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Black Terence Vulmea ist ein gebürtiger Ire, der als Piratenkapitän zum Schrecken der Karibik geworden ist. Dennoch ist Vulmea ein ›guter‹ Schurke. Er achtet zwar nicht die Gesetze, wohl aber die moralischen Werte. Er ist vor allem ein Kämpfer, ein Krieger, der eine schnelle Klinge führt und weder Tod noch Teufel fürchtet …
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Robert E. Howard
Bruderschaft der Piraten
Zwei Erzählungen
Neuausgabe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Firuz Askin, 2024
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Lore Straßl
Titel des Originals: Black Vulmea’s Vengeance
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau (OT), Gemeinde Oberkrämer. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Bruderschaft der Piraten
Vorwort
Die Rote Bruderschaft
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Black Vulmeas Rache
1.
2.
3.
4.
Black Terence Vulmea ist ein gebürtiger Ire, der als Piratenkapitän zum Schrecken der Karibik geworden ist. Dennoch ist Vulmea ein ›guter‹ Schurke. Er achtet zwar nicht die Gesetze, wohl aber die moralischen Werte. Er ist vor allem ein Kämpfer, ein Krieger, der eine schnelle Klinge führt und weder Tod noch Teufel fürchtet …
***
Zwei Erzählungen von Robert E. Howard
übersetzt von Lore Straßl
Black Terence Vulmea ist eine weitere schillernde Gestalt in der Reihe erdachter Haudegen aus der abenteuerlichen Zeit der Karibik-Piraten.
Piratengeschichten waren gängige Kost für den Leser der Abenteuer-Magazine der zwanziger und dreißiger Jahre. Da ist vor allem zu nennen ADVENTURE MAGAZINE, das auch Robert E. Howard verschlang. Darin waren es vor allem Autoren wie Harold Lamb und Talbot Mundy, die Howard in seinen historischen und orientalischen Abenteuergeschichten inspirierten.
Darin erschien aber auch erstmals Rafael Sabatinis großartiger Roman CAPTAIN BLOOD, gefolgt von THE SEA HAWK. Und es ist wohl nicht weit hergeholt, anzunehmen, dass Sabatinis Erzählungen Howard faszinierten und ihn zu Black Vulmeas Abenteuern inspirierten.
Sowohl die Gestalt Vulmeas als auch seine Abenteuer sind unverwechselbar Howard. Vulmea ist der »gute« Schurke, der zwar nicht die Gesetze, wohl aber moralische Werte achtet. Er ist vor allem ein Kämpfer, ein Krieger, nicht weniger barbarisch als Conan. In der Tat wären Conans Abenteuer in der Karibik, hätte es ihn in dieser Welt und in dieser Zeit gegeben, wohl ähnlich verlaufen.
Und Howard begnügt sich nicht mit den typischen Elementen der Piratenerzählung. Wie in seinen besten Fantasy-Abenteuern begegnen wir auch hier alten, längst verlassenen Städten, in denen das Grauen lauert, übernatürlicher Rache und legendären Schätzen, die der Tod in vielerlei Gestalt bewacht.
Über Black Terence Vulmea schrieb Howard nur die beiden vorliegenden Novellen. Keine wurde zu seinen Lebzeiten veröffentlicht.
BLACK VULMEAS RACHE erschien 1938, zwei Jahre nach Howards Tod, in dem Magazin GOLDEN FLEECE.
DIE ROTE BRUDERSCHAFT erschien erstmals 1976 in der Buchausgabe BLACK VULMEA’S VENGEANCE.
Eben war die Lichtung noch leer gewesen, jetzt stand ein Mann mit angespannten Sinnen am Rand der Büsche. Kein Laut hatte die Eichhörnchen vor seinem Kommen gewarnt, aber die Vögel, die sich im Sonnenschein vergnügt hatten, erschraken über die plötzliche Erscheinung und flatterten in einem aufgeregt zeternden Schwarm hoch. Der Mann runzelte die Stirn und schaute hastig den Weg zurück, den er gekommen war, in der Befürchtung, die Vögel könnten seine Anwesenheit verraten haben. Dann machte er sich daran, vorsichtigen Schrittes die Lichtung zu überqueren. Trotz seiner großen, kräftigen Gestalt bewegte er sich mit der Geschmeidigkeit des Panthers.
Von einem Stofffetzen um seine Lenden abgesehen, war er nackt und seine Haut von Dornen zerkratzt und schmutzbedeckt. Um seinen muskulösen linken Arm hatte er einen Verband gewickelt, der eine braune Kruste aufwies. Sein Gesicht unter der zerzausten schwarzen Mähne war angespannt und ausgezehrt, und seine Augen brannten wie die eines verwundeten Tieres. Er hinkte ein wenig, als er den schmalen Pfad quer über die Lichtung hastete.
Etwa auf halbem Weg hielt er abrupt an und wirbelte herum, als er den langgezogenen Schrei aus dem Wald hinter sich vernahm. Er hörte sich fast wie das Heulen eines Wolfes an, aber er wusste genau, dass es kein Wolf war.
Grimm funkelte in seinen blutunterlaufenen Augen, während er den Pfad weiterlief, der, am Ende der Lichtung am Rand eines dichten, sich lückenlos unter den Bäumen dahinziehenden Gestrüpps, entlangführte. Sein Blick fiel auf einen massiven, tief in die grasüberwucherte Erde eingebetteten Stamm. Er lag parallel zu dem Dickicht. Wieder hielt der Mann an und schaute über die Lichtung zurück. Einem ungeübten Auge verrieten keine Spuren, dass er diesen Weg gekommen war. Für seinen mit der Wildnis vertrauten Blick jedoch war seine Fährte deutlich erkennbar. Und er wusste, dass auch seine Verfolger sie mühelos lesen konnten. Er knurrte lautlos. Die verzehrende Wut eines gejagten Tieres, das bereit ist, sich zum Kampf auf Leben und Tod zu stellen, glühte in seinen Augen. Er zog Kriegsbeil und Jagdmesser aus dem Gürtel, der sein Lendentuch hielt.
Dann schritt er schnell und mit absichtlicher Sorglosigkeit den Pfad hinunter und zerdrückte, ebenfalls mit voller Absicht, hier und da das Gras. Doch als er das hintere Ende des großen Stammes erreicht hatte, sprang er auf ihn, drehte sich um und rannte darauf leichtfüßig zurück. Die Rinde war längst von Wind und Wetter angefressen, und auf dem kahlen Holz hinterließ er keine Spuren, die seinen Verfolgern verraten konnten, dass er umgekehrt war. Als er die dichteste Stelle des Buschwerks erreichte, verschwand er darin wie ein Schatten und fast ohne dass sich auch nur ein Blättchen regte.
Die Minuten verstrichen. Die Eichhörnchen beschäftigten sich wieder sorglos auf den Bäumen – und drückten sich plötzlich stumm an die Äste. Wieder kam jemand auf die Lichtung. So lautlos wie der erste Mann, tauchten drei weitere Männer aus dem Ostrand des Waldes auf. Dunkelhäutig waren sie und nackt, von ihren perlenverzierten Lendentüchern und Mokassins aus Wildleder abgesehen. Und sie waren furchterregend bemalt.
Sie hatten vorsichtig auf die Lichtung hinausgespäht, ehe sie nun, dicht hintereinander, hinaustraten und sich über den Pfad beugten. Selbst diesen menschlichen Bluthunden fiel es nicht leicht, die Spur des Weißen zu verfolgen. Während sie sich langsam über die Lichtung bewegten, hielt der vorderste an, brummte etwas und deutete mit der Feuersteinspitze seines Speeres auf einen zerdrückten Grashalm, wo der Pfad wieder in den Wald mündete. Abrupt blieben auch die anderen stehen, und ihre kleinen schwarzen Augen suchten den Waldrand ab. Aber ihr Opfer war gut verborgen. Nichts verriet, dass es sich nur wenige Meter von ihnen entfernt versteckt hielt. Schließlich schritten sie weiter, schneller jetzt, dass sie den schwachen Spuren folgen konnten, die scheinbar verrieten, dass ihre Beute aus Erschöpfung oder Verzweiflung unvorsichtig geworden war.
Als sie an der Stelle vorbeikamen, wo der alte Pfad dem Dickicht am nächsten kam, sprang der Weiße hinter ihnen heraus und stieß dem letzten der drei sein Messer zwischen die Schulterblätter. Der Angriff war so schnell und unerwartet, dass der Indianer keine Chance hatte, sich zu retten. Die Klinge steckte in seinem Herzen, noch ehe er überhaupt ahnte, dass er sich in Gefahr befand. Die beiden anderen wirbelten mit der Geschwindigkeit einer zuschnappenden Falle herum, doch noch während das Messer des Weißen sich eingrub, schwang er das schwere Kriegsbeil in seiner Rechten, und der zweite Indianer sackte mit gespaltenem Schädel ins Gras.
Der Übriggebliebene giff mit ungeheurer Wildheit an. Er stach nach der Brust des Weißen, als der das Beil aus dem Kopf der Leiche riss. Er schleuderte dem Wilden den schlaffen Körper des Toten entgegen und griff mit verzweifelter Heftigkeit an. Der Indianer, der unter der Wucht der Leiche rückwärtstaumelte, unternahm keinen Versuch, das Beil abzuwehren. Der Instinkt zu töten überschwemmte sogar den, zu überleben, und so stieß er seinen Speer grimmig gegen die Brust seines Feindes. Aber der Weiße hatte nicht nur den Vorteil schnellerer Reflexe, sondern auch eine Waffe in jeder Hand. Sein Kriegsbeil schlug den Speer zur Seite, und das Jagdmesser in der kräftigen Linken riss den bemalten Bauch auf.
Ein schreckliches Heulen drang aus den Lippen des Indianers, als er blutüberströmt zusammenbrach. Es war kein Schrei aus Angst oder Schmerz, sondern aus Überraschung und tierischer Wut – der Todesschrei eines Raubtieres. Ein wildes Geheul aus vielen Kehlen antwortete aus einiger Entfernung östlich der Lichtung. Der Weiße wirbelte herum, duckte sich wie ein gestellter Wolf mit gefletschten Zähnen. Blut sickerte aus dem Verband um seinen linken Arm.
Mit einer keuchenden Verwünschung drehte er sich um und floh westwärts. Er gab sich jetzt keine Mühe mehr, Spuren zu vermeiden, sondern rannte mit aller Flinkheit seiner langen Beine. Eine Weile blieb es still in dem Wald hinter ihm, doch dann schrillte ein dämonisches Heulen von der Stelle, die er gerade verlassen hatte. Seine Verfolger hatten die Toten gefunden. Der Weiße hatte nicht genügend Atem zum Fluchen übrig, und das Blut aus seiner aufgebrochenen Wunde ließ eine Fährte zurück, der selbst ein Kind folgen konnte. Er hatte gehofft, die drei Indianer wären die letzten des Kriegertrupps gewesen, die ihn noch verfolgten. Aber er hätte wissen müssen, dass diese menschlichen Wölfe nie eine blutige Spur aufgaben.
Es war nun wieder still. Das bedeutete, dass sie hinter ihm herrasten, und er konnte das Blut nicht stillen, das seinen Weg verriet.
Der Westwind wehte ihm ins Gesicht. Er trug salzige Feuchtigkeit mit sich. Vage wunderte der Weiße sich. Wenn er sich dem Meer so nahe befand, hatte die Verfolgung mehr Zeit in Anspruch genommen, als ihm bewusst geworden war. Doch jetzt würde es bald zu Ende sein. Selbst seine wölfische Vitalität verebbte unter der ungeheuren Anstrengung. Er rang nach Atem, und seine Seite stach. Seine Beine zitterten vor Erschöpfung, und das hinkende Bein schmerzte bei jedem Aufsetzen des Fußes, als steche ein Messer in die Sehnen. Er war bisher dem Instinkt der Wildnis gefolgt, die sein Lehrmeister war, und hatte jeden Nerv, jeden Muskel angespannt und jeden Trick angewandt, um zu überleben, doch jetzt in seiner Bedrängnis folgte er einem anderen Instinkt und suchte eine Stelle, wo er mit gedecktem Rücken sein Leben so teuer wie möglich verkaufen konnte.
Er verließ den Pfad nicht, um in das Dickicht links oder rechts einzutauchen. Er wusste, wie hoffnungslos es wäre, sich jetzt noch vor seinen Verfolgern verkriechen zu wollen. Weiter rannte er, während das Blut immer lauter in seinen Ohren pochte und jeder Atemzug trockenen Schmerz in seiner Kehle hervorrief. Ein wildes Geheul brach hinter ihm aus. Es bedeutete, dass sie ihm schon dicht auf den Fersen waren und damit rechneten, ihn in Kürze einzuholen. Wie ausgehungerte Wölfe würden sie jetzt kommen, jeder Sprung von einem Heulen begleitet.
Plötzlich waren die Bäume zu Ende. Vor ihm lag ein Hang, und der alte Pfad wand sich zwischen steinigen Leisten und zerklüfteten Felsblöcken hoch. Der Berg verschwamm rot vor seinem Blick. Er sah kahlen, schroffen Fels, der sich vom Wald an seinem Fuß steil erhob. Der schmale Pfad führte zu einem breiten Sims in Gipfelnähe.
Dieses Sims war kein schlechter Ort zum Sterben. Der Weiße hinkte den Pfad hoch, an den steileren Stellen auf allen vieren, mit dem Jagdmesser zwischen den Zähnen. Er hatte das vorspringende Sims noch nicht erreicht, als etwa vierzig Rothäute mit Kriegsbemalung aus dem Wald stürmten.
Ihr Gebrüll hob sich zu einem teuflischen Crescendo, als sie zum Fuß der Felswand rasten und dabei ihre Pfeile abschossen. Die Schäfte schwirrten um den Mann, der verbissen weiter hochkletterte. Ein Pfeil drang in seine Wade. Ohne anzuhalten, zog der Weiße ihn heraus und warf ihn von sich, ohne auf die schlechter gezielten Geschosse zu achten, die gegen den Fels um ihn splitterten. Grimmig zog er sich über den Rand des Simses und drehte sich um. Er nahm Kriegsbeil und Jagdmesser in die Hände und starrte im Liegen über den Simsrand hinunter auf seine Verfolger. Nur seine wilde Mähne und die funkelnden Augen waren zu sehen. Seine mächtige Brust hob und senkte sich heftig, als er in gewaltigen Zügen die Luft einsog, doch dann musste er die Zähne zusammenbeißen, um gegen eine aufsteigende Übelkeit anzukämpfen.
Die Krieger kamen rasch naher. Sie sprangen leichtfüßig über die Steine am Fuß des Berges. Einige tauschten ihre Kriegsbeile gegen Bogen aus. Der erste, der den Fels erreichte, war der stämmige Häuptling mit einer Adlerfeder im geflochtenen Haar. Als er einen Fuß auf dem steil aufwärts führenden Pfad und einen Pfeil an der Sehne hatte, hielt er an und warf den Kopf zurück, um einen Kriegsschrei auszustoßen Aber der Pfeil verließ die Sehne nicht. Der Häuptling erstarrte zur Reglosigkeit einer Statue, und die Blutlust in seinen schwarzen Augen machte erschrockener Überraschung Platz. Mit einem Heulen wich er zurück und schwang die Arme weit, um seine herbeistürmenden Brüder aufzuhalten. Der Weiße auf dem Sims verstand ihre Sprache, aber er befand sich zu hoch über ihnen, um sich der Bedeutung der hervorgestoßenen Befehle des Häuptlings klar zu werden.
Jedenfalls verstummte das allgemeine Kriegsgeheul und alle starrten hoch – nicht zu dem Mann auf dem Sims, sondern zum Berg. Ohne weiteres Zögern lösten sie die Sehnen ihrer Bögen und schoben diese in ihre Wildlederhüllen neben den Köchern. Dann drehten sie sich um und trotteten zum Wald, in dem sie ohne einen Blick zurück verschwanden.
Der Weiße starrte ihnen verwirrt nach. Er wusste, dass sie die Verfolgung endgültig aufgegeben hatten, dass sie nicht zurückkommen würden. Sie befanden sich zweifellos bereits auf dem Heimweg zu ihren Wigwams, gut hundert Meilen im Osten. Aber es war ihm unerklärlich. Was war an seiner Zuflucht, das einen ganzen blutdurstigen Kriegertrupp dazu bringen konnte, eine Beute aufzugeben, die sie so lange mit der Hartnäckigkeit ausgehungerter Wölfe verfolgt hatten? Es gab eine blutige Rechnung zwischen ihnen. Er war ihr Gefangener gewesen und war ihnen entkommen, und auf seiner Flucht hatte ein berühmter Häuptling sein Leben verloren. Deshalb hatten die Rothäute ihn so verbissen über breite Flüsse und Berge und endlose düstere Wälder, selbst durch die Jagdgrunde eines verfeindeten Stammes gehetzt Und jetzt waren die Überlebenden dieser langen Verfolgungsjagd ausgerechnet in dem Augenblick umgekehrt, als ihr Feind in die Enge getrieben war. Verwirrt schüttelte der Weiße den Kopf.
Er war momentan nicht dazu imstande, über dieses Rätsel nachzugrübeln.
Vorsichtig erhob er sich, schwindlig von der schier endlosen Anstrengung, und er war kaum in der Lage, zu begreifen, dass die Hetzjagd tatsächlich zu Ende war. Seine Glieder waren steif, seine Wunden schmerzten. Er spuckte trockenen Staub und wischte sich fluchend mit dem Handrücken die blutunterlaufenen Augen aus. Blinzelnd schaute er sich um. Unter ihm streckte sich die grüne Wildnis in weiten, ununterbrochenen Wellen aus, und über ihrem Westrand erhob sich ein stahlblauer Dunst, der, wie er wusste, nur über dem Meer hängen konnte Der Wind spielte mit seiner schwarzen Mahne, und die salzige Luft erfrischte ihn In tiefen, belebenden Atemzügen sog er sie mit geschwellter Brust ein.
Dann drehte er sich um, fluchte über den Schmerz in seiner blutenden Wade, und betrachtete den Sims, auf dem er stand, naher Dahinter erhob sich eine steile Felswand bis zum etwa zehn Meter hoher liegenden Kamm Einkerbungen für Hände und Füße, einer schmalen Leiter ähnlich, führten hoch Und ein paar Schritte entfernt befand sich ein Spalt in der Wand, der breit genug war, einem Menschen Einlass zu gewähren.
Er hinkte dorthin, spähte hinein und fluchte heftig. Die Sonne, die hoch über dem westlichen Wald stand, schien schräg hinein. Sie offenbarte eine tunnelähnliche Höhle und an ihrem Ende eine große, eisenbeschlagene Tür.
Ungläubig kniff er die Augen zusammen. Dieses Land war absolute Wildnis. Mindestens tausend Meilen weit befand sich entlang der Küste keine Stadt. Hier hausten nur vereinzelte Stämme, die sich von Fischen ernährten, und die noch primitiver waren als ihre in den Wäldern lebenden Brüder. Bisher hatte er nie daran gezweifelt, dass er der erste Weiße war, der je den Fuß in diese Gegend gesetzt hatte. Doch jetzt war da diese geheimnisvolle Tür, die ihrem Aussehen nach europäischen Ursprungs sein musste.
Da er sie sich nicht erklären konnte, erregte sie sein Misstrauen, und so näherte er sich ihr voller Argwohn, mit Beil und Messer in den Händen. Als seine blutunterlaufenen Augen sich an die sanfte Dämmerung hinter den leuchtenden Sonnenstrahlen gewohnt hatten, die hier wie ein Lichtschacht herabfielen, fiel ihm noch etwas anderes auf.
Große, eisenbeschlagene Ebenholztruhen reihten sich an beiden Wänden aneinander. Er beugte sich über eine, aber der Deckel ließ sich nicht öffnen. Als er bereits sein Beil erhoben hatte, um das alte Schloss zu zerschmettern, überlegte er es sich und hinkte stattdessen, mit den Waffen bereit, zur Tür. Er drückte gegen das mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Holz. Widerstandslos schwang die schwere Tür auf.
Da änderte seine Haltung sich erneut. Mit einem Fluch auf den Lippen zuckte er blitzartig zurück. Beil und Jagdmesser fest umklammernd, blieb er drohend stehen und streckte den Hals vor, um durch die Tür zu schauen. In dem großen natürlichen Gewölbe war es etwas dunkler als auf dem Höhleneingang, aber ein schwaches Leuchten ging von einem glänzenden Haufen in der Mitte des großen Ebenholztisches aus, um den herum die schweigenden Gestalten saßen, deren Anwesenheit ihn im ersten Augenblick so erschreckt hatte.
Sie rührten sich nicht, wandten sich ihm nicht zu.
»Seid ihr alle betrunken?«, fragte er barsch.
Niemand antwortete. Der Weiße war nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber diese Missachtung erboste ihn doch ein wenig.
»Ihr könntet mir zumindest ein wenig von eurem Wein anbieten«, knurrte er »Beim Satan, man sollte meinen, ihr würdet einen, der zu eurer Bruderschaft gehört, ein wenig freundlicher aufnehmen. Wollt ihr …«
Er verstummte und starrte eine Weile stumm auf diese Gestalten, die so ungewöhnlich still und schweigsam um den großen Ebenholztisch saßen.
»Sie sind nicht betrunken«, murmelte er schließlich. »Sie trinken ja überhaupt nicht. Was, zum Teufel, bedeutet das?«
Er trat über die Schwelle und kämpfte im nächsten Augenblick gegen unsichtbare Finger, die sich würgend um seine Kehle gelegt hatten.
An der Küste, nur wenige Meilen von der Höhle entfernt, in der die stillen Gestalten saßen, ballten sich andere, dichtere Schatten über das miteinander verknüpfte Geschick bestimmter Menschen.
Francoise d’Chastillon stupste mit einer Zehe in zierlichen Schuhen gegen eine Muschel und verglich ihren rosigen Rand mit dem ersten Rot des neuen Morgens über der dunstigen Küste. Zwar war der Morgen schon fortgeschritten, aber die Sonne noch nicht lange aufgegangen, und der perlgraue Dunst, der über das Wasser trieb, hatte sich noch nicht aufgelöst.
Francoise hob das exquisit geformte Gesicht und blickte über eine fremde, abstoßende Szene, die ihr doch auf ermüdende Weise in jeder Einzelheit vertraut war. Von ihren Füßen erstreckte sich der braune Sand bis zu den sanften Wellen, die sich westwärts im blauen Dunst des Horizonts verloren. Sie stand am südlichen Bogen der Bucht, und weiter gegen Süden stieg das Land zu dem niedrigen Kamm an, der ein Horn der Bucht bildete. Von diesem Kamm konnte man südwärts über die trostlose Weite des Wassers blicken, bis in unendliche Ferne, genau wie dem Westen und Norden zu.
Als sie sich landeinwärts wandte, schaute sie abwesend über die Festung, die seit einem Jahr ihr Zuhause war. Das goldene und scharlachrote Banner ihres Hauses hob sich flatternd gegen den blauen Himmel ab. Sie sah Menschen in den Gärten und Feldern um das Fort arbeiten, das seinerseits von dem düsteren Wall des Waldes zurückzuschrecken schien, der sich nord- und südwärts erstreckte, so weit sie sehen konnte. Jenseits davon, dem Osten zu, hob sich eine Gebirgskette in den Himmel, die die Küste vom Kontinent dahinter trennte. Francoise fürchtete den Wald vor diesen Bergen, und jeder in der winzigen Siedlung teilte ihre Furcht. Der Tod lauerte in seinen wispernden Tiefen, ein schrecklicher Tod, ein Tod langsam und grauenvoll, immer drohend.
Sie seufzte und stapfte lustlos zum Rand des Wassers. Jeder der sich eintönig dahinschleppenden Tage war von der gleichen Farbe, und die Welt der Städte und Höfe und der Fröhlichkeit schien sich nicht nur Tausende von Meilen entfernt zu befinden, sondern auch in unendlicher Vergangenheit. Wieder grübelte sie vergebens darüber nach, was einen französischen Grafen dazu geführt haben mochte, mit seinem Gefolge und Gesinde an diese wilde Küste zu fliehen und das Schloss seiner Vorfahren gegen ein Blockhaus zu tauschen.
Ihre Augen wurden weicher, als sie die leisen Schritte auf dem Sand hörte. Ein Mädchen, ein Kind noch, kam völlig nackt über den niedrigen, sandigen Kamm gerannt. Das flachsfarbige Haar klebte nass an dem zarten Kopf. Die blauen Augen waren weit vor Aufregung.
»O meine Lady!«, rief die Kleine. »Meine Lady!«
Atemlos von ihrem Lauf machte sie unverständliche Gesten. Francoise lächelte und legte einen Arm um das Kind. In ihrem einsamen Leben schenkte Francoise alle Zärtlichkeit ihres liebevollen Wesens der armen Waise, die sie in der französischen Hafenstadt, dem Beginn ihrer langen Seereise, unter ihre Fittiche genommen hatte.
»Was gibt es denn, Tina? Hol mal erst tief Luft, Kind.«
»Ein Schiff!«, rief das Mädchen und deutete südwärts. »Ich schwamm im Teich, den die See südlich des Kammes im Sand ausgehöhlt hat, da sah ich es. Ein Schiff, das aus dem Süden herbeisegelt!«
Am ganzen Körper vor Aufregung zitternd, zog sie an Francoises Hand. Auch das Herz der jungen Frau schlug bei dem Gedanken an einen Besucher schneller. Seit sie zu dieser öden Küste gekommen waren, hatten sie noch kein Segel gesehen.
Tina flitzte vor ihr her über den gelben Sand, rannte den niedrigen gewellten Kamm hoch und blieb dort abwartend stehen – eine schmale weiße Gestalt, die sich mit flatterndem Haar und einem ausgestreckten Arm vom heller werdenden Himmel abhob.
»Seht doch, meine Lady!«
Francoise hatte es bereits gesehen – ein weißes, vom Wind geblähtes Segel strandaufwärts, nur wenige Meilen von der Buchtspitze entfernt. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Selbst ein unbedeutendes Ereignis kann Farbe und Aufregung in ein eintöniges Leben bringen, aber Francoise hatte das ungute Gefühl, dass dieses Segel nicht zufällig hierhergekommen war.