Bunburry - Schlechter Geschmack ist tödlich & Tod eines Charmeurs - Helena Marchmont - E-Book

Bunburry - Schlechter Geschmack ist tödlich & Tod eines Charmeurs E-Book

Helena Marchmont

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Beschreibung

Alfie hat sich seit seinem Umzug aus London gut in Bunburry eingelebt. Doch selbst in der schönsten Idylle der englischen Cotswolds schläft das Verbrechen nie - und so warten gleich zwei neue Fälle auf ihn!

Folge 3: Der Farmer Nigel Edwards wurde ermordet, und Tierschützerin Betty Thorndike steht unter Mordverdacht. Alfie will ihre Unschuld beweisen. Aber wie soll er auf einer Farm ermitteln, wenn er doch panische Angst vor Kühen hat?

Folge 4: Mario Bellini will mit seiner Eiscreme die Cotswolds erobern - und mit seinem Charme. Doch eines Morgens liegt er tot im Park. War es ein Unfall? Oder wurden dem Frauenheld seine Flirts mit den Kundinnen zum Verhängnis?

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!


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Seitenzahl: 279

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

BAND 3 - TITEL

1. Das Paket

2. Der Sonntagslunch

3. Der nächste Morgen

4. Vivian

5. Die Polizeiwache

6. Die Anwältin

7. Bovinophobie

8. Die Mordermittlung

9. Oxford University

10. Der Quietscher

Epilog

BAND 4 - TITEL

1. Besucher im Dorf

2. Oscar

3. Dinner im Horse

4. Ein Lauf durch den Park

5. Kein Cream Tea für Alfie

6. Die Polizeiwache

7. Dinner bei Alfie

8. Zwei Telefonate

9. Zurück auf Los

10. Epilog

Über das Buch

Der zwielichtige Farmer Nigel Edwards wurde ermordet – angeblich von Betty! Alfie will ihre Unschuld beweisen, nur ist das Ermitteln auf einer Farm nicht so einfach, wenn man panische Angst vor Kühen hat ...

Mario Bellini will die Cotswolds erobern – mit seinem unwiderstehlichen Charme und der besten Eiscreme in ganz England! Doch dann wird der attraktive Unternehmer tot aufgefunden. War es Mord? Alfie will herausfinden, wer den charmanten Frauenhelden umgebracht hat.

Über die Autorin

Helena Marchmont ist das Pseudonym von Olga Wojtas. Die schottische Schriftstellerin hat 2015 den Scottish Book Trust New Writers Award gewonnen und bereits über 30 Kurzgeschichten veröffentlicht. Gerade ist auf Englisch ihr erster Roman »Miss Blaine's Prefect and the Golden Samovar« erschienen.

Helena Marchmont

Schlechter Geschmack ist tödlichTod eines Charmeurs

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der englischen Originalausgaben: »A Taste of Murder« / »Death of a Ladies' Man«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung

von Illustrationen von © shutterstock: JeniFoto j FreeProd33 j Canicula j

Sk_Advance studio j ivangal j Nikola Barbutov j aleksa__ch

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-9023-0

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Helena Marchmont

Schlechter Geschmack ist tödlich

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

1. Das Paket

Alfie saß bei einem Kaffee in der grellbunt gefliesten Küche, als der Halleluja-Refrain erscholl. Die ohne Zweifel ungewöhnlichste Türklingel in den Cotswolds erschreckte ihn jedes Mal aufs Neue, trotzdem hatte er nicht vor, sie gegen eine gängige auszutauschen. Tante Augusta hatte sie ausgesucht, und er betrachtete dieses Cottage nach wie vor als ihres.

Er ging zur Haustür, die aus demselben Grund immer noch in Tante Augustas typischem dunklem Lila gehalten war, und wurde von der Postbotin begrüßt.

»Ein weiteres Paket von Ihrem Freund Oscar in London«, sagte sie. »Er ist sehr nett zu Ihnen, nicht wahr? Wir sind nicht sicher, was es ist, aber wenn man es ordentlich schüttelt, hört es sich nach Rumbakugeln an.« Zum Beweis hielt sie das Paket neben sein Ohr und schüttelte es. »Es hat aber das falsche Format für Rumbakugeln. Machen Sie es auf, und geben Sie uns Bescheid, was es ist, ja? Ach, und richten Sie Oscar aus, dass wir immer herzlich über die Adresse lachen. Bye!«

»Bye«, antwortete Alfie benommen, als sie durch die kleine Straße zurückging. Im Vergleich zur Anonymität der Großstadt kam ihm das Leben auf dem Dorf immer noch sehr befremdlich vor. In Bunburry schien jeder alles über jeden zu wissen, und was die Leute nicht wussten, dachten sie sich kurzerhand aus.

Seit Oscar mitbekommen hatte, dass in einem so kleinen Ort sämtliche Postsendungen, auf denen Alfies Name stand, korrekt zugestellt wurden, kreierte er zusehends absurdere Adressen. Den eigenen Namen, Oscar de Linnet, sowie seine Postleitzahl in Belgravia hatte er auf der Rückseite des Pakets in seiner gestochen scharfen Handschrift richtig wiedergegeben. Doch als Empfänger stand da »Alfie McAlister Esq., Zum maroden Schuppen, Ende der Welt«, gefolgt von der richtigen Postleitzahl.

Oscar und ihn verband eine außergewöhnliche Freundschaft, denn Oscar war ein Müßiggänger mit Eton-Ausbildung, der in ein Leben voller Privilegien hineingeboren worden war, während Alfie mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und auf eine staatliche Gesamtschule gegangen war, bevor er sich aus dem Nichts ein Vermögen erarbeitet hatte. Zusammengeführt hatte sie die Liebe zum Theater. Sie waren in derselben Laienschauspielgruppe gewesen, wo sie die beiden männlichen Hauptrollen in Oscar Wildes Ernst sein ist alles gespielt hatten. Alfie wurde als der Lebemann Algernon Moncrieff besetzt, und Oscar spielte Jack Worthing, den Filou mit dem Doppelleben. Es war außerdem Oscar gewesen, der Alfie vor zwei Jahren mit Vivian verkuppelt hatte. Doch nun war Vivian tot, und Alfie hatte sich nach Bunburry davongemacht.

Seitdem tat Oscar alles in seiner Macht Stehende, um seinen Freund zurück nach London zu locken.

Zunächst hatte er dies versucht, indem er ihm eine Predigt hielt. »Du kannst nicht im Cottage einer alten Frau mitten in der Einöde leben.«

»Es ist keine Einöde, sondern der Dorfrand von Bunburry, das sogar auf Landkarten verzeichnet ist. Und es ist nicht das Cottage einer alten Frau, sondern meines, das mir von meiner Tante vererbt worden ist.«

Zugegeben, Windermere Cottage hatte seine Makel, beispielsweise eine psychedelische Tapete im Wohnzimmer und ein in Avocado-Grün gestaltetes Badezimmer. Doch Alfie fehlte die Energie für eine Renovierung, zumal er noch nicht sicher war, ob er in den Cotswolds bleiben sollte. Was er Oscar gegenüber nicht zugeben würde, der sich mittlerweile auf subtilere Überredungsstrategien verlegt hatte.

Anschließend waren nämlich die Programmhefte vom National Theatre, dem Barbican, dem Globe, dem Royal Opera House und der Albert Hall gekommen, begleitet von handgeschriebenen Briefen, in denen jede Aufführung hymnisch gelobt und zu dem Besten erklärt wurde, was Oscar je gesehen hatte.

Als Nächstes benutzte er greifbarere Lockmittel. Im ersten seiner Pakete war Achiote-Paste und dazu ein handgeschriebenes Zitat von Oscar Wilde: »Ich kann Menschen nicht leiden, die die Mahlzeiten nicht ernst nehmen.« Eine Woche später folgte Zitronengras, danach kamen schwarzer Knoblauch, koreanisches Gochujang-Gewürz, gemahlenes Baobab und Acaifrüchte.

Alfie war hinter all diesen Zutaten her gewesen, als er noch in London lebte. Er hatte es geliebt, für Vivian zu kochen, dafür zu sorgen, dass sie nach stundenlangen Proben oder anstrengenden Aufführungen etwas Vernünftiges aß. Wenn sie nicht arbeitete, schlenderten sie beide oft über die Lebensmittelmärkte und schnappten neue Ideen auf.

Oscars unterschwellige Botschaft war natürlich, dass Alfie leichten Zugriff auf derlei Dinge hätte, würde er einfach nach London zurückkehren. Doch ohne Vivian begeisterte Alfie sich nicht mehr fürs Kochen. Es schien ihm zu aufwendig. Außerdem konnte er zum Drunken Horse Inn gehen, wo sie eine exzellente Küche mit regionalen Produkten boten.

Zu dieser Zeit hatte er die neue Oscar-Wilde-Biografie gelesen – ein Geschenk seines Freundes – und darin ein passendes Zitat gefunden. Das schrieb er auf die Rückseite einer Postkarte mit einer Abbildung des idyllischen Bunburrys inmitten sanfter Hügel: »Ich hätte bedenken müssen, dass man, um ein gänzlich neues Leben zu führen, regelmäßige und nahrhafte Mahlzeiten braucht.« Dieser Einsicht fügte er die Feststellung hinzu: »Die hiesige Gastronomie wird meinen diesbezüglichen Bedürfnissen bewundernswert gerecht.«

Aber Oscar hatte sich geweigert, den Wink zu verstehen. Alfie nahm jetzt das neueste Päckchen, dessen Inhalt tatsächlich entfernt nach Rumbakugeln klang, und öffnete es vorsichtig. Chia-Samen, ein ganzes Kilo. Damit würde er tun, was er mit allen exotischen Nahrungsmitteln getan hatte. Natürlich nicht, ohne Oscar anzurufen und sich zu bedanken.

Natürlich telefonisch und natürlich übers Festnetz. Einer von Oscars zahlreichen Spleens war, dass er zwar gern Textnachrichten schrieb und bekam, jedoch nur via Festnetz telefonierte. Und diesmal griff sein Freund erst am Sonntagvormittag nach dem Hörer, obwohl Alfie zuvor schon mehrfach versucht hatte, ihn zu erreichen.

»Und, warst du gestern Abend wieder bei einer sagenhaften Kulturveranstaltung?«, fragte er.

»Es war überragend. Wärst du doch nur dabei gewesen. Du verpasst so viel auf dem Lande, und du hättest es geliebt. Wir waren hinterher im Club.« Oscar gähnte. »Ich bin noch im Bett.«

Alfie blickte auf seine Uhr: halb elf. Er war seit ein paar Stunden auf und nicht im Bett, sondern saß auf dessen Kante. Er hatte sich angewöhnt, Oscar von Tante Augustas Festnetztelefon aus anzurufen, das auf dem Nachttisch stand. Dies war sein Lieblingszimmer – ganz in Lavendelblau, Grau und Weiß gehalten. Als er sich auf dem Bett zurücklehnte, sah er durch das Fenster nichts als Bäume und hörte nichts als das sanfte Zwitschern der Vögel. Im Moment zog es ihn überhaupt nicht ins lärmige London zurück.

»Was hast du gesehen?«

»Brechts Der kaukasische Kreidekreis«, antwortete Oscar. »Ein absoluter Triumph, erhebend für die Seele. Und du hängst dort in der Wildnis fest.«

Alfies Stimme war seidenweich, als er antwortete: »Oscar, selbst in der Wildnis kann ich online auf Informationen zugreifen und Zeitungen bekommen. Ist das die Inszenierung, die tatsächlich jeder einzelne Kritiker verrissen hat – und wo dringend geraten worden ist, man solle sich das Geld für die Theaterkarte lieber sparen?«

»Ah«, sagte Oscar. »Ja, das könnte sie gewesen sein. Deshalb waren wir anschließend im Club; wir brauchten große Mengen Alkohol, um die Erfahrung auszulöschen.«

»Du hast mich belogen, Oscar. Jetzt werde ich dir nie wieder vertrauen können.«

Oscar schien kein bisschen beschämt, dass er ertappt worden war. »Es geschah nur zu deinem Besten, das mir stets am Herzen liegt. Aber es mag sein, dass das Landleben seine Vorzüge hat. Wie geht es deinem Harem?«

»Das wirst du eher beantworten können als ich, handelt es sich bei dem doch um ein Produkt deiner Fantasie«, entgegnete Alfie trocken.

»Ganz und gar nicht. Meiner Berechnung nach bist du jetzt bei sechs. Die beiden Miss Marples, die Polizistin, die Baumherzerin, die Bardame Edith und die temperamentvolle Carlotta. Dein kultivierter Großstädtercharme wirkt wie Katzenminze auf die schlichten Mädchen vom Lande.«

Alfie legte sich aufs Bett und rieb sich die Augen. »Lass es mich dir noch einmal erklären, Oscar. Ich mache es auch ganz langsam, und ich möchte, dass du dich diesmal konzentrierst. Liz und Marge mögen mich, weil Tante Augusta ihre beste Freundin war. Sie hegen keinerlei romantisches Interesse an mir. Allerdings denken sie, dass ich ideal für Liz' Nichte wäre, Police Constable Hollis, die jedoch ebenfalls nicht das geringste romantische Interesse an mir hat. Edith wiederum ist keine gewöhnliche Barbedienung, sondern die Mutter des Wirtes vom Drunken Horse und müsste an die siebzig sein, mithin ebenfalls desinteressiert an mir. Kannst du mir noch folgen?«

Oscar stieß einen Laut aus, der alles Mögliche bedeuten konnte.

»Carlotta ist glücklich mit dem Besitzer des Drunken Horse verheiratet und hat entsprechend auch kein romantisches Interesse an mir. Überdies ist sie nur gelegentlich temperamentvoll, gemeinhin dann, wenn ihre Schwiegermutter Edith ihre italienische Küche als ›Mafiakost‹ bezeichnet, die Gerichte aber trotzdem verschlingt.«

»Ach ja«, sagte Oscar. »Nach einem guten Dinner kann man jedem vergeben, sogar der eigenen Verwandtschaft. Du bist jedoch verdächtig still, was die Baumherzerin angeht.«

Alfie war ein klein wenig froh, dass Oscar über sein angebliches Liebesleben scherzte. Noch vor wenigen Monaten, als Alfie ohnmächtig vor Kummer gewesen war, hätte er nicht im Traum daran gedacht, so etwas zu empfinden. Oscar musste glauben, dass es ihm besser ging. Tat es nicht; er war nur besser darin, es zu verbergen. Dennoch war Oscars launiges Necken eine willkommene Ablenkung.

»Ich bin still, weil es nichts zu erzählen gibt. Edith ist grundlos der Überzeugung, Betty Thorndike und ich wären ein Paar, nur weil ich zu ihren Versammlungen der Grünen gehe. Ms Thorndike kommt übrigens aus Washington, D.C. und hat demzufolge genug großstädtische Kultiviertheit für uns beide, indes auch nicht den geringsten Funken romantisches Interesse an mir.«

»Nehmen wir mal an, sie sind wirklich nicht an dir interessiert – bei welcher der Damen schlägt dein Herz schneller?«

»Ganz klar bei Edith, der besten Köchin Englands«, antwortete Alfie. »Übrigens muss ich jetzt Schluss machen. Treib du nur weiter, was kultivierte Großstädter sonntags so treiben – ich treffe mich mit Liz und Marge im Horse zum besten Sonntagslunch im Umkreis von fünf Grafschaften.«

2. Der Sonntagslunch

Alfie nahm das Päckchen Chia-Samen mit und gab es Liz und Marge, die ihnen bereits einen Tisch im vollen Pub gesichert hatten.

Marge beäugte das Paket finster. »Oh«, sagte sie. »Das ist nicht, was ich mir erhofft hatte.«

Alfie setzte sich ihr gegenüber hin. »Das ist Superfood«, erklärte er. »Voller Proteine, Ballaststoffe und gesunder Fette. Man kann es auf Cornflakes streuen oder in Smoothies.«

»Ich weiß, was Chia-Samen sind, vielen Dank«, entgegnete sie spitz. »Aber wir hatten auf der Post gewettet. Ich dachte, dass es Wildreis ist, und Liz hat auf Macadamia-Nüsse getippt. Jetzt sehe ich meine fünfzig Pence nie wieder.«

»Ich glaube, keiner hat auf Chia-Samen gewettet«, sagte Liz. »Das Geld wandert folglich in die Spendendose.«

Alfie starrte die beiden an. »Verzeihung, es lief eine Wette auf den Inhalt von Oscars Paket?«

»Da laufen immer welche«, antwortete Marge. »Seit Dorothy gesagt hat: ›Ich wette, das ist Zitronengras‹, und es stimmte. Wie wäre es, wenn du dir nächstes Mal vorher von Oscar verraten lässt, was er dir schickt, und wir teilen uns den Gewinn?«

Liz hüstelte warnend. »Marge, meine Liebe, denk an die Regeln. Jeder, der mit Alfie über die Pakete redet, wird sofort disqualifiziert.«

Marge tätschelte Alfies Hand. »Na gut, dann sag kein Wort darüber. Schreib mir einfach eine Textnachricht. Und du kannst Oscar ausrichten, er soll nicht so unverschämt bei der Adresse sein. Was hat er diesmal geschrieben? Zum maroden Schuppen? So darf man nicht von Windermere Cottage reden. Ginge es um Betty Thorndikes Haus, ja dann …«

Alfie warf ihr einen prüfenden Blick zu, doch sie sah wie der Inbegriff der Unschuld aus. Ediths Fantasiegespinst, Betty wäre seine Freundin, hatte im Dorf die Runde gemacht. Und Alfie hatte gegenüber Liz und Marge diesem Gerücht nicht widersprochen, weil er hoffte, dass sie dann aufhören würden, ihn mit Emma verkuppeln zu wollen.

»Was stimmt damit nicht?«, fragte er.

»Na, passend zu ihren Ansichten ist es, als würde man wieder im 19. Jahrhundert leben. Lauter Wachskerzen und keine modernen Geräte, die einem die Arbeit im Haus erleichtern. Mich wundert, dass wir sie nicht unten am Fluss ihre Wäsche waschen sehen.«

»Oder, noch besser, sich selbst«, murmelte Alfie gerade laut genug, dass sie ihn hören konnten. Dann ergänzte er in normaler Lautstärke: »Ich glaube nicht, dass eine Parteimitgliedschaft bei den Grünen automatisch bedeutet, man müsse im 19. Jahrhundert verharren. Heutzutage gibt es grüne Energie. Aber ist es nicht irgendwie bewundernswert, wenn jemand seine Bequemlichkeit zugunsten seiner Prinzipien opfert?«

Marge schniefte. »Du nennst es bewundernswert, ich nenne es bekloppt. Dann magst du ihr Cottage also?«

Alfie hatte kein Problem damit, sie in die Irre zu führen, aber die Vorstellung, sie geradewegs anzulügen, gefiel ihm überhaupt nicht.

»Ich kenne es nicht«, gestand er und wappnete sich für den triumphierenden Blick, den die Damen gleich wechseln würden.

Doch Liz war abgelenkt. »Marge, meine Liebe«, flüsterte sie, »wer ist das da bei Emmas furchtbarem Sergeant?«

Es verblüffte Alfie immer wieder, welche offene Verachtung Liz, einer der sanftesten und freundlichsten Menschen, denen er je begegnet war, für den hiesigen Polizisten an den Tag legte. Nicht, dass er widersprechen würde; er konnte Sergeant Harold Wilson genauso wenig leiden – erst recht nicht, seit der ihn verhaftet hatte.

Marge wandte sich um und starrte zu dem Polizisten und seinem Tischnachbarn, wobei sie vorgab, das Gemälde von den Jagdhunden an der Wand zu betrachten, das sie an die tausendmal gesehen haben dürfte. Dann drehte sie sich wieder um und schnalzte mit der Zunge. »Also wirklich, Liz, erkennst du ihn denn nicht wieder?«

»Nein, meine Liebe, sonst würde ich ja nicht fragen«, entgegnete Liz, die wieder ruhig und gefasst wie üblich klang.

»Das ist Nigel, der Junge von Norman Edwards«, antwortete Marge.

Nun blickte sich auch Alfie verstohlen um. Die beiden Männer saßen in einer der kleinen Nischen hinten im Pub, die durch halbhohe Holzwände voneinander abgetrennt waren, und schienen in ein Gespräch vertieft. Jeder hatte bereits ein leeres Pint vor sich stehen und das zweite fast geleert. Und sie passten zusammen, fand Alfie: Nigel, der »Junge«, war wie der Sergeant in den Fünfzigern – und ebenso rotgesichtig mit schütterem Haar und harten Zügen. Nigel war nicht so übergewichtig wie der Sergeant, aber auch nicht direkt dürr.

Wilson bemerkte, dass Alfie zu ihnen sah. Daraufhin erhob Alfie die Hand ein wenig, um ihn zu grüßen. Das ignorierte Wilson und redete weiter.

»Du meine Güte, stimmt, das ist Nigel Edwards«, sagte Liz mit einem gewissen Unterton. »Ich frage mich, wie man so ein Paar wohlgenährter, verschlagener Kerle nennt.«

Marge kicherte, während Alfie sich nach wie vor schwer damit tat, wie sehr sich Liz' Persönlichkeit veränderte, sobald es um Sergeant Wilson ging. Und er fragte sich, was Nigel Edwards verbrochen haben mochte, um mit ihm über einen Kamm geschoren zu werden.

»Wann übernimmt er die Farm?«, fragte Liz.

»Himmel, Clarissa, versuch mal, auf dem Laufenden zu bleiben«, seufzte Marge. »Norman ist vor Ewigkeiten zu seiner Tochter gezogen, und seitdem leitet Nigel schon alles.«

»Die Tochter wohnt in Hartlepool, oder? Ist ihr Mann nicht bei der Brauerei?«

»Stimmt.«

»Auf der Farm müssen sie Norman schrecklich vermissen«, vermutete Liz. »Es gab einige entsetzliche Geschichten über Nigel, der sich aufspielte und wollte, dass alle machten, was er sagte, weil er der Sohn vom Chef war. Und dabei hatte er nicht den geringsten Schimmer, was er tat. Norman musste dauernd alle beruhigen. Vielleicht hat Nigel ja endlich dazugelernt, denn ich habe schon lange nichts mehr von der Farm gehört.«

Alfie staunte immer noch, wie viel jeder in Bunburry über jeden anderen wusste. Wenigstens wussten sie nichts über ihn, abgesehen von dem, was jeder bei Wikipedia gelesen zu haben schien. Niemand ahnte etwas von Vivian, und sie alle nahmen an, dass er Tante Augusta nahegestanden hatte. Aber welches Wissen über seine Familie hatten sie ihm voraus? Waren Marge und Liz in Bunburry gewesen, als sein Vater seine Mutter verließ? Hatte Edith es miterlebt?

Als hätte er sie mit seinem Gedanken heraufbeschworen, kam Edith, trotz ihres Alters adrett und flink, mit ihrem Notizblock herbeigeeilt. »Entschuldigt die Verspätung. Wir haben heute volles Haus. Was kann ich euch bringen?«

Marge stieß einen kleinen Schrei aus. »Wir haben uns so nett unterhalten, dass ich noch gar nicht in die Karte sehen konnte.« Sie griff nach der ledergebundenen Karte im Ständer auf dem Tisch.

»Es ist Sonntag, meine Liebe«, sagte Liz freundlich. »Wir kommen eben aus der Kirche. Du brauchst nicht in die Karte zu schauen.«

Alfie fand die Selbstbeherrschung beachtlich, mit der sie sich ein »Himmelherrgott, Margaret, versuch mal mitzudenken!« verkniff.

Er nahm Margaret die Karte ab und stellte sie zurück. »Bitte dreimal Ihren guten Sonntagsbraten, Edith«, sagte er lächelnd.

Edith tätschelte seine Wange. »Ich notiere mir, dass Sie Extra-Yorkshire-Pudding bekommen – Sie sind zu dürr. Ihre Vegetarierfreundin gibt Ihnen anscheinend nichts Anständiges zu essen. Nur Karotten und Salat, vermute ich.«

»Sie ist nicht meine Freundin«, widersprach Alfie und begriff zu spät, dass er mit Liz und Marge am Tisch saß, von denen er doch hoffte, dass sie genau das dachten.

»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »keine Frau im Land könnte mich so gut ernähren wie Sie.«

»Hey!« Carlotta, die gleichfalls Bestellungen aufnahm, näherte sich ihnen von hinten. »Was ist mit mir?«

»Du?«, höhnte ihre Schwiegermutter. »Alfie braucht englischen Braten, nicht deine Mafiakost.«

Carlotta schien einem Wutausbruch bedenklich nahe zu sein, und Alfie überlegte, wie er die Situation entschärfen könnte, als die Tür des Pubs aufflog. Herein kam eine Frau in Jeans, einem Leinenhemd und Wanderstiefeln, die sehr entschlossen dreinblickte und einen Schwung Papiere in der Hand hielt.

»Meine Damen und Herren!«, rief sie mit einem amerikanischen Akzent, der in diesem durch und durch englischen Pub befremdlich wirkte. Die Leute merkten auf und ermahnten sich gegenseitig, ruhig zu sein. »Bevor Sie Ihr Mittagessen bestellen, sollten Sie etwas wissen.« Sie begann die Flugblätter auf den Tischen zu verteilen.

Edith schob ihren Notizblock in ihre Schürzentasche und trat vor. »Was ist los, Betty?«

»Edith.« Betty Thorndike kam quer durch den Pub und hielt ihr ein Blatt entgegen. »Du vor allem musst hiervon erfahren. Du, William und Carlotta – ihr seid schließlich stolz darauf, regionale Produkte zu verwenden.«

»Und ob wir das sind«, bekräftigte Edith, und Carlotta stellte sich solidarisch neben ihre Schwiegermutter.

»Dann wisst ihr wahrscheinlich nicht, dass euer Lieferant auf Massentierhaltung umgestellt hat und seine Tiere unter erbärmlichen, unhygienischen und unmenschlichen Bedingungen hält. Das hier ist kein Biofleisch mehr, wie ihr denkt.«

Edith starrte benommen auf das Blatt. »Edwards' Farm?«, fragte sie.

Nun begannen die Leute, sich zu Nigel Edwards umzudrehen. Der sprang auf. »Keinen interessiert eine Predigt von einer verrückten amerikanischen Vegetarierin«, sagte er. »In diesem Land essen wir, was wir wollen!«

Allgemeine Ausrufe der Zustimmung, wie zum Beispiel »Er hat recht!« und »Jawohl!«, schallten durch den Saal, und jemand knallte die Faust auf den Tisch.

Bettys Stimme übertönte den Lärm. »Ich halte niemanden davon ab, irgendwas zu essen. Aber ihr habt ein Recht zu erfahren, was ihr esst, damit ihr eure Entscheidung auf der Grundlage von Informationen treffen könnt.«

Andere Leute begannen zu nicken, und jemand rief: »Dann erzähl mal, Betty!«

»Esst dieses Fleisch nicht, wenn euch auch nur ein klein wenig am Wohl der Tiere liegt«, sagte sie. »Auf Edwards' Farm quetschen sie so viele Tiere in die Mastanlage, wie sie können.«

»Hört nicht auf diesen Blödsinn!«, brüllte Nigel Edwards. »Ich produziere hochwertiges Fleisch. Diese Kühe sind draußen aufgewachsen.«

»Einige von ihnen«, erwiderte Betty laut und verteilte weiter ihre Flugblätter. »Und auch nur, bis sie sechs Monate alt waren. Die meisten stehen dicht an dicht drinnen im Stall und sehen nie natürliches Tageslicht.«

Edith hatte sich auf einen freien Stuhl gesetzt und starrte ungläubig auf das Flugblatt. Carlotta hockte sich neben sie und legte tröstend einen Arm um ihre Schultern.

»Und selbst wenn euch das Wohl der Tiere nicht interessiert, dann solltet ihr zumindest an eure eigene Gesundheit denken«, sagte Betty laut. »Diese Kühe müssen mit Antibiotika vollgepumpt werden, damit sich keine Krankheiten unter ihnen ausbreiten.«

»Das ist Verleumdung!«, schrie Edwards. »Ich verklage Sie!«

»Nur zu«, entgegnete Betty. »Ich wiederhole gerne alles vor Gericht. Sie können mich nicht einschüchtern, Mr Edwards, und Sie können mich auch nicht feuern wie Ihren Verwalter.«

Edwards, der mittlerweile hochrot im Gesicht war, begann auf sie zuzustampfen. »Das ist eine glatte Lüge!« Er baute sich vor ihr auf, und sein Doppelkinn schwabbelte. »Wer hat Ihnen das erzählt? Hat er das gesagt? Dann verklage ich euch beide!«

Alle anderen im Pub waren vollkommen still geworden; jeder richtete seine Aufmerksamkeit auf das Spektakel. Alfie machte sich bereit einzugreifen, doch Betty blieb unerschütterlich und zeigte keinerlei Anzeichen von Angst – nur Wut. Sie wedelte mit den restlichen Flugblättern vor Nigel Edwards' Gesicht herum.

»Sie sind eine Schande«, fauchte sie, »eine Schande als Farmer und eine Schande als Mensch. Die armen Tiere zu opfern, um Ihren Gewinn zu maximieren. Ich hoffe, dass Sie eines Tages so leiden, wie Sie die Tiere leiden lassen.«

Nigel Edwards drehte sich zu seinem Trinkkumpan um. »Sie bedroht mich! Du hast es gehört, Harry.« Er blickte sich im Pub um. »Ihr habt es alle gehört.«

Sergeant Wilson hievte sich mühsam von seinem Stuhl hoch. »Das reicht jetzt, mein Mädchen. Sie sind kurz davor, wegen öffentlicher Ruhestörung verhaftet zu werden. Ich rate Ihnen, unverzüglich rauszugehen.«

Betty rang empört nach Luft. »Ich bin nicht Ihr Mädchen! Und ich gehe verdammt noch mal, wenn ich es will.«

»Na gut, das war’s«, verkündete Wilson. »Betty Thorndike, ich –«

Alfie sprang auf. »Schon okay«, unterbrach er den Polizisten. »Alles okay. Wir sind bereits so gut wie draußen.« Er schätzte, das Letzte, was Wilson wollte, war, an seinem freien Sonntag eine Verhaftung vorzunehmen, und dass der Sergeant sich schlicht verpflichtet fühlte, den Farmer zu unterstützen.

Er nahm sanft Bettys Arm. »Gehen wir hinaus und reden über Taktik«, flüsterte er ihr zu. Und zu seiner Erleichterung kam sie ohne Protest mit zur Tür.

Doch kurz vor dem Ausgang wandte sie sich um und rief: »Glauben Sie ja nicht, dass es vorbei ist!«

Sie stürmte hinaus, und Alfie holte sie auf dem Parkplatz ein, wo sie an einem schlammbesprühten Geländewagen lehnte, die Hände in die Hüften gestemmt.

»Also, über was für Taktiken reden wir hier?«, zischte sie.

Ihre Augen glänzten verdächtig, und Alfie vermutete, dass sie hauptsächlich aggressiv war, um nicht zu weinen.

»Vielleicht sollten wir warten, bis Philip sich zu uns gesellt und wir eine richtige Diskussion führen können«, schlug er vor.

»Ja, ja.« Sie nickte energisch, sodass ihr blondes Haar um ihr Gesicht herumflog. »Warten wir auf den Vikar. Warten wir, bis Betty sich beruhigt hat und nicht mehr peinlich ist.«

»Du bist nicht peinlich«, versicherte er. »Aber wir mussten da raus. Wilson war drauf und dran, dich festzunehmen.«

»Denkst du, das interessiert mich? Denkst du, mich kümmert, was mit mir passiert? Mir geht es um die Kühe. Es ist einfach so …«

Sie wandte den Kopf zur Seite und wischte sich mit dem Handrücken die Augen. »Wir brauchen ein anständiges Kennzeichnungssystem, damit die Leute sehen, welche Tiere draußen grasen durften und welche in Mastanlagen steckten«, sagte sie entschlossen.

Und dann schien ihre Kraft plötzlich erschöpft. Ihre Schultern sackten nach unten, und sie ließ den Kopf hängen, sodass ihr das Haar vors Gesicht fiel. »Man denkt, es ist alles gut, weißt du? Da ist Edwards' Farm, wo die Tiere über Jahre anständig behandelt worden sind – und dann ist auf einmal all die artgerechte Haltung, der ganze humane Farmbetrieb dahin. Und es gibt so viel anderes zu tun. Dauernd ist es ein Schritt vor und drei zurück. Es bricht einem das Herz …«

Alfie empfand aufrichtiges Mitgefühl. Sie hatte sich Nigel Edwards entgegengestellt, aber so tough, wie sie klang, war sie gar nicht. Er fragte sich, ob er sie tröstend in die Arme nehmen sollte.

Sie stieß einen lang gezogenen Klagelaut aus und hob die geballten Fäuste gen Himmel, als wollte sie irgendeine Naturgöttin anflehen. Ja, sie konnte eindeutig eine Umarmung brauchen, und er würde sie in die Arme nehmen. Sollte sie jedoch auch nur einen Anflug von Unbehagen signalisieren, würde er sie gleich wieder loslassen. Alfie schritt auf sie zu – und ächzte, als die geballten Fäuste auf seine Schultern niederschmetterten.

»Keiner hat gesagt, dass es fair wäre, aber ich hätte nie gedacht, dass es so unfair sein würde«, sagte sie mehr zu sich selbst.

Alfie, dessen Schultern pochten, konnte ihr nur zustimmen. Ihr war anscheinend gar nicht bewusst, dass sie ihn geschlagen hatte; er war sozusagen die Mauer gewesen, gegen die sie boxen wollte. Nur hatten Backsteinwände nicht so viele Nervenenden.

»Taktik«, murmelte sie. »Wenn es Gerechtigkeit gibt, wenn es Karma gibt, wird Nigel Edwards bekommen, was er verdient.«

Sie ging zwischen den parkenden Autos hindurch zur High Street. Alfie folgte ihr nicht, rief ihr nicht mal einen Abschiedsgruß nach, denn sie hatte ihn offenbar völlig vergessen und war ganz in ihre Gedanken vertieft.

Er kehrte in den Pub zurück, wo er sich sofort Sergeant Wilson gegenüberfand, als hätte der ihm aufgelauert.

»Ihre Freundin hat Glück, dass sie jetzt nicht in einer Zelle sitzt«, sagte der Sergeant. »Halten Sie die lieber an der kurzen Leine.«

Alfie lächelte ihn freundlich an. »Ich habe noch nie das Bedürfnis verspürt, andere Leute zu kontrollieren. Deshalb zog ich auch nie eine Laufbahn bei der Polizei in Betracht.«

Wilson sah ihn unsicher an.

»Und ich glaube, ich sagte Ihnen bereits«, fuhr Alfie unverändert freundlich fort, »dass sie nicht meine Freundin ist.« Er war die Unterstellungen des Sergeants leid, dass er seine Zeit damit verbrachte, Betty und Emma nachzustellen.

»Hey, Harry, Futter ist da!«, rief Nigel Edwards, und Alfie sah, dass Edith zwei Teller mit Braten, Yorkshire-Pudding, gerösteten Kartoffeln, Brokkoli, Blumenkohl, Erbsen und Karotten zusammen mit Soßenschüsseln voller Braten- und Meerrettichsoße auf ihren Tisch stellte.

Alfie lief das Wasser im Mund zusammen. Er setzte sich wieder zu Marge und Liz, als Carlotta auch schon mit drei Tellern zu ihnen kam.

»Und hier ist Ihr Essen«, sagte sie.

Alfie sah auf die Teller – und schaute gleich nochmals hin. »Bitte, was?«, fragte er.

»Oh, Alfie«, erklärte Liz, »nachdem wir auf dem Flugblatt gelesen haben, wie schlimm die armen Tiere behandelt werden, mussten wir unsere Bestellung ändern, und wir wussten, dass du es auch wollen würdest. Also haben wir jetzt Carlottas wunderbares Pilzrisotto.«

»Buon appetito!«, wünschte Carlotta mit strahlender Miene.

»Danke«, sagte Alfie und betrachtete unglücklich den farblosen Berg auf seinem Teller. »Ich könnte wohl nicht zufällig etwas Yorkshire-Pudding bekommen?«

3. Der nächste Morgen

Am nächsten Morgen war Nigel Edwards noch schlechter gelaunt als sonst. Er trommelte seine Arbeiter zusammen und stellte zufrieden fest, dass sie zwar mürrisch wirkten, aber auch verängstigt.

Der alte Herr hatte nie die Peitsche knallen lassen, sie nie richtig auf Trab gebracht. Kein Wunder, dass der Laden nie profitabel gewesen war. Nigel hatte das geändert, als er übernahm. Er hatte die nutzlosen Leute entlassen und dafür gesorgt, dass die, die er behielt, ordentlich arbeiteten. Aber anscheinend war einigen von ihnen immer noch nicht klar, was er erwartete.

»Ich habe gestern eine kurze Mittagspause gemacht«, begann Nigel.

Der neue Lehrling hüstelte, und Nigel sah ihn erbost an, doch es wirkte halbwegs echt. Der Junge hielt sich verlegen die Hand vor den Mund.

»Aber die wurde unterbrochen von dieser irren Amerikanerin, die reinplatzte und wilde Sachen herumschrie.« Er beobachtete sie alle aufmerksam, um zu sehen, ob irgendeiner betroffen aussah oder gar schuldig wirkte. Doch keiner verzog eine Miene.

»Sie hat einen Haufen verleumderischer Anschuldigungen über das Wohl der Tiere auf dieser Farm von sich gegeben. Hat hier irgendwer ein Problem damit, wie ich die Sachen handhabe? Irgendwer? Nein? Das ist gut. Gut aus eurer Sicht, meine ich.«

Er senkte die Stimme zu einem warnenden Zischen. »Denn falls ich herausfinde, dass einer von euch außerhalb der Farm über meine Geschäfte redet, wird er es bitter bereuen. Was hier drinnen passiert, ist Geschäftsgeheimnis, und ich kann euch versprechen, dass ich jeden sofort verklage, der irgendwelche Informationen rausgibt. Verstanden?«

Er hatte keine Ahnung, ob er sie verklagen könnte oder nicht, war sich jedoch recht sicher, dass sie es ebenso wenig wussten. Der Lehrling sah entsetzt aus, und die anderen wirkten auch nicht froh.

»Sie hat unter anderem behauptet«, fuhr Nigel fort, »dass ich meinen Verwalter gefeuert habe.«

Er blickte sie alle an. Der Lehrling nickte eifrig.

Nigel näherte sich ihm, und die anderen Arbeiter rückten weg. »Du nickst, Junge«, sagte er gefährlich beiläufig. »Weshalb?«

Der Lehrling schluckte. »Ich habe Ihnen zugestimmt. Sie haben Peter Harrison gefeuert.«

Nigel packte ihn bei den Schultern und schob ihn gegen den Holzzaun. Er fühlte, wie der Bursche zitterte. »Ich habe nichts dergleichen getan.«

Der Junge wand sich. »Haben Sie. Ich habe es gehört. Haben wir alle.«

Nigel zog ihn ein Stück vor und rammte ihn mit Wucht gegen den Zaun. Es ertönte ein Knacken, und eine der Latten zerbrach.

»Herrgott noch mal!«, schrie Nigel. »Wieso zur Hölle habt ihr den Zaun nicht längst repariert? Der Laden hier geht vor die Hunde!«

Der Lehrling rieb sich die Schulter und schien zu glauben, dass die Frage an ihn gerichtet war. »Peter … hat auf alles … ein Auge gehabt«, stammelte er. »Das war eine von den Sachen, die er regeln wollte, bevor er …« Er brach nervös ab und plapperte dann los: »Und die Pforte da drüben und das Problem mit Buchtkanten im Melkstall. Da war jemand aus Bunburry hier …«

»Ich verplempere mein Geld nicht an irgendwelche Leute aus Bunburry!«, brüllte Nigel. »Und damit das allen klar ist: Egal was ich zu Peter Harrison gesagt habe oder nicht, er ist nicht gefeuert worden, klar?«

»Und warum ist er nicht mehr hier?«, murmelte eine Stimme hinter ihm.

Er ließ den Lehrling halb los und drehte sich um, konnte jedoch nicht erkennen, wer gesprochen hatte. »Wer hat das gesagt?«, verlangte er zu wissen. Sie alle starrten ihn jedoch ausdruckslos an. »Peter Harrison ist nicht gefeuert worden. Er ist gegangen, weil er sich neuen Herausforderungen stellen wollte. Wer dem nicht zustimmt, kann gerne jetzt gleich gehen. Keiner? Gut.«

Er schritt vor ihnen auf und ab wie ein General bei der Truppeninspektion. »Und noch etwas. Ich will, dass ihr auf Eindringlinge achtet. Falls diese Amerikanerin aufkreuzt oder irgendwer sonst, der hier nichts zu suchen hat, schmeißt ihr die raus. Nein, besser noch, bringt sie zu mir, und ich kümmere mich um sie.«

Die Amerikanerin hätte schon längst abgehakt sein sollen, dachte er. Harry Wilson hätte sie verhaften müssen. Diese Typen, die für Tierrechte kämpften, waren gefährlich. Wahrscheinlich plante sie schon, den Laden in die Luft zu jagen. Der Alte war fast genauso schlimm gewesen, hatte das Vieh praktisch wie Haustiere behandelt, Land verschwendet, um die Viecher grasen zu lassen. Dabei konnte man den Gewinn verdoppeln, verdreifachen, wenn man sie in die Ställe packte. Der Alte hatte überhaupt nie einen Sinn fürs Geschäft gehabt.

Er wandte sich wieder an die Arbeiter.

»Und hört ihr irgendwen was sagen, das ihm nicht zusteht, und das schließt euch mit ein, kommt ihr auch zu mir. Man kann nie wissen, ob nicht ein paar Pfund für euch drin sind.«

Wären sie nicht. Er würde diesem Haufen von Tagedieben kein Geld mehr hinterherwerfen. Aber »Teile und herrsche« – so machte man das.

Was Nigel Edwards nicht wusste, war, dass sich sehr bald ein Eindringling der Farm nähern und ihn keiner seiner eingeschüchterten Arbeiter aufhalten würde.

Am selben Tag erwachte Alfie mit einem solch intensiven Gefühl der Trauer, dass es beinahe körperlich war. Er konnte nichts essen, kochte sich nur Kaffee und saß anschließend mit einem Becher am Küchentisch.

Allein Oscar hatte ihm nie gesagt, die Zeit würde alle Wunden heilen. Tat sie auch nicht. Zumal niemand wusste, was wirklich an dem Tag geschehen war, als Vivian zu Tode kam. Alfie stellte seinen Kaffeebecher ab und steuerte Tante Augustas Hausbar an. Dann rief er sich zur Räson. Das würde nichts lösen. Ein Spaziergang. Er sollte spazieren gehen.