Chefsache Marke - Jörg Bürkle - E-Book

Chefsache Marke E-Book

Jörg Bürkle

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Beschreibung

Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Unternehmensretter Marke Viele Marken überleben das Unternehmen, das sie groß gemacht hat. Denn nur wenige Chefs wissen, wie sie mit ihrer Marke das Überleben der Firma sichern. Ist die Marke stark und ein Prestigeobjekt, dann profitiert das Unternehmen. Gerät das Unternehmen in Schieflage, kann dieselbe Marke schnell zum Symbol des Niedergangs werden. Aber nur wenn man ihre Stärke nicht zu nutzen weiß! Interim-Restrukturierer Jörg Bürkle zeigt anhand zahlreicher Beispiele - von Weinvertrieb bis Maschinenbau -, wie Unternehmenslenker die Kraft der Marke nutzen, um die gesamte Firma wieder ins Lot zu bringen. Die Marke ist das zu Unrecht vergessene Instrument eines erfolgreichen Krisenmanagements.

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Jörg Bürkle

Chefsache Marke

Wie markenzentrierte Unternehmensführung über den Erfolg entscheidet

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Unternehmensretter Marke

Viele Marken überleben das Unternehmen, das sie groß gemacht hat. Denn nur wenige Chefs wissen, wie sie mit ihrer Marke das Überleben der Firma sichern. Ist die Marke stark und ein Prestigeobjekt, dann profitiert das Unternehmen. Gerät das Unternehmen in Schieflage, kann dieselbe Marke schnell zum Symbol des Niedergangs werden. Aber nur wenn man ihre Stärke nicht zu nutzen weiß! Interimsmanager Jörg Bürkle zeigt anhand zahlreicher Beispiele - von Weinvertrieb bis Maschinenbau -, wie Unternehmenslenker die Kraft der Marke nutzen, um die gesamte Firma wieder ins Lot zu bringen. Die Marke ist das zu Unrecht vergessene Instrument eines erfolgreichen Krisenmanagements.

Vita

Jörg Bürkle ist selbstständiger Interim-Restrukturierer und Dozent an der FH Kufstein. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft war er viele Jahre bei Siemens – zuletzt als kaufmännischer Leiter eines Geschäftsbereichs. Anschließend war er Partner einer Restrukturierungsberatung, bevor er sich 2017 selbstständig machte.

Inhalt

Einleitung

1 HEISSE BEZIEHUNG: Marke und Unternehmen können einander befeuern – oder auslöschen

1.1 Der Blick des Turnaround-Managers auf die Marke

Die Marke wirkt im Kopf des Kunden

Breit gefasster Markenbegriff

Der Marke auf der Spur

1.2 Marken befeuern den Unternehmenswert

2 KIPPPUNKTE: Vom wohligen Lagerfeuer zum zerstörerischen Flächenbrand

2.1 Die Lage kippt: die Flammen schlagen hoch

2.2 Dem Schwelbrand auf der Spur: Ursachen und Vorhersage von Krisen

Das Krisenparadoxon

2.3 Warnzeichen: Den Kipppunkt rechtzeitig erkennen

Indikator 1: Beschwerden

Beschwerden haben eine hohe Aussagekraft

Der Umgang mit Beschwerden fällt oft noch schwer

Indikator 2: Wettbewerb über den Preis und Zahlungsverhalten der Kunden

Indikator 3: Substitution durch neue Technologien

Indikator 4: Abhängigkeit von Märkten

3 MARKENSTRATEGIEN IN DER KRISE: Wege zurück zum wohligen Lagerfeuer

3.1 Die Ausgangslage: Zwischen Lagerfeuer und Flächenbrand

Vier mögliche Ausgangslagen

Grenzbereich zwischen Marke und Restrukturierung

3.2 Am Rande der Krise: Trügerisches Wohlbehagen

Wohliges Lagerfeuer: Unternehmen und Marke sind stark

Endogene und exogene Krisenursachen

Strategische Schlussfolgerungen

Marke in der Krise: Starkes Unternehmen leidet an schwacher Marke

Schwache Marke führte in die Krise

Strategische Schlussfolgerungen

3.3 Unternehmen in der Krise: Starke Marke trifft auf schwaches Unternehmen

Eine brandgefährliche Ausgangslage

BlackBerry: Wie die Marke zum Brandbeschleuniger wurde

Strategien gegen den Brandbeschleunigereffekt

Markenfans als Verbündete

Irrationalität der Kaufentscheidung

Freund, Fan, Fanatiker: Die Kunden richtig zuordnen

Strategie in der Krise: Sich auf die Markenfans fokussieren

Die hohe Krisen-Kunst: Fett abschneiden, nicht die Muskeln

Unklarheit über die Marke

Pragmatische Vorgehensweise

Einsparpotenziale im Marketing

Fett oder Muskeln? Personalkosten einsparen

Kundenkontaktpunkte in den Blick nehmen

Die Realität fordert ihren Tribut

3.4 Zerstörerischer Flächenbrand: Unternehmen und Marke sind schwach

Ausgangslage: Strategisch im Dilemma

Im Teufelskreis der Rabattschlachten

Hoffnungsschimmer am Horizont

Auf der Suche nach der zündenden Markenidee

Verbündete in der Krise: die Führungskoalition

Kreativität mobilisieren und Potenziale heben

Die Markenneupositionierung erarbeiten

Die Marke als gleichwertiges Aufgabenpaket

Die Marke in der Krise neu positionieren

Begrenzte Mittel gezielt einsetzen

Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen

Öffentlichkeitsarbeit für die Marke: Die Gunst der Krise nutzen

4 BRENZLIGE SITUATIONEN: Wie Marken sicher durch Krisen kommen

4.1 Erste Hilfe: Sofortmaßnahmen bei einem Markenabsturz

Ehrlich um die Kunden kämpfen

Offen und klar kommunizieren

Schlechte Presse aushalten

Um das Vertrauen der Kunden werben

Persönlichen Einsatz zeigen

Im Absturz den Markenwert retten

Das Markenversprechen einlösen

Auf die Markenemotion achten

Das Preisniveau halten

Für einen hocheffektiven Vertrieb sorgen

Den Vertrieb motivieren

Leuchttürme aktivieren

4.2 Retten: Auch Marken müssen durch das Tal der Tränen

Die Motivation der Mitarbeiter wiedergewinnen

Stoßrichtung 1: Die verbleibenden Mitarbeiter motivieren

Stoßrichtung 2: Personalabbau ohne verbrannte Erde

Den Betriebsrat frühzeitig einbinden

Die Zeit nach dem Personalabbau mitdenken

Der Weg über die betriebsbedingte Kündigung

Der Weg über die einvernehmliche Trennung

4.3 Löschen: Feuerwehr gegen den Flächenbrand

Die Kunst, in der Krise Umsätze zu generieren

Abschied von üppiger Verkaufsförderung

Konzentration auf starke Kunden und starke Kanäle

Ein Aktionsplan für den Vertrieb

Die Stärken der Mitarbeiter differenziert nutzen

Anreize setzen – Leistung einfordern

Auf welche Führungsinstrumente es im Vertrieb ankommt

4.4 Bergen: Bewahrenswerte Markenwerte sichern

Die Monetarisierung der Marke

Einen Plan B aufstellen

4.5 Schützen: Gefahren für Marken frühzeitig erkennen

Beschwerdemanagement als System zum Schutz der Marke

Fallbeispiel: Von der Beschwerde zum Verbesserungsprozess

Sieben-Punkte-Plan für den Aufbau des Beschwerdemanagements

IT-Infrastruktur und Personalentwicklung

Jede Beschwerde ist willkommen!

4.6 Vorbeugen: Das Markenversprechen einlösen

Den Betriebsrat mit ins Boot holen

Führungskräfte und Mitarbeiter zur Marke hinführen

Den Mitarbeiter beobachten und anleiten

Die Führungskräfte kontrollieren

Karriere und Marke verknüpfen

4.7 Sichern: Markenmehrwert konsequent abschöpfen

Abkehr von der klassischen Kostenkalkulation

Rabattschlacht stoppen, Preise erhöhen

5 DIE MACHT DER MARKE: Beziehung zwischen Marke und Unternehmen

5.1 Markenzentrierte Unternehmensführung zwischen Lagerfeuer und Flächenbrand – zwei Fälle

Überleben in einem umkämpften Markt

Der Fall Gerry Weber

Februar 2016

Februar 2017

Februar 2018

März 2018

Juni 2018

Der Fall Hugo Boss

März 2016

November 2016

März 2018

Rückkehr zum wohligen Lagerfeuer

5.2 Chefsache Marke: Impulse für den unternehmerischen Erfolg

Werttreiber oder Wertvernichter? Sieben Anstöße für ein aktives Markenmanagement

Impuls 1: Mehr Wertschätzung zeigen für die Mitarbeiter an der Kundenfront

Impuls 2: Wertabschöpfung zum Bestandteil des Geschäftsmodells machen

Impuls 3: Arbeitgebermarke als Brandbeschleuniger

Impuls 4: Eine geschwächte Marke kann selbst mit begrenzten Mitteln wieder stark werden

Impuls 5: Schnell tun, was zu tun ist

Impuls 6: Druck ist der Bremsgummi für die Motivation

Impuls 7: Praxistaugliche Frühwarnindikatoren nutzen

Register

Einleitung

Der Westernheld verlässt den Saloon, Zigarre im Mund, Pistole auf Anschlag. Süffisant das Grinsen, überlegen der Gang. Jeder, der sich ihm in den Weg stellt, wird mit einer Kugel im Körper enden. So die weitverbreitete Vorstellung von einem Restrukturierer, im Volksmund »Sanierer« genannt. Mit harter Hand räumt er Hindernisse aus dem Weg, schneidet ab, Köpfe rollen.

Meine Erfahrung ist eine ganz andere. Restrukturierung ist eine der komplexesten Aufgaben der Unternehmensführung überhaupt. Die Komplexität der Geschäftswelt, die allenthalben beklagt wird, führt zu multidimensionalen Gründen für Krisen. Bei einer Restrukturierung geht es nicht nur um Zahlen, sondern auch um Menschen. Bei den Mitarbeitern, aber auch bei Kunden, Lieferanten, Finanzinstituten oder Investoren – überall hat man es mit Menschen zu tun, die bei aller Nüchternheit und Rationalität, die man der Geschäftswelt nachsagt, am Ende doch auch zum Teil emotional und irrational handeln. Eine gewisse Demut, Feingefühl, Dialog, Haltung und das permanente Hinterfragen von Wechselwirkungen werden zum zentralen Bestandteil der Restrukturierung.

Den Anstoß für dieses Buch gab eine solche Wechselwirkung: Die Marke des Unternehmens, lange Zeit ein Garant für Stärke und Stabilität, wird plötzlich zum Risikofaktor. Und das ausgerechnet, wenn das Unternehmen ohnehin in schwieriges Fahrwasser geraten ist. Anstatt die Firma vor einem weiteren Abrutschen in die Krise zu bewahren, tritt das Gegenteil ein: Die Marke entwickelt sich zum Brandbeschleuniger, macht alles noch schlimmer – reißt das Unternehmen erst recht in den Abgrund.

Meine Rolle ist die eines Chief Restructuring Officer (CRO). Salopp gesagt: Ich werde gerufen, wenn’s brennt, und damit beauftragt, das Unternehmen verantwortlich durch die Krise zu führen. Zu meinen bisherigen Mandaten zählten Firmen mit bekannten Marken, aber auch Firmen, denen erst in der Krise klar wurde, dass sie überhaupt eine Marke besitzen. Ob Konsumgüterhersteller oder Maschinenbauer, eines ist in allen Fällen deutlich geworden: wie wichtig die Marke für eine zukunftsfähige Gesamtstrategie und für den dauerhaften Unternehmenserfolg ist.

Ich habe erlebt, wie gut geführte Marken zum Unternehmenserfolg beitragen und in einer Krisenlage die Situation stabilisieren. Ebenso habe ich erfahren, wie schnell ein schlecht geführtes Unternehmen eine starke Marke beschädigen und mit in den Abgrund ziehen kann. Auch der umgekehrte Fall ist mir begegnet: wie eine untergegangene Marke mit wenig Aufwand, jedoch einer brillanten unternehmerischen Idee und einem mutigen, hoch motivierten Führungsteam wieder aufersteht. Dann aber auch das: Gemeinsam mit dem Führungsteam kämpfte ich über Wochen gegen immer neue Umsatzeinbrüche an, weil die Marke sich zum Brandbeschleuniger in der Krise gewandelt hatte.

Die erste Idee zu diesem Buch entstand zum Jahreswechsel 2013/2014 beim Skifahren. Mein gerade abgeschlossenes Mandat bei BlackBerry wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Niemals zuvor hatte ich erlebt, wie eine gerade noch starke Marke binnen weniger Monate derart abstürzte und das Unternehmen immer tiefer in die Krise trieb. Wie kann es zu einer solchen Entwicklung kommen? Welcher Mechanismus steht dahinter? Meine Neugier war geweckt: Es gibt da offenbar einen wenig beachteten Grenzbereich, der zwischen Markenstrategie und Markenmanagement auf der einen Seite und Restrukturierung und Krisenbewältigung auf der anderen Seite liegt – einen Grenzbereich, der grundsätzliche Fragen aufwirft und für die Führung eines Unternehmens große Bedeutung hat.

Der finale Anstoß, ein Buch zu schreiben, kam dann Mitte 2017 gegen Ende des Mandates bei einem Weindirektvertrieb. Ich bekam viel freie Hand, meine inzwischen gereiften Erkenntnisse aus vorherigen Projekten sowie ersten Recherchen zum Grenzbereich Marke und Unternehmenskrise umzusetzen – mit Erfolg. Deshalb wird Ihnen dieses Beispiel im Buch immer wieder begegnen.

Wie stellt sich das Thema aus unternehmerischer Perspektive dar? So unterschiedlich Geschäftsmodelle sein können, laufen sie am Ende doch in der Regel auf ein Ziel hinaus: Das Unternehmen soll Werte generieren, messbar als positiver Cashflow. Es liegt nahe, die Marke als einen von mehreren Werttreibern in das Geschäftsmodell einzubeziehen. Ihre Funktion ist es dann, einen Mehrwert zu generieren, der sich am Ende über einen höheren Preis im Ergebnis niederschlägt. Doch wie erreicht eine Unternehmensführung, dass die Marke tatsächlich einen in Euro messbaren Mehrwert generiert? Und weiter: Wie lässt sich erreichen, dass die Marke auch in der Krise ihre Funktion als Werttreiber beibehält, anstatt zu einem Wertvernichter zu werden?

Als CRO bin ich auf das Überleben des Unternehmens, also die operative Realisierung von sichtbaren Werten, fokussiert, egal ob Reduzierung von Kosten, Abbau von Vermögen oder Umfinanzierung der Schulden. Soll auch die Marke zum Werttreiber werden, hilft esoterischer Klimbim nicht weiter. Da nützen keine bunten Bilder, kein schönes Logo und auch keine PowerPoint-Folien über eine spannende Markenpositionierung. Was zählt, ist die Frage, wie das Unternehmen mit der Marke Geld verdienen kann – wie die Marke nicht nur richtig positioniert wird, sondern das Unternehmen auch voranbringen kann. Aus diesen Überlegungen entstand die Forschungsfrage, die diesem Buch zugrunde liegt: Wie kann die Marke in einer kritischen oder absehbar kritischen unternehmerischen Lage genauso konkret als Werttreiber analysiert und mit Maßnahmen belegt werden, wie Kosten, Vermögen und Schulden?

Damit war ich startklar für eine Forschungs- und Entdeckungsreise, bei der ich den intensiven Austausch mit Fachleuten suchte. Ein Grund für diese Vorgehensweise lag in der Erkenntnis, dass die Erfahrungen aus meinen Projekten nicht unbedingt repräsentativ sind, sich daraus also keine validen Schlussfolgerungen für unternehmerisches Handeln ziehen lassen.

Zudem erwies sich das Thema tatsächlich als neu. Im Unterschied zu anderen Markenthemen, bei denen Regalmeter an Literatur und Berge von empirischen Studien existieren, fand ich über den Grenzbereich zwischen Marke und Unternehmenskrise so gut wie nichts. Neben den eigenen Projekterfahrungen konnten hier nur Gespräche mit Experten weiterhelfen, deren Themengebiete an mein »Forschungsfeld« grenzten. Ihre Antworten und Impulse haben das Buch entscheidend bereichert. Das Thema ist damit sicherlich noch nicht erschöpfend behandelt, doch stellt diese Zusammenstellung einen signifikanten Schritt auf einer Forschungsreise dar, die mich sicherlich noch einige Jahre in Atem halten wird.

Was erwartet Sie? Ich lade Sie ein, die ungewöhnliche Beziehung zwischen Unternehmen und Marke näher kennenzulernen – und zu überlegen, wie die Marke als eigener Werttreiber zum Erfolg Ihres Unternehmens beitragen kann. An konkreten Beispielen können Sie nachvollziehen, welche Stellhebel hierfür entscheidend sind und welche Fallen es dabei zu umschiffen gilt. Einige Beispiele nenne ich namentlich; sie sind mit meinen Kunden und Kontakten abgestimmt oder öffentlich bekannt. Alle anderen Beispiele habe ich anonymisiert und zum Teil auch leicht verfremdet.

Die ersten beiden Kapitel bilden die Grundlagen. Wir beleuchten die heiße Beziehung zwischen Marke und Unternehmen (Kapitel 1) und richten den Scheinwerfer auf die kritische Stelle, an der sich die Marke in einen Brandbeschleuniger verwandelt (Kapitel 2). Jürgen Gietl, Managing Director der Brand Trust GmbH in Nürnberg, stand mir als Markenexperte zur Seite und half, den Begriff Marke scharf zu fassen und die Funktionsweise einer Marke darzustellen. Die Frage, wie der Wert einer Marke ermittelt werden kann, diskutierte ich mit Guiseppe Sorrentino, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Kufstein Tirol und Senior Consultant der Brandstock Valuation GmbH in München, sowie mit Tankred Vogt, Director bei Brandstock Valuation.

Apropos FH Kufstein Tirol: Für meine Forschungsreise erwies sich die österreichische Fachhochschule als wichtige Adresse. Das dortige Institut für Grenzüberschreitende Restrukturierung zählt zu den führenden Adressen im deutschsprachigen Raum, wenn es um Fragen zu Ursachen und Vorhersagen von Unternehmenskrisen geht. Der Institutsleiter, Prof. Dr. Markus W. Exler, und sein Kollege, Prof. Dr. Dr. Mario Situm, beantworteten mir die Frage, welche Frühwarnindikatoren besonders geeignet sind, um eine Krise vorherzusehen.

Das dritte Kapitel bewegt sich auf strategischer Ebene. Welches Mittel bietet sich für welche Ausgangslagen an? Gemeinsam mit Markenexperte Jürgen Gietl gehe ich der Frage nach, was eine Marke robust hält und welche Möglichkeiten es gibt, eine schwächelnde Marke wieder zu stärken. Wie selbst in einer tiefen Krise eine kluge Strategie helfen kann, zeigt das Beispiel Junghans: Matthias Stotz, Geschäftsführer der Uhrenfabrik Junghans GmbH & Co. KG in Schramberg, ist mit seinem Unternehmen in die Insolvenz geraten. Im Gespräch schildert er, wie das Unternehmen sich auf seine Markenwerte zurückbesann und so den Weg aus der Krise fand. Sein Beispiel macht Mut: Mit einer cleveren Idee, Engagement und einem Quäntchen Glück ist es möglich, selbst in der Krise mit begrenzten Mitteln eine Marke wieder aufzubauen!

Im vierten Kapitel begeben wir uns auf die operative Ebene. Welche Instrumente sind geeignet, wenn es etwa darum geht, die Marke sicher durch die Krise zu führen und am Ende auch den gewünschten Mehrwert einzuspielen? Wie sollten diese Instrumente eingesetzt werden? Kapitel 4.1 und 4.2 befassen sich mit der Situation einer existenziellen Krise, in der drastische Sofortmaßnahmen und ein Personalabbau unumgänglich sind. Mein Gesprächspartner war hier Dr. Bernd Köhler, Beirat und Aufsichtsrat in großen Familienunternehmen. Um die Marke zu schützen, plädiert er bei aller notwendigen Härte für Anstand und Menschlichkeit in der Restrukturierung: »Die Art und Weise, wie man bei einem Personalabbau mit den Menschen umgeht, hat eine Rückwirkung auf das gesamte Unternehmen – und insbesondere auf die Mitarbeiter, die an Bord bleiben«, lautet sein bemerkenswertes Fazit.

Nach dem Personalabbau hängt der Erfolg davon ab, die verbliebenen Mitarbeiter zu motivieren und zu Markenbotschaftern zu machen. Wie das gelingen kann und sich der Umsatz wieder ankurbeln lässt, schildert Dieter Freisler, Vorstandssprecher, Pieroth Wein AG in Burg Layen (Kapitel 4.3).

Nun gibt es auch Situationen, bei denen die Restrukturierung nicht wie erwartet funktioniert oder von vornherein aussichtslos erscheint. Eine Option kann darin liegen, in diesem Fall die Marke zu verkaufen und sich so Liquidität zu verschaffen. Wann das sinnvoll ist und was dabei zu beachten ist, habe ich mit den beiden Spezialisten für die Bewertung von Marken, Giuseppe Sorrentino und Tankred Vogt, erörtert (Kapitel 4.4).

Die weiteren Teilkapitel (4.5 bis 4.7) rücken die Frage in den Mittelpunkt, wie sich künftige Krisen von Marke und Unternehmen vermeiden lassen. Dazu gehört die Frage nach einem Frühwarnsystem, aber auch die Bereitschaft, in der Geschäftsführung auf diese frühen Anzeichen zu achten und die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Dass das nicht immer leicht fällt, zeigt das Gespräch mit Martin Krauss, der in Aufsichtsratsgremien von großen mittelständischen Unternehmen tätig ist.

Krisenvorbeugung heißt auch, die Marke in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern. Diesen Aspekt betont Lothar Hoss, Spezialist für HR Restructuring und Internal Branding. Der Hintergrund: Wie das Markenversprechen eingelöst wird, entscheidet sich dort, wo das Unternehmen Kontakt zu den Kunden hat – zum Beispiel in der Montage, im Kundendienst, Kundenservice und vor allem im Verkauf und Vertrieb. Es reicht also nicht, wenn die Marketingabteilung die Marke verstanden hat.

Was helfen alle Mühen, eine Marke aufzubauen und zu führen, wenn das Unternehmen daraus keinen zusätzlichen Gewinn kreiert? Am Ende zählt, wenn es in der Kasse klingelt. Nur wenn der Markenmehrwert über höhere Preise tatsächlich abgeschöpft wird, stehen die Mittel bereit, um zu investieren und die Zukunft des Unternehmens dauerhaft zu sichern. Eine interessante Anregung bietet hier Georgiy Michailov, Managing Partner bei Struktur Management Partner GmbH in Köln: Bei seiner Tätigkeit als Turnaround-Manager nutzt er ein Geschäftsmodell, das diese »Wertabschöpfung« als eigenen Werttreiber definiert.

Meinen Gesprächspartnern möchte ich ganz herzlich danken! Ohne ihre Beiträge hätte das Buch so nicht entstehen können. Ihre Gedanken sind teilweise in den Text eingeflossen, teilweise in wörtlichen Gesprächsausschnitten wiedergegeben oder finden sich als Impulse im Schlusskapitel wieder. Was mich besonders gefreut hat: Mein eher ungewöhnlicher Blick eines Restrukturierers auf die Marke hat durchweg ihr Interesse geweckt. Je intensiver wir ins Thema eingestiegen sind, desto mehr fingen auch meine Gesprächspartner Feuer. Es entstand ein lebhafter Austauschprozess, von dem alle Beteiligten profitiert haben.

Mit dem Buch verbinde ich das Anliegen, diesen Mehrwert einer spannenden Forschungs- und Entdeckungsreise nun auch an Sie weiterzugeben.

Jörg Bürkle

Nürnberg, im Oktober 2018

1 HEISSE BEZIEHUNG: Marke und Unternehmen können einander befeuern – oder auslöschen

Eine starke Marke stärkt ein Unternehmen. Der Kunde erkennt in dem Produkt oder der Dienstleistung einen Mehrwert und ist bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen. Das spült Geld in die Kasse, das investiert werden kann und die Entwicklung des Unternehmens vorantreibt. Ein innovatives und erfolgreiches Unternehmen stärkt wiederum die Marke. Kurzum: Marke und Unternehmen befeuern einander.

Dieser Zusammenhang ist bekannt und durch Studien belegt. Umso mehr überrascht es, wenn das Gegenteil eintritt: wenn sich in einer Krise eine starke Marke plötzlich zum Brandbeschleuniger entwickelt und das Unternehmen dadurch erst recht in eine existenzbedrohende Lage gerät.

Als Restrukturierer habe ich mit diesem gegenläufigen Mechanismus immer wieder zu tun. Kunden halten in der Krise noch eine Zeit lang der Marke die Treue. Wenn sich aber Negativschlagzeilen häufen und das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens schwindet, kommt ein Zeitpunkt, bei dem sie sich scharenweise abwenden. Man ist nicht mehr bereit, das Symbol des Niedergangs als Logo am eigenen Pullover, Handy, Fernseher oder Auto täglich vor Augen zu haben. Oder ganz handfest: Man möchte vermeiden, eine vorausbezahlte Reise nicht mehr antreten zu können, oder nicht mehr mit Ersatzteilen und Reparaturen versorgt zu werden. Dies gilt besonders auch für B-to-B-Marken, bei denen oft hohe Investitionen mit einem einzigen Kauf einhergehen — das jahrelang aufgebaute Vertrauen gehört hier zum wesentlichen Element der Marke.

Einer erfolgreichen Marke, darin liegt ihr besonderer Wert, vertrauen die Kunden blindlings. Auch dann noch, wenn das Unternehmen in eine Krise gerät. Enttäuscht und irritiert reagieren sie jedoch, wenn das Markenversprechen gebrochen wird, zum Beispiel weil die gewohnte und erwartete Leistung nicht mehr erfüllt wird. Negative Nachrichten, die sie vorher weitgehend ignoriert haben, fallen plötzlich auf fruchtbaren Boden. Waren die schlechten Zahlen bislang vor allem ein Thema der Medien, Investoren und Analysten, graben sie sich jetzt in das Bewusstsein immer breiterer Kundenschichten. Eine gefährliche Spirale kommt in Gang: Je mehr das Vertrauen der Kunden schwindet, desto mehr verliert die Marke an Wert – und desto weniger Geld lässt sich mit ihr noch verdienen.

Zwischen Marke und Unternehmen, das zeigen Erfahrungen aus Restrukturierungsprojekten, liegt ein noch wenig ausgeleuchteter Grenzbereich, in dem beide sich gegenseitig beeinflussen: In guten Zeiten befeuert eine starke Marke das Unternehmen, in schlechten Zeiten kann sie es auslöschen.

1.1 Der Blick des Turnaround-Managers auf die Marke

Solange eine Marke die Erwartungen der Kunden einlöst, ist die Welt in Ordnung. Die Kunden stehen zu ihr, Marke und Unternehmen treiben einander an. Wenn ich in ein Unternehmen komme, ist dieser Einklang von Marke und Kundenerwartung häufig gestört. Im Unternehmen existiert ein Markenbild und wird auch vom Marketing kommuniziert, doch dieses Bild weicht von den Kundenerwartungen ab. Je stärker die Bilder auseinanderfallen, desto größer ist die Gefahr, dass Kunden abwandern und die Marke zum Krisenbeschleuniger wird.

Zu dieser Diskrepanz kann es zum Beispiel kommen, wenn eine neue Technologie auftaucht, die einen zusätzlichen Nutzen bietet. Hält ein Anbieter weiterhin an der alten Technik fest, öffnet sich eine Kluft zwischen vorhandenem Markenbild und Kundenerwartungen. Während sich immer mehr Kunden und Interessenten ein Produkt mit der coolen neuen Technik wünschen, verharrt die Marke im Altbewährten. Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist die Firma BlackBerry, die vor allem deshalb in eine existenzielle Krise geriet: Als das iPhone auf den Markt kam und mit seiner berührungsempfindlichen Benutzeroberfläche neue Bedürfnisse weckte, hielt BlackBerry weiterhin an seinem alten Betriebssystem fest. Damit war das Unternehmen über längere Zeit technisch nicht in der Lage, den Sprung zum Smartphone zu vollziehen.

Oder umgekehrt: Das Unternehmen entwickelt sich technologisch weiter, versteht es aber nicht, die Kunden auf die Reise mitzunehmen. Auch dann kommt es zu einer Lücke zwischen den Vorstellungen des Unternehmens und den Erwartungen der Kunden. Das geschieht oft auch schleichend über die Jahre: Weil die Geschäfte gut laufen, macht sich das Unternehmen nur wenig Gedanken über seine Kunden – und die Vorstellungen driften langsam auseinander.

Für den Restrukturierer stellt sich in dieser Situation einerseits die klassische Aufgabe, die notwendigen Kostenschnitte vorzunehmen, um die Krise einzudämmen. Gleichzeitig muss er aber auch verhindern, dass die bereits angeschlagene Marke die Krise beschleunigt. Seine Aufgabe ist es deshalb, parallel zur eigentlichen Restrukturierung eine Markenstrategie zu entwickeln und umzusetzen – mit dem Ziel, das Markenbild des Unternehmens den Kundenerwartungen anzugleichen. Hierbei ist er auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Unternehmensführung sowie den Fachleuten im Marketing angewiesen.

Die Marke wirkt im Kopf des Kunden

Für die Unternehmensführung ist es sinnvoll, zwischen dem Markenbild des Unternehmens und dem Markenbild im Kopf der Kunden zu unterscheiden. »Eine Marke wirkt im Kopf des Kunden«, erklärt im Gespräch zu diesem Buch der Markenexperte Jürgen Gietl, Managing Partner der Markenberatung Brand Trust GmbH. »Eine Marke wird vom Unternehmen gemacht und vom Kunden wahrgenommen. Entscheidend ist dann die Frage, wie das Unternehmen seine Marke managt, damit sie beim Kunden ihre Wirkung entfaltet.«

Folgt man dieser Definition von Marke, sind prinzipiell drei Fälle möglich:

◾Die Vorstellungen des Unternehmens, wie die Marke beim Kunden wirken soll, sind weitgehend identisch mit dem, wie sie tatsächlich wirkt. ◾Die Vorstellungen des Unternehmens, wie die Marke beim Kunden wirken soll, differieren von dem, wie sie tatsächlich wirkt. ◾Es gibt keine Vorstellungen, wie die Marke beim Kunden wirken soll; sie wirkt alleine durch das Tun des Unternehmens.

Für den Restrukturierer besteht im ersten Fall Entwarnung. Er braucht nicht zu befürchten, dass die Marke verschärfend auf die Krise wirkt. Das Marketing kommuniziert ein Soll-Bild der Marke, das dem Ist-Bild im Kopf des Kunden entspricht. Solange die Erwartungen, die der Kunde im Kopf hat, und die Erwartungen, die die Marketingabteilung auslösen möchte, zueinanderpassen, können sich alle Beteiligten am wohligen Lagerfeuer wärmen. Der Kunde sieht seine Erwartungen erfüllt, kauft das Produkt – Marke und Unternehmen treiben sich gegenseitig an.

Im zweiten Fall, wenn die Vorstellungen auseinandergehen, ist hingegen Gefahr im Verzug: Das Unternehmen erfüllt die Erwartungen seiner Kunden nicht, die Marke verliert deshalb ihre positive Wirkung – und wird womöglich zum Brandbeschleuniger in der Unternehmenskrise. Die Markenstrategie sollte daher darauf ausgerichtet sein, die Vorstellungen von Unternehmen und Kunden wieder miteinander in Einklang zu bringen. Da jedoch in der Krise meistens die Mittel und vor allem die Zeit fehlen, um die Vorstellungen der Kunden zu beeinflussen und zu ändern, läuft es in der Regel darauf hinaus, das Markenbild des Unternehmens an das der Kunden anzupassen – und nicht umgekehrt.

In der Praxis ist das keine leichte Aufgabe. Mit meiner Forderung, die Kommunikation schnell auf die tatsächlichen Kundenerwartungen auszurichten, stoße ich fast immer auf Widerstand. Zwar wurde das Markenbild einst in einem aufwändigen Prozess in der Marketingabteilung entwickelt, vielleicht auch in Richtlinien oder Handbüchern festgeschrieben. Häufig kennen die Mitarbeiter an den Kundenkontaktpunkten dieses Markenbild jedoch nicht wirklich und liefern deshalb beim Kunden etwas anderes ab, als die Marke verspricht. Die Unternehmensführung indes denkt, Marke sei Sache der Marketingabteilung – und übersieht die Wirkungskette der Marke, die durch das ganze Unternehmen bis hin zum Kunden reicht. Das alles darf aber nicht davon abhalten, die Markenkommunikation umzustellen und mit den Kundenerwartungen in Einklang zu bringen.

Im dritten Fall ist sich das Unternehmen seiner Marke und Markenwirkung nicht bewusst – obwohl diese Wirkung existiert. »Es gibt kein Unternehmen, das nicht eine Marke ist«, konstatiert Markenexperte Jürgen Gietl. »Ein Unternehmen sollte sich deshalb immer die Frage stellen, ob es diese Marke managen will oder nicht.« Mag sein, dass in der Vergangenheit alles prima gepasst hat, ohne dass die Unternehmensführung bewusst etwas für die Marke getan hat. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß, eine Chance vergeben zu haben: In den meisten Fällen hätte sich der Mehrwert der Marke durch einen höheren Preis abschöpfen beziehungsweise die Profitabilität des Unternehmens verbessern lassen.

Vor allem aber birgt der dritte Fall die Gefahr, ungewollt negative Wirkungen auszulösen. Die Unternehmensführung ändert etwas in der Art und Weise der Leistungserbringung, ohne den Zusammenhang zwischen Maßnahme und Wirkung beim Kunden zu kennen – und wundert sich über plötzlich sinkende Absatzzahlen. Noch gefährlicher sind Änderungen im Umfeld des Unternehmens: Ein Konkurrent entwickelt zum Beispiel eine neue Technologie und kann dadurch einen für die Marke relevanten Aspekt besser erfüllen. Die Marke kann sich dann zum Brandbeschleuniger entwickeln, obwohl die Geschäftsführung sich der Existenz dieser Marke nicht einmal bewusst ist.

Bleibt festzuhalten: Entscheidend ist, was sich im Kopf des Kunden abspielt, nicht, was die Marketingabteilung sich ausdenkt. Wenn die Vorstellungen weit auseinanderlaufen oder es keine Vorstellungen gibt, liegt darin meistens mit ein Grund für die Krise – und das Unternehmen braucht eine Markenstrategie, mit der es die Köpfe der Kunden wieder erreicht und die erzeugten Werte abschöpfen kann.

Breit gefasster Markenbegriff

Der Definition von Jürgen Gietl folgend ergibt sich ein breit gefasster Markenbegriff. Vorstellungen im Kopf des Kunden rufen demnach nicht nur die bekannten Konsumgütermarken hervor, sondern letztlich jeder Hersteller von Produkten und Dienstleistungen. Auch Unternehmen im Business-to-Business-Bereich sind Markenhersteller – selbst dann, wenn sie selbst gar nicht von Marke sprechen.

Wie bei den klassischen Markenunternehmen hat eine Marke auch im B-to-B-Bereich für den Kunden eine wichtige Orientierungsfunktion. Wer etwa als Einkäufer eines Industrieunternehmens Kaufentscheidungen trifft oder solche Entscheidungen seinem Geschäftsführer erläutern muss, hat es einfacher, wenn er mit dem Image der Firma argumentieren kann. Etwa in dem Tenor: »Dieser Lieferant ist für seine Qualität bekannt«, oder: »Diese Firma ist dafür bekannt, dass sie die gelieferten Maschinen individuell anpasst.« Ein solches Markenversprechen steht wahrscheinlich in keiner Broschüre, womöglich ist es nicht einmal dem Anbieter selbst bewusst. Der Einkäufer jedoch kennt es, ebenso wie sein Chef – und das erleichtert die Kaufentscheidung ganz enorm.

Die Einkäufer einer Branche gewinnen über die Jahre klare Vorstellungen von den unterschiedlichen Anbietern, die für sie infrage kommen. Sie wissen, Anbieter A stellt Standardmaschinen her, ist daher relativ preisgünstig, während Anbieter B höhere Preise verlangt, dafür aber über hoch qualifizierte Techniker verfügt, die eine hohe Maschinenverfügbarkeit sicherstellen. In den Köpfen der Kaufentscheider setzen sich bezogen auf die verschiedenen Anbieter bestimmte Erwartungen fest – es entstehen Marken.

Auch wenn sich Investitionsgüterfirmen oft wenig Gedanken darüber machen, welche Vorstellungen sie bei ihren Kunden hervorrufen wollen, existiert dennoch eine Erwartungshaltung beim Kunden. Im Kopf des Kunden ist ein Markenbild entstanden – auf Basis der Erfahrungen, die er mit der Firma über Jahre hinweg gemacht hat.

Wie sehr eine starke Marke eine unternehmerische Entscheidung beeinflussen kann, durfte ich als Mitglied der Geschäftsführung eines internationalen Messebauers eindrucksvoll erfahren. Am Nebenstandort des Unternehmens war ein altersschwacher Stapler kaputt gegangen und musste ersetzt werden. Die Einkaufsleiterin, der Fertigungsleiter und ich waren uns schnell einig, den neuen Stapler bei einem Vorzugslieferanten zu beziehen, dessen Staplertyp bereits an vielen Stellen des Unternehmens eingesetzt wurde. Es lag auf der Hand, dass die so erzielbaren Bündelungseffekte die Investitionssumme reduzieren konnten.

Womit wir nicht gerechnet hatten: Das Vorhaben rief massiven Widerstand des betroffenen Lagerteams auf den Plan, bis hin zu einer ziemlich harsch formulierten E-Mail an mich persönlich. Zusammen mit dem Fertigungsleiter besuchte ich bei nächster Gelegenheit den Nebenstandort – und erlebte dort eine beeindruckende Demonstration des Lagerteams: Mit hohem emotionalen Engagement führten die Mitarbeiter eine halbe Stunde lang die Vorzüge des bisherigen Staplertyps und seines Lieferanten vor.

Als sachlichen Grund nannten sie das spezielle Layout des Lagers am Nebenstandort und legten dar, dass der neue Staplertyp hier deutliche Nachteile in der Produktivität bringen würde. Darüber hinaus setzten sie sich aber auch vehement für den Hersteller und seinen in der Nähe ansässigen Servicepartner ein: Beide hätten über viele Jahre ihre Versprechen gehalten und sich als außerordentlich zuverlässig erwiesen. Das habe sich nicht zuletzt in einer außerordentlich hohen Verfügbarkeit des Staplers niedergeschlagen.

Das hoch emotionale Plädoyer zeigte, wie sehr das Lagerteam zu einem Fan des Herstellers und seines Servicepartners geworden war. Eine schier unglaubliche Loyalität, vielleicht noch verbunden mit dem für Nebenstandorte typischen Eigenbrötlertum, hatte zu diesem massiven Widerstand gegen die Präferenz der Geschäftsführung geführt. Am Ende mit Erfolg! Wir entsprachen dem Wunsch des Lagerteams, weil auf längere Sicht die Vorteile der höheren Produktivität und Verfügbarkeit die Bündelungseffekte überwogen.

Ohne die heftige Reaktion des Lagerteams, ohne den Widerstand, der sogar die üblichen Kommunikationswege ignoriert hatte, wäre die Entscheidung anders gefallen. Letztlich war es die Kraft der Marke, die hier die Gewichte verschoben hat. Ob der Hersteller und sein Servicepartner sich dessen wohl bewusst waren? Ob sie den Faktor »Marke« in ihrem Beschaffungsprozess gezielt eingesetzt hatten? Vermutlich nicht.

Im Unterschied zum Markenartikler kennt ein Investitionsgüterhersteller seine Marke häufig nicht und nutzt sie deshalb auch nicht für seine Marketingkommunikation. Dennoch erfüllt sie wie bei einem Markenartikelunternehmen die Funktion, sich gegenüber den Wettbewerbern zu differenzieren. Die Marke schafft Eigenständigkeit, Bekanntheit, Kundenbindung und letztendlich einen Mehrwert, der über einen hohen Absatz und eine Preisprämie den wirtschaftlichen Erfolg befeuert.

Einen Nachteil hat das fehlende Bewusstsein um die Marke jedoch: Es besteht die Gefahr, sich im Marketing weniger an den Erwartungen der Kunden auszurichten – und sich dazu verleiten zu lassen, stattdessen die technischen Raffinessen der eigenen Produkte in den Vordergrund zu stellen.

Deutlich wird, wie sinnvoll es ist, den Begriff Marke weit zu fassen. Oft entsteht erst so das Bewusstsein, über eine Marke zu verfügen – und damit auch die Motivation, die Vorstellungen der Kunden mit den eigenen Vorstellungen zusammenzuführen.

Der Marke auf der Spur

In der Realität stößt die breite Definition häufig noch auf Unverständnis. »Marke? Wir haben doch gar keine Marke!« Etwas erstaunt reagierte etwa der Geschäftsführer eines renommierten Maschinenbauers. Als einer von vier großen Anbietern agierte das Unternehmen in einem schrumpfenden Markt und kämpfte mit Nachfragerückgängen. Meine Aufgabe sei es, die Insolvenz abzuwenden, gab mir die Geschäftsführung zu verstehen: »Wir haben jetzt Wichtigeres zu tun, als über eine nicht existierende Marke zu diskutieren!«

Erst nach intensivem Drängen war die Geschäftsführung bereit, in einem Workshop über eine mögliche Zukunft der Firma nachzudenken. Eher beiläufig erwähnte im Vorfeld des Workshops der Leiter des Vertriebsinnendienstes eine Kundenbefragung, die man vor nicht sehr langer Zeit durchgeführt habe – ein glücklicher Zufall!

Anhand der Befragungsergebnisse wurde klar, was die Kunden tatsächlich über das Unternehmen dachten. Dabei stach vor allem ein Merkmal hervor, das der Geschäftsführung so noch nicht wirklich bewusst war: Ganz besonders schätzten die Kunden die Fähigkeit des Unternehmens, die gelieferten Anlagen über eine Modularisierung individuell anzupassen, notfalls auch durch kleine Änderungen an der Konstruktion.

Die Kundenerwartungen bildeten die Grundlage, um im Workshop eine klare Positionierung des Unternehmens zu erarbeiten: Wo unterscheiden wir uns von den Wettbewerbern? Wo wollen wir bewusst nicht mithalten? Wo wollen oder müssen wir gleichziehen? Die Antworten pinnten die Teilnehmer an die Wand: drei Punkte, bei denen sich das Unternehmen von den Wettbewerbern unterschied, zwei Punkte, bei denen man bewusst nicht in Wettbewerb treten wollte – und fünf Punkte, bei denen man mit seinen Konkurrenten gleichziehen wollte.

Im Einzelnen ergab sich folgendes Bild:

Wo differenzieren wir uns?

◾Wir bieten kundenspezifische Problemlösungen an.◾Wir haben das beste Preis-Leistungs-Verhältnis über die gesamte Laufzeit der Maschine (bei den Anschaffungskosten sind wir eher der teurere Anbieter, aber über die Laufzeit rechnen sich unsere Maschinen). ◾Wir sind der Hersteller mit der höchsten Innovationskraft (technische Differenzierung).

Wo differenzieren wir uns nicht?

◾Wir streben nicht die größte Sortimentsbreite, bieten in unserer Branche also nicht jeden Maschinentyp an. ◾Wir wollen nicht über den Anschaffungspreis konkurrieren. Wenn wir bei Ausschreibungen wegen des Preises ausscheiden, akzeptieren wir das.

Wo wollen wir gleich gut sein wie die Konkurrenz?

◾bei der Verfügbarkeit der Maschinen, ◾bei der Qualität, ◾beim Image oder bei der Marke, ◾bei der persönlichen Betreuung, ◾bei Servicebereitschaft und Reaktion.

Die Positionierung spiegelt die Marke und das damit verbundene Versprechen wider: kundenspezifische Problemlösungen, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, Innovationskraft. Nun kam es darauf an, bei der anstehenden Restrukturierung dieses Markenversprechen zu wahren. Andernfalls würde man die Kundenerwartungen enttäuschen und Gefahr laufen, die Krise zu verschärfen.

Das Markenversprechen wahren – das hieß zum Beispiel: weiterhin kundenspezifische Lösungen anbieten. Diese Anpassungen waren zwar eine kostspielige Angelegenheit, stellten jedoch in den Augen der Kunden ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal dar. Unbedachte Einsparungen an dieser Stelle würden die Marke im Kern treffen und eine nachhaltige Restrukturierung gefährden.

Der Fall des Maschinenbauers zeigt, wie wichtig es für den Erfolg einer Restrukturierung ist, die Erwartungen der Kunden herauszufinden und zu berücksichtigen. Das gilt in Unternehmen ohne explizite Markendefinition ebenso wie in Unternehmen, bei denen das Marketing eine Vorstellung von einer Marke hat.

Im ersten Fall, wenn das Unternehmen keine Marke definiert hat, stellen seine Produkte in den Augen der Kunden häufig trotzdem eine Marke dar. Für den Turnaround-Manager ist es wichtig, diese Marke zu kennen, denn sonst läuft er Gefahr, an Stellen Einschnitte vorzunehmen, bei denen die Kunden eine besondere Stärke des Unternehmens sehen. Im zweiten Fall gilt es zu hinterfragen, ob die Markendefinition mit den Erwartungen der Kunden übereinstimmt – was in einer Krise sehr oft nicht der Fall ist.

»MARKE IST EINE MANAGEMENTDISZIPLIN«

Was ist eine Marke? Wie wirkt sie? Wer steuert sie? Eine Vertiefung mit Jürgen Gietl, Geschäftsführer der Managementberatung Brand Trust GmbH in Nürnberg.

Wie lässt sich die Beziehung zwischen Marke und Unternehmen beschreiben?

GIETL: Diese Beziehung ist vielfältig und fast nie voneinander zu trennen. Die Marke ist häufig Symbol der Leistungskraft eines Unternehmens, auch der Art der Zusammenarbeit im Unternehmen, der Unternehmenskultur. Sie steht für das, was dieses Unternehmen ausmacht. Deshalb ist sie auch bei den Mitarbeitern sehr stark emotional verankert. Das zeigt sich immer wieder bei M&A-Prozessen: Da wird versucht, ein Unternehmen mit einer starken Marke in ein anderes Unternehmen mit einer ebenso starken Marke zu integrieren – und plötzlich merkt man, wie diese emotionalen Bindungen an die jeweilige Marke aufeinandertreffen, wie plötzlich die Emotionen hochkochen.

Zwischen Marke und Unternehmen gibt es natürlich auch viele rationale Beziehungen. Die Marke dient dazu, ein bestimmtes Angebot des Unternehmens nach außen zum Kunden darzustellen, ihm die Frage zu beantworten: »Was steckt hinter dem Angebot, was wird mir da versprochen, was bietet mir dieses Unternehmen?« Oder die Marke hat die Funktion, dass jemand das Angebot oder das Unternehmen überhaupt erst erkennt und die Orientierung für den Kunden erhöht.

Kann man sagen, dass eine Marke letztlich im Kopf des Kunden entsteht?

GIETL: Das würde ich so nicht sagen. Marken werden vom Kunden wahrgenommen, doch gemacht werden sie vom Unternehmen. Eine Marke wirkt im Kopf des Kunden, doch sie entsteht im Unternehmen. Durch das Unternehmen selbst, seinen besonderen Charakter, seine besondere Leistung, seine besondere Vorgehensweise – aus all dem entsteht die Marke. »Marke ist der verdichtete Ausdruck spezifischer Spitzenleistung«, lautet deshalb auch unsere Markendefinition. Das heißt, die Marke macht das Unternehmen in einer verdichteten Form für den Kunden erlebbar. Wie ein Brennglas bündelt sie die Eigenschaften des Unternehmens und brennt sich im Gedächtnis der Kunden ein – und löst damit in seinem Kopf eine Wirkung aus.

Die entscheidende Frage ist dann natürlich, ob das Unternehmen seine Marke sich selbst überlässt oder aktiv managt, um eine bestimmte Wirkung zu erzeugen.

Was bedeutet es, wenn ein Unternehmen seine Marke nicht aktiv managt? Es gibt ja Unternehmen wie etwa im Maschinenbau, denen gar nicht bewusst ist, dass sie eine Marke sind.

GIETL: Die Wirkung der Marke kann sehr positiv sein, und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen sie aktiv managt oder nicht. Ebenso kann die Wirkung sehr negativ sein, wenn das Unternehmen die Marke schlecht managt. Der Punkt ist nur: Ein Unternehmen erzeugt einen Wert, den ich meinen Kunden vermitteln kann, wenn ich sie gut manage. Ich finde: Wenn schon ein Unternehmen mit seiner Marke einen Wert erzeugt, sollte es diesen Mehrwert auch abschöpfen. Dazu aber muss es die Marke aktiv managen – muss es den Wert der eigenen Leistung mithilfe der Marke so vermitteln, dass er von den Kunden wertgeschätzt wird.

Ein typisches Beispiel: Hinsichtlich seiner Leistungen ist ein Unternehmen seit zehn Jahren auf seinem Feld die Nummer eins, in seinem Ansehen und seiner Marktstellung bleibt es zurück auf Platz zwei. Das Thema Marke ist dort an die Werbeabteilung delegiert und läuft irgendwie mit. Es fehlt das Bewusstsein, zu sagen: »Was können wir tun, um die Wahrnehmung unserer Kunden zu verändern – und zwar so, dass sie zur Leistungskraft unseres Unternehmens passt?« Diese Wahrnehmung durch den Kunden entsteht erst dadurch, dass ich die Leistung für den Kunden und die Öffentlichkeit erfahrbar mache – und das ist eben weit, weit mehr als Logo und Kommunikation.

Worauf kommt es an, wenn ein Unternehmen seine Marke aktiv managen und beim Kunden die gewünschte Wirkung erzielen möchte?

GIETL: Entscheidend ist vor allem eines: die Erkenntnis, dass letztlich alle Disziplinen im Unternehmen die Wahrnehmung der Marke beeinflussen. Wie ein Kunde die Marke wahrnimmt, hängt eben nicht nur von Logo und Kommunikation ab! Die Art der Leistung, die vergangenen Verdienste, der Charakter des Unternehmens, die Kultur, die Preismodelle, das Verhalten der Mitarbeiter, die Vertriebsform, das Geschäftsmodell – da spielen zahlreiche Faktoren ineinander, die am Ende das Markenbild im Kopf des Kunden ergeben.

Demnach ist es ein Fehler, die Markenführung im Marketing anzusiedeln, wie das viele Unternehmen machen?

GIETL: Ja, das ist völlig unlogisch. Wenn man die Führung der Marke im Marketing ansiedelt, delegiert man sie an eine Stelle im Unternehmen, die häufig von den anderen Unternehmensbereichen entkoppelt ist. Da aber alle Unternehmensbereiche die Wirkung der Marke beeinflussen, muss die Marke auch in allen diesen Bereichen gemanagt werden. Das wird sehr oft missverstanden! Alles das, was das Unternehmen an Wert erzeugt und beim Kunden an Wertschätzung erzielen möchte, muss in ein Versprechen gegossen, durchgängig vom ganzen Unternehmen gesteuert und am Ende gegenüber dem Kunden gehalten werden. Marke ist damit eine Managementdisziplin. Das Management braucht hierfür nicht einmal Markenmanagementkompetenz zu haben. Entscheidend ist nur, dass es sich der Wirkkette bewusst ist und sich klar macht, an welchen Stellen in diesem Prozess es eingreifen muss, damit das Versprechen an die Kunden gehalten wird.

Wie meinen Sie das, wenn Sie sagen, das Management müsse nicht einmal Markenmanagementkompetenz haben?

GIETL: Mir fällt da das Beispiel eines mittelständischen Unternehmens ein, hervorragend aufgestellt, in seiner Industrie einer der weltweit erfolgreichsten Anbieter. Das Qualitätsmanagement, der Auftritt, die Architektur, die Art der Bürogestaltung, die Fertigungssysteme, die Art, wie kommuniziert wird, und, und, und – das ganze Unternehmen ist auf eine Weise gemanagt, wie es der Unternehmer gut und richtig findet. Es strahlt eine Aura aus, die jeder spürt, der das Unternehmen betritt, und die auch von den Mitarbeitern im Vertrieb nach außen getragen wird. Das schafft eine unglaubliche Anziehungskraft, eine Sogwirkung, die das Unternehmen letztlich so erfolgreich und profitabel macht. Was hier geschieht, ist Marke in Reinkultur!

Als ich in diesem Unternehmen einmal einen Vortrag über das Thema Marke gehalten hatte, meinte der Unternehmer anschließend: »Herr Gietl, so ein bisschen Marke sind wir doch auch?« Das fragte der Chef, der eines der profitabelsten, angesehensten und erfolgreichsten Unternehmen seiner Branche führte! Ein Unternehmer, der im Sinne der Marke alles richtig machte. »Wenn Sie wüssten, wie viel Marke Sie sind, ohne dass Sie es so nennen«, entgegnete ich ihm. Das Beispiel zeigt: Man muss es nicht unbedingt Markenmanagement nennen. Entscheidend ist nur, die Wirkprinzipien von Marke verinnerlicht zu haben.

Wenn ich als Restrukturierer in ein Unternehmen komme, beobachte ich immer wieder, dass das Markenbild des Unternehmens von den Vorstellungen der Kunden abweicht. Ich sehe das als Krisensymptom, weil die Marke die Erwartungen der Kunden nicht erfüllt. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

GIETL: Ich komme darauf zurück: Die Marke ist mehr als Logo und Kommunikation, mehr als das, was sich das Marketing ausgedacht hat. Das Markenversprechen wird ja nicht durchs Marketing gehalten, sondern durch die Leistungen der Marke und des Unternehmens. Das Markenbild im Kopf des Kunden entsteht aus den vielfältigsten Kontakten und Erfahrungen mit dem Unternehmen. Hat das Management diese Wirkkette nicht als Ganzes im Blick, weiß es möglicherweise nicht, wie die Marke beim Kunden wirkt. So entsteht das große Problem, über das Marketing etwas zu versprechen, was die Marke gar nicht hält.

Es geht also darum, die gesamte Wirkkette im Blick zu haben, Marke als Teil des Managements zu sehen. Dann stimmen auch das Markenbild des Unternehmens mit den Vorstellungen der Kunden überein. Was bedeutet das konkret für den Geschäftsführer oder Vorstand?

GIETL: Letztlich richtet er sein ganzes Unternehmen an der Marke aus, indem er drei Dinge definiert: wofür seine Marke glaubwürdig steht, was die Marke attraktiv macht und wie sie sich vom Wettbewerb differenziert. Das bringt er auf den Punkt. Darauf bezieht er alles, was er tut. Er achtet darauf, dass Produkte, Angebote und Preismodelle dazu passen, dass seine Kommunikation darauf einzahlt, das Verhalten der Mitarbeiter dazu passt. Alles steht in Verbindung mit der Marke. Das gibt dem Unternehmen Richtung, Klarheit und Geschwindigkeit. Den Mitarbeitern gibt es Sicherheit, weil sie wissen, was sie zu tun und zu unterlassen haben.

Die Marke wird damit für das Management zum Handlungsrahmen, der Grenzen setzt, zugleich aber Spielräume eröffnet und zu mehr Agilität führt.

Im Grunde orientiert sich also jede Entscheidung an der Marke, von der Produktinnovation bis zur Ausstattung der Sanitärräume. Immer geht es um die Frage, ob die Entscheidung das Markenversprechen unterstützt.

GIETL: Ja, die Marke bildet hier einen umfassenden Handlungsrahmen. Viele Unternehmen haben Leitlinien oder Unternehmenswerte definiert, an denen sie sich orientieren. Das ist alles in Ordnung, sofern die Wirkung nach außen gegenüber den Kunden bewusst und bekannt ist. Häufig wirken diese Leitlinien eher nach innen und sollen vor allem die Zusammenarbeit der Mitarbeiter regeln. Das Schöne an einer Marke ist, dass sie hier die Brücke von innen nach außen schlägt, auch von der Vergangenheit in die Zukunft. Der von der Marke gebildete Handlungsrahmen ist hier umfassender, widerspricht aber den vorhandenen Leitlinien in der Regel nicht. Meistens lassen sie sich deshalb in den Handlungsrahmen der Marke integrieren.

1.2 Marken befeuern den Unternehmenswert

Für eine Unternehmensleitung lohnt es sich, die Performance der eigenen Marke im Blick zu behalten. Ist die Marke stark, entstehen die bekannten Vorteile: Das Unternehmen kann einen Mehrwert erwirtschaften, auch eine gewisse Robustheit gegen Krisen aufbauen. Ebenso wichtig ist es, den Niedergang der eigenen Marke zu erkennen – denn auch das hat Konsequenzen. Eine schwache Marke kann das Unternehmen in eine Krise bringen oder die Krise verschärfen.

Die Frage, was eine starke Marke und was eine schwache Marke ausmacht, erhält vor diesem Hintergrund besondere Relevanz. Eine starke Marke wirkt sich anders auf den Unternehmenserfolg aus als eine schwache Marke – wobei die Wirkungen wiederum unterschiedlich sind je nach Stärke des Unternehmens.

Unserer Markendefinition folgend erfüllt eine starke Marke in besonderem Maße die Erwartungen der Kunden. Dadurch erzeugt sie einen Mehrwert, der sich in höheren Preisen niederschlägt, die von einer ausreichenden Menge von Kunden bezahlt werden. Deutlich wird das bei Konsumgütern, wenn eine Marke etwa einen besonderen Lebensstil ausdrückt oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zeigt.

Wie stark dieser Effekt sein kann, belegen Untersuchungen aus unterschiedlichen Branchen. Ein Beispiel ist der Vergleich dreier inhaltlich nahezu identischer Energydrinks. Koffeingehalt, Tauringehalt, Kohlenhydrate, Zucker – bei allen gleich. Allein die Marke macht den Unterschied: Zwei Marken sind weitgehend unbekannt und werden für 45 und 40 Cent verkauft, für die Dose Red Bull hingegen bezahlt man von 99 Cent bis 1,29 Euro.

Hier spiegelt auch der Preis die Stärke der Marke wider, wie Giuseppe Sorrentino, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Kufstein Tirol und Senior Consultant bei Brandstock Valuation, im Gespräch zu diesem Buch ausführt. »Red Bull verkörpert ein konsistentes Markenimage in allen erdenklichen Formen und positioniert sich in Perfektion am Leistungsversprechen.« Das Unternehmen unterhalte einen Formel-1-Rennstall (Red Bull Racing), der für Schnelligkeit steht, besitze einen regionalen Fußballklub (Red Bull Salzburg), der die Herkunft von Red Bull betont, und lasse seinen Claim »Red Bull verleiht Flügel« Wirklichkeit werden, indem es Menschen aus dem Weltall springen lässt (Fallschirmsprung von Felix Baumgartner). »Das alles ist brillant inszeniert. Emotion, Identifikation, Assoziation und Lifestyle färben auf die Kunden ab – und deshalb ist Red Bull auf der Metaebene auch ›vieeelll besser‹ als identische Produkte anderer Hersteller.«

Ein anderes Beispiel: Acetylsalicylsäure ist ein schmerzstillender Wirkstoff, der unter dem Markennamen Aspirin von der Bayer AG hergestellt wird. Eine Tablette Aspirin kostet etwa 29 Cent; andere Hersteller, die den Markennamen nicht verwenden können, müssen sich für die inhaltlich identische Tablette mit sieben bis elf Cent begnügen. Auch hier illustriert der höhere Preis den Mehrwert einer starken Marke.

Eindrucksvoll zeigt auch ein viel zitierter Blindtest, welchen Einfluss eine starke Marke auf das Bewusstsein der Menschen hat. Probanden sollten zwei ihnen unbekannte Limonaden beurteilen. 51 Prozent fanden Getränk eins besser, 44 Prozent bevorzugten Getränk zwei, fünf Prozent fanden beide gleich gut. Bei einem zweiten Test kosteten die Teilnehmer dieselben Getränke, kannten jedoch die Marken. Die Präferenzen verschoben sich komplett: Getränk eins, Pepsi-Cola, stürzte auf 23 Prozent ab, Getränk zwei, Coca-Cola, schnellte auf 65 Prozent hoch. Jugend, Coolness, American Way of Life – die Emotionen der stärkeren Marke gaben den Ausschlag.

Eine starke Marke schafft Mehrwert, den das Unternehmen durch einen höheren Preis abschöpfen kann – was zu besagtem Befeuern führt: Der höhere Cashflow erlaubt es dem Unternehmen, Finanzreserven für schlechte Zeiten anzulegen und in die Zukunft zu investieren. Das Unternehmen kann neue Produkte und Leistungen entwickeln, Akquisitionen vornehmen, sich in neue Märkte vorwagen – und seine Eigentümer mit einer ordentlichen Rendite beglücken.

Die Stärke der Marke schlägt sich nicht nur im wirtschaftlichen Erfolg und einem zusätzlichen operativen Cashflow nieder, sondern auch in einem hohen Markenwert. Dieser lässt sich berechnen und im Falle eines Verkaufs auch monetarisieren.

Angenommen, die Bilanzsumme eines Unternehmens weist einen Wert von zwei Millionen Euro aus. Ein Interessent ist aber bereit, das Unternehmen für fünf Millionen Euro zu kaufen – obwohl der Vermögenswert, also das, was der Käufer in Form von Maschinen, Waren, Lagerbeständen und Forderungen der Kunden erhält, eben nur jene zwei Millionen beträgt. Der Unterschied resultiert aus der Erwartung des Käufers, mit dem Unternehmen in Zukunft bestimmte Gewinne erzielen zu können. Diese Erwartungen spiegeln den Mehrwert des Unternehmens wider, der auch die Marke einschließt.

Die spannende Frage an dieser Stelle: Welchen Anteil an diesem Mehrwert hat die Marke? Lässt sich das feststellen? Um Antwort zu erhalten, erkundigte ich mich bei zwei ausgewiesenen Spezialisten, die sich mit der Bewertung von immateriellem Vermögen, speziell auch der Marke, intensiv befasst haben.

»DIE PREISPRÄMIE TREIBT DEN UNTERNEHMENSWERT«

Eine starke Marke enthält eine Preisprämie, die ein Unternehmen normalerweise für höhere Preise nutzt. Zugleich ist die Preisprämie ein Bestandteil des Markenwerts, der sich bestimmen und monetarisieren lässt. Wie sich der Wert der Preisprämie und der Marke feststellen lässt, erklären Giuseppe Sorrentino, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Kufstein Tirol und Senior Consultant bei der Brandstock Valuation GmbH in München, und Tankred Vogt, Director Valuation bei Brandstock Valuation.

Marken erzielen Preisvorteile, das kann jeder Konsument täglich beim Kauf von Schmerzmitteln oder koffeinhaltigen Getränken erleben. Aber kann die Preisprämie auch als Bestandteil des Wertes eines Unternehmens nachgewiesen werden?

SORRENTINO: Zunächst gilt es, festzuhalten: Der Markenwert ist Bestandteil des Unternehmenswerts. Die Preisprämie, wir nennen es auch Preispremium, ist das Resultat einer starken Marke und damit Bestandteil des Markenwerts. Das Preispremium lässt sich mithilfe der sogenannten Mehrgewinnmethode bestimmen. Es handelt sich hierbei um ein Markenbewertungsverfahren, das den Wert der Marke anhand des diskontierten Preisabstandes zu einem vergleichbaren unmarkierten oder generischen Vergleichsprodukt misst.

Die Preisprämie spiegelt die Stärke einer Marke wider – erzeugt einen zusätzlichen Cashflow, der wiederum die Entwicklung des Unternehmens befeuert.

SORRENTINO: Grundsätzlich ja. Man kann das Preispremium implizit auch als Treiber des Unternehmenswerts sehen, da ein gewisser Status, ein Prestige, eine Reputation oder ein Zusatznutzen vom Konsumenten vergütet wird, wie etwa das Beispiel Red Bull eindrucksvoll zeigt. Allerdings lässt sich dieses Preispremium nur über eine starke Marke erzielen. Der Aufbau und Erhalt einer starken Marke – mit dem höchsten Ziel, eine Monopolstellung im Bewusstsein der Konsumenten zu erlangen – kostet Geld. Daher wird immer ein Teil des Preispremiums durch intensive Marketingausgaben aufgezehrt. Die Entwicklung befeuert es dann, wenn diese zusätzlichen Cashflows in die Marke reinvestiert werden, um die Position zu festigen und auszubauen.

Zu bedenken ist auch, dass die Preisprämie nur dann zusätzlichen Cashflow erzeugt, wenn genügend Kunden tatsächlich kaufen.

SORRENTINO: Richtig. Eine starke Marke ausschließlich am Preispremium zu messen, ist zu kurz gegriffen. Ebenso muss auch der Zusammenhang mit dem Mengenpremium, also der von der Marke erzeugten zusätzlichen Absatzmenge, gesehen werden. Wenn im Wettbewerbsvergleich das eine Unternehmen ein lukratives Preispremium erzielt, kann ein anderes womöglich durch höhere Absatzmengen punkten. Dieses bedient damit die preisbewussten Käufer, hat weniger Marketingaufwendungen und profitiert von Skalenerträgen. Ein Beispiel sind erfolgreiche von Discountern eingeführte Handelsmarken: Hier fehlt oft ein offensichtliches Preispremium – was aber nicht heißt, dass keine funktionierende Marke etabliert wird, die kaufende und zufriedene Kunden generiert. Dies zahlt ebenfalls auf den Marken- und Unternehmenswert ein.

Nicht nur Preis und Menge bestimmen den Markenwert. Welche weiteren Aspekte werden betrachtet?

VOGT: