jeweiligen Kontext auch immer annehmen. Weiter geht es darum, die erreichten Veränderungen zu erhalten und weiter voranzutreiben. Linker Feminismus ist daher eine »tiefgreifende« gesellschaftliche und politische Bewegung, nicht eine »oberflächliche« oder konjunkturelle.
• Links-feministische Projekte sind einschließend, nicht ausschließend. Mit anderen Worten: Sie erkennen an, dass Unterdrückung komplex und niemals auf die Unterwerfung entlang einer Kategorie (in diesem Fall Geschlecht) beschränkt ist. Daher zielen sie darauf ab, ihre Kämpfe mit denen anderer zu verknüpfen (nicht, sie ihnen unterzuordnen), um eine Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit für alle Unterdrückten, nicht nur für Frauen, zu bewirken.
• Die Ausgangsbedingungen für einen linken Feminismus hängen stark davon ab, über welchen Teil der Welt wir reden und wie es um Identitätsmerkmale wie Klasse, Ethnie und Religion von Frauen steht. Manche Frauen müssen noch für die Anerkennung grundlegender Gleichheitsrechte kämpfen, während andere Frauen seit Jahrzehnten zumindest nominell die institutionelle und gesellschaftliche Zuerkennung dieser Grundrechte genießen. So werden zum Beispiel ein Opferdiskurs und die Ablehnung von Lebensweisen als »falsches Bewusstsein«, wie sie für die erste Welle der Frauenbewegung charakteristisch waren, im aufgeklärten Kontext der sogenannten ›Ersten Welt‹ wahrscheinlich kontraproduktiv wirken, insbesondere bei den jungen Generationen, die unter Bedingungen von Gleichheit und Wahlmöglichkeit aufgewachsen sind, die für sie selbstverständlich und in ihrem Leben sehr real sind. Einen negativen Effekt könnte so ein feministischer Diskurs auch deshalb haben, weil er einer reaktionären puritanischen Politik in die Hände spielt, die Frauen weiterhin unterjochen möchte statt sie zu befreien. In anderen Zusammenhängen jedoch ist das Benennen der Viktimisierung von Frauen absolut notwendig, auch innerhalb jener im Kern aufgeklärten Länder: in der Arbeitswelt nämlich, im privaten Raum oder in der Lebenswelt marginalisierter, gefährdeter Bevölkerungsgruppen. So viel Differenziertheit und Aufmerksamkeit in der Analyse sind absolut notwendig für eine links-feministische Agenda, wenn sie Frauen auf breiter Front ansprechen will und nicht nur die üblichen weißen Mittelschichtsfrauen, die dem westlichen Feminismus den Weg bereitet haben.
• Angesichts der Unmöglichkeit eines einzigen linken Feminismus, der für alle Frauen sprechen könnte, muss jedes realistische Konzept, das Feminismus als globales Projekt entwirft, in erster Linie als Rahmenpolitik gedacht werden. Diese Politik wird nur in dem Maße funktionieren, wie sie einen Dialog der Stimmen aus verschiedenen Ecken des feministischen Spektrums anstößt und in Gang hält.
• Darüber hinaus braucht es dringend eine eingrenzende Bestimmung dessen, was einen linken Feminismus ausmacht. Das zu versäumen würde dem Relativismus in die Hände spielen und unter der Prämisse, Differenz zu respektieren, jegliche Frauenpolitik als feministisch und progressiv anerkennen.
• Genauso ist zu begründen, warum es sinnvoll ist, von einem einzigen linken Feminismus statt einer Mehrzahl linker Feminismen zu sprechen. Linker Feminismus ist das Ergebnis einer globalisierten Welt, in der Handlungen nicht nur lokal, sondern über den ganzen Planeten hinweg Wirkung zeigen. Von einem linken Feminismus zu sprechen wurzelt in der Überzeugung, dass wir eine globale Koordinierung links-feministischer Forderungen anstreben müssen, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Mit anderen Worten: Linker Feminismus steht dafür, dass die Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten in die Diskussionen über das gemeinsame feministische Programm immer mit einbezogen werden. Linker Feminismus hält sich von den Täuschungen des liberalen Pluralismus fern, der zwar behauptet, die Positionen aller zu respektieren, dadurch aber alle zu Vereinzelung, Egoismus und Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer verdammt. Mit dem Vorschlag, linken Feminismus als Rahmen zu begreifen (und nicht als Versuch, eine bestimmte Politik auf Kosten anderer durchzusetzen), möchten wir in allen ein Gefühl von »Teilhabe« an diesem Begriff erzeugen. Gemeinsam gerät uns die Präsenz der vielen nicht aus dem Blick.
Als Spanierin möchte ich auf folgende besonderen Notwendigkeiten in Spanien hinweisen:
• Eine Vertiefung der Gleichheit und Achtung von Frauen. Juristisch und politisch wurde in dieser Hinsicht viel erreicht, besonders in den vergangenen fünf Jahren unter der sozialdemokratischen Regierung von Rodríguez Zapatero. Doch vieles bleibt zu tun. Wirkliche Gleichheit kann paradoxerweise nur bei gleichzeitiger Anerkennung von Verschiedenheit entstehen. Der biologische Unterschied der Frau, ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, dient in Spanien nach wie vor dazu, die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt zu rechtfertigen. Diese weit verbreitete Praxis wird durch die gesetzlich geförderte neoliberale Einstellungspraxis unterstützt. In der Tat bleibt Mutterschaft der die Frauendiskriminierung strukturierende Faktor. Sexistische Praktiken gegen Frauen im gebärfähigen Alter reichen von unverhohlener Kündigung schwangerer Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen bis zur subtileren Form der fehlenden Anerkennung der familiären Pflichten von Frauen. Dies entscheidet immer noch vollkommen, und zwar in negativer Richtung, über die Berufskarrieren von Frauen, die sich außerstande sehen, den von Männern geschaffenen und auf Männer zugeschnittenen Standards für Arbeitszeiten und -plätze zu genügen, es sei denn, sie verzichten auf andere Lebensinhalte. Weitere Gesetze und eine andere Wirtschaftsweise sind nötig, um die Rechte von Frauen am Arbeitsplatz effektiv und im vollen Sinne zu verteidigen und sie nicht dafür zu bestrafen, dass sie Zeit für reproduktive, soziale und gemeinschaftliche Aufgaben aufwenden. Dies sind wesentliche Tätigkeiten für die Aufrechterhaltung und das Wohlergehen jeder Gesellschaft, und sie sollten weder direkt noch indirekt unter Ausbeutungsbedingungen ausgeübt werden. Geschieht das doch, hat dies nicht nur Nachteile für Frauen, sondern bedauerliche Konsequenzen für das Gesellschaftsgefüge als Ganzes.
• In unserer nach wie vor von Sexismus durchdrungenen Gesellschaft ist es notwendig, zu Gleichberechtigung und Respekt für Unterschiede zu erziehen. Ein gravierendes Zeichen für diese Erfordernis ist die Gewalt gegen Frauen. 2008 wurden mindestens 70 Frauen von meist aus ihrem sozialen Umfeld stammenden Männern umgebracht. Kürzlich sind neue Gesetze erlassen und neue Mittel der Strafverfolgung geschaffen worden, um derlei Gewalttaten zu bestrafen, zu verhindern und potenzielle Opfer zu schützen. Es handelt sich hier jedoch nicht nur um ein rechtliches Problem, sondern um ein Problem, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Ein linker Feminismus, geübt in der Analyse von Sexismus in Alltagspraxen, kann auf allen Ebenen wesentlich dazu beitragen, Aufklärung und kritisches Bewusstsein zu fördern.
Dr. Abigail Bray, Forschungsassistentin an der University of Western Australia in Perth; 2006–2009 Leitung eines Gemeinschaftsprojekts zwischen den Women’s Studies und dem »Centre for the Vulnerable Child« zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern.
Veröffentlichung: »Governing the Gaze: Child Sexual Abuse, Moral Panics and the Post-feminist Blind Spot«, in: Feminist Media Studies, 9:2, 2009, S. 173–191.
Liebe Frigga,
es tut mir leid, dass ich so spät erst antworte. Es ist schwer zu sagen, was ein feministisches Projekt wäre, ohne einfach nur die schon in der Vergangenheit verfolgten Anliegen zu wiederholen. Deine Idee vom vierstündigen (Erwerbs-) Arbeitstag ist ausgezeichnet und berücksichtigt, dass Arbeit sich in der post-fordistischen Wirtschaft weiterhin radikal verändern wird.
Mit der Intensivierung der barbarischen Formen des patriarchalen Kapitalismus muss die Abwertung der Schwächsten, der proletarischen Frauen, Kinder und Jugendlichen als eine sozioökonomische Realität der Gegenwart angesprochen werden, was Lösungen verlangt, die die spezifischen Formen von Ungerechtigkeit, die ihnen von oben auferlegt werden, erkennen.
1921 vermerkte Lenin, dass »die weibliche Bevölkerung im Kapitalismus doppelt unterdrückt ist«. Unter den Bedingungen des barbarischen Kapitalismus ist das Schicksal proletarischer Frauen, Jugendlicher und Kinder ineinander verwoben, da ihre Unterdrückung aus einem ökonomischen System herrührt, welches Mütter, werdende Mütter und ihre Kinder herabsetzt und zugleich Familienwerte gefühlvoll anruft und Arbeitern ein Eigenheim anbietet als Hafen, in dem sie sich vom Stress eines unbarmherzigen ökonomischen Wettbewerbs erholen sollen. Die Hausarbeit, die Frauen verrichten (wie saubermachen, kochen, die komplexe Arbeit der Sorge für die Kinder, die emotionale und sexuelle Arbeit in den Geschlechterbeziehungen) bleiben für die kapitalistische Buchhaltung unsichtbar. Und doch wird aus dieser unsichtbaren Arbeit großer Profit gezogen. Solche unsichtbaren Arbeitsbeziehungen innerhalb des Hauses bringen nicht nur die Körper der zukünftigen Arbeiter hervor, die selbst profitlich ausgebeutet werden. Strom, Ernährung, Kleidung, Reinigungsmittel und -maschinen, Küchengeräte und Unterhaltungstechnologie, um nur einige Konsumtionsbereiche zu nennen, sind erforderlich, um einen privaten Raum aufrechtzuerhalten, in dem Frauenarbeit fortgesetzt ausgebeutet und unsichtbar gemacht wird. Um ihre unbezahlte Hausarbeit fortzuführen, muss sie eine endlose Vielfalt von stets auf den neuesten Stand gebrachten Waren kaufen. In dieser Hinsicht ist sie einzigartig: Von keiner anderen Arbeiterklasse wird erwartet, dass sie Werkzeuge für eine Arbeit kaufen, für die sie nicht bezahlt wird, und sich zu schämen, wenn sie sich nicht die besten Arbeitsmittel leisten können, die beste Waschmaschine, den modernsten Herd, die neusten Reinigungsmittel.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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