Buch der Lieder - Heinrich Heine - E-Book

Buch der Lieder E-Book

Heinrich Heine

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Beschreibung

Das »Buch der Lieder« ist Heinrich Heines erster großer Gedichtband und enthält eine chronologische Sammlung von 237 Gedichten. Es besteht aus mehreren Zyklen: »Junge Leiden«, »Lyrisches Intermezzo«, »Die Heimkehr«, »Aus der Harzreise« und »Die Nordsee«.

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Heinrich Heine

Buch der Lieder

Impressum

Cover: Gemälde "Heinrich Heine" (1831) von Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882)

Covergestaltung: nexx verlag gmbh, 2015

ISBN/EAN: 9783958705340

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam angepasst.

www.nexx-verlag.de

Vorreden

Vorrede

Diese neue Ausgabe des Buchs der Lieder kann ich dem überrheinischen Publikum nicht zuschicken, ohne sie mit freundlichsten Grüßen in ehrlichster Prosa zu begleiten. Ich weiß nicht, welches wunderliche Gefühl mich davon abhält, dergleichen Vorworte, wie es bei Gedichtsammlungen üblich ist, in schönen Rhythmen zu versifizieren. Seit einiger Zeit sträubt sich etwas in mir gegen alle gebundene Rede, und wie ich höre, regt sich bei manchen Zeitgenossen eine ähnliche Abneigung. Es scheint mir, als sei in schönen Versen allzu viel gelogen worden, und die Wahrheit scheue sich, in metrischen Gewanden zu erscheinen.

Nicht ohne Befangenheit übergebe ich der Lesewelt den erneuten Abdruck dieses Buches. Es hat mir die größte Überwindung gekostet, ich habe fast ein ganzes Jahr gezaudert, ehe ich mich zur flüchtigen Durchsicht desselben entschließen konnte. Bei seinem Anblick erwachte in mir all jenes Unbehagen, das mir einst vor zehn Jahren, bei der ersten Publikation, die Seele beklemmte. Verstehen wird diese Empfindung nur der Dichter oder Dichterling, der seine ersten Gedichte gedruckt sah. Erste Gedichte! Sie müssen auf nachlässigen, verblichenen Blättern geschrieben sein, dazwischen, hie und da, müssen welke Blumen liegen, oder eine blonde Locke, oder ein verfärbtes Stückchen Band, und an mancher Stelle muss noch die Spur einer Träne sichtbar sein ... Erste Gedichte aber, die gedruckt sind, grell schwarz gedruckt auf entsetzlich schwarzem Papier, diese haben ihren süßesten, jungfräulichsten Reiz verloren und erregen bei dem Verfasser einen schauerlichen Missmut.

Ja, es sind nun zehn Jahr, seitdem diese Gedichte zuerst erschienen, und ich gebe sie wie damals in chronologischer Folge, und ganz voran ziehen wieder Lieder, die in jenen früheren Jahren gedichtet worden, als die ersten Küsse der deutschen Muse in meiner Seele brannten. Ach! Die Küsse dieser guten Dirne verloren seitdem sehr viel von ihrer Glut und Frische! Bei so langjährigem Verhältnis musste die Inbrunst der Flitterwochen allmählich verrauchen; aber die Zärtlichkeit wurde manchmal umso herzlicher, besonders in schlechten Tagen, und da bewährte sie mir ihre ganze Liebe und Treue, die deutsche Muse! Sie tröstete mich in heimischen Drangsalen, folgte mir ins Exil, erheiterte mich in bösen Stunden des Verzagens, ließ mich nie im Stich, sogar in Geldnot wusste sie mir zu helfen, die deutsche Muse, die gute Dirne!

Ebenso wenig wie an der Zeitfolge änderte ich an den Gedichten selbst. Nur hie und da, in der ersten Abteilung, wurden einige Verse verbessert. Der Raumersparnis wegen habe ich die Dedikationen der ersten Auflage weggelassen. Doch kann ich nicht umhin zu erwähnen, dass das Lyrische Intermezzo einem Buche entlehnt ist, welches unter dem Titel »Tragödien« im Jahr 1823 erschien und meinem Onkel Salomon Heine zugeeignet worden. Die hohe Achtung, die ich diesem großartigen Mann zollte, so wie auch meine Dankbarkeit für die Liebe, die er mir damals bewiesen, wollte ich durch jene Widmung beurkunden. »Die Heimkehr«, welche zuerst in den Reisebildern erschien, ist der seligen Friederike Varnhagen von Ense gewidmet, und ich darf mich rühmen, der erste gewesen zu sein, der diese große Frau mit öffentlicher Huldigung verehrte. Es war eine große Tat von August Varnhagen, dass er, alles kleinliche Bedenken abweisend, jene Briefe veröffentlichte, worin sich Rahel mit ihrer ganzen Persönlichkeit offenbart.

Dieses Buch kam zur rechten Zeit, wo es eben am besten wirken, stärken und trösten konnte. Das Buch kam trostbedürftig zur rechten Zeit. Es ist als ob die Rahel wusste, welche posthume Sendung ihr beschieden war. Sie glaubte freilich, es würde besser werden, und wartete; doch als des Wartens kein Ende nahm, schüttelte sie ungeduldig den Kopf, sah Varnhagen an, und starb schnell – um desto schneller auferstehen zu können. Sie mahnt mich an die Sage jener anderen Rahel, die aus dem Grabe hervorstieg und an der Landstraße stand und weinte, als ihre Kinder in die Gefangenschaft zogen.

Ich kann ihrer nicht ohne Wehmut gedenken, der liebreichen Freundin, die mir immer die unermüdlichste Teilnahme widmete, und sich oft nicht wenig für mich ängstigte, in jener Zeit meiner jugendlichen Übermüten, in jener Zeit, als die Flamme der Wahrheit mich mehr erhitzte als erleuchtete...

Diese Zeit ist vorbei! Ich bin jetzt mehr erleuchtet als erhitzt. Solche kühle Erleuchtung kommt aber immer zu spät bei den Menschen. Ich sehe jetzt im klarsten Lichte die Steine, über welche ich gestolpert. Ich hätte ihnen so leicht ausweichen können, ohne darum einen unrechten Weg zu wandeln. Jetzt weiß ich auch, dass man in der Welt sich mit Allem befassen kann, wenn man nur die dazu nötigen Handschuhe anzieht. Und dann sollten wir nur das tun, was tunlich ist und wozu wir am meisten Geschick haben, im Leben wie in der Kunst. Ach! Zu den unseligsten Missgriffen des Menschen gehört, dass er den Wert der Geschenke, die ihm die Natur am bequemsten entgegen trägt, kindisch verkennt, und dagegen die Güter, die ihm am schwersten zugänglich sind, für die kostbarsten ansieht.

Den Edelstein, der im Schoß der Erde festgewachsen, die Perle, die in den Untiefen des Meeres verborgen, hält der Mensch für die besten Schätze; er würde sie gering achten, wenn die Natur sie gleich Kieseln und Muscheln zu seinen Füßen legte. Gegen unsere Vorzüge sind wir gleichgültig; über unsere Gebrechen suchen wir uns so lange zu täuschen, bis wir sie endlich für Vortrefflichkeiten halten. Als ich einst, nach einem Konzert von Paganini, diesem Meister mit leidenschaftlichen Lobsprüchen über sein Violinspiel entgegentrat, unterbrach er mich mit den Worten: Aber wie gefielen Ihnen heut meine Komplimente, meine Verbeugungen?

Bescheidenen Sinnes und um Nachsicht bittend, übergebe ich dem Publikum das Buch der Lieder; für die Schwäche dieser Gedichte mögen vielleicht meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften einigen Ersatz bieten.

Bemerken muss ich jedoch, dass meine poetischen, ebenso gut wie meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften, einem und demselben Gedanken entsprossen sind, und dass man die einen nicht verdammen darf, ohne auch den anderen allen Beifall zu entziehen. Zugleich erlaube ich mir auch die Bemerkung, dass das Gerücht, als hätte jener Gedanken eine bedenkliche Umwandlung in meiner Seele erlitten, auf Angaben beruht, die ich ebenso verachten wie bedauern muss.

Nur gewissen bornierten Geistern konnte die Milderung meiner Rede, oder gar mein erzwungenes Schweigen, als ein Abfall von mir selber erscheinen. Sie missdeuteten meine Mäßigung, und das war umso liebloser, da ich doch nie ihre Überwut missdeutet habe. Höchstens dürfte man mich einer Übermüdung beschuldigen. Aber ich habe ein Recht, müde zu sein... Und dann muss jeder dem Gesetze der Zeit gehorchen, er mag wollen oder nicht...

»Und scheint die Sonne noch so schön,

Am Ende muss sie untergeh'n!«

Die Melodie dieser Verse summt mir schon den ganzen Morgen im Kopf und klingt vielleicht wider aus allem was ich soeben geschrieben. In einem Stücke von Raimund, dem wackeren Komiker, der sich unlängst aus Melancholie totgeschossen, erscheinen Jugend und Alter als allegorische Personen, und das Lied welches die Jugend singt, wenn sie von dem Helden Abschied nimmt, beginnt mit den erwähnten Versen. Vor vielen Jahren, in München, sah ich dieses Stück, ich glaube es heißt »Der Bauer als Millionär«. Sobald die Jugend abgeht, sieht man, wie die Person des Helden, der allein auf der Szene zurückbleibt, eine sonderbare Veränderung erleidet. Sein braunes Haar wird allmählich grau und endlich schneeweiß; sein Rücken krümmt sich, seine Knie schlottern; an die Stelle des vorigen Ungestüms tritt eine weinerliche Weichheit ... das Alter erscheint.

Naht diese winterliche Gestalt auch schon dem Verfasser dieser Blätter? Gewahrst du schon, teurer Leser, eine ähnliche Umwandlung an dem Schriftsteller, der immer jugendlich, fast allzu jugendlich in der Literatur sich bewegte? Es ist ein betrübender Anblick, wenn ein Schriftsteller vor unseren Augen, angesichts des ganzen Publikums, allmählich alt wird. Wir haben's gesehen, nicht bei Wolfgang Goethe, dem ewigen Jüngling, aber bei August Wilhelm von Schlegel, dem bejahrten Gecken; wir haben's gesehen, nicht bei Adalbert Chamisso, der mit jedem Jahre sich blütenreicher verjüngt, aber wir sahen es bei Herrn Ludwig Tieck, dem ehemaligen romantischen Strohmian, der jetzt ein alter räudiger Muntsche geworden ...

Oh, Ihr Götter! ich bitte Euch nicht mir die Jugend zu lassen, aber lasst mir die Tugenden der Jugend, den uneigennützigen Groll, die uneigennützige Träne! Lasst mich nicht ein alter Polterer werden, der aus Neid die jüngeren Geister ankläfft, oder ein matter Jammermensch, der über die gute alte Zeit beständig flennt ... Lasst mich ein Greis werden, der die Jugend liebt, und trotz der Altersschwäche noch immer Teil nimmt an ihren Spielen und Gefahren! Mag immerhin meine Stimme zittern und beben, wenn nur der Sinn meiner Worte unerschrocken und frisch bleibt!

Sie lächelte gestern so sonderbar, halb mitleidig und halb boshaft, die schöne Freundin, als sie mit ihren rosigen Fingern meine Locken glättete ... Nicht wahr, du hast auf meinem Haupt einige weiße Haare bemerkt?

»Und scheint die Sonne noch so schön,

Am Ende muss sie untergeh'n!«

Geschrieben zu Paris im Frühjahr 1837,

Heinrich Heine

Vorrede zur dritten Auflage

Das ist der alte Märchenwald!

Es duftet die Lindenblüte!

Der wunderbare Mondenglanz

Bezaubert mein Gemüte.

Ich ging fürbass, und wie ich ging,

Erklang es in der Höhe.

Das ist die Nachtigall, sie singt

Von Lieb und Liebeswehe.

Sie singt von Lieb und Liebesweh,

Von Tränen und von Lachen,

Sie jubelt so traurig, sie schluchzet so froh,

Vergessene Träume erwachen.

Ich ging fürbass, und wie ich ging,

Da sah ich vor mir liegen,

Auf freiem Platz, ein großes Schloss,

Die Giebel hoch aufstiegen.

Verschlossene Fenster, überall

Ein Schweigen und ein Trauern;

Es schien, als wohne der stille Tod

In diesen öden Mauern.

Dort vor dem Tor lag eine Sphinx,

Ein Zwitter von Schrecken und Lüsten,

Der Leib und die Tatze wie ein Löw,

Ein Weib an Haupt und Brüsten.

Ein schönes Weib! Der weiße Blick,

Er sprach von wildem Begehren;

Die stummen Lippen wölbten sich

Und lächelten stilles Gewähren.

Die Nachtigall, sie sang so süß

Ich konnt' nicht widerstehen

Und als ich küsste das holde Gesicht,

Da war's um mich geschehen.

Lebendig ward das Marmorbild,

der Stein begann zu ächzen

Sie trank meiner Küsse lodernde Glut

Mit Dürsten und mit Lechzen.

Sie trank mir fast den Odem aus

Und endlich, wollustheischend,

Umschlang sie mich, meinen armen Leib

Mit den Löwentatzen zerfleischend.

Entzückende Marter und wonniges Weh!

Der Schmerz wie die Lust unermesslich!

Derweilen des Mundes Kuss mich beglückt,

Verwunden die Tatzen mich grässlich.

Die Nachtigall sang: »Oh schöne Sphinx!

Oh Liebe! was soll es bedeuten,

Dass du vermischest mit Todesqual

All deine Seligkeiten?

Oh schöne Sphinx! Oh löse mir

Das Rätsel, das wunderbare!

Ich hab' darüber nachgedacht

Schon manche tausend Jahre.«

Das hätte ich alles sehr gut in guter Prosa sagen können ... Wenn man aber die alten Gedichte wieder durchliest, um ihnen, behufs eines erneuten Abdrucks, einige Nachfeile zu erteilen, dann überschleicht einen unversehens die klingelnde Gewohnheit des Reims und Silbenfalls, und siehe! es sind Verse, womit ich die dritte Auflage des Buchs der Lieder eröffne. Oh Phöbus Apollo! sind diese Verse schlecht, so wirst du mir gern verzeihen ... Denn du bist ein allwissender Gott, und du weißt sehr gut, warum ich mich seit so vielen Jahren nicht mehr vorzugsweise mit Maß und Gleichklang der Wörter beschäftigen konnte ... Du weißt, warum die Flamme, die einst in brillanten Feuerwerkspielen die Welt ergötzte, plötzlich zu weit ernsteren Bränden verwendet werden musste ... Du weißt, warum sie jetzt in schweigender Glut mein Herz verzehrt ... Du verstehst mich, großer schöner Gott, der du ebenfalls die goldene Leier zuweilen vertauschtest mit dem starken Bogen und den tödlichen Pfeilen ... Erinnerst du dich auch noch des Marsyas, den du lebendig geschunden? Es ist schon lange her, und ein ähnliches Beispiel tät wieder not ... Du lächelst, oh mein ewiger Vater!

Geschrieben zu Paris den 20. Februar 1839,

Heinrich Heine.

Vorrede zur fünften Auflage

Der vierten Auflage dieses Buches konnte ich leider keine besondere Sorgfalt widmen, und sie wurde ohne vorhergehende Durchsicht abgedruckt. Eine Versäumnis solcher Art wiederholte sich glücklicherweise nicht bei dieser fünften Auflage, indem ich zufällig an dem Druckort verweilte und die Korrektur selber besorgen konnte. Hier, in demselben Druckort, bei Hoffmann und Campe in Hamburg, publiziere ich gleichzeitig, unter dem Titel »Neue Gedichte«, eine Sammlung poetischer Erzeugnisse, die wohl als der zweite Teil des »Buchs der Lieder« zu betrachten ist. – Den Freunden im Vaterland meine heitersten Scheidegrüße!

Geschrieben zu Hamburg den 21. August 1844,

Heinrich Heine.

Junge Leiden

1817–1821

Traumbilder

I

Mir träumte einst von wildem Liebesglüh'n,

Von hübschen Locken, Myrten und Resede,

Von süßen Lippen und von bittrer Rede,

Von düstrer Lieder düstern Melodien.

Verblichen und verweht sind längst die Träume,

Verweht ist gar mein liebstes Traumgebild!

Geblieben ist mir nur, was glutenwild

Ich einst gegossen hab' in weiche Reime.

Du bliebst, verwaistes Lied! Verweh jetzt auch,

Und such das Traumbild, das mir längst entschwunden,

Und grüß es mir, wenn du es aufgefunden

Dem luft'gen Schatten send ich Luft'gen Hauch.

II

Ein Traum, gar seltsam schauerlich,

Ergötzte und erschreckte mich.

Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,

Und in dem Herzen wogt es wild.

Das war ein Garten, wunderschön,

Da wollt ich lustig mich ergeh'n;

Viel schöne Blumen sahn mich an,

Ich hatte meine Freude dran.

Es zwitscherten die Vögelein

Viel muntre Liebesmelodein;

Die Sonne rot, von Gold umstrahlt,

Die Blumen lustig bunt bemalt.

Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,

Die Lüfte wehen lieb und lind;

Uns alles schimmert, alles lacht,

Und zeigt mir freundlich seine Pracht.

Inmitten in dem Blumenland

Ein klarer Marmorbrunnen stand;

Da schaut ich eine schöne Maid,

Die emsig wusch ein weißes Kleid.

Die Wänglein süß, die Äuglein mild,

Ein blondgelocktes Heilgenbild;

Und wie ich schau, die Maid ich fand

So fremd und doch so wohlbekannt.

Die schöne Maid, die sputet sich,

Sie summt ein Lied gar wunderlich:

»Rinne, rinne, Wässerlein,

Wasche mir das Linnen rein.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: Oh sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,

Für wen ist dieses weiße Kleid?

Da sprach sie schnell: Sei bald bereit,

Ich wasche dir dein Totenkleid!

Und als sie dies gesprochen kaum,

Zerfloss das ganze Bild, wie Schaum.

Und fortgezaubert stand ich bald

In einem düstern, wilden Wald.

Die Bäume ragten himmelan;

Ich stand erstaunt und sann und sann.

Und horch! welch dumpfer Widerhall!

Wie ferner Äxtenschläge Schall;

Ich eil' durch Busch und Wildnis fort,

Und komm an einen freien Ort.

Inmitten in dem grünen Raum,

Da stand ein großer Eichenbaum;

Und sieh! mein Mägdlein wundersam

Haut mit dem Beil den Eichenstamm.

Und Schlag auf Schlag, und sonder Weil,

Summt sie ein Lied und schwingt das Beil:

»Eisen blink, Eisen blank,

Zimm're hurtig Eichenschrank.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: Oh sage mir,

Du wundersüßes Mägdelein,

Wem zimmerst du den Eichenschrein?

Da sprach sie schnell: Die Zeit ist karg,

Ich zimmre deinen Totensarg!

Und als sie dies gesprochen kaum,

Zerfloss das ganze Bild, wie Schaum.

Es lag so bleich, es lag so weit

Ringsum nur kahle, kahle Heid;

Ich wusste nicht, wie mir geschah,

Und heimlich schaudernd stand ich da.

Und nun ich eben fürder schweif,

Gewahr ich einen weißen Streif;

Ich eilt drauf zu, und eilt und stand,

Und sieh! Die schöne Maid ich fand.

Auf weiter Heid stand weiße Maid,

Grub tief die Erd' mit Grabescheit.

Kaum wagt ich noch sie anzuschau'n,

Sie war so schön und doch ein Grau'n.

Die schöne Maid, die sputet sich,

Sie summt ein Lied gar wunderlich:

»Spaten, Spaten, scharf und breit,

Schaufle Grube tief und weit.«

Ich ging und nahete mich ihr,

Und flüsterte: Oh sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,

Was diese Grube hier bedeut't?

Da sprach sie schnell: »Sei still, ich hab'

Geschaufelt dir ein kühles Grab.«

Und als so sprach die schöne Maid,

Da öffnet sich die Grube weit;

Und als ich in die Grube schaut,

Ein kalter Schauer mich durchgraut;

Und in die dunkle Grabesnacht

Stürzt ich hinein – und bin erwacht.

III

Im nächt'gen Traum hab' ich mich selbst geschaut,

In schwarzem Galafrack und seid'ner Weste,

Manschetten an der Hand, als ging's zum Feste,

Und vor mir stand mein Liebchen, süß und traut.

Ich beugte mich und sagte: »Sind Sie Braut?

Ei! ei! so gratulier ich, meine Beste!«

Doch fast die Kehle mir zusammenpresste

Der langgezog'ne, vornehm kalte Laut.

Und bitt're Tränen plötzlich sich ergossen

Aus Liebchens Augen, und in Tränenwogen

Ist mir das holde Bildnis fast zerflossen.

Oh süße Augen, fromme Liebessterne,

Obschon ihr mir im Wachen oft gelogen,

Und auch im Traum, glaub ich euch dennoch gerne!

IV

Im Traum sah ich ein Männchen klein und putzig,

Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,

Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,

Inwendig aber war es grob und schmutzig.

Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,

Jedoch von außen voller Würdigkeit;

Von der Courage sprach es lang und breit,

Und tat sogar recht trutzig und recht stutzig.

»Und weißt du, wer das ist? Komm her und schau!«

So sprach der Traumgott, und er zeigt' mir schlau

Die Bilderflut in eines Spiegels Rahmen.

Vor einem Altar stand das Männchen da,

Mein Lieb daneben, beide sprachen: Ja!

Und tausend Teufel riefen lachend: Amen!

V

Was treibt und tobt mein tolles Blut?

Was flammt mein Herz in wilder Glut?

Es kocht mein Blut und schäumt und gärt,

Und grimme Glut mein Herz verzehrt.

Das Blut ist toll, und gärt und schäumt,

Weil ich den bösen Traum geträumt;

Es kam der finstre Sohn der Nacht,

Und hat mich keuchend fortgebracht.

Er bracht' mich in ein helles Haus,

Wo Harfenklang und Saus und Braus

Und Fackelglanz und Kerzenschein;

Ich kam zum Saal, ich trat hinein.

Das war ein lustig Hochzeitsfest;

Zu Tafel saßen froh die Gäst'.

Und wie ich nach dem Brautpaar schaut

Oh weh! mein Liebchen war die Braut.

Das war mein Liebchen wunnesam,

Ein fremder Mann war Bräutigam;

Dicht hinterm Ehrenstuhl der Braut,

Da blieb ich steh'n, gab' keinen Laut.

Es rauscht Musik – gar still stand ich;

Der Freudenlärm betrübte mich.

Die Braut, sie blickt so hochbeglückt,

Der Bräut'gam ihre Hände drückt.

Der Bräut'gam füllt den Becher sein,

Und trinkt daraus, und reicht gar fein

Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank

Oh weh! mein rotes Blut sie trank.

Die Braut ein hübsches Äpflein nahm,

Und reicht es hin dem Bräutigam.

Der nahm sein Messer, schnitt hinein

Oh weh! das war das Herze mein.

Sie äugeln süß, sie äugeln lang,

Der Bräut'gam kühn die Braut umschlang,

Und küsst sie auf die Wangen rot,

Oh weh! mich küsst der kalte Tod.

Wie Blei lag meine Zung' im Mund,

Dass ich kein Wörtlein sprechen kunnt.

Da rauscht es auf, der Tanz begann;

Das schmucke Brautpaar tanzt voran.

Und wie ich stand so leichenstumm,

Die Tänzer schweben flink herum;

Ein leises Wort der Bräut'gam spricht,