Buch der Lieder - Heinrich Heine - E-Book + Hörbuch

Buch der Lieder E-Book

Heinrich Heine

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Heinrich Heine, dieser entlaufene Romantiker, ist der Dichter der unglücklich Verliebten, der Außenseiter und Weltfremden. Wie kein anderer versteht er es, aus dem reichen Schatz romantischer Bilder und Sehnsüchte zu schöpfen, ihre Erstarrung zum Klischee aufs Korn zu nehmen und doch festzuhalten am romantischen Traum einer poetischeren, besseren Welt, in der auch Platz wäre für die unruhigen, freien Geister unter uns.

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Heinrich Heine

Buch der Lieder

Lyrik

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Vorrede zur zweiten Auflage

Diese neue Ausgabe des Buchs der Lieder kann ich dem überrheinischen Publikum nicht zuschicken, ohne sie mit freundlichen Grüßen in ehrlichster Prosa zu begleiten. Ich weiß nicht, welches wunderliche Gefühl mich davon abhält, dergleichen Vorworte, wie es bei Gedichtesammlungen üblich ist, in schönen Rhythmen zu versifizieren. Seit einiger Zeit sträubt sich etwas in mir gegen alle gebundene Rede, und wie ich höre, regt sich bei manchen Zeitgenossen eine ähnliche Abneigung. Es will mich bedünken, als sei in schönen Versen allzuviel gelogen worden, und die Wahrheit scheue sich in metrischen Gewanden zu erscheinen.

Nicht ohne Befangenheit übergebe ich der Lesewelt den erneueten Abdruck dieses Buches. Es hat mir die größte Überwindung gekostet, ich habe fast ein ganzes Jahr gezaudert, ehe ich mich zur flüchtigen Durchsicht desselben entschließen konnte. Bei seinem Anblick erwachte in mir all jenes Unbehagen, das mir einst vor zehn Jahren, bei der ersten Publikation, die Seele beklemmte. Verstehen wird diese Empfindung nur der Dichter oder Dichterling, der seine ersten Gedichte gedruckt sah. Erste Gedichte! Sie müssen auf nachlässigen, verblichenen Blättern geschrieben sein, dazwischen, hie und da, müssen welke Blumen liegen, oder eine blonde Locke, oder ein verfärbtes Stückchen Band, und an mancher Stelle muß noch die Spur einer Träne sichtbar sein … Erste Gedichte aber, die gedruckt sind, grell schwarz gedruckt auf entsetzlich glattem Papier, diese haben ihren süßesten, jungfräulichsten Reiz verloren und erregen bei dem Verfasser einen schauerlichen Mißmut.

Ja, es sind nun zehn Jahre, seitdem diese Gedichte zuerst erschienen, und ich gebe sie wie damals in chronologischer Folge, und ganz voran ziehen wieder Lieder, die in jenen früheren Jahren gedichtet worden, als die ersten Küsse der deutschen Muse in meiner Seele brannten. Ach! die Küsse dieser guten Dirne verloren seitdem sehr viel von ihrer Glut und Frische! Bei so langjährigem Verhältnis mußte die Inbrunst der Flitterwochen allmählig verrauchen; aber die Zärtlichkeit wurde manchmal um so herzlicher, besonders in schlechten Tagen, und da bewährte sie mir ihre ganze Liebe und Treue, die deutsche Muse! Sie tröstete mich in heimischen Drangsalen, folgte mir ins Exil, erheiterte mich in bösen Stunden des Verzagens, ließ mich nie im Stich, sogar in Geldnot wußte sie mir zu helfen, die deutsche Muse, die gute Dirne!

Ebensowenig wie an der Zeitfolge, änderte ich an den Gedichten selbst. Nur hie und da, in der ersten Abteilung, wurden einige Verse verbessert. Der Raumersparnis wegen habe ich die Dedikationen der ersten Auflage weggelassen. Doch kann ich nicht umhin zu erwähnen, daß das lyrische Intermezzo einem Buche entlehnt ist, welches unter dem Titel »Tragödien« im Jahr 1823 erschien und meinem Oheim Salomon Heine zugeeignet worden. Die hohe Achtung, die ich diesem großartigen Manne zollte, sowie auch meine Dankbarkeit für die Liebe, die er mir bewiesen, wollte ich durch jene Widmung beurkunden. »Die Heimkehr« welche zuerst in den Reisebildern erschien, ist der seligen Friederike Varnhagen von Ense gewidmet, und ich darf mich rühmen der erste gewesen zu sein, der diese große Frau mit öffentlicher Huldigung verehrte. Es war eine große Tat von August Varnhagen, daß er, alles kleinliche Bedenken abweisend, jene Briefe veröffentlichte, worin sich Rahel mit ihrer ganzen Persönlichkeit offenbart. Dieses Buch kam zur rechten Zeit, wo es eben am besten wirken, stärken und trösten konnte. Das Buch kam zur trostbedürftig rechten Zeit. Es ist als ob die Rahel wußte, welche posthume Sendung ihr beschieden war. Sie glaubte freilich es würde besser werden und wartete; doch als des Wartens kein Ende nahm, schüttelte sie ungeduldig den Kopf, sah Varnhagen an, und starb schnell – um desto schneller auferstehn zu können. Sie mahnt mich an die Sage jener anderen Rahel, die aus dem Grabe hervorstieg und an der Landstraße stand und weinte, als ihre Kinder in die Gefangenschaft zogen. Ich kann ihrer nicht ohne Wehmut gedenken, der liebreichen Freundin, die mir immer die unermüdlichste Teilnahme widmete, und sich oft nicht wenig für mich ängstigte, in jener Zeit meiner jugendlichen Übermüten, in jener Zeit als die Flamme der Wahrheit mich mehr erhitzte als erleuchtete …

Diese Zeit ist vorbei! Ich bin jetzt mehr erleuchtet als erhitzt. Solche kühle Erleuchtung kommt aber immer zu spät bei den Menschen. Ich sehe jetzt im klarsten Lichte die Steine über welche ich gestolpert. Ich hätte ihnen so leicht ausweichen können, ohne damit einen unrechten Weg zu wandeln. Jetzt weiß ich auch, daß man in der Welt sich mit allem befassen kann, wenn man nur die dazu nötigen Handschuhe anzieht. Und dann sollten wir nur das tun, was tunlich ist und wozu wir am meisten Geschick haben, im Leben wie in der Kunst. Ach! zu den unseligsten Mißgriffen des Menschen gehört, daß er den Wert der Geschenke, die ihm die Natur am bequemsten entgegenträgt, kindisch verkennt, und dagegen die Güter, die ihm am schwersten zugänglich sind, für die kostbarsten ansieht. Den Edelstein, der im Schoße der Erde festgewachsen, die Perle, die in den Untiefen des Meeres verborgen, hält der Mensch für die besten Schätze; er würde sie gering achten, wenn die Natur sie gleich Kieseln und Muscheln zu seinen Füßen legte. Gegen unsere Vorzüge sind wir gleichgültig; über unsere Gebrechen suchen wir uns so lange zu täuschen, bis wir sie endlich für Vortrefflichkeiten halten. Als ich einst, nach einem Konzerte von Paganini, diesem Meister mit leidenschaftlichen Lobsprüchen über sein Violinspiel entgegentrat, unterbrach er mich mit den Worten: aber wie gefielen Ihnen heute meine Komplimente, meine Verbeugungen?

Bescheidenen Sinnes und um Nachsicht bittend, übergebe ich dem Publikum das Buch der Lieder; für die Schwäche dieser Gedichte mögen vielleicht meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften einigen Ersatz bieten.

Bemerken muß ich jedoch, daß meine poetischen, ebensogut wie meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften, einem und demselben Gedanken entsprossen sind, und daß man die einen nicht verdammen darf, ohne den andern allen Beifall zu entziehen. Zugleich erlaube ich mir auch die Bemerkung, daß das Gerücht, als hätte jener Gedanken eine bedenkliche Umwandlung in meiner Seele erlitten, auf Angaben beruht, die ich ebenso verachten wie bedauern muß. Nur gewissen bornierten Geistern konnte die Milderung meiner Rede, oder gar mein erzwungenes Schweigen, als ein Abfall von mir selber erscheinen. Sie mißdeuteten meine Mäßigung, und das war um so liebloser, da ich doch nie ihre Überwut mißdeutet habe. Höchstens dürfte man mich einer Ermüdung beschuldigen. Aber ich habe ein Recht müde zu sein … Und dann muß jeder dem Gesetze der Zeit gehorchen, er mag wollen oder nicht …

Und scheint die Sonne noch so schön,

Am Ende muß sie untergehn!

Die Melodie dieser Verse summt mir schon den ganzen Morgen im Kopfe und klingt vielleicht wieder aus allem was ich soeben geschrieben. In einem Stücke von Raimund, dem wackeren Komiker, der sich unlängst aus Melancholie totgeschossen, erscheinen Jugend und Alter als allegorische Personen, und das Lied welches die Jugend singt, wenn sie von dem Helden Abschied nimmt, beginnt mit den erwähnten Versen. Vor vielen Jahren, in München, sah ich dieses Stück, ich glaube es heißt »Der Bauer als Millionär«. Sobald die Jugend abgeht, sieht man wie die Person des Helden, der allein auf der Szene zurückbleibt, eine sonderbare Veränderung erleidet. Sein braunes Haar wird allmählig grau und endlich schneeweiß; sein Rücken krümmt sich, seine Kniee schlottern; an die Stelle des vorigen Ungestüms, tritt eine weinerliche Weichheit … das Alter erscheint.

Naht diese winterliche Gestalt auch schon dem Verfasser dieser Blätter? Gewahrst du schon, teurer Leser, eine ähnliche Umwandlung an dem Schriftsteller, der immer jugendlich, fast allzu jugendlich in der Literatur sich bewegte? Es ist ein betrübender Anblick, wenn ein Schriftsteller vor unseren Augen, angesichts des ganzen Publikums, allmählig alt wird. Wir haben’s gesehen, nicht bei Wolfgang Goethe, dem ewigen Jüngling, aber bei August Wilhelm von Schlegel, dem bejahrten Gecken; wir haben’s gesehen, nicht bei Adalbert Chamisso, der mit jedem Jahre sich blütenreicher verjüngt, aber wir sahen es bei Herrn Ludwig Tieck, dem ehemaligen romantischen Strohmian, der jetzt ein alter räudiger Muntsche geworden … O, ihr Götter! ich bitte euch nicht mir die Jugend zu lassen, aber laßt mir die Tugenden der Jugend, den uneigennützigen Groll, die uneigennützige Träne! Laßt mich nicht ein alter Polterer werden, der aus Neid die jüngeren Geister ankläfft, oder ein matter Jammermensch, der über die gute alte Zeit beständig flennt … Laßt mich ein Greis werden, der die Jugend liebt, und trotz der Altersschwäche noch immer teilnimmt an ihren Spielen und Gefahren! Mag immerhin meine Stimme zittern und beben, wenn nur der Sinn meiner Worte unerschrocken und frisch bleibt!

Sie lächelte gestern so sonderbar, halb mitleidig halb boshaft, die schöne Freundin, als sie mit ihren rosigen Fingern meine Locken glättete … Nicht wahr, du hast auf meinem Haupte einige weiße Haare bemerkt?

Und scheint die Sonne noch so schön,

Am Ende muß sie untergehn.

Geschrieben zu Paris im Frühjahr 1837.

Heinrich Heine

Vorrede zur dritten Auflage

Das ist der alte Märchenwald!

Es duftet die Lindenblüte!

Der wunderbare Mondenglanz

Bezaubert mein Gemüte.

Ich ging fürbaß, und wie ich ging,

Erklang es in der Höhe.

Das ist die Nachtigall, sie singt

Von Lieb und Liebeswehe.

Sie singt von Lieb und Liebesweh,

Von Tränen und von Lachen,

Sie jubelt so traurig, sie schluchzet so froh,

Vergessene Träume erwachen.

Ich ging fürbaß, und wie ich ging,

Da sah ich vor mir liegen,

Auf freiem Platz, ein großes Schloß,

Die Giebel hoch aufstiegen.

Verschlossene Fenster, überall

Ein Schweigen und ein Trauern;

Es schien als wohne der stille Tod

In diesen öden Mauern.

Dort vor dem Tor lag eine Sphinx,

Ein Zwitter von Schrecken und Lüsten,

Der Leib und die Tatzen wie ein Löw,

Ein Weib an Haupt und Brüsten.

Ein schönes Weib! Der weiße Blick,

Er sprach von wildem Begehren;

Die stummen Lippen wölbten sich

Und lächelten stilles Gewähren.

Die Nachtigall, sie sang so süß –

Ich konnt nicht widerstehen –

Und als ich küßte das holde Gesicht,

Da war’s um mich geschehen.

Lebendig ward das Marmorbild,

Der Stein begann zu ächzen –

Sie trank meiner Küsse lodernde Glut,

Mit Dürsten und mit Lechzen.

Sie trank mir fast den Odem aus –

Und endlich, wollustheischend,

Umschlangt sie mich, meinen armen Leib

Mit den Löwentatzen zerfleischend.

Entzückende Marter und wonniges Weh!

Der Schmerz wie die Lust unermeßlich!

Derweilen des Mundes Kuß mich beglückt,

Verwunden die Tatzen mich gräßlich.

Die Nachtigall sang: »O schöne Sphinx!

O Liebe! was soll es bedeuten,

Daß du vermischest mit Todesqual

All deine Seligkeiten?

O schöne Sphinx! O löse mir

Das Rätsel, das wunderbare!

Ich hab darüber nachgedacht

Schon manche tausend Jahre.«

***

Das hätte ich alles sehr gut in guter Prosa sagen können … Wenn man aber die alten Gedichte wieder durchliest, um ihnen, behufs eines erneueten Abdrucks, einige Nachfeile zu erteilen, dann überschleicht einen unversehens die klingelnde Gewohnheit des Reims und Silbenfalls, und siehe! es sind Verse womit ich diese dritte Auflage des Buchs der Lieder eröffne. O Phöbus Apollo! sind diese Verse schlecht, so wirst du mir gern verzeihen … Denn du bist ein allwissender Gott, und du weißt sehr gut, warum ich mich seit so vielen Jahren nicht mehr vorzugsweise mit Maß und Gleichklang der Wörter beschäftigen konnte … Du weißt warum die Flamme, die einst in brillanten Feuerwerkspielen die Welt ergötzte, plötzlich zu weit ernsteren Bränden verwendet werden mußte … Du weißt warum sie jetzt in schweigender Glut mein Herz verzehrt … Du verstehst mich, großer schöner Gott, der du ebenfalls die goldene Leier zuweilen vertauschtest mit dem starken Bogen und den tödlichen Pfeilen … Erinnerst du dich auch noch des Marsyas, den du lebendig geschunden? Es ist schon lange her, und ein ähnliches Beispiel tät wieder Not … Du lächelst, o mein ewiger Vater!

 

Geschrieben zu Paris den 20. Februar 1839.

Heinrich Heine

Vorrede zur fünften Auflage

Der vierten Auflage dieses Buches konnte ich leider keine besondere Sorgfalt widmen, und sie wurde ohne vorhergehende Durchsicht abgedruckt. Eine Versäumnis solcher Art wiederholte sich glücklicherweise nicht bei dieser fünften Auflage, indem ich zufällig in dem Druckorte verweilte und die Korrektur selber besorgen konnte. Hier, in demselben Druckorte, bei Hoffmann und Campe in Hamburg, publiziere ich gleichzeitig, unter dem Titel »Neue Gedichte«, eine Sammlung poetischer Erzeugnisse, die wohl als der zweite Teil des »Buchs der Lieder« zu betrachten ist. – Den Freunden im Vaterlande meine heitersten Scheidegrüße!

 

Geschrieben zu Hamburg den 21. August 1844.

Heinrich Heine

Junge Leiden

1817–1821

Traumbilder

I

Mir träumte einst von wildem Liebesglühn,

Von hübschen Locken, Myrten und Resede,

Von süßen Lippen und von bittrer Rede,

Von düstrer Lieder düstern Melodien.

Verblichen und verweht sind längst die Träume!

Verweht ist gar mein liebstes Traumgebild!

Geblieben ist mir nur, was glutenwild

Ich einst gegossen hab in weiche Reime.

Du bliebst, verwaistes Lied! Verweh jetzt auch,

Und such das Traumbild, das mir längst entschwunden,

Und grüß es mir, wenn du es aufgefunden –

Dem luftgen Schatten send ich luftgen Hauch.

II

Ein Traum, gar seltsam schauerlich,

Ergötzte und erschreckte mich.

Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,

Und in dem Herzen wogt es wild.

Das war ein Garten, wunderschön,

Da wollt ich lustig mich ergehn;

Viel schöne Blumen sahn mich an,

Ich hatte meine Freude dran.

Es zwitscherten die Vögelein

Viel muntre Liebesmelodein;

Die Sonne rot, von Gold umstrahlt,

Die Blumen lustig bunt bemalt.

Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,

Die Lüfte wehen lieb und lind;

Und alles schimmert, alles lacht,

Und zeigt mir freundlich seine Pracht.

Inmitten in dem Blumenland

Ein klarer Marmorbrunnen stand;

Da schaut ich eine schöne Maid,

Die emsig wusch ein weißes Kleid.

Die Wänglein süß, die Äuglein mild,

Ein blondgelocktes Heilgenbild;

Und wie ich schau, die Maid ich fand

So fremd und doch so wohlbekannt.

Die schöne Maid, die sputet sich,

Sie summt ein Lied gar wunderlich:

»Rinne, rinne, Wässerlein,

Wasche mir das Linnen rein.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: O sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,

Für wen ist dieses weiße Kleid?

Da sprach sie schnell: Sei bald bereit,

Ich wasche dir dein Totenkleid!

Und als sie dies gesprochen kaum,

Zerfloß das ganze Bild, wie Schaum. –

Und fortgezaubert stand ich bald

In einem düstern, wilden Wald.

Die Bäume ragten himmelan;

Ich stand erstaunt und sann und sann.

Und horch! welch dumpfer Widerhall!

Wie ferner Äxtenschläge Schall.

Ich eil durch Busch und Wildnis fort,

Und komm an einen freien Ort.

Inmitten in dem grünen Raum,

Da stand ein großer Eichenbaum;

Und sieh! mein Mägdlein wundersam

Haut mit dem Beil den Eichenstamm.

Und Schlag auf Schlag, und sonder Weil,

Summt sie ein Lied und schwingt das Beil:

»Eisen blink, Eisen blank,

Zimmre hurtig Eichenschrank.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: O sage mir,

Du wundersüßes Mägdelein,

Wem zimmerst du den Eichenschrein?

Da sprach sie schnell: Die Zeit ist karg,

Ich zimmre deinen Totensarg!

Und als sie dies gesprochen kaum,

Zerfloß des ganze Bild, wie Schaum. –

Es lag so bleich, es lag so weit

Ringsum nur kahle, kahle Heid;

Ich wußte nicht wie mir geschah,

Und heimlich schaudernd stand ich da.

Doch als ich eben fürder schweif,

Gewahr ich einen weißen Streif;

Ich eilt drauf zu, und eilt und stand,

Und sieh! die schöne Maid ich fand.

Auf weiter Heid die weiße Maid

Grub tief die Erd mit Grabescheit.

Kaum wagt ich noch sie anzuschaun,

Sie war so schön und doch ein Graun.

Die schöne Maid, die sputet sich,

Sie summt ein Lied gar wunderlich:

»Spaten, Spaten, scharf und breit,

Schaufle Grube tief und weit.«

Ich ging und nahete mich ihr

Und flüsterte: O sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,

Was diese Grube hier bedeut’t?

Da sprach sie schnell: Sei still, ich hab

Geschaufelt dir ein kühles Grab.

Und als so sprach die schöne Maid,

Da öffnet sich die Grube weit;

Und als ich in die Grube schaut,

Ein kalter Schauer mich durchgraut;

Und in die dunkle Grabesnacht

Stürzt ich hinein, – und bin erwacht.

III

Im nächtgen Traum hab ich mich selbst geschaut,

In schwarzem Galafrack und seidner Weste,

Manschetten an der Hand, als ging’s zum Feste,

Und vor mir stand mein Liebchen, süß und traut.

Ich beugte mich und sagte: »Sind Sie Braut?

Ei! ei! so gratulier ich, meine Beste!«

Doch fast die Kehle mir zusammenpreßte

Der langgezogne, vornehm kalte Laut.

Und bittre Tränen plötzlich sich ergossen

Aus Liebchens Augen, und in Tränenwogen

Ist mir das holde Bildnis fast zerflossen.

O süße Augen, fromme Liebessterne,

Obschon ihr mir im Wachen oft gelogen,

Und auch im Traum, glaub ich euch dennoch gerne!

IV

Im Traum sah ich ein Männchen klein und putzig,

Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,

Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,

Inwendig aber war es grob und schmutzig.

Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,

Jedoch von außen voller Würdigkeit;

Von der Courage sprach es lang und breit,

Und tat sogar recht trutzig und recht stutzig.

»Und weißt du, wer das ist? Komm her und schau!«

So sprach der Traumgott, und er zeigt mir schlau

Die Bilderflut in eines Spiegels Rahmen.

Vor einem Altar stand das Männchen da,

Mein Lieb daneben, beide sprachen: Ja!

Und tausend Teufel riefen lachend: Amen!

V

Was treibt und tobt mein tolles Blut?

Was flammt mein Herz in wilder Glut?

Es kocht mein Blut und schäumt und gärt,

Und grimme Glut mein Herz verzehrt.

Das Blut ist toll, und gärt und schäumt,

Weil ich den bösen Traum geträumt:

Es kam der finstre Sohn der Nacht,

Und hat mich keuchend fortgebracht.

Er bracht mich in ein helles Haus,

Wo Harfenklang und Saus und Braus,

Und Fackelglanz und Kerzenschein;

Ich kam zum Saal, ich trat hinein.

Das war ein lustig Hochzeitfest;

Zu Tafel saßen froh die Gäst.

Und wie ich nach dem Brautpaar schaut, –

O weh! mein Liebchen war die Braut.

Das war mein Liebchen wunnesam,

Ein fremder Mann war Bräutigam;

Dicht hinterm Ehrenstuhl der Braut,

Da blieb ich stehn, gab keinen Laut.

Es rauscht Musik, – gar still stand ich;

Der Freudenlärm betrübte mich.

Die Braut, sie blickt so hochbeglückt,

Der Bräutgam ihre Hände drückt.

Der Bräutgam füllt den Becher sein,

Und trinkt daraus, und reicht gar fein

Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank, –

O weh! mein rotes Blut sie trank.

Die Braut ein hübsches Äpflein nahm,

Und reicht es hin dem Bräutigam.

Der nahm sein Messer, schnitt hinein, –

O weh! das war das Herze mein.

Sie äugeln süß, sie äugeln lang,

Der Bräutgam kühn die Braut umschlang,

Und küßt sie auf die Wangen rot, –

O weh! mich küßt der kalte Tod.

Wie Blei lag meine Zung im Mund,

Daß ich kein Wörtlein sprechen kunt.

Da rauscht es auf, der Tanz begann;

Das schmucke Brautpaar tanzt voran.

Und wie ich stand so leichenstumm,

Die Tänzer schweben flink herum; –

Ein leises Wort der Bräutgam spricht,

Die Braut wird rot, doch zürnt sie nicht. –

VI

Im süßen Traum, bei stiller Nacht,

Da kam zu mir, mit Zaubermacht,

Mit Zaubermacht, die Liebste mein,

Sie kam zu mir ins Kämmerlein.

Ich schau sie an, das holde Bild!

Ich schau sie an, sie lächelt mild,

Und lächelt bis das Herz mir schwoll,

Und stürmisch kühn das Wort entquoll:

»Nimm hin, nimm alles was ich hab,

Mein Liebstes tret ich gern dir ab,

Dürft ich dafür dein Buhle sein,

Von Mitternacht bis Hahnenschrei’n.«

Da staunt’ mich an gar seltsamlich,

So lieb, so weh, und inniglich,

Und sprach zu mir die schöne Maid:

O, gib mir deine Seligkeit!

»Mein Leben süß, mein junges Blut,

Gäb ich, mit Freud und wohlgemut,

Für dich, o Mädchen, engelgleich, –

Doch nimmermehr das Himmelreich.«

Wohl braust hervor mein rasches Wort,

Doch blühet schöner immerfort,

Und immer spricht die schöne Maid:

O, gib mir deine Seligkeit!

Dumpf dröhnt dies Wort mir ins Gehör,

Und schleudert mir ein Glutenmeer

Wohl in der Seele tiefsten Raum;

Ich atme schwer, ich atme kaum. –

Das waren weiße Engelein,

Umglänzt von goldnem Glorienschein;

Nun aber stürmte wild herauf

Ein gräulich schwarzer Koboldhauf.

Die rangen mit den Engelein,

Und drängten fort die Engelein;

Und endlich auch die schwarze Schar

In Nebelduft zerronnen war. –

Ich aber wollt in Lust vergehn,

Ich hielt im Arm mein Liebchen schön;

Sie schmiegt sich an mich wie ein Reh,

Doch weint sie auch mit bitterm Weh.

Feins Liebchen weint; ich weiß warum,

Und küß ihr Rosenmündlein stumm. –

»O still, feins Lieb, die Tränenflut,

Ergib dich meiner Liebesglut.

Ergib dich meiner Liebesglut –«

Da plötzlich starrt zu Eis mein Blut;

Laut bebet auf der Erde Grund,

Und öffnet gähnend sich ein Schlund.

Und aus dem schwarzen Schlunde steigt

Die schwarze Schar; – feins Lieb erbleicht!

Aus meinen Armen schwand feins Lieb;

Ich ganz alleine stehen blieb.

Da tanzt im Kreise, wunderbar,

Um mich herum, die schwarze Schar,

Und drängt heran, erfaßt mich bald,

Und gellend Hohngelächter schallt.

Und immer enger wird der Kreis,

Und immer summt die Schauerweis:

Du gabest hin die Seligkeit,

Gehörst uns nun in Ewigkeit!

VII

Nun hast du das Kaufgeld, nun zögerst du doch?

Blutfinstrer Teufel, was zögerst du noch?

Schon sitze ich harrend im Kämmerlein traut,

Und Mitternacht naht schon, – es fehlt nur die Braut.

Viel schauernde Lüftchen vom Kirchhofe wehn; –

Ihr Lüftchen! habt ihr mein Bräutchen gesehn?

Viel blasse Larven gestalten sich da,

Umknicksen mich grinsend, und nicken: O ja!

Pack aus, was bringst du für Botschafterei,

Du schwarzer Schlingel in Feuerlivrei?

»Die gnädige Herrschaft meldet sich an,

Gleich kommt sie gefahren im Drachengespann.«

Du lieb grau Männchen, was ist dein Begehr?

Mein toter Magister, was treibt dich her?

Er schaut mich mit schweigend trübseligem Blick,

Und schüttelt das Haupt, und wandelt zurück.

Was winselt und wedelt der zottge Gesell?

Was glimmert schwarz Katers Auge so hell?

Was heulen die Weiber mit fliegendem Haar?

Was lullt mir Frau Amme mein Wiegenlied gar?

Frau Amme bleib heut mit dem Singsang zu Haus,

Das Eiapopeia ist lange schon aus;

Ich fei’re ja heute mein Hochzeitfest, –

Da schau mal, dort kommen schon zierliche Gäst.

Da schau mal! Ihr Herren, das nenn ich galant!

Ihr tragt, statt der Hüte, die Köpf in der Hand!