Canadian Summer - Emily Key - E-Book
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Emily Key

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Beschreibung

Man sagt, vier Dinge kommen nicht zurück: Das gesprochene Wort, der abgeschossene Pfeil, das vergangene Leben und die verpasste Gelegenheit. Diese leidvolle Erfahrung musste auch Grace Temblay machen, dabei ist die strikte junge Frau sonst mit ihrem Leben durchaus zufrieden. Seit mehr als 15 Jahren wird sie immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert. Einer Vergangenheit, in der Mr. sexy Badass-ich-vernasche-sie-alle-Gabriel Myers eine tragende Rolle spielt. Vor mehr als 15 Jahren war da diese eine heiße Nacht, die ihr Leben grundlegend verändert hat und sie nicht mehr loslässt. Wie fühlt es sich an, wenn man trotz guter, logischer Gründe nicht voneinander loskommt? Wie lange kannst du den Schmerz ertragen, der frisch verheilte Wunden immer wieder aufreißt, weil du deine Gefühle nicht zeigen darfst und die Sehnsucht dich allmählich aufzufressen droht? Wie weit würdest du gehen, um zu bekommen, was du dir mehr als alles andere auf der Welt wünschst? Zu welchen Kompromissen bist du bereit? Welchen Einsatz würdest du zahlen? Deine Überzeugungen? Deine Sicherheit? Dein Leben? Alle Bände der Canadian Storys sind unabhängig von einander zu lesen und abgeschlossen.

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CANADIAN SUMMER

EMILY KEY

Copyright © 2018 Emily Key

Covergestaltung: Art for your book

Satz & Layout: Emily Key

prointernet GmbH & Co. KG

C/o Emily Key

Marktplatz 8

56288 Kastellaun

Germany

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

INHALT

Dieses Buch

Prolog

1. Grace »Glücklich sein ist eine Entscheidung«

2. Gabe »Ich bin ein Drecksack« Myers

3. Grace »Irgendwann bring ich ihn um« Temblay

4. Gabriel »Heilige Scheiße« Myers

5. Grace »irgendwie klingt der Knast verlockend« Temblay

6. Grace »Ich bin so peinlich« Temblay

7. Gabe »Ich bin ein verdammter Idiot« Myers

8. Grace »So fühlt sich der Himmel an« Temblay

9. Grace »Auf nach New York« Temblay

10. Gabe »Verdammte Scheiße« Myers

11. Grace »Ich fühle mich wie fünfzehn« Temblay

12. Gabe »Ich entwickle kranke Tendenzen« Myers

13. Gabe »Gott, schenk mir eine Ablenkung« Myers

14. Grace »Weißwein hilft nicht mehr« Temblay

15. Gabe »Manchmal hasse ich meinen Job« Myers

16. Grace »Ich bin total verrückt« Temblay

17. Grace »Er macht mich so wütend« Temblay

18. Gabe »Zu oft gegen den Baum gelaufen, was?« Myers

19. Grace »Es könnte alles so schön sein« Temblay

20. Gabe »Ich bin ein Weichei, aber mir gefällt’s« Myers

21. Gabe »Nenn mich Pascha« Myers

22. Grace »Es ist zu schön, um wahr zu sein« Temblay

23. Gabe »Diese Lügen machen mich verrückt« Myers

24. Grace »Das fühlt sich seltsam an« Temblay

25. Grace »Betrügt er mich? Ist ihm etwas passiert?« Temblay

26. Gabe »Was …?« Myers

27. Grace »Oh Herr, stoße mich über den Rand der Verzweiflung« Temblay

28. Grace »Alles wird gut« Temblay

29. Gabe »Nichts klappt mehr, verdammte Scheiße« Myers

30. Gabe »FUCK« Myers

31. Grace »Ich hab keine Ahnung, wie es weiter geht« Temblay

32. Gabe »Was soll ich nur mit meinem Leben anfangen« Myers

33. Gabe »Ich reiße ihm den Arsch auf« Myers

34. Gabe »Ich hasse Menschen« Myers

35. Gabe »Verhöre sind mit das Beste an meiner Arbeit« Myers

36. Grace »Die Verzweiflung scheint mich zu erdrücken« Temblay

37. Grace »Ich bin einen Schritt über den Abgrund hinaus« Temblay

38. Gabe »Das ist keine Verabredung« Myers

39. Gabe »Die Liebe ist seltsam« Myers

Grace »völlig außer Kontrolle« Temblay

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Für alle, die sich trauen, ihren Träumen nach zu jagen.

Gebt nie auf!

Sie können wahr werden.

DIESES BUCH

Man sagt, vier Dinge kommen nicht zurück: Das gesprochene Wort, der abgeschossene Pfeil, das vergangene Leben und die verpasste Gelegenheit.

Diese leidvolle Erfahrung musste auch Grace Temblay machen, dabei ist die strikte junge Frau sonst mit ihrem Leben durchaus zufrieden.

Seit mehr als 15 Jahren wird sie immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert. Einer Vergangenheit, in der Mr. sexy Badass-ich-vernasche-sie-alle-Gabriel Myers eine tragende Rolle spielt. Vor mehr als 15 Jahren war da diese eine heiße Nacht, die ihr Leben grundlegend verändert hat und sie nicht mehr loslässt.

Wie fühlt es sich an, wenn man trotz guter, logischer Gründe nicht voneinander loskommt?

Wie lange kannst du den Schmerz ertragen, der frisch verheilte Wunden immer wieder aufreißt, weil du deine Gefühle nicht zeigen darfst und die Sehnsucht dich allmählich aufzufressen droht?

Wie weit würdest du gehen, um zu bekommen, was du dir mehr als alles andere auf der Welt wünschst?

Zu welchen Kompromissen bist du bereit? Welchen Einsatz würdest du zahlen?

Deine Überzeugungen? Deine Sicherheit? Dein Leben?

Dieser Roman ist in sich abgeschlossen.

PROLOG

Gabe »Wieso wird mir keine Ruhe gegönnt?« Myers

Meine Uhr piepte. Nicht, weil es ein Alarm war, der mich wecken oder an etwas erinnern sollte, nein, sie klingelte in monotonen, aber konstant anschwellenden Geräuschen, weil es wieder so weit war.

Ich drehte mich in meinem Bett, löste den Arm der Braunhaarigen von meiner Brust und sah auf die Uhr. 2:56. Mitten in der Nacht.

»Du musst aufwachen!« Damit rüttelte ich die Frau mit den schmalen Lippen, die allerdings Blowjobkünste wie ein verdammter Staubsauger hatte, an der Schulter. Stöhnend drehte sie sich um, während ich schon aus dem Bett sprang. Natürlich war ich nackt. Eilig schlüpfte ich in eine meiner Boxershorts, bückte mich und warf ihre Klamotten aufs Bett. Es war immer scheiße, wenn man einfach einschlief und sie nicht sofort bat, das Haus zu verlassen. Generell war es bescheuert, wenn man sie mit zu sich nach Hause nahm. Aber die Alternative wäre gewesen mit ihrer Freundin und deren Freund in ein Hotelzimmer zu gehen. Okay, irgendeine schöne, romantische Wiese hätte es ehrlich gesagt auch getan. Anyway. Jetzt war es Zeit für sie zu gehen.

Ich drückte auf das Knöpfchen, durch den Abdruck meines Fingers öffnete sich auf dem Display meiner Uhr ein neues Fenster. Himmel, sie musste jetzt wirklich gehen, offenbar wurde es Zeit, dass ich härtere Geschütze auffuhr.

»Hör mal, meine Frau hat eben angerufen, sie kommt mit unseren drei Kindern früher nach Hause … und sie ist schon wieder total betrunken.« Mit einer gespielt verzweifelten Geste fuhr ich durch mein Haar und riss daran. »Sie wird erst dich töten und dann mich …«

Endlich setzte sie sich auf und griff nach ihrer Unterwäsche. Uh, gegen Mitternacht hatte ich sie irgendwie sexiger gefunden. Nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren!, wies ich mich stumm zurecht. »Scheiße, das letzte Mal konnte ich ihr schon nur schwer entkommen … und das Mädchen … Gott habe sie selig.«

Endlich kam Leben in sie, sie fluchte, sprang fast in ihre Klamotten, und ich seufzte ergeben, als ich hörte, wie sie die Tür unten zuschmiss. Ich wartete noch die obligatorischen fünf Sekunden, bat den Herrgott um Verzeihung für meine Lüge und ging dann, so wie ich war, in mein Arbeitszimmer. Als ich den schmalen Scanner neben der Tür, der einem anderen Menschen nicht einmal aufgefallen wäre, mit meinem Fingerabdruck aktivierte, verschlossen sich die Fenster schalldicht und verdunkelten sich. Mein Computerbildschirm sah wie der eines ganz normalen, günstigen PCs aus dem hiesigen Store aus. In Wahrheit war er von Que so präpariert worden, dass zeitgleich ein zweiter Bildschirm daraus nach oben fuhr. Ich tippte den Code meiner Uhr ein, und es dauerte keine Sekunde, ehe der Bildschirm erwachte.

»Das hat Stunden gedauert!«

»Es ist 2:59. Normale Menschen schlafen um diese Uhrzeit.«

»Sie sind aber kein normaler Mensch, G.«

Mühsam unterdrückte ich ein Augenrollen. »Was gibt’s?«

»Wir gehen davon aus, dass er in Fort Mckenzie ist. Kommen Sie ins Quartier, wir bereiten alles Nötige vor.«

Damit wurde der Bildschirm schwarz, und ich hatte keine andere Wahl, als mich anzuziehen und Andrew abzuholen.

Er war mein Partner.

Seit wir zusammen beschlossen hatten, dass uns jeder andere Job in Whistler zu langweilig war, standen wir Seite an Seite, wenn es darum ging, etwas Gutes zu tun.

Und ich hoffte, das würde niemals aufhören.

1

GRACE »GLÜCKLICH SEIN IST EINE ENTSCHEIDUNG«

NEUN TAGE SPÄTER

Brian und ich trafen uns jetzt seit etwas über neun Monaten. In der Vorweihnachtszeit hatte es begonnen und den Frühling überstanden, was für mich wirklich eine Seltenheit war. Zumindest nach Dylan.

Dylan und ich waren zehn Jahre lang ein Paar gewesen. Ein »Wir sind ja so verliebt nach außen hin«-Paar. Bis ich es nicht mehr ertragen hatte, dass er mich weder ansah noch anfasste, geschweige denn überhaupt registrierte, dass ich da war. Ich sollte seine Wäsche machen, schön brav und abwechslungsreich kochen, ansonsten aber im Hintergrund bleiben. Gerade dann, wenn er seine Jungs zum Pokerabend eingeladen hatte. Eines Morgens wachte ich auf und mir wurde bewusst, dass die Liebe nicht nur am Verschwinden, sondern komplett erloschen war, nicht einmal mehr rauchend, sondern tot in der Ecke liegend. Ab diesem Moment dauerte es noch geschlagene fünf Tage, denn solange brauchte ich, um meinen Kram aus der gemeinsamen Wohnung zu schaffen, ehe ich das Kapitel Dylan schloss. Ohne große Trara, ohne Tränen, ohne diesen umfassenden Liebeskummer, wie ich ihn vor acht Monaten bei meiner besten Freundin mitbekommen hatte. So etwas Ähnliches hatte ich erst einmal empfunden, und damals schwor ich mir, mich nie wieder so sehr an jemanden zu binden, dass ich fast draufging.

Auch wenn das mehr als fünfzehn Jahre her war, hielt ich daran fest.

Versteht mich nicht falsch, natürlich hatte ich das eine oder andere Mal Sex, denn meine Güte, ich war auch nur eine Frau, und in der Übergangszeit von Dylan – der mich ja sowieso nicht mehr angefasst hatte – bis zu dem Tag, an dem ich begann, mit Brian O’Conner auszugehen, musste ich ja mal erkunden, was der Markt zu bieten hatte.

Brian und ich waren schon lange über das dritte Date hinaus, das ich – auch wenn es eigentlich ein blöder Teenager Witz war – als Maßstab für den 1. Sex sah. Nur dass Mr Dentist und ich noch keinen Sex gehabt hatten.

In all den neun Monaten nicht.

Er führte mich aus, wir hatten Spaß, gingen ins Kino, waren essen, zusammen auf dem Markt und hatten sogar an einem Tag Vancouver besucht, um die Stadt zu erkunden. Wir waren zusammen am See gewesen, und ich hatte ihn zu zwei Wohltätigkeitsbällen der kanadischen Ärzte Gemeinschaft begleitet. Jedes Mal hatte er mich wie ein Gentleman nach Hause gebracht, mich mit einem keuschen Kuss auf die Lippen verabschiedet – ja ernsthaft, ich hatte diesen Mann noch nie mit Zunge, geschweige denn, richtig geküsst –, mir eine gute Nacht gewünscht und war gegangen. Das war alles, was zwischen uns passierte. Mehr nicht.

So auch heute: Wir waren im Stadtratssaal auf einem Philharmoniekonzert des Kinderorchesters der hiesigen Highschool gewesen. Brians Nichte spielte dort mit, und ja, es war wirklich komisch, wenn man überlegte, dass ich seit heute seinen Bruder mit Familie und seine Eltern kannte, aber wir noch nie miteinander geschlafen hatten. Offiziell war das mit uns eh nicht … irgendwie. Es fühlte sich ja auch nicht wie eine richtige, echte Beziehung an, da wir … nie über diese keusche Scheiße hinaus gekommen waren. Langsam, aber sicher frustrierte es mich.

Sehr.

»Das ist es also, was zwischen euch läuft?«, fragte es spöttisch aus dem Dunklen.

»Gott, du scheiß Stalker!«, zischte ich. Zum einen, weil ich mich erschrocken hatte, zum anderen, weil ich frustriert war und der verächtliche Ton mich traf. Auch wenn er damit richtig lag, gab ihm das kein Recht, ihn zu benutzen.

Ruhig schloss ich meine Haustür auf und ging hinein, ich versuchte nicht einmal, ihn davon abzuhalten mir zu folgen, da es sowieso nichts gebracht hätte.

»Oh, komm doch rein«, war alles, was ich sarkastisch von mir gab, als er hinter sich die Tür schloss, wie selbstverständlich den Flur hinunter ging und meine Küche betrat. Noch während ich meinen dünnen Sommermantel in den Wandschrank neben der Tür hängte, hörte ich schon, wie er sich ein Bier öffnete.

»Was willst du hier?«, fragte ich, als ich die Küche betrat und Gabe betrachtete, der mit der Hüfte an der Spüle lehnend dastand und einfach nur den Raum dominierte. Ich hasste es, wenn er das tat, und liebte es gleichermaßen, weshalb ich ihn nicht rauswarf.

»Hast du dich für ihn so hübsch gemacht?«, knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen und mahlte die Kiefer aufeinander. Ich griff in den Schrank schräg neben Gabe, holte eines dieser altmodischen Coca-Cola-Gläser aus den 50ern heraus – denn scheiße, ich stand auf so Retro-Zeug – drückte ihn mit der Schulter zur Seite und goss mir Wasser ein. Anschließend trank ich es in einem Zug aus und funkelte ihn an. Das tat ich immer. Immer wenn Gabe in meiner Nähe war, ging ich auf Konfrontation, denn ansonsten hätte ich nicht gewusst, wie ich mit den Gefühlen, die er in mir auslöste, umgehen sollte. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten oder was ich tun sollte, also bevorzugte ich den leichtesten Weg, der mich die geringste Anstrengung kostete. Nach außen hin presste ich die Lippen aufeinander. Es mochte ein genervtes Bild von mir vermitteln, aber in Wahrheit zwang ich mich damit, ein Stöhnen zu unterdrücken. Wieder einmal sah er so gut aus, dass sich mein Magen zusammenzog, meine Vagina feucht wurde und ich mich mit jeder verdammten Faser meines Körpers an die Bonfire-Night vor 15 Jahren erinnerte. Jene Nacht, in der ich das erste und einzige Mal, ohne selbst Hand an mich legen zu müssen, gekommen war. Mein Blick tastete sich von seinen schweren Bikerstiefeln, die er auch manchmal im Sommer trug, über die abgewetzte, sehr helle, mittlerweile ausgeblichene Jeans, deren Bund perfekt tief auf seinen Hüften saß, zu dem schlichten schwarzen T-Shirt mit V-Ausschnitt. Der Ausschnitt betonte die Muskeln rund um seine Brust und hob vor allem durch die im Nacken sehr kurzen Haare seinen Kapuzenmuskel hervor. Woher ich wusste, wie das hieß? Nun, sagen wir mal so, ich beschäftigte mich schon seit vielen, vielen Jahren mit Gabriel Myers, und wenn ich nicht schlafen konnte, googelte ich die verrücktesten Dinge.

Um seinen Hals hing eine silberne, schmale Kette, die sich von den massiven Muskeln, die unter seiner gebräunten Haut spannten, absetzte.

»Beantworte die Frage, Grace!«, sagte er, und lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf unser »Gespräch«. Als ich ihm in die Augen sah, die das tiefe Blau eines kühlen Bergsees hatten, stellte ich fest, dass er wirkte, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. Oder zumindest sehr wenig.

»Ach?« Sarkastisch hob ich meine Brauen »Du findest, ich sehe hübsch aus?« Er knurrte leise. »Das ist doch nur ein alter Fummel!« Damit stieß ich mich vom Tresen ab und wanderte zum Kühlschrank, damit Gabe mich von hinten sehen konnte. Der »alte Fummel« war ein neues Kleid von Cavalli, das ich heute zum ersten Mal trug. Da ich hörte, wie er zischend die Luft einsog, hatte er wohl gerade das Highlight entdeckt. Der bis zum Po-Ansatz reichende, mit feiner Spitze überzogene Ausschnitt.

»Alter Fummel?«, fragte er mit dunkler Stimme. »Willst du mich verarschen?«

»Gabe«, begann ich mit meiner »Du verhältst dich kindisch«-Stimme. »Ich war aus. Mit meinem Freund.«

Er knurrte wieder, war blitzschnell hinter mir und hielt die Kühlschranktür auf, als ich einige Zutaten herausnahm. »Bitte keine Paprika. Ich schwöre, ich hab in den letzten neun Tagen nur Paprika bekommen.«

Ich nickte leicht und verdrehte die Augen. »Eigentlich solltest du einfach das essen, was ich dir koche, wenn du dich schon selbst einlädst!«

»Dann eben verdammte Paprika, solange sie von dir gemacht sind, kann ich selbst das verkraften.«

Ich griff nach Speck, Zwiebeln und Kartoffeln. Sie waren schon gekocht, Reste von gestern Abend. »Mit Ei oder ohne?«

»Was gibt es?«

»Bauernpfanne.«

»Dann mit«, entschied er, und ich holte noch drei Eier aus der Packung. Ich wusste aus Erfahrung, dass Gabe essen konnte wie eine ganze Armee. Es war seit Jahren so, er kam zu mir, wir stritten und meistens bekam er etwas zu essen, oft schlief er hier auf dem Sofa und war am nächsten Morgen weg. Niemand wusste etwas davon … nur er und ich.

Natürlich lief nie etwas, und ich wusste, dass es vermutlich besser so war … Aber ich konnte nicht anders, als hin und wieder davon zu träumen. Seit verdammten 15 Jahren, egal ob ich währenddessen mit Dylan zusammen war oder Brian datete.

Ich konnte nicht anders!

»Also«, brummte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Durch die Bewegung stieg mir sein männlicher Duft, gepaart mit seinem Aftershave in die Nase. Mein Magen zog sich zusammen. »Wieso machst du dich für den Wichser hübsch?« Er setzte sich auf einen der Barhocker vor der Kochinsel.

»Er ist mein Freund, Gabe.« Wieso erklärte ich überhaupt irgendetwas?

»Er ist ein Loser.« Ruhig schwang sein rauer Bass durch den Raum und legte sich um mich.

»Er ist«, ich schnaubte, »mein Freund!«

»Ach so«, wisperte er, stand plötzlich wieder hinter mir und keilte mich zwischen seinen massiven Armen ein. Unbeirrt versuchte ich weiter, Kartoffeln in kleine Stücke zu schneiden, aber meine Hand zitterte. »Mein Fehler …« Federleicht strich er mit seiner Nase über die freigelegte Haut meiner Schulter bis zu meinem Halsansatz und wieder zurück. »Natürlich, wenn man so eine heiße Freundin in so einem … alten …« Er betonte das Wort so, als wäre es absolut lächerlich. »… Fummel sein Eigen nennt, fährt man sie nach einem Abend, an dem man aus war, immer nach Hause … und verabschiedet sie mit einem keuschen Kuss auf die Lippen.« Mein Mund öffnete sich einen Spalt, als er mit einer seiner großen, rauen Hände über mein Schlüsselbein fuhr und sie halb an meinen Kiefer legte. Automatisch drehte ich mich schräg in seine Berührung. Ich war ihm nah, viel zu nah, konnte jede einzelne seiner Bartstoppeln auf der rauen Wange sehen, die feinen Äderchen unter seinen Augen und seine vollen, vom Bier leicht feuchten Lippen. Sein Daumen strich über meinen Mund, und er stöhnte dabei leise, tat einen minimalen Schritt vor, damit ich fühlte, dass er an meinem Po hart und steif war. Ich hatte so verdammt lange keinen Sex mehr gehabt, dass ich augenblicklich feucht wurde. Gut, um ehrlich zu sein, in Gabriel Myers Gegenwart war die Wahrscheinlichkeit, dass ich feucht wurde, ziemlich hoch. Trefferquote 99%.

»Hat er dich schon einmal so richtig geküsst? Ist er mit der Zunge in deinen Mund eingedrungen und hat dich markiert? Als sein markiert? … hattet ihr schon Sex? Oder blieb es bei keuschen Küssen in seinem verdammten Maserati? Er wird dich nicht vollends befriedigen können, meine Hübsche … weil du eine verdammte Wildkatze bist … und er … eher der Hamster- und Meerschweinchentyp.« Meine Lider fielen zu, meine Brustwarzen richteten sich auf und drückten durch den Stoff, da ich nur dünne Tapes zur Unterstützung darunter trug. Da brachte mir das eine über dem Nippel auch nichts. »Er kann dich nicht zu verdammtem Wachs werden lassen, Baby … und das weißt du …« Aufreizend ließ er sein Becken an meinem prallen Hintern kreisen. »Also sage mir … wieso gibst du dir überhaupt die Mühe und gehst mit ihm aus … wenn alles, was dieser Zahnarztwichser will, ist, dass er ein Püppchen zuhause sitzen hat, das brav Ja und Amen sagt?« Er hatte seinen Mund so nah an meinem Ohr, hauchte so heiß und sinnlich, dass ich fast kam. Allein durch diese verdammten Worte.

»Ich könnte dich jetzt und hier … mit zwei drei Handbewegungen zum Kommen bringen …«, wisperte er weiter und leckte mit seiner Zunge einmal über mein Ohrläppchen, in dem noch mein Ohrring war. »Die Frage ist doch, … könnte er das auch?«

Er seufzte noch einmal, wie in purer, nackter Verzweiflung in mein Ohr, ließ den Daumen aus meinem Mund gleiten und wich zurück, als hätte er sich verbrannt.

Scheinbar ungerührt nahm ich meine Arbeit wieder auf, auch wenn in mir ein Vulkan der Leidenschaft kurz vor dem Ausbruch tobte. »Lass mich, Gabe … bitte«, murmelte ich, als ich die Flamme meines Gasherdes entzündete. Ich stellte die gusseiserne Pfanne darauf und wartet einen Augenblick, bis das Butterschmalz zerlaufen war.

»Ich verstehe einfach nicht, wieso du mit diesem Idioten ausgehst, Baby …«, sagte er. »Du bist viel zu gut für ihn!«

Weil du mich nicht willst!, brüllte alles in mir. Weil du mich immer und immer wieder zurückweist. Deshalb!

»Wieso kannst du damit nicht aufhören?«, fragte ich und warf in einer gespielt dramatischen Geste die Hände in die Luft.

Gabe sah mich lange an, die Bratkartoffeln, die Zwiebel und der Speck waren schon perfekt gebräunt, als er mir schließlich antwortete.

»Weil diese eine Nacht vor 15 Jahren nicht genug war, Grace … Weil ich nie genug von dir kriegen werde.«

2

GABE »ICH BIN EIN DRECKSACK« MYERS

Ihr Mund war leicht geöffnet und die Hand lag ruhig unter ihrer Wange. Es war ihre linke, auf der sie lag, und ich sah neben den hohen Wangenknochen und den schwarzen Schatten ihrer langen Wimpern, die sich auf ihrer Haut spiegelten, wie nackt ihr Ringfinger war. In mir zog sich alles zusammen, nur mühsam konnte ich das Aufseufzen verhindern. Genauso schwer fiel es mir, mich nicht neben sie zu legen, sie an mich zu ziehen und meine Nase in ihren verdammten blonden Haaren zu vergraben, nur um sie zu riechen. Wenn ich überhaupt jemals eine Frau heiraten würde, dann sollte Grace den Ring meiner Urgroßmutter an ihrem Finger tragen.

Ansonsten niemand.

Ihre vollen Lippen waren herzförmig und bildeten ein schmales und dünnes »O«.

Hier stand ich, an den Pfosten ihres Himmelbettes gelehnt und betrachtete sie beim Schlafen wie ein Perverser. Ich hatte ihr nie versprochen, zumindest nicht ausgesprochen, dass ich mich von ihr fernhalten würde, denn das konnte ich nicht über mich bringen. Wie ein Ertrinkender kam ich von meinen Einsätzen nach Hause, duschte mir oftmals nur kurz den Geruch von Tod und Gewalt von der Haut, ehe ich bei ihr aufschlug. Ich hatte keinen Schlüssel zu ihrem kleinen Häuschen, das mitten in der Stadt lag und von einem braunen, verschlissenen Holzzaun eingezäunt war, aber ich wusste, sie würde mich hereinlassen. Immer.

Das war unser Ding, seit Jahren lief das so ab. Grace Temblay war meine große Liebe und meine beste Freundin. Niemals würde ich ohne sie sein können; wenn sie jemals mit jemandem zusammenwohnen oder sogar heiraten würde, wäre ich komplett verloren und am Arsch. Frustriert fuhr ich mir mit einer Hand über das Gesicht. Es war absolut verrückt, was ich hier tat, denn ich starrte sie an. In ihrem Top und ihren Shorts, die nichts meiner verdammten Fantasie überließen und meinen Schwanz schmerzhaft hart werden ließen. Die Sache war doch die, ich hatte schon einmal mit Grace geschlafen, ja natürlich, aber damals war ihr Körper noch nicht so wie jetzt gewesen. Versteht mich nicht falsch, damals war sie auch schon höllisch scharf gewesen, aber heute war sie … der Inbegriff eines Pornostars. Nur dass sie keine Pornos drehte. Hoffte ich zumindest. Und ich lehnte weiterhin an diesem verdammten Mahagonipfosten, starrte sie an, genoss, wie das Licht aus dem angrenzenden Badezimmer einen Streifen warmen Scheins auf ihre Haut projizierte, und mir ging dabei fast einer ab. Wie ein Perverser. Ich brauchte keinen Therapeuten, um mir attestieren zu lassen, dass es nicht normal war, was wir hier taten. Aber ich konnte auch nicht aufhören, zu ihr zu gehen. Auch wenn sie mich jedes Mal aufs Sofa verbannte, wenn ich bei ihr übernachtete, musste ich in ihr Zimmer zu gehen und sie anstarren. Mir einprägen, wie sie aussah, als hätte ich die Erinnerung jemals wieder ausblenden können.

»Du bist verrückt«, flüsterte ich und hielt den Atem an, als sie sich drehte, ihr Shirt etwas nach oben rutschte und ihren Hüftknochen entblößte. Sie war viel zu dünn … Hoffentlich ging es ihr gut und sie verheimlichte nichts vor mir. Denn dann würde ich es sowieso herausfinden und ihr klarmachen, dass es so nicht ging.

Als ich mich endlich von ihrem Anblick losreißen konnte, meine verdammten Stalker-Bedürfnisse fürs Erste befriedigt waren, zog ich mich genauso lautlos zurück, wie ich gekommen war.

Die kühle, einsame Ledercouch hieß mich willkommen und ich warf mich darauf. Wenn ich schon nicht neben ihr liegen durfte, dann wenigstens im selben Haus wie sie.

In dieser Nacht schlief ich nach neun Nächten endlich wieder mehr als zwei Stunden am Stück und verließ dennoch ihr Haus, bevor die Sonne aufging. Das waren die Spielregeln einer Affäre, die nicht mal eine Affäre war.

Ich war ein erbärmlicher Wichser und sollte mich auf die Arbeit konzentrieren.

Ansonsten auf gar nichts.

»Da sieht aber jemand erholt aus«, witzelte Andrew, als ich endlich das Bürogebäude betrat, das von außen wie der Firmensitz einer Holzverarbeitungsfirma aussah. Hier arbeiteten wir auch alle offiziell. Vorn lief der normale Betrieb, falls mal jemand hierher kam.

Wenn man durch eine in die Wand eingelassene Tür ging, befand man sich auf einmal in einer Art Hochsicherheitstrakt, der eine Außenstelle des CSIS darstellte. Der CSIS war der Canadian Security Intelligence Service – nichts anderes, als die CIA in Amerika war. Nur eben auf kanadische Art. Es war zwingend notwendig, dass unsere Identitäten geschützt wurden, und deshalb gingen wir alle einer »offiziellen, normalen« Arbeit nach. Wie ich im Sommer dem Holzfällen oder im Winter dem Skilehrerdasein. Klar zeigte ich den Damen, wie man sich auf den Brettern bewegte, aber das machte ich nur in meiner Freizeit, um das Bild aufrechtzuerhalten. Wenn ich das unter der Woche betrieb, waren es meistens CSIS Kolleginnen, mit denen man sich traf. Ob ich mit ihnen ins Bett stieg? Nun, nein. Zumindest offiziell.

Inoffiziell natürlich schon.

Diese Frauen waren heiß und konnten sich verbiegen wie eine verdammte Brezel. Also ja, ich fickte sie. Hin und wieder. Aber meistens beschränkte ich mich wirklich auf Touristinnen. Oder auf meine Hand. Mit Grace vor Augen.

»Erde an G. Erde an G.«

»Sorry, Mann«, murmelte ich und goss mir Kaffee ein. »Was geht?«

»Na ja, der Boss wartet auf den Einsatzbericht!«

»Und?« Ich ließ mich in meinen Sessel fallen, legte die Füße auf den Tisch und lehnte mich zurück. »Hast du ihn fertig?«

»Fick dich!«

»Angenehm.«

»Hast du scheiß Laune, oder was?«, erkundigte er sich, warf eine Akte auf den Tisch, vermutlich seinen ersten Entwurf des Berichts, und lehnte sich an die Glasplatte meines Schreibtisches. »Hast wohl keinen wegstecken können, letzte Nacht mh?«

»Leck mich, A!« Wenn wir hier waren, nutzten wir immer unsere Kürzel. Manchmal war es schwer, dies nicht auch abends zu tun, wenn wir wie ganz normale Menschen mit unseren Kumpels auf ein Bier aus waren.

»Was hast du getrieben?«, fragte mich Andrew und setzte sich wieder an den Schreibtisch mir gegenüber. Er warf seinen Hackisack in die Luft und fing ihn auf – immer und immer wieder.

»Nichts weiter«, antwortete ich, wie ich es jedes Mal tat. »War zu Hause und hab das Spiel geguckt.«

»Aha«, murmelte er und warf einen Blick in seinen Computer. »Gehen wir heut Abend ins Tom’s?«

Ich nickte knapp und runzelte die Stirn, weil ich nebenbei eine E-Mail las. »Wieso will uns der Boss um zehn in einer Besprechung?«

»Keine Ahnung, aber würde mich auch interessieren.«

»Der Einsatz lief doch gut, nicht wahr?«

»Ja, lief er.« Wir schüttelten beide den Kopf und verbrachten die nächste Stunde mit dem Checken unserer Nachrichten. Auch wenn wir nicht viel Papierkram hatten, einiges sammelte sich doch an, gerade, wenn wir neun Tage nicht im Büro gewesen waren.

Um zehn Uhr stapften wir durch diverse Kontrollen, und als wir schließlich den Besprechungsraum betraten, saß unser Chef schon am Tisch. Erwartungsvoll sah er uns entgegen. Etwas ungewöhnlich, aber okay.

»Danke, dass ihr da seid«, begann mein Chef, und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Das klang irgendwie komisch. »Ich muss euch sagen, dass Robert Henley bis auf Weiteres nicht zum Dienst kommen wird.« Allgemeines Raunen ging durch die Reihen, und Andrew und ich sahen uns verwundert an.

»Gestern war doch noch alles okay, als wir nach Hause kamen.«

»Ja, seiner Frau geht es sehr schlecht, er hat darum gebeten, beurlaubt zu werden.«

»Okay, das ist selbstverständlich«, sagte Andrew höflich, der ein absoluter Familienmensch war, egal wie oft er den Macker raushängen ließ.

»Es ist nicht nur das, meine Herren. Seine Frau hat einen Drohbrief erhalten.«

»Was?«, fragte ich laut.

»Ja«, setzte er erneut an und schob uns jeweils eine Akte zu. »Ich möchte, dass ihr beide die Familie im Auge behaltet. Ich trau der Sache nicht.«

»Okay, Boss«, erwiderte Andrew. »Geht klar.«

»Wie soll das ablaufen?«, wollte ich wissen.

»Zuerst ganz locker, ihr schaut ab und an vorbei … besucht einen Kollegen, und ich habe ein Team vor Ort, das das Grundstück im Auge behält.«

»Klingt gut. Müssen wir etwas beachten?«

»Erst einmal nichts. Das wäre dann alles.«

»Alles klar«, murmelte Andrew und stand auf.

Höflich verabschiedeten wir uns voneinander, und mich beschlich ein mulmiges Gefühl. Es kam sehr selten vor, dass ein Familienmitglied eines CSIS-Agents bedroht wurde. Aber es passierte. Offenbar war es wieder einmal so weit.

Genau das war der Grund, weshalb ich keine feste Beziehung haben durfte. Weshalb ich allein bleiben musste.

Ich würde es nicht ertragen, wenn der einzigen Frau auf der Welt, die ich wirklich mochte, etwas passieren würde.

Ich würde es nicht ertragen, wenn Grace etwas zustieße.

3

GRACE »IRGENDWANN BRING ICH IHN UM« TEMBLAY

»Na ja«, erzählte meine beste Freundin am anderen Ende der Leitung, »jedenfalls, so schlimm ist es gar nicht.«

»Oh«, sagte ich lachend, »das beruhigt mich aber.«

»Hey, ich hatte wirklich Panik!«, verteidigte sie sich.

»Wovor genau?«, zog ich sie auf. »Davor, dass dein Mann dich auf Händen trägt? Oder weil du jetzt in einem 280 qm großem Penthouse leben musst? Oder dass du einen Chauffeur hast, der dich zur Uni bringt?« Sie kicherte. »Also bitte vergib mir, wenn ich nicht ganz sicher bin, wovor genau du Panik hattest.«

»Okay. Ich gebe zu, wenn du es so sagst, dann klingt es ein bisschen lächerlich, dass ich Schiss hatte.«

»Na also«, murmelte ich. »Geht doch! Wie läuft es sonst bei euch da drüben in der Stadt, die niemals schläft?«

»War das nicht Vegas?«

»Okay, dann eben Vegas«, lenkte ich ein und verdrehte die Augen über diese unbedeutende Nebensächlichkeit. »Wie geht’s in New York?«

»Es ist hier alles gut. Uni läuft, und jetzt, wo ich weiß, dass Jason definitiv exmatrikuliert wurde, geht es mir besser.«

»Wie geht’s Rod damit?«

Ich hörte meine beste Freundin Ginger hell lachen. »Der dreht halb durch. Malt sich jeden Tag Horrorgeschichten aus.« Es klickte zweimal in der Leitung, sie schien durch die Wohnung zu wandern. »Er ist einfach nicht ganz dicht.«

»Na, er mag dich eben!«

»Er nervt mich eben, meinst du wohl eher … oder ich ihn. Wie auch immer.«

»Muss in der Familie liegen«, murrte ich.

»Was sagst du da?«

»Ach nichts!«

»Nervt mein Bruder?«, fragte sie, und ich warf mich in den grünen, uralten Ohrensessel, der nicht nur so aussah, sondern wirklich aus den Fünfzigern war.

»Du hast ja keine Ahnung!«

»Was macht er denn, der Sack?«

»Er atmet?« Natürlich war es als Frage formuliert, aber ich meinte es schon so, wie ich es gesagt hatte. Hin und wieder wünschte ich ihm tatsächlich den Tod. Das war fies und gemein, aber ich wollte einfach, dass er mich für immer in Ruhe ließ. Und im nächsten Moment? Im nächsten Moment hatte ich das Gefühl, ohne ihn nicht leben zu können.

»Ja, ich kenne dieses Problem«, nuschelte sie, und ich hörte, wie sie die Sprechmuschel abdeckte und ein »Hi Baby«, murmelte.

»Rod ist zuhause?«

»Ja.« Deutlich hörte man das Lächeln aus ihrer Stimme. »Scheiße, hab ich dir je gesagt, wie ich es liebe, wenn er so verschwitzt ist und sich schon im Gehen die Klamotten auszieht!«

»Himmel, Ginger. Lass das!«

»Sorry.«

Stöhnend ließ ich den Kopf gegen das weiche Polster sinken. »Mein Kopfkino läuft. Danke.«

»Du missbrauchst meinen Freund für deine perversen Fantasien? Das ist irgendwie krank.«

»Fick dich, Ginger!«

»Nein, nein, das macht Rod. Aber wieso brauchst du dazu meinen Freund?«, fragte sie. Ich wusste, dass sie mich nur aufzog. »Ich dachte du und Brian, das läuft?«

»Er schläft nicht mit mir!«

»Bitte?«

»Ja!«

»Moment« Sie lachte ihr glockenhelles »Ginger Wohlfühllachen«. »Ich glaube, die Leitung hat gesponnen, ich habe verstanden, dass Brian nicht mit dir ins Bett geht!«

Ich holte tief Luft und seufzte schwer. »Da hast du recht, ja.«

»Himmel«, rief sie. »Wie lange geht ihr schon aus? Zwei? Drei Monate?«

»Neun.«

»Neun, was?«

»Neun Monate!«

»Und er hat nicht versucht, mit dir ins Bett zu gehen?«

»Nein, nicht einmal.«

»Ist der schwul?«

»Er hat mich noch nicht mal richtig geküsst«, ließ ich die nächste Bombe platzen.

»Er ist schwul!«

»Nein!«

»Doch«, sagte sie bestimmt. »Glaub mir, er muss schwul sein, wenn er dich nicht anfassen will.«

»Und was soll ich jetzt tun?«, fragte ich augenrollend, da ich nicht verarscht werden, sondern einen Rat wollte.

»Wir brauchen einen Plan!«, rief sie und etwas leiser. »Baby, ich komme gleich!«

»Was soll ich tun?«

»Na ihn verführen!«

»Was?«

»Ja klar«, nun schrie sie fast ins Telefon. »Lade ihn zu dir ein, koch was Schönes, mach es romantisch und zieh irgendeinen Überwurf an … und darunter« Sie summte dramatische Musik aus Pulp Fiction. »Babäm, eine heiße, fast nackte Grace in Unterwäsche!«

Ich runzelte die Stirn. »Meinst du wirklich?«

»Ich würde drauf abgehen!«, rief Rod aus dem Hintergrund.

Ginger lachte. »Da hörst du’s!«

»Dein Freund ist kein Maßstab.«

»Das hab ich gehört, Fräulein!«, rief er.

»Bin ich auf laut?«, fragte ich entsetzt, und Ginger lachte wieder.

»Himmel, bin ich bescheuert, oder was?«, sagte sie, und ich hörte irgendetwas schmatzen.

»Knutscht ihr nebenbei?«

»Nur bisschen!«, wisperte sie, und ich lachte laut auf. Ich freute mich ja wirklich für die beiden.

»Also du denkst, Abendessen und Unterwäsche zieht?«

Es knackte in der Leitung. »Wenn nicht, Baby, dann schieß ihn ab, weil dann ist er definitiv schwul.«

»Danke, Rod«, rief ich und warf meine Hand in die Luft. »Du hast sicher eine kompetente Meinung dazu.«

»Aber sowas von«, erklärte er. »Muss ich nach Whistler kommen und dem Zahnarzt die Zähne ausschlagen?« Ginger kicherte im Hintergrund.

»Nein, lass gut sein.«

»Ich würde es tun.«

»Ich weiß.« Frustriert seufzte ich. »Sag Ginger, ich ruf am Wochenende wieder an.«

»Wird erledigt.«

»Bye, Hübsche. Und wenn ich ihn prügeln soll, sag’s!«

Ehe ich etwas erwidern konnte, hatte er aufgelegt.

Ich brauchte einen Plan. Einen handfesten, richtig guten Plan. Ginger und Rod hatten recht, irgendwas stimmte nicht mit ihm, wenn er nicht einmal in Erwägung zog, mit mir ins Bett zu gehen oder mich ordentlich und anständig küsste. Ich wollte endlich herausfinden, warum das so war, und das Wochenende bot sich an, aufs Ganze zu gehen.

Ehe ich es mir anders überlegen konnte, schickte ich eine Einladung für kommenden Samstag zu einem Essen bei mir zu Hause an Brian. Bis dahin waren es noch zwei Tage. Ich hatte also genügend Zeit mit zu überlegen, was ich anziehen und kochen würde. Ginger hatte recht, so ging es nicht weiter.

Von meinen Gedanken beschwingt, brühte ich mir einen frischen Kaffee und ließ mich mit meinen Kochbüchern am Küchentisch nieder. Es wäre doch gelacht, wenn ich ihn nicht dazu brächte, mit mir ins Bett zu gehen.

Nun, offenbar war ich keine sonderlich gute Verführerin.

»Es war wirklich vorzüglich, Darling«, sagte Brian gerade und tupfte sich, ganz der Gentleman, der er war, die Mundwinkel ab. Okay, oder machten das eher Frauen? Ich konnte mich nicht entscheiden, wusste aber, dass es offenbar nicht so gut lief. Er hatte alles gegessen, was auf seinem Teller war, aber keinen Nachschlag verlangt. Das passierte bei Gabe nie. Ich hatte Schweinefilet mit Bohnen im Speckmantel, selbst gemachte Röstiecken und Sauce Bernaise gekocht und stellte gerade unsere leeren Teller in die Spüle, als mein Handy auf der Anrichte vibrierte.

17 ungelesene Nachrichten. Wow!

Wenig später sah ich, dass alle Nachrichten von Gabe waren. Nicht sonderlich lang oder informativ, sie waren eher Beweis einer raschen Abfolge seiner »Wutstadien«.

Die erste Nachricht lautete: Was machst du heute?

Die zweite Nachricht war: Du bist zuhause, also was machst du heute?

Danach wurden sie schon forscher und die Abstände kürzer. Es reichte von »melde dich bitte« über »antworte mir verdammt!« Zu »Was macht der Wichser mit dir?« bis »Herrgott, ich komm da rein!«

Brian lächelte mich abwartend an, nahm einen Minischluck von seinem Rotwein und einen größeren aus dem Wasserglas. Er war immer noch bei seinem ersten Glas, obwohl ich den Wein perfekt auf das Carpaccio und den Hauptgang abgestimmt hatte. Es war alles höchst seltsam, die Stimmung war angespannt, und daran änderten auch die sanfte Beleuchtung und die Kerzen nichts, die ich auf dem festlich gedeckten Tisch entzündet hatte. Ich trug ein rotes Wickelkleid mit langen Ärmeln, züchtigem Ausschnitt, der erst aufklaffen würde, wenn ich die beiden Schnüre löste, und dazu im selben Ton High Heels. Damit fühlte ich mich nicht overdressed, da Brian wie immer im weißen Hemd und schwarzer Anzughose aufgetaucht war und mich jetzt unsicher ansah. Fast, als hätte er Angst vor mir.

»Du bist eine fantastische Köchin, Grace.«

»Vielen Dank«, erwiderte ich, und füllte Kaffeepulver in den altmodischen Espressokocher. »Kaffee?«

»Nein danke!«, sagte er, und ich versuchte, ein Augenrollen zu unterdrücken.

»Kannst du ansonsten in der Nacht nicht mehr schlafen?« Das war nämlich genau das, was ich erreichen wollte. Exakt die Richtung, in die es gehen sollte.

»Richtig. Und ich muss morgen früh raus.«

Kurz stockte ich in meiner Bewegung, ließ mir aber ansonsten nichts anmerken. »Du bleibst doch noch zum Nachtisch!«

»Aber natürlich«, rief er, und ich lächelte. Mein Handy blinkte wieder.

»Ich weiß, du liest die Nachrichten, also melde dich verdammt noch mal!«

Augenrollend drehte ich mich zu Brian um, ignorierte die Nachricht und ging zu ihm hinüber.

Wir aßen fast schweigend unseren Apple-Crumble mit selbst gemachtem Vanilleeis, und ich fragte mich ernsthaft, was das hier sollte. Ich meine, immerhin war er so etwas wie mein Freund, und ich sollte mich mit ihm unterhalten können … ich sollte ihn küssen und Sex mit ihm haben können.

Ihm hing ein Krümel von den Butterstreuseln im Mundwinkel, es hieß jetzt oder nie. Ruckartig stand ich auf und umrundete den Tisch. Brian bemerkte mich erst, als ich neben ihm stand. Mein Handy vibrierte nun in Dauerton, und ich ignorierte es weiterhin. Gabe würde mir nicht meine einzige echte Chance auf Sex versauen, weil er mal ein paar Stunden nichts von mir gehört hatte. Sicherlich nicht.

Der schöne Mann hob den Kopf und riss die Augen auf, als ich energisch seinen Stuhl zurückschob, gerade so viel Platz schuf, dass ich mich rittlings auf seinen Schoß setzen konnte, und mein üppiger Hintern an der Tischkante vorbei kam. Brian lief rot an, schluckte schwer und sah zu mir auf. Sein Gesicht war so wunderschön, wie gemeißelt. Keine einzige Falte, nicht eine Bartstoppel war zu sehen und die Haut war gleichmäßig gebräunt, als würde er ins Solarium gehen. Den Gedanken, dass das hoffentlich, medizinische Gründe, statt Er-ist-schwul-Gründe hatte, schob ich zur Seite und legte ihm die von dem Seidenstoff verhüllten Arme um den Nacken. Brian saß stocksteif auf seinem Stuhl. Jeder verdammte Muskel war angespannt, außer … der, der nötig für weitere Aktivitäten gewesen wäre.

»Ähm«, begann er und biss sich unsicher auf die Unterlippe. »Was tust du da?«

Er fragte mich das ernsthaft? Wirklich? Na bravo! »Nach was sieht es denn aus?«, versuchte ich ihn anzuflirten und ließ meine Stimme rauchig klingen. Es brachte nichts und hörte sich in meinen Ohren eher an, wie eine versoffene Braut, die die ganze Nacht geschrien hat.

»Ich weiß nicht … aber … muss das sein?«

Was? Innerlich verdrehte ich die Augen, war aber noch nicht gewillt, aufzugeben.

»Ich dachte mir … wir könnten uns küssen?«

»Küssen?«, wiederholte er entsetzt und schob den Stuhl noch weiter zurück. Ich krallte mich in seine Schultern, andernfalls wäre ich auf dem Boden gelandet. »Entschuldige bitte, aber ich muss jetzt los!« Bestimmend schob er mich von sich, zwang mich so auf meinen eigenen Füßen zu stehen, und ehe ich mich versehen konnte, war er davon gerauscht und abgedampft. Ich ging ihm noch zur Haustür hinterher, aber alles, was ich sehen konnte, war, wie er in seinen Maserati einstieg, den Rückwärtsgang einlegte und davon brauste. Er schaute mich nicht an, er winkte mir nicht und …

»Heilige scheiße«, murmelte ich, als ich die Haustür schloss und zurück in die Küche ging. »Was zur Hölle war das?«

»Oh, das kann ich dir sagen!«

Erschrocken fuhr ich zusammen und verdrehte dann die Augen. »Was willst du hier?«

»Du hast mich ignoriert.«

»Hatte seinen Grund!«

»Den, der eben abgedampft ist?«

»Fick dich, Gabriel Myers!«

»Würdest du mit gespreizten Beinen auf meinem Schoß sitzen, würde ich viel tun, aber nicht abdampfen.«

»Interessiert niemanden.«

Unbeeindruckt fuhr er fort. »Ich würde zum Beispiel dafür sorgen, dass du neues Geschirr brauchst, weil ich den Tisch leer geräumt hätte.«

»Bestimmt«, murmelte ich sarkastisch und trug unsere nur zur Hälfte leergegessenen Teller zur Spüle.

»Und dann hätte ich dir gezeigt, was für eine tolle Frau du bist!« Plötzlich stand er neben mir. »Wieso gehst du mit so einem Idioten aus?«

Das Geschirr fiel mir aus der Hand, landete klirrend am Boden, und ich holte zittrig Luft. Gabe Myers war nicht in der Position, hier irgendetwas infrage zu stellen.

»Gabe«, begann ich und versuchte meine Stimme genervt klingen zu lassen. Es gelang mir nur teilweise. »Was willst du hier?«

»Du hast nicht geantwortet«, erklärte er, und sein Duft nach Meer und Wald und Mann kroch mir in die Nase. »Da musste ich einfach nach dir sehen.«

»Ich war zuhause, verdammt!«

»Ich weiß.«

Entsetzt über dieses leise, aber ehrliche Geständnis drehte ich mich um und erkannte, wie nah er mir war. Zwischen seiner Brust und meiner war gerade mal eine Handbreit Platz. Das einfache Longsleeve, die Kette, die herausblitzte und die gebräunte Haut nahmen mich gefangen. Es war zwar schon eine lange, wirklich lange Zeit her, dass ich diese weiche Haut unter meinen Fingerspitzen hatte fühlen dürfen, aber ich erinnerte mich an jeden verdammten Zentimeter, an das Prickeln meiner Fingerkuppen … ich erinnerte mich an alles. Herrgott, das war normal für das erste Mal.

Oder?

Benommen nahm ich den Blick von seinem Schlüsselbein sowie der Halspartie und sah ihm in die blauen Augen.

»Woher wusstest du, dass ich zu Hause war?«

Ein schiefes, träges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, und er zuckte leicht mit den Schultern. »Na ja«, raunte er tief, seine Stimme traf mich direkt im Magen, bündelte sich und schoss wie ein verdammter Blitz in meine Vagina. Ich wurde feucht. Natürlich wurde ich feucht, denn das passierte mir ständig, wenn er da war. Verfluchter Mist! Konzentriere dich aufs Wesentliche, wies ich mich zurecht.

»Ich war im Garten«, sagte er locker.

»Was?«, entfuhr es mir entsetzt, und er verdrehte die Augen.

»Tu nicht so, als wäre das ein Riesending!«

»Gabe«, blaffte ich wieder mit dieser »Ich erkläre dir, wie die Welt funktioniert«-Stimme. »Wenn du dich in meinen Garten schleichst und durch die Fenster in mein Haus siehst, ist das ein Riesending!«

»Einspruch!«, rief er, und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Was bewirkte, dass ich an meinen Unterarmen die Wärme seines Körpers fühlen konnte. Der Bastard hatte nämlich absolut nicht vor, zumindest ein wenig Abstand zu nehmen. »Woher willst du wissen, dass ich durch die Fenster geschaut habe!«

»Oh bitte!«, rief ich.

»Okay.«

»Na also!« Murrend schob ich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. »Du kannst dich nicht nachts in meinen Garten schleichen, durch die Fenster schauen und hoffen zu sehen, was ich gerade mache. Das läuft nicht, das ist nicht normal!«

»Ach nein? Ist es nicht?«

»Nein!« Herausfordernd sahen wir uns in die Augen.

»Ich mache das doch ständig.«

»Ja, tust du …«

»Siehst du!«, unterbrach er mich triumphierend, als würde das die Sache besser machen.

»Gabe!«, rief ich wieder und warf die Hände in die Luft. Dabei streiften meine Handrücken über seine Brust. Scheiße, das fühlte sich alles verdammt nach Muskeln an. »Das macht es nicht besser!« Ich betonte jede Silbe, damit er erkannte, wie krank das alles war. »Das, was hier läuft – seit Jahren hier läuft –, ist nicht normal!«

Er stieß einen spöttischen Laut aus und verzog sein schönes, maskulines Gesicht zu einer Grimasse. »Ach, aber es ist normal, seit neun Monaten und drei Tagen jemanden zu daten und ihn noch nicht mal richtig geküsst zu haben?«

Ich schnaubte. »Oder mit ihm im Bett gewesen zu sein.« Seine ruhige Tonlage machte mich wahnsinnig. Es wäre so viel leichter gewesen, ihm etwas entgegenzusetzen, wenn er nicht so verdammt gelassen mit mir gesprochen hätte.

»Ach was weißt du schon?«, verteidigte ich mich und meine strange Beziehung zu Brian. »Du hast noch nie die Nacht mit einer Frau verbracht, um am nächsten Morgen mit ihr zu frühstücken!«

»Woher weißt du das?«

»Du denkst wohl, du bist der Einzige, der weiß, wie man Dinge rausfindet, mh?«

»Du interessierst dich für mich?« Er lächelte so zuckersüß und gleichzeitig sinnlich einnehmend, dass ich wieder damit zu kämpfen hatte, nicht auf der Stelle zu kommen. Es war einfach viel zu lange her, verdammt!

»Ach fick dich«, murmelte ich und fühlte plötzlich, wie seine raue Hand sich in meinen Nacken legte, mich ruckartig an ihn zog und er seinen Mund auf meinen presste. Kurz war ich stocksteif. Nicht, weil ich es nicht wollte, wie ich mir eingestehen musste, sondern, weil ich überrascht war. Seine Lippen waren weich und warm und bewegten sich mit einer selbstverständlichen Sinnlichkeit über meine, dass ich sie automatisch einen Spalt öffnete, um seine Zunge in meinen Mund zu lassen. Gabe nutzte die Gelegenheit und erforschte mich. Er stöhnte rau, festigte seinen Griff und legte die Fingerspitzen der anderen Hand an meine Wange und meinen Kiefer. Ich schmiegte mich an ihn, griff mit meinen Händen nach dem V-Ausschnitt seines Shirts und krallte mich darin fest. Unsere Zungen kämpften miteinander, fochten stumm unseren Streit weiter, und ich genoss dieses leidenschaftliche Spiel. Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich nur durch seine Berührung noch erregter werden konnte. Meine Oberschenkel rieben aneinander, ich versuchte so, mir Linderung zu verschaffen. Der Kuss dauerte ewig, der Geruch von Sex, obwohl keiner stattgefunden hatte, lag in der Luft, und Gabe biss mir leicht in die Unterlippe, ehe er lindernd mit seiner Zunge darüber fuhr.

»Oh Gott, Grace …«, wisperte er, als er schließlich von mir abließ und seine Stirn an meine legte. Wir atmeten tief und schwer. Das drückende Gefühl nach mehr ließ mich fast in die Knie gehen.

»Heilige Scheiße …«

Gabe lachte in Anbetracht meiner Worte leise und küsste mich noch einmal – jetzt fast keusch – auf den Mund. »Siehst du?«, fragte er immer noch so leise, dass ich mich konzentrieren musste, um ihn zu verstehen. »So behandelt man eine Frau!«

Ich wollte etwas Witziges entgegensetzen, aber ehe ich mich auch nur sammeln, wieder festen Halt unter meinen Füßen fühlen konnte, löste er sich von mir und verließ mein Haus auf demselben Weg, durch den er es betreten hatte.

Das Küchenfenster.

Wie in Trance lehnte ich an der Arbeitsplatte vor der Spüle und befühlte meine Lippen. Was war hier gerade passiert? Das durfte doch nicht wahr sein! Wie konnte … Teufel noch mal … was war das?

Zitternd holte ich tief Luft und zwang mich, den Kuss nicht zu analysieren, meine Gefühle zu unterdrücken und um nichts in der Welt diese Leidenschaft mit Brians keuschen Küssen zu vergleichen.

Denn waren wir einmal ehrlich: Brians sexuelle Anziehung auf mich spielte nicht in derselben Liga, wie die Gefühle, die Gabe in mir auszulösen vermochte.

Ich konnte mich nicht schuldig fühlen, nicht einmal ein bisschen, denn dafür hatte ich den Kuss viel zu sehr genossen.

Gabriel Myers hatte es wieder einmal geschafft, mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen, mich jeden Halts zu berauben. Mich vergessen zu lassen, wer ich war und dafür zu sorgen, dass ich Schwierigkeiten hatte, mich selbst zu finden.

4

GABRIEL »HEILIGE SCHEISSE« MYERS

Gleichmäßig prasselte das kühle Wasser auf meine Haut und ich versuchte, mich davon beruhigen zu lassen. Doch nichts wollte mein aufgeheiztes Blut abkühlen. Nichts, nicht einmal die Tatsache, dass ich mir gerade zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde einen runterholte. Mit dem Bild vor Augen, wie sie mit gespreizten Beinen auf meinem Schoß saß. Verlangend, ihr Becken vor und zurück kippend, weil sie versuchte, sich an mir und meiner Jeans Erleichterung zu verschaffen. Ich meine, es war eine Tatsache, dass Grace scharf wie die Hölle war, egal, ob aufgetakelt wie heute Abend oder wie einige Nächte zuvor abgeschminkt in ihrem Bett liegend. Sie war einfach immer ein verdammter feuchter Traum. Und dass dieser Wichser von Brian das nicht erkannte, störte mich ehrlich gesagt nicht im Geringsten. Klar tat ihr das weh, und das wiederum tat mir weh, aber wenn er nicht bemerkte, was für einen Diamant er vor sich hatte, würde die Sache früher oder später Geschichte sein. Je früher dieser Fall eintreten würde, desto besser für mich. Ich würde sie als »mein« markieren, jedem Kerl zeigen, dass sie nicht zu haben war und dass sie sich gefälligst verpissen sollten. Dass sie nur für mich so sexy aussah, und wer auch immer nur seinen Blick auf sie legte – von einem Finger auf ihre Haut ganz zu schweigen –, dem würde ich entweder das eine auskratzen oder das andere brechen.

Schmerzhaft.

Sehr schmerzhaft.

Mit Nachdruck.

Sie würde dann gesättigt in meinen Armen liegen, ihre helle Haut an meine schmiegen und mich mit ihrem Geruch nach Lust in den Wahnsinn treiben. Ihre Lippen wären vom Küssen geschwollen und ihre Nippel immer noch steif an meiner Brust. Oh ja, sie würde absolut und zu hundert Prozent befriedigt neben mir liegen.

Diese Fantasie, nicht nur das Sexuelle daran, sondern der Gedanke, dass sie mein war, ließ mich das zweite Mal kommen.

Schwer atmend, mit meinem erschlaffenden Schwanz in der Hand, stand ich in meiner riesigen Dusche und bereute, dass ich noch nie mit ihr zusammen darunter gestanden hatte. Das Schicksal hatte mir schon einmal eine Chance gegeben, mit ihr zusammen zu sein, und ich hatte sie damals in meinem jugendlichen Leichtsinn nicht wahrgenommen, ja, war sogar fast vor ihr geflohen.

Es war doch so: Nach der Highschool hatte ich aus diesem Kaff einfach nur weggewollt. Nur noch weg und etwas von der Welt sehen. Etwas erreichen und für mein Land einstehen. Also war ich zur Royal Canadian Airforce gegangen und hatte mich dort für zehn Jahre verpflichtet. Nach meiner Grundausbildung in Toronto war ich nur selten nach Hause gekommen und dankbar dafür gewesen, denn nach einiger Zeit hatte ich durch die Briefe meiner Mutter mitbekommen, dass Grace einen neuen Freund hatte und Ginger immer noch mit diesem Schwachmaten Jason zusammen war.

---ENDE DER LESEPROBE---