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Wie der Autor Algernon Blackwood ersann Hodgson einen Detektiv (Carnacki), der sich in mehreren Erzählungen mit übersinnlichen Erscheinungen auseinanderzusetzen hatte. Dabei führte er offensichtlich übernatürliche Phänomene auf natürliche Ursachen zurück. Acht dieser Erzählungen wurden zwischen 1910 und 1912 in Magazinen veröffentlicht. Zwei davon wurden 1910 zusammen mit einem Gedicht als Taschenbuch publiziert, sechs erschienen 1913 als Band Carnacki, The Ghost Finder.
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Seitenzahl: 372
Herausgeber
Erik Schreiber
Übersinnliche Detektive 9
William Hope Hodgson
Carnaci - Geisterdetektiv
Saphir im Stahl
Übersinnliche Detektive 9
e-book 250
William Hope Hodgson - Carnaci - Geisterdetektiv
Erstveröffentlichung: Carnacki: Ghostfinder (1918)
Deutsche Erstausgabe: 01.07.2024
© Verlag Saphir im Stahl
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Simon Faulhaber
Lektorat: Peter Heller
Übersetzung: Tanya Bröse-Kronz
Vertrieb: neobooks
Herausgeber
Erik Schreiber
Übersinnliche Detektive 9
William Hope Hodgson
Carnaci - Geisterdetektiv
Saphir im Stahl
Inhaltsverzeichnis
Das Monstertor
the gateway of the monster
Das Haus zwischen den Lorbeersträuchern
the house among the laurels
Der pfeifende Raum
the whistling room
Das Pferd des Unsichtbaren
the horse of the invisible
Der Suchende des letzten Hauses
the searcher of the end house
Das unsichtbare Ding
the thing invisible
Geisterschiff Jarvee
the haunted jarvee
Der Eber
the hog
Der Fund
the find
Das Monstertor
Als Antwort auf eine der für Carnacki üblichen Einladungskarten zum Abendessen und Geschichtenerzählen kam ich pünktlich im Cheyne Walk 427 an und musste herausfinden, dass die drei anderen, die immer zu diesen kleinen hübschen Events eingeladen wurden, schon vor Ort waren. Fünf Minuten später kamen Carnacki, Arkright, Jessop, Taylor und ich der ‚erfreulichen Pflicht‘ des Speisens nach.
„Dieses Mal waren Sie nicht lange unterwegs“, bemerkte ich, als ich mit der Suppe fertig war, für einen Moment vergessend, dass Carnacki es überhaupt nicht mochte, wenn man ihn auch nur ansatzweise auf seine Geschichte ansprach, bevor er dazu bereit war. Aber dann würde er nicht mit Worten sparen.
„Das ist so“, antwortete er kurz angebunden. Ich wechselte das Thema, indem ich von meiner kürzlich gekauften Pistole berichtete. Auf diese Neuigkeit nickte er wohlwollend und zeigte ein Lächeln, das ich als eine gut gelaunte Würdigung meines absichtlichen Themenwechsels deutete.
Später, als das Abendessen beendet war, machte es sich Carnacki in seinem großen Sessel mit seiner Pfeife bequem und begann ohne große Umschweife mit seiner Geschichte:
„Wie Dodgson eben schon bemerkte, war ich nur kurze Zeit auf Reisen, und das aus gutem Grund – ich war nämlich auch nicht weit gereist. Ich fürchte, den genauen Ort darf ich Ihnen nicht mitteilen. Aber er ist weniger als zwanzig Minuten von hier entfernt. Jedoch, abgesehen von einer Namensänderung, hat das keinen Einfluss auf die Geschichte. Und es ist wahrlich eine Geschichte! Eine der außergewöhnlichsten Sachen, in die ich je hineingeraten bin.
Vor vierzehn Tagen erreichte mich ein Brief von einem Mann, ich nenne ihn hier Anderson, in dem er mich um ein Treffen bat. Wir vereinbarten einen Termin, bei dem er mich bat, in einem schon lange bestehenden und beglaubigten – zu stark beglaubigten – Fall von, wie er es nannte, Spuk zu ermitteln. Er gab mir sehr genaue Einzelheiten und schließlich schien mir der Fall etwas Einzigartiges darzustellen, also nahm ich ihn an.
Zwei Tage später am späten Nachmittag fuhr ich zu dem besagten Haus. Es war ein sehr altes Gebäude, das ganz für sich allein stand. Anderson hatte dem Butler einen Brief zurückgelassen, in dem er sich für seine Abwesenheit entschuldigte und mir das gesamte Haus für meine Ermittlung zur Verfügung stellte. Der Butler wusste offensichtlich über den Grund meines Besuches Bescheid und ich befragte ihn äußerst gründlich während des Abendessens, dass ich recht einsam einnahm. Er war ein alter und privilegierter Diener und kannte die Geschichte des Grauen Zimmers im Detail. Von ihm erfuhr ich mehr Einzelheiten über zwei Dinge, die Anderson eher beiläufig erwähnt hatte. Das Erste war, dass man hören konnte, wie die Tür zum Grauen Zimmer sich mitten in der Nacht öffnete und dann heftig zuschlug, und das, obwohl der Butler genau wusste, dass sie abgeschlossen und der Schlüssel am Bund in seiner Hosentasche war. Das Zweite war, dass jedes Mal die Bettwäsche abgezogen worden war und zu einem Haufen in der Ecke zusammengeknüllt lag.
Aber es war das Zuschlagen der Tür, das dem alten Butler vor allem Sorgen machte. Viele Male, erzählte er mir, hatte er vor Angst zitternd wach gelegen und gelauscht. Denn manchmal wurde die Tür immer wieder zugeschlagen – Bums! Bums! Bums! – sodass Schlaf unmöglich war.
Ich wusste schon von Anderson, dass der Raum eine Geschichte hatte, die über hundertfünfzig Jahre zurückreichte. Drei Leute waren darin erwürgt worden – ein Vorfahre von ihm und dessen Frau und Kind. Sie können sich also vorstellen, dass ich das Gefühl hatte, in einem bemerkenswerten Fall zu ermitteln, als ich nach dem Abendessen nach oben ging, um einen Blick in das Graue Zimmer zu werfen.
Peter, der alte Butler, regte sich furchtbar auf, dass ich in das Zimmer ging, und versicherte mir eindrücklich, dass in den ganzen zwanzig Jahren, in denen er dort diente, niemand den Raum nach Sonnenuntergang betreten hätte. Er bat mich in fast väterlicher Sorge, bis zum Morgen zu warten, wenn es keine Gefahr mehr gab, und dass er mich dann selbst begleiten würde.
Natürlich lächelte ich ihn an und sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen. Ich erklärte ihm, dass ich nicht mehr tun würde, als mich ein bisschen umzusehen und vielleicht ein paar Siegel anzubringen. Er bräuchte sich nicht zu fürchten. Ich war solche Dinge gewöhnt. Aber er schüttelte den Kopf, als ich das sagte.
„Es gibt nicht viele Geister wie den unsrigen, Sir“, versicherte er mir mit traurigem Stolz. Und Jesus, er hatte recht, wie Sie sehen werden.
Ich nahm ein paar Kerzen und Peter folgte mir mit seinem Schlüsselbund. Er schloss die Tür auf und bat mich erneut, meine Untersuchung zu verschieben, bis wir Tageslicht hätten. Ich natürlich lachte ihn aus und sagte ihm, er könnte vor der Tür Wache halten und alles fangen, was hinauswollte.
„Er kommt niemals hinaus“, sagte er in seiner lustigen und zugleich ernsten Art. Irgendwie schaffte er es, dass ich mich fühlte, als ob ich den Schrecken direkt vor mir hätte. Auf jeden Fall war es einer für ihn, wissen Sie.
Ich ließ ihn dort zurück und untersuchte den Raum. Es war ein großes Zimmer in einem großartigen Stil eingerichtet, mit einem Bett mit vier Pfosten, dessen Kopfende zur gegenüberliegenden Wand zeigte. Es standen zwei Kerzen auf dem Kaminsims und zwei auf jedem der drei Tische, die es in dem Raum gab. Ich zündete sie alle an und danach fühlte sich der Raum schon weniger unmenschlich düster an. Obwohl, bedenken Sie, er war in jeder Weise gut gepflegt.
Nachdem ich mich gründlich umgeschaut hatte, brachte ich Bänder als Siegel an, quer über die Fenster, entlang der Wände, über den Gemälden, über dem Kamin und den Wandschränken. Die ganze Zeit, während ich arbeitete, stand der Butler direkt vor der Tür und ich konnte ihn nicht überreden, einzutreten, obwohl ich ein wenig mit ihm scherzte, während ich die Siegel befestigte und von hier nach dort ging, um meine Arbeit zu erledigen. Hin und wieder sagte er: „Entschuldigen Sie, Sir, aber ich wünschte, Sie kämen wieder raus, Sir. Ich fürchte um Sie.“
Ich sagte ihm, er müsse nicht warten. Aber er hielt es für seine Pflicht. Er sagte, er könne nicht gehen und mich ganz allein dort zurücklassen. Er entschuldigte sich, aber machte deutlich, dass ich die Gefahr, die von diesem Zimmer ausging, unterschätzte. Und ich konnte sehen, dass er sich ernsthaft fürchtete. Dennoch musste ich den Raum so präparieren, dass ich es bemerken würde, wenn etwas Materielles ihn betrat. Also bat ich ihn, mich nicht zu stören, bis er wirklich etwas sah oder hörte. Er begann mir auf die Nerven zu gehen und die Ausstrahlung des Raumes war übel genug, ohne dass man sie noch unangenehmer machte.
Später spannte ich dann noch Bänder über den Boden, sodass sie beim geringsten Kontakt zerrissen wären, sollte jemand es wagen, des Nachts den Raum zu betreten, um sich einen Spaß zu machen. Das alles hatte mich viel mehr Zeit gekostet, als ich geplant hatte, und plötzlich hörte ich die Uhr elf schlagen. Ich hatte mein Jackett kurz nach Beginn der Arbeit abgelegt. Jetzt, als ich praktisch alles erledigt hatte, ging ich zur Garderobe und nahm es wieder an mich. Ich war gerade dabei, es überzuziehen, als ich Peters Stimme (er hatte seit der letzten Stunde kein Wort mehr gesagt) furchterfüllt hörte: „Kommen Sie raus, Sir, schnell! Es ist etwas im Gange!“ Jesus! Aber ich sprang auf und im selben Moment ging eine Kerze auf dem Tisch zu meiner Linken aus. Ob es der Wind war oder etwas anderes, weiß ich nicht. Aber für einen kurzen Moment war ich erschrocken genug, um zur Tür zu eilen, obwohl ich sagen muss, ich war froh, dass ich mich gefangen hatte, bevor ich sie erreichte. Ich konnte einfach nicht kneifen, solange der Butler dastand, dem ich gerade erst was von Tapferkeit erzählt hatte. So drehte ich mich wieder um, nahm die beiden Kerzen vom Kaminsims und ging hinüber zum Nachttisch. Nun – ich sah nichts. Ich blies die Kerze dort aus, die immer noch brannte, dann ging ich zu jenen auf den beiden Tischen und löschte sie ebenfalls. Dann rief der alte Mann vor der Tür wieder: „Oh! Sir, ich habe es Ihnen gesagt! Ich habe es Ihnen gesagt!“
„In Ordnung, Peter“, sagte ich und bei Jesus, meine Stimme war nicht so sicher, wie ich es mir gewünscht hätte! Ich ging zur Tür und musste mich dabei zwingen, nicht zu rennen. Es brauchte ein paar lange Schritte, wie Sie sich denken können. Nahe an der Tür hatte ich das plötzliche Gefühl, dass ein kalter Wind durch den Raum wehte. Es war fast, als wenn jemand das Fenster ein wenig geöffnet hätte. Ich erreichte die Tür und der alte Butler trat instinktiv einen Schritt zurück. „Nehmen Sie die Kerzen, Peter!“, sagte ich recht scharf und drückte sie ihm in die Hand. Ich drehte mich rum, fasste den Türgriff und schlug die Tür mit einem Krachen zu. Wissen Sie, als ich das tat, hatte ich irgendwie das Gefühl, das etwas sie zurückzog. Aber das musste Einbildung gewesen sein. Ich drehte den Schlüssel im Schoss und dann nochmal, sodass die Tür doppelt abgeschlossen war. Ich fühlte mich erleichtert und versiegelte die Tür. Zusätzlich befestigte ich meine Visitenkarte über dem Schlüsselloch. Anschließend steckte ich den Schlüssel in die Tasche und ging nach unten. Peter ging still, aber nervös voraus. Armer alter Kerl! Mir wurde erst in diesem Moment klar, dass er während der letzten zwei oder drei Stunden einem bemerkenswerten Stress ausgesetzt gewesen war.
Gegen Mitternacht ging ich zu Bett. Mein Raum lag am Ende des Ganges, zu dem die Türen des Grauen Zimmers führten. Ich zählte die Türen zwischen diesem und meinem. Es lagen fünf Zimmer dazwischen. Und ich bin sicher, Sie verstehen, dass ich nicht böse darüber war. Dann, gerade als ich begann, mich auszuziehen, kam mir eine Idee. Ich nahm eine Kerze und Siegelwachs und versiegelte die Türen von allen fünf Zimmern. Wenn diese Nacht irgendeine Tür schlug, wollte ich wissen, welche es war.
Ich kehrte zu meinem Zimmer zurück, verschloss die Tür und ging zu Bett.
Ich wurde von einem plötzlichen lauten Schlag draußen im Gang aus dem Tiefschlaf gerissen, setzte mich im Bett auf und lauschte, aber hörte nichts. Ich zündete meine Kerze an. Ich war gerade dabei, als der Klang einer Tür, die gewaltsam zugeschlagen wurde, über den Flur tönte. Ich sprang aus dem Bett und griff nach meinem Revolver. Ich schloss die Tür auf und ging in den Flur, die Kerze hochhaltend und die Pistole bereit. Dann passierte etwas Seltsames. Ich konnte keinen Schritt in Richtung des Grauen Zimmers machen. Sie alle wissen, dass ich wahrlich kein Feigling bin. Ich habe mich mit zu vielen Fällen beschäftigt, die mit Geistern zu tun hatten, um dessen beschuldigt zu werden. Aber ich sage Ihnen, ich hatte richtig Bammel, einfach Bammel wie ein kleines Kind. Es lag etwas Unheiliges in der Luft in dieser Nacht. Ich rannte zurück in mein Schlafzimmer und verschloss die Tür. Dann saß ich die ganze Nacht auf meinem Bett und lauschte dem düsteren Schlagen einer Tür auf dem Korridor. Der Klang schien durch das ganze Haus zu dröhnen.
Endlich wurde es hell und ich zog mich an. Die Tür war schon seit etwa einer Stunde nicht mehr zugeschlagen worden und ich beruhigte mich wieder. Ich schämte mich für mich selbst. Obwohl es in gewisser Weise albern war, denn wenn man es mit dieser Art Dinge zu tun hat, kommt es vor, dass man die Nerven verliert. Und man kann nur still dasitzen und sich selbst einen Feigling schimpfen, bis es wieder hell ist. Ich bilde mir ein, dass es manchmal noch etwas Anderes als Feigheit ist. Ich glaube, manchmal möchte dich etwas warnen und kämpft für dich. Aber nichtsdestotrotz fühle ich mich schlecht nach solchen Momenten.
Als der Tag angebrochen war, öffnete ich die Tür und ging mit meinem Revolver in der Hand langsam den Flur hinunter. Ich musste dabei am Treppenabgang vorbei und sah niemand anderen als den Butler hinaufkommen, der eine Tasse Kaffee brachte. Er hatte sein Nachthemd notdürftig in seine Hose gesteckt und ein Paar alte Filzschlappen an.
„Hallo Peter“, sagte ich, plötzlich gut gelaunt. Denn ich freute mich wie ein verlorenes Kind, ein lebendes Wesen in meiner Nähe zu haben. „Wo möchten Sie mit der Erfrischung hin?“
Der alte Mann stutzte und verschüttete etwas vom Kaffee. Er starrte hinauf zu mir und ich konnte sehen, dass er blass und abgekämpft aussah. Er kam die Stufen hinauf und hielt mir das kleine Tablett entgegen. „Ich bin äußerst dankbar, Sir, Sie wohlauf zu sehen“, sagte er. „Ich fürchtete, Sie würden noch einmal in das Graue Zimmer gehen, Sir. Ich habe die ganze Nacht wach gelegen, wegen des Krachs von der Tür. Und als es hell wurde, dachte ich, ich sollte Ihnen einen Kaffee bereiten. Ich wusste, Sie würden die Siegel überprüfen wollen, und irgendwie erscheint es mir sicherer, wenn wir zu zweit sind, Sir.“
„Peter“, sagte ich, „Sie sind ein Schatz. Das ist sehr aufmerksam von Ihnen.“ Dann trank ich den Kaffee. „Kommen Sie“, forderte ich ihn auf und reichte ihm das Tablett zurück. „Ich werde nachsehen, was die Randalierer angerichtet haben. Ich hatte die Nacht einfach nicht den Mut dazu.“
„Ich bin sehr dankbar, Sir“, antwortete er. „Fleisch und Blut können nichts gegen den Teufel ausrichten, Sir. Und der ist es, der nach Anbruch der Dunkelheit in dem Grauen Zimmer haust.“
Ich untersuchte die Siegel aller Türen und fand sie unversehrt vor. Aber als wir zum Grauen Zimmer gelangten, war das Siegel gebrochen, obwohl die Visitenkarte über dem Schlüsselloch unangerührt war. Ich riss sie ab, sperrte die Tür auf und ging hinein. Sehr vorsichtig, wie Sie sich vorstellen können. Aber im ganzen Raum befand sich nichts, vor dem man sich hätte fürchten müssen, und es gab viel Licht. Ich untersuchte meine sämtlichen Siegel und nicht eins war zerstört. Der alte Butler war mir hineingefolgt und rief plötzlich aus: „Sir, die Bettwäsche!“
Ich rannte zum Bett und sah mich um. Und da lag sie, etwas in der Ecke links vom Bett. Jesus! Sie können sich denken, wie seltsam ich mich fühlte. Etwas war in dem Raum gewesen. Ich starrte eine Weile auf das Bett und auf die Wäsche auf dem Boden. Ich hatte das Gefühl, dass ich beides nicht berühren sollte. Der alte Peter jedoch schien nichts zu spüren. Er ging zu der Bettwäsche und wollte sie aufheben, wie er es ohne Zweifel all diese zwanzig Jahre jeden Tag getan hatte. Aber ich hielt ihn auf. Ich wollte alles unberührt haben, bis ich meine Untersuchung beendet hatte. Dafür brauchte ich eine ganze Stunde oder auch mehr und erst dann ließ ich Peter das Bett machen. Als wir gingen, schloss ich die Tür wieder ab, denn der Raum zehrte langsam an meinen Nerven.
Nach einem kurzen Spaziergang frühstückte ich. Danach fühlte ich mich besser und so kehrte ich in das Graue Zimmer zurück. Mit Peters Hilfe und der eines der Dienstmädchen entfernte ich alles – sogar die Gemälde – aus dem Raum außer dem Bett. Ich untersuchte Wände, Fußboden und Zimmerdecke mit Hammer und Lupe. Aber ich fand nichts Verdächtiges. Und ich kann Ihnen versichern, ich begann zu verstehen, dass tatsächlich etwas Unglaubliches in der Nacht in diesem Zimmer los gewesen war. Wiederum versiegelte ich alles und ging hinaus. Ich verschloss und versiegelte die Tür wie zuvor.
Nach dem Abendessen packten Peter und ich etwas von meinen Utensilien aus und ich stellte eine Kamera mit Blitz gegenüber der Tür zum Grauen Zimmer auf. Den Auslöser verband ich mit einem Bindfaden mit der Tür. So würde der Blitz auslösen, wenn jemand die Tür öffnete, und ich hätte am Morgen möglicherweise ein sehr seltsames Foto zum Auswerten.
Das Letzte, was ich tat, bevor ich zu Bett ging, war, die Kappe von der Linse zu nehmen. Ich wollte um Mitternacht wach sein, also stellte ich mir meinen kleinen Wecker. Außerdem ließ ich die Kerze brennen.
Der Alarm weckte mich um zwölf. Ich stand auf und zog den Bademantel und die Schlappen an. Ich schob den Revolver in die rechte Seitentasche, öffnete meine Zimmertür und machte meine Öllampe an. Ich trug sie den Flur entlang, etwa 30 Fuß, und stellte sie auf den Boden, mit der geöffneten Seite von mir weg, sodass sie mir alles zeigen würde, was mir aus dem Flur entgegenkam. Dann ging ich zurück und setzte mich auf die Türschwelle von meinem Zimmer, den Revolver in der Hand, und starrte in den Flur zu der Stelle, wo ich die Kamera aufgebaut hatte.
Ich denke, ich hatte etwa anderthalb Stunden so gewartet, als ich plötzlich ein leises Geräusch von weiter weg im Korridor hörte. Ich wurde mir augenblicklich des seltsamen Gefühls bewusst und meine Hände begannen leicht zu schwitzen. Im nächsten Moment leuchtete das gesamte andere Ende des Flurs im Blitzlicht auf. Es folgte totale Dunkelheit und ich starrte nervös in den Flur, angespannt lauschend, und versuchte herauszufinden, was dort im dumpfen Glühen meiner Lampe lag, die jetzt lächerlich dunkel wirkte im Vergleich zu der unbändigen Leuchtkraft des Blitzes zuvor. Und dann, als ich mich nach vorne beugte, starrend und lauschend, wurde die Tür zum Grauen Zimmer mit einem lauten Rumsen zugeschlagen. Der Krach schien den gesamten Korridor zu erfüllen und echote hohl durchs ganze Haus. Ich sage Ihnen, ich fühlte mich furchtbar – als ob meine Knochen aus Gummi wären. Es war einfach unheimlich. Jesus! Wie ich gestarrt hatte, und wie ich gelauscht hatte. Und dann kam es wieder – Rums, Rums, Rums, und dann eine Stille, die beinahe schlimmer war als das Geräusch der Tür, denn in meiner Vorstellung schlich sich irgendetwas Furchtbares durch den Flur an mich heran. Und dann, plötzlich, erlosch meine Lampe und ich konnte nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Mir wurde schlagartig klar, dass ich etwas furchtbar Dummes tat, wenn ich dort sitzen blieb, und sprang auf. Eben, als ich das tat, dachte ich, ich hätte ein Geräusch im Flur gehört, und zwar ganz dicht bei mir. Ich machte einen Satz rückwärts in mein Zimmer, rammte die Tür zu und schloss ab. Ich saß auf meinem Bett und starrte auf die Tür. Ich hatte meinen Revolver in der Hand, aber er schien ein absolut sinnloses Ding zu sein. Ich fühlte, dass da etwas auf der anderen Seite der Tür war. Aus einem unerfindlichen Grund wusste ich, dass es gegen die Tür presste, und es war weich. Das war einfach, was ich dachte. Ein sehr außergewöhnlicher Gedanke.
Allmählich fand ich wieder ein wenig zu mir und malte hastig ein Pentagramm mit Kreide auf den polierten Boden. Und da saß ich bis fast zum Morgengrauen. Und die ganze Zeit wurde draußen die Tür zum Grauen Zimmer in furchtbar regelmäßigen Intervallen zugeschlagen. Es war eine ganz üble, barbarische Nacht.
Als der Tag anbrach, endete das Türschlagen abrupt und schließlich fand ich den Mut und ging den Korridor im Zwielicht hinunter, um die Linse meiner Kamera abzudecken. Ich kann Ihnen sagen, das kostete Überwindung. Aber wenn ich es nicht getan hätte, wäre mein Foto durch das Licht unbrauchbar geworden. Ich kehrte in mein Zimmer zurück und wischte den fünfzackigen Stern, in dem ich gesessen hatte, weg.
Eine halbe Stunde später klopfte es an meiner Tür. Es war Peter mit meinem Kaffee. Als ich ihn getrunken hatte, gingen wir beide zum Grauen Zimmer. Dabei kontrollierte ich die Siegel an den anderen Türen, aber sie waren unberührt. Das Siegel an der Tür zum Grauen Zimmer war entzwei, ebenso wie der Bindfaden des Blitzauslösers. Aber die Visitenkarte über dem Schlüsselloch war noch da. Ich riss sie ab und öffnete die Tür. Es gab nichts Ungewöhnliches zu sehen, bis wir zum Bett kamen. Und dann sah ich, dass wie schon am vorigen Tag die Bettwäsche abgezogen und in der linken Ecke aufgetürmt worden war, genau dort, wo ich sie auch schon zuvor gesehen hatte. Ich fühlte mich sehr eigenartig. Aber ich vergaß nicht, alle Siegel zu überprüfen, nur um festzustellen, dass nicht eines gebrochen war.
Ich drehte mich um und sah den alten Peter an, und er sah mich an und nickte.
„Lassen Sie uns hier verschwinden!“, sagte ich. „Das ist kein Ort, den ein lebender Mensch ohne ausreichenden Schutz betreten sollte.“
Wir gingen also hinaus und ich verschloss und versiegelte wiederum die Tür.
Nach dem Frühstück entwickelte ich das Negativ. Aber es zeigte nur die Tür zum Grauen Zimmer, halb geöffnet. Dann verließ ich das Haus, denn ich wollte gewisse Dinge besorgen, die notwendig waren, denn ich wollte die kommende Nacht im Grauen Zimmer verbringen.
Ich kehrte gegen halb sechs per Taxi mit meinem ganzen Kram zurück und Peter und ich trugen alles in den Grauen Raum hinauf, wo ich ihn vorsichtig in der Mitte auf dem Boden aufbaute. Als sich alles im Raum befand, inklusive einer Katze, die ich gekauft hatte, verschloss und versiegelte ich die Tür und ging zum Schlafzimmer. Peter sagte ich, dass ich nicht zum Abendessen runterkommen würde. Er sagte: „Ja, Sir“, und ging hinunter in dem Glauben, dass ich mich zurückzog. Was ich ihn auch Glauben machen wollte, denn ich wusste, er würde sich zu viele Sorgen machen, um mich und auch um sich selbst, wenn er gewusst hätte, was ich vorhatte.
Stattdessen nahm ich Blitz und Kamera aus meinem Zimmer und eilte zurück in den Grauen Raum. Ich schloss mich selbst ein, versiegelte die Tür und begann mit der Arbeit, denn ich hatte eine Menge zu tun, bevor es dunkel wurde.
Zuerst entfernte ich alle Bänder vom Boden. Dann trug ich die Katze, die immer noch in ihrem Körbchen eingeschlossen war, zur gegenüberliegenden Seite und kehrte selbst zur Raummitte zurück. Ich fegte einen Bereich von etwa einundzwanzig Fuß im Durchmesser mit einem Ysop-Besen. Darum zog ich einen Kreidekreis und achtete darauf, nicht mehr hinauszutreten. Darum schmierte ich einen breiten Streifen mit Knoblauch, und als dies fertig war, nahm ich einen kleinen Krug mit einem bestimmten Wasser von meinen Vorräten in der Mitte. Ich brach das Siegelpapier auf und zog den Korken. Dann, indem ich meinen linken Zeigefinger in den kleinen Krug tunkte, ging ich ein weiteres Mal den Kreis entlang und machte innerhalb des Kreidekreises das Zweite Zeichen des Saaamaaa-Rituals, und verband jedes Zeichen höchst vorsichtig mit einem links-ausgerichteten Halbmond. Ich kann Ihnen sagen, ich fühlte mich erleichtert, als das erledigt und der Wasserzirkel vollendet war. Dann packte ich weiter aus und platzierte eine Kerze in der Sichel eines jeden Halbmonds. Danach malte ich ein Pentagramm, von dem jeder Endpunkt der fünf Zacken den Kreidezirkel berührte. An diesen fünf Punkten platzierte ich jeweils eine Portion Brot, jede in Leinen gewickelt, und in den fünf Tälern jeweils einen offenen Krug des Wassers, dass ich für den Wasserzirkel verwendet hatte. Jetzt hatte ich meine erste Schutzbarriere vervollständigt.
Nun, jeder, außer Ihnen, denen etwas über meine Ermittlungsmethoden bekannt ist, mögen dies für eine Art nutzlosen und närrischen Aberglauben halten. Aber Sie alle erinnern sich an den Fall des Schwarzen Vorhangs, in dem, wie ich glaube, mein Leben von einer ganz ähnlichen Art des Schutzes gerettet wurde, während Aster, der darüber spottete und nicht ins Innere trat, starb. Ich hatte die Idee aus dem Sigsand Manuscript, das, soweit ich weiß, im 14. Jahrhundert geschrieben wurde. Zunächst dachte ich natürlich, es sei nur ein Ausdruck des damaligen Aberglaubens. Und es war erst ein Jahr später, dass ich auf die Idee kam, diese Verteidigung zu testen, was ich, wie schon gesagt, in dieser schrecklichen Schwarzen-Vorhang-Angelegenheit tat. Sie wissen, wie das ausging. Später benutzte ich es einige Male und immer kam ich heil aus den Dingen heraus, bis zu diesem Fall des sich bewegenden Pelzes. Dort war es nur ein teilweiser Schutz und ich bin fast in dem Pentagramm gestorben. Danach erfuhr ich von Professor Garders Versuch mit einem Medium. Als sie das Medium mit Strom im Vakuum umgaben, verlor es seine Kräfte – fast, als wäre es von allem Nicht-Stofflichen abgeschnitten. Das gab mir viel zum Nachdenken. Und so kam ich dann auch dazu, ein elektrisches Pentagramm herzustellen, dass eine höchst erstaunliche Verteidigung gegen gewisse Manifestationen ist. Ich benutzte die Form des Verteidigungssterns für diesen Schutz, denn ich habe persönlich keinen Zweifel, dass eine ganz außergewöhnliche Macht von dieser alten magischen Figur ausgeht. Seltsam für einen Mann des Zwanzigsten Jahrhunderts, dies zuzugeben, nicht wahr? Aber dann, wie Sie alle wissen, habe ich niemals und werde ich niemals mir selbst erlauben, von kleinem billigen Gelächter geblendet zu werden. Ich stelle Fragen und halte meine Augen offen.
In diesem neuesten Fall hatte ich kaum einen Zweifel, dass ich an ein übernatürliches Monster geraten war, und ich hatte vor, alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, denn die Gefahr ist unermesslich.
Also wendete ich mich der Einrichtung des elektrischen Pentagramms zu, sodass es genau mit dem gezeichneten Pentagramm auf dem Boden übereinstimmte. Dann schloss ich die Batterie an und im nächsten Moment glühte das Blau der Vakuumröhrchen auf.
Ich schaute mit einem Seufzer der Erleichterung an mir herunter und bemerkte plötzlich, dass die Dämmerung gekommen war, denn das Fenster war grau und unfreundlich. Dann blickte ich durch den großen, leeren Raum, über die doppelte Barriere aus elektrischem Licht und Kerzenlicht. Mich überkam das abrupte Gefühl des Seltsamen – in der Luft, wissen Sie. Die Art Gefühl, als ob etwas Übermenschliches lauerte. Der Raum war erfüllt von dem Gestank von Knoblauch, ein Gestank, den ich hasse.
Ich wendete mich nun der Kamera zu und sah, dass sowohl Kamera und Blitz einsatzbereit waren. Ich prüfte vorsichtig meinen Revolver, obwohl ich bezweifelte, dass ich ihn brauchen würde. Dennoch kann niemand sagen, bis zu welchem Grad Materialisationen eines übernatürlichen Wesens möglich sind. Und ich hatte keine Idee, welch schreckliches Ding ich sehen würde, oder dessen Präsenz ich fühlte. Ich mochte am Ende mit einem materialisierten Monster zu kämpfen haben. Ich wusste es nicht und konnte nicht mehr tun, als mich vorbereiten. Ich hatte die drei Personen, die in dem Bett neben mir erwürgt worden waren, nicht vergessen, und das heftige Zuschlagen der Tür, dass ich selbst gehört hatte. Ich hatte keinen Zweifel, dass ich in einem gefährlichen und hässlichen Fall ermittelte.
Zu der Zeit war es dunkel geworden, obwohl der Raum selbst durch die Kerzen stark erhellt wurde. Ich erwischte mich dabei, wie ich immer wieder hinter mich schaute und dann durch den Raum. Die Warterei war sehr nervend. Dann bemerkte ich plötzlich einen leisen Luftzug von hinten. Mein Nerven spannten sich und ich bekam dieses prickelnde Gefühl am Hinterkopf. Ich schwang mich selbst mit einer Art steifen Sprung herum und schaute direkt in diesen seltsamen Wind. Er schien aus der Ecke links vom Bett zu kommen – dem Ort, wo ich beide Male den Haufen Bettwäsche vorgefunden hatte. Und doch konnte ich nichts Ungewöhnliches sehen. Keine Öffnung – nichts!
Plötzlich wurde mir bewusst, wie heftig die Kerzen in diesem ungewöhnlichen Wind flackerten … Ich glaube, ich habe einige Minuten nur vor Schreck erstarrt dagehockt. Ich sollte Ihnen gar nicht sagen, wie furchtbar schrecklich es war, in diesem scheußlichen kalten Wind zu sitzen! Und dann: Flacker! Flacker! Flacker! Alle Kerzen der äußeren Barriere gingen aus. Da war ich, eingeschlossen in diesem Raum, ohne Licht außer dem schwachen blauen Glühen des elektrischen Pentagramms.
Eine Weile mit ungeheurer Anspannung verging und immer noch blies dieser Wind über mir. Und dann plötzlich wusste ich, dass sich in der Ecke links vom Bett etwas bewegt hatte. Es war mehr eine innere Wahrnehmung, als dass ich etwas gesehen oder gehört hätte, denn das blasse Glühen des Pentagramms reichte nicht weit genug. Und als ich dort hinstarrte, türmte sich etwas neben mir auf, ein sich bewegender Schatten, etwas dunkler als die umgebenden Schatten. Das Ding verschwamm in der Dunkelheit und für einen Moment oder zwei blickte ich rasch von einer Seite zur anderen mit dem erneuten Empfinden einer lauernden Gefahr. Dann wurde meine Aufmerksamkeit vom Bett angezogen. Die ganzen Decken wurden mit einer hasserfüllten, brutalen Bewegung herabgezogen. Ich hörte das langsame Schleifen der Bettwäsche, aber ich konnte nicht sehen, was an ihr zog. Mir war auf eine eigenartige, unterbewusste Art klar, dass der Spuk mich überfallen hatte. Und doch war ich im Geiste klarer, als ich es noch vor Minuten gewesen war. Klar genug, um den kalten Schweiß meiner Hände zu fühlen und nur halb bewusst meinen Revolver zu ziehen, während ich meine rechte Hand auf dem Knie trocken wischte. Obwohl ich meine Augen oder meine Aufmerksamkeit nie von der sich bewegenden Wäsche abwandte.
Die leisen Geräusche vom Bett hörten auf und da war eine intensive Stille, nur durch das Pochen des Blutes in meinem Kopf unterbrochen. Augenblicklich danach hörte ich das Schleifen der Bettwäsche, wie sie vom Bett gezogen wurde. Mitten in meiner nervösen Anspannung erinnerte ich mich an die Kamera und reckte mich nach ihr, aber ohne vom Bett wegzuschauen. Und dann, wissen Sie, wurden die gesamten Decken mit außerordentlicher Gewalt vom Bett gezogen und ich hörte das Geräusch, das sie machten, als sie in die Ecke geworfen wurden.
Dann gab es einen Moment der totalen Stille, vielleicht für ein paar Minuten. Sie können sich vorstellen, wie schrecklich ich mich fühlte. Die Bettwäsche wurde mit einer solchen Grausamkeit geworfen! Und dann wieder die brutale Widernatürlichkeit des Dings, das genau vor mir gestanden hatte!
Ich hörte ein abruptes leises Geräusch bei der Tür – ein Art Knacken, und dann einen Tapser oder zwei auf dem Boden. Mich überkam ein furchtbarer Schauer, der meinen Rücken hochkroch bis zum Hinterkopf. Denn das Siegel an der Tür war soeben gebrochen worden. Etwas war da. Ich konnte die Tür nicht sehen. Zumindest ist es mir unmöglich zu sagen, wie viel ich wirklich sehen konnte und wie viel sich in meiner Einbildung abspielte. Ich sah nur graue Wände … Und dann erschien es mir, dass sich etwas Dunkles, Verschwommenes zwischen den Schatten bewegte.
Plötzlich bemerkte ich, dass sich die Tür öffnete, und mit Anstrengung langte ich wieder nach meiner Kamera. Aber bevor ich sie ergreifen konnte, wurde die Tür mit einem furchtbaren Knall zugeworfen, der den ganzen Raum wie ein hohler Donnerschlag erfüllte. Ich sprang wie ein erschrecktes Kind auf. Da schien so viel Kraft hinter diesem Geräusch zu stecken, als ob eine ungeheuerliche bösartige Macht entfesselt worden wäre. Verstehen Sie, was ich meine?
Die Tür wurde nicht mehr angerührt. Aber direkt danach hörte ich den Korb, in dem die Katze lag, knirschen. Ich sage Ihnen, mir lief ein Schauer den ganzen Rücken hoch. Ich wusste, ich würde nun definitiv herausfinden, ob und was auch immer hier vor sich ging, lebensgefährlich war. Von der Katze erklang plötzlich ein entsetzliches Miauen, das urplötzlich abbrach. Und dann – zu spät – schaltete ich das Blitzlicht an. In dem starken Aufblitzen sah ich, dass der Korb umgestoßen worden war und dass der Deckel sich geöffnet hatte. Die Katze lag halb drinnen, halb draußen auf dem Boden. Ich sah nichts weiter, aber ich wusste, dass ich mich in der Anwesenheit von einem Wesen oder Ding befand, dass zerstörerische Kräfte hatte.
Während der nächsten zwei oder drei Minuten herrschte eine bemerkenswerte seltsame Stille in dem Raum und Sie erinnern sich, ich war durch den Blitz halb geblendet, sodass der ganze Ort pechschwarz zu sein schien bis auf den Schein des Pentagramms. Ich sage Ihnen, es war schrecklich. Ich kniete dort in dem Stern und wirbelte herum in dem Versuch zu sehen, ob etwas auf mich zukam.
Meine Sehfähigkeit kam nach und nach zurück und ich kam ein wenig zu Sinnen. Und plötzlich sah ich das Ding, nachdem ich suchte, nahe am Wasserzirkel. Es war groß und verschwommen und waberte seltsam, als ob der Schatten einer riesigen Spinne in der Luft hinge, direkt hinter der Barriere. Es bewegte sich rasch entlang des Kreises und schien ständig zu versuchen, zu mir zu kommen. Aber nur, um mit außergewöhnlich ruckartigen Bewegungen zurückzuweichen, als wenn jemand an einen glühenden Grillrost fasst.
Es bewegte sich rundherum, und auch ich drehte mich rundherum. Dann, auf Höhe eines der Täler des Pentagramms, schien es innezuhalten wie zur Vorbereitung einer großen Bemühung. Es ruhte jenseits des Lichts der Vakuumröhrchen und kam dann direkt auf mich zu, gewann anscheinend an Form und Solidität, als es näherkam. Hinter der Bewegung schien eine unheimliche bösartige Zielgerichtetheit zu stecken, die Erfolg haben musste. Ich war auf meinen Knien und sprang zurück, fiel auf meine linke Hand und Hüfte im wilden Versuch, vor dem Ding zurückzuweichen. Mit meiner rechten Hand griff ich wie irrsinnig nach meinem Revolver, den ich hatte fallen lassen. Das brutale Ding kam mit einem einzigen großen Sprung über den Knoblauch- und den Wasserzirkel, fast bis zum Tal des Pentagramms. Ich glaube, ich habe geschrien. Dann, genauso plötzlich, wie es rübergekommen war, schien es von irgendeiner mächtigen, unsichtbaren Kraft zurückgezogen zu werden.
Es brauchte ein paar Momente, bis ich realisierte, dass ich in Sicherheit war, dann begab ich mich wieder in die Mitte des Pentagramms. Ich fühlte mich furchtbar verloren und erschüttert und schaute mich immer wieder um, aber das Ding war verschwunden. Dennoch hatte ich etwas gelernt, denn ich wusste jetzt, dass das Graue Zimmer von einer Monsterhand heimgesucht wurde.
Plötzlich, als ich dort so hockte, sah ich, was dem Monster beinahe eine Öffnung durch die Barriere ermöglicht hätte. Bei meinen Bewegungen innerhalb des Pentagramms musste ich einen der Wasserkrüge berührt haben, denn gerade dort, wo das Ding seinen Angriff gestartet hatte, war der Krug, der das Tal bewachte, zur Seite geschoben worden, und das hatte eines der fünf Tore unbeschützt gelassen. Ich stellte ihn rasch zurück und fühlte mich fast schon wieder sicher, denn ich hatte den Grund gefunden und die Verteidigung funktionierte immer noch. Und ich begann wieder zu hoffen, dass ich den Morgen erleben würde. Als ich das Ding so kurz vor dem Erfolg gesehen hatte, hatte ich das schlimme, schwächende, überwältigende Gefühl, dass die Barrieren mich gegen eine solche Macht niemals sicher durch die Nacht bringen könnten. Verstehen Sie das?
Für lange Zeit konnte ich die Monsterhand nicht sehen. Aber dann dachte ich ein- oder zweimal, dass ich dort in den Schatten bei der Tür ein seltsames Wabern entdeckte. Ein wenig später, wie in einem plötzlichen Anfall von bösartiger Wut, wurde der tote Körper der Katze aufgehoben und mit dumpfen, krankmachenden Stößen gegen den harten Boden geschlagen. Das fühlte sich für mich schrecklich an.
Eine Minute später wurde die Tür geöffnet und zweimal mit ungeheuerlicher Kraft zugeschlagen. Im nächsten Moment machte das Ding aus den Schatten heraus eine rasche boshafte Bewegung auf mich zu. Instinktiv sprang ich zur Seite und riss meine Hand von dem elektrischen Pentagramm, auf das ich sie für einen unvorsichtigen Moment gelegt hatte. Das Monster wurde von der Umgebung des Pentagramms zurückgezogen. Dennoch war es – dank meiner Unbedachtheit – ein zweites Mal in der Lage gewesen, die Barriere zu überwinden. Ich kann Ihnen sagen, ich erzitterte aus purem Bammel. Ich begab mich wieder direkt in die Mitte des Pentagramms und kniete dort nieder, mich so klein machend wie möglich.
Ich dachte über die beiden Unfälle nach, die der Brut erlaubt hatten, mich beinahe zu erwischen. Wurde ich unbewusst zu freiwilligen Aktionen beeinflusst, die mich in Gefahr brachten? Der Gedanke ergriff Besitz von mir und ich beobachtete jede meiner Bewegungen. Plötzlich streckte ich eins meiner ermüdeten Beine aus und kippte einen der Wasserkrüge um. Ein wenig wurde verschüttet, aber dank meiner misstrauischen Wachsamkeit hatte ich ihn schnell genug aufgerichtet und zurückgestellt, dass etwas von dem Wasser verblieb. Eben als ich dies tat, griff die riesige, schwarze, halb-materialisierte Hand mich aus den Schatten heraus an und schien mir fast ins Gesicht zu springen. So nahe kam sie heran. Aber zum dritten Mal wurde sie von einer enormen, überwältigenden Macht zurückgezogen. Jedoch hatte ich, abgesehen von der Furcht, in der es mich ließ, für einen Moment das Gefühl geistiger Krankheit, als ob eine zarte, hübsche, innere Größe gelitten hätte, die man nur in der zu starken Nähe des Nicht-Menschlichen spürt, und die auf eine seltsame Weise entsetzlicher ist als jeder physische Schmerz, der erlitten werden kann. Ich wusste mittlerweile mehr über die Größe und die Nähe der Gefahr. Und für eine lange Zeit war ich einfach von der Brutalität dieser Macht gegen meinen Geist eingeschüchtert. Ich kann es nicht anders ausdrücken.
Ich kniete wieder in der Mitte des Pentagramms, beobachtete mich selbst mit fast größerer Furcht als das Monster. Denn ich wusste jetzt, dass, wenn ich mich nicht selbst vor jedem plötzlichen Impuls beschützte, ich an meiner eigenen Zerstörung arbeitete. Sehen Sie, wie schrecklich das alles war?
Ich verbrachte den Rest der Nacht im Dunst kranker Furcht und so angespannt, dass ich nicht eine natürliche Bewegung machen konnte. Ich war in solch einer Angst, dass jeder Drang nach Aktion, den ich hatte, von dem Einfluss ausgelöst wurde, von dem ich wusste, dass er auf mich ausgeübt wurde. Und jenseits der Barriere wanderte dieses grässliche Ding umher, immer wieder in der Luft nach mir greifend. Noch zweimal wurde der Körper der toten Katze missbraucht. Beim zweiten Mal hörte ich jeden Knochen in dem Körper brechen und knacken. Und die ganze Zeit blies dieser fürchterliche Wind aus der Zimmerecke links vom Bett.
Als sich der erste Anflug von Dämmerung am Himmel zeigte, hörte der unnatürliche Wind von einem Moment zum anderen auf. Ich konnte kein Zeichen von der der Hand sehen. Es dämmerte langsam und mittlerweile erfüllte das fahle Licht den ganzen Raum und ließ das blasse Glühen des elektrischen Pentagramms noch unwirklicher aussehen. Jedoch machte ich keinen Versuch, die Barriere zu verlassen, bevor es heller Tag war, denn ich wusste nicht, ob eine Methode dahinter steckte, dass der Wind so plötzlich aufhörte, um mich aus dem Pentagramm zu locken.
Als das Tageslicht endlich stark und hell war, schaute ich mich noch einmal um und rannte zur Tür. Sie war unverschlossen und ich öffnete sie nervös und unbeholfen, dann verschloss ich sie eilig hinter mir und ging in mein Schlafzimmer, wo ich mich auf das Bett legte und versuchte, mich zu sammeln. Peter kam inzwischen mit dem Kaffee, und nachdem ich ihn getrunken hatte, erklärte ich ihm, dass ich noch etwas schlafen wollte, da ich die ganze Nacht auf war. Er nahm das Tablett und ging leise hinaus. Nachdem ich meine Tür abgeschlossen hatte, ging ich endlich schlafen.
Ich erwachte um die Mittagszeit und nach einem kleinen Lunch ging ich in das Graue Zimmer. Ich schaltete den Strom von dem Pentagramm ab, den ich in meiner Eile angelassen hatte. Auch entfernte ich den Kadaver der Katze. Sie verstehen, ich wollte nicht, dass jemand das arme Vieh sah. Danach untersuchte ich die Ecke, in die die Bettwäsche geworfen wurde, äußerst gründlich. Ich bohrte mehrere Löcher und nahm Proben, aber ich fand nichts. Dann kam mir die Idee, es mit meinen Instrumenten unter den Sockelleisten zu versuchen. Dabei hörte ich, wie mein Draht auf Metall stieß. Ich drehte den Haken und fischte nach dem Ding, das ich auch augenblicklich erwischte. Es war ein kleines Objekt und ich hielt es vors Fenster. Es stellte sich als ein seltsamer Ring heraus, der aus einem gräulichen Material bestand. Das Seltsame an ihm war, dass er eine fünfeckige Form hatte. Sozusagen ein Verteidigungsstern ohne Zacken. Er war frei von jeglichen Kratzern oder Gravuren.
Sie werden verstehen, dass ich aufgeregt war, wenn ich Ihnen sage, dass ich mit Sicherheit den berühmten Glücksring der Anderson-Familie in den Händen hielt. Dieser stand in der Tat von allen Dingen am engsten in Verbindung mit dem Spuk. Der Ring wurde von Generation zu Generation weitergegeben und – nach einer strengen Familientradition – musste jeder Sohn versprechen, den Ring niemals zu tragen. Der Ring wurde von einem Kreuzritter mitgebracht, unter sehr eigenartigen Umständen. Aber die Geschichte ist zu lang, um sie hier zu erzählen.
Es geschah, dass der junge Sir Hulbert, ein Vorfahre Andersons, im Suff eine Wette einging, wissen Sie, dass er den Ring in dieser Nacht tragen würde. So tat er es und am nächsten Morgen wurden Frau und Kind erwürgt in dem Bett aufgefunden, in eben jenem Raum, in dem ich mich aufgehalten hatte. Es schien, dass viele Leute Sir Hulbert für schuldig hielten, weil er die Tat im Suff begangen hatte. Und er, in einem Versuch, seine Unschuld zu beweisen, schlief eine zweite Nacht in dem Raum. Und auch er wurde erwürgt. Seitdem, wie Sie sich vorstellen können, hat niemand mehr eine Nacht in dem Grauen Zimmer verbracht, bis ich es jetzt tat. Der Ring war ebenso lange verloren, sodass er beinahe ein Mythos geworden war. Da können Sie sich vorstellen, dass es sich höchst außergewöhnlich anfühlte, dazustehen mit dem tatsächlichen Ring in der Hand.
Während ich da so stand und den Ring betrachtete, kam mir eine Idee. Angenommen, es handelte sich um eine Art Weg, eine Türschwelle – verstehen Sie, was ich meine? Eine Art Durchschlupf in einer Weltenhecke. Es war eine verrückte Idee, ich weiß, und wahrscheinlich nicht meine eigene, sondern mir von außen eingegeben. Sehen Sie, der Wind kam aus dem Teil des Zimmers, in dem der Ring lag. Ich habe viel darüber nachgedacht. Und dann die Form – das Innere eines Pentagramms. Es hat keine Zacken und ohne Zacken steht im Sigsand Manuscript: Die Zacken sind die fünf Hügel der Sicherheit. Ihr Fehlen bedeutet, den Dämonen Macht zu geben und das Böse zu privilegieren. Sie sehen, allein die Form des Ringes war von Bedeutung, und ich beschloss, ihn zu testen.
Ich baute das Pentagramm ab, denn es muss jedes Mal neu und um den zu Beschützenden herum errichtet werden. Dann ging ich hinaus und verschloss die Tür. Danach machte ich noch einige Besorgungen, denn weder Kräuter noch Feuer noch Wasser dürfen ein zweites Mal verwendet werden. Ich kehrte gegen halb acht zurück, und sobald die Dinge in das Graue Zimmer gebracht worden waren, entließ ich Peter für die Nacht, wie ich es auch am Abend zuvor getan hatte. Als er sich zurückgezogen hatte, ging ich in das Graue Zimmer und schloss mich ein. Ich ging zu dem Platz in der Mitte des Zimmers, wo wir das ganze Zeug hingeräumt hatten, und machte mich zügig an die Arbeit, die Barriere um mich und den Ring zu errichten.
Ich erinnere mich nicht, ob ich es Ihnen schon erklärt habe. Aber mir war klar, wenn der Ring eine Art Zutrittsmedium war und er sich mit mir im Inneren des elektrischen Pentagramms befand, würde er salopp gesagt isoliert sein. Verstehen Sie? Die Macht, die sich als sichtbare Hand manifestierte, müsste hinter der Barriere bleiben, die das Normale vom Paranormalen trennte, denn das Tor wäre nicht mehr zugänglich.
Wie gesagt, ich arbeitete sehr zügig, um die Barriere um mich und den Ring zu vervollständigen, denn es war schon später, als mir lieb war, um ungeschützt in dem Zimmer zu sein. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass diese Nacht ein gewaltiger Aufwand getrieben würde, um die Nutzung des Ringes wiederzuerlangen. Denn ich war überzeugt, dass der Ring für die Manifestation notwendig war. Sie werden sehen, ob ich richtig lag.