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Wie ticken junge Menschen jenseits der Donau? 31 bulgarische Gegenwartslyriker*innen beantworten die Frage poetisch – in einer Erstübersetzung von Rumjana Zacharieva. Добре дошли в млада България! Willkommen im jungen Bulgarien! "Ich komme, ich weiß aber nie, wohin und zu wem", flüstert eine Stimme, bis alle zusammen ihr Herz öffnen – für dich, denn "seit du bist, zeigt die Uhr 12". Und unter dem Motto: "worte können es nicht besser sagen als jene zwiebel". Schicht für Schicht. Wort für Wort. Ton für Ton.
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Seitenzahl: 45
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Rumjana Zacharieva (Hrsg.)
Bulgariens Herz
gedichte … eines 31-megabyte-frühlings
31 junge Gegenwartslyriker*innen in Erstübersetzungaus dem Bulgarischen von Rumjana Zacharieva
Rumjana Zacharieva (Hrsg.): Bulgariens Herz. gedichte … eines 31-megabyte-frühlings. Frankfurt am Main, Größenwahn Verlag 2021
Originalausgabe
ePub-eBook: 978-3-95771-297-4
Print-ISBN: 978-3-95771-271-4
Auswahl und Übersetzung: Rumjana Zacharieva. Alle Rechte bei der Übersetzerin.
Lektorat und Konzept: Sevastos P. SampsounisSatz: Lilly Seidel, Größenwahn VerlagUmschlaggestaltung: Annelie Lamers, Größenwahn VerlagUmschlagmotiv: © Annelie Lamers
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
Der Größenwahn Verlag ist ein Imprint der Bedey und Thoms Media GmbH, Hermannstal 119k, 22119 Hamburg und Mitglied der Verlags-WG: https://www.verlags-wg.de
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© Größenwahn Verlag, Frankfurt am Main 2021Alle Rechte vorbehalten.
https://www.groessenwahn-verlag.de
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
Personenregister
ich weiß aber nie
wohin und zu wem
ich komme
ida2
ich wünschte ich wäre vagabundin
ich hätte einen südlichen namen
ich könnte die jahreszeiten entkleiden
ich wüsste
ich warte auf keinen
ich wünschte ich könnte
alle bahnen
meinen körper auch
in der sonne schmelzen lassen
was und wer ich bin
wäre nebensächlich
ich wünschte vor allem
ich hätte einen anderen namen
denn von dort wo ich herkomme
bedeutet ida
ich bin auf dem weg
zu jemandem
der auf mich wartet
ich komme
ich weiß aber nie
wohin und zu wem
1 Die Gedichte Antina Zlatkovas sind keine Übersetzung. Die Autorin schreibt Bulgarisch und Deutsch.
2 weiblicher Name, bulgarisch für »ich komme«
Ich ziehe das Wort verkehrt herum an
Ein Kleid –
gewaschen,
getrocknet,
gebügelt,
gefaltet.
Ich trage den Saum nach außen hin,
es ist modern,
man sieht die bunten Nähte.
Doch … Ich erreiche nicht
die Innentasche.
Und das Kleid wärmt nicht.
Ich bin in einem Käfig,
die Futterschale voller Erinnerung
an dich.
Casting fürs Verlieben
Ich liebe das Leben – diesen unbegreiflichen Film:
mal Komödie, mal billiges Drama;
bin Hauptfigur und Persona non grata,
mal Gesetzesvertreter, mal Ritter ohne Dame.
Die Rollen werden stets komplizierter und schwerer,
und – ohne Double – die Szenen voller Gefahr.
Der Tod – das Finale – präsent, schmerzlich greifbar,
doch bewacht mich die Liebe alias Regisseur.
Oh, dem Film ohne Damen scheint der Misserfolg
im Archiv des Vergessens vorprogrammiert.
Von Dulcinea aufwärts werde ich hoffnungsvoll
ein Leben lang suchen – beim Casting der Liebe.
dein schatten wächst
dein schatten wächst
über mich hinaus
seit du bist
zeigt die Uhr 12
im rahmen der zeit
sind wir
absolut
3 Die Gedichte Darina Schneiders sind keine Übersetzung. Die Autorin schreibt Deutsch und Bulgarisch.
Ich zeichne dir Liebe
Sprich nicht! Ich zeichne dir Liebe –
unerwartete, letzte, verschwiegene,
jene, für die du bereit bist
mir zu folgen in tiefste Abgründe.
Ich brauche für sie keine Farben,
sie ist das Licht unserer Augen,
in der Dunkelheit leben wie sie –
in der Dunkelheit lebt diese Liebe.
Ich zeichne dir Liebe, sag jetzt nichts!
Tropfen um Tropfen – auf unseren Körpern.
In deinen Augen funkelt das Licht,
zittert unersättlich die Stille.
Für diese gezeichnete Liebe
brauche ich weder Versprechen noch Schwur,
unsere Seelen sind ihre Leinwand –
unsere Körper sind bloße Umrisse.
Vergnügungskästchen
Es ist nicht so, als hättest du
deine Schlüssel verloren
– es ist ein guter Start: aus Nachlässigkeit
bleibst du bei einem anderen. Dazwischen hast du
dein diesseitiges Requisit für die Welt
vergeudet – überall hast du dir Platz geschafft
in ungeahnten Kästchen mit Überflüssigem –
ein Päckchen After Eight, Notizen in strenger Schrift,
aber der Trost, der ähnelt einem Verbot, dort sind
weiße Trauben – Heilmittel für die schwarze Sonne.
Es ist nicht so, als hättest du deine Schlüssel
verloren und, obdachlos, deine Gedanken –
Behausungen kleiner Vergnügen gezeichnet
mit Muscheln, statt Sonnenuntergänge herüber-
zutragen und Esskastanien auf den Tisch,
warm wie Melancholie, und dass an nichts fehlt,
und mich stille Hysterie heimsucht.
Es ist nicht so, als wärest du von deiner
eigenen Welt verlassen und nur dein Requisit
sei noch da – ohne Schnur und ohne Schlüssel.
Nähe
Komisch ist der Verrat, komisch,
dass der zur Beharrlichkeit wird,
zum schrecklichen Zweifel – vorm Tode,
zu dem deines Nächsten und jenem – von dir,
grausam für den, der den Happen Beleidigung
schluckt, die Liebe in Wut zu verschweigen
und niemals mehr, nie wieder
zu lieben.
Und doch es so aussehen zu lassen,
dass du, zermalmt vom grausamen Hass,
die Verräter weiterhin ehrst und hoch-
liebst, denn die Liebe ist gnadenlos.
ersticke die funken
ersticke die funken
ins leere fliegt
dein kuss war
einst heilig mein
tempel nur
seine
umarmung
schreitet
voran
Gespräch
Ich werde wach, rufe dich an – um mich zu vergewissern.
Deine Stimme schichtet sich in mir auf.
Fällt wie Schnee in mir herab.
Schmutziger Schnee – ihm hinterher
kommen Regierung, Polizei
und alle Mächtigen.
Anrufen werde ich auch sie –
auf dass sie prüfen, ob ich hier bin.
Sie lauern immer sorglos
zwischen dir und mir
im Innenraum des Hörers.
Morgens
teilnahmslos im Schneegewirr,
Morgens im Training,
halte mich fit – ich soll bereit sein, hier,
wenn es nötig wird, Schmerz abzuweisen.
Denn ohne Schmerz bin ich undenkbar.
Hingebungsvoll und ehrlich – im Schmerz.
Er, der es mir möglich macht,
streng zu sein, mit dir. Und gemäßigt.
Keine Übertreibungen beim Zärtlichsein. Laut
Depression ist es Mut,