Christmas Love - Valea Summer - E-Book
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Christmas Love E-Book

Valea Summer

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Beschreibung

»Wir können uns nicht aussuchen, in wen wir uns verlieben. Diese Entscheidung trifft allein unser Schicksal.« Ein schwerer Schicksalsschlag veranlasst Cailin dazu, ihre Heimat zu verlassen. Ein Jahr später beschließt sie wieder nach New Abbey zurückzukehren. Unterwegs bleibt sie im verschneiten London hängen und trifft dort auf einen alten Freund, der ihren Schmerz teilt. Doch das Wiedersehen bringt nicht nur Cailins Gefühlswelt völlig aus dem Gleichgewicht.

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Widmung

Für alle Weihnachtsmänner, Engel und Elfen unter uns.

Für alle, die Weihnachten lieben und Besinnlichkeit im Herz tragen.

Ich wünsche euch frohe Weihnachten.

Eins

Eine perfekt geformte Schneeflocke fiel auf meine Nasenspitze und brachte mich für einen kurzen Augenblick zum Schielen. Das Gesicht nach oben gewandt, sah ich in den Nachthimmel, dessen Sterne von dicken Wolken verschluckt wurden. Dafür fielen unzählige, kleine Schneeflocken auf mich herab. Sie landeten auf meinem Gesicht und blieben in den lockigen Haaren hängen, die unter der Wollmütze hervorlugten. Ich liebte diese Jahreszeit. Ich liebte den Winter mit all seinen Facetten, besonders um die Weihnachtszeit herum.

Es lag nicht an dem Schnee, der die Landschaft in ein glitzerndes Weiß tauchte und in eine angenehme Stille hüllte. Es lag nicht an den vielen Lichtern, die überall die Bäume und Häuser schmückten. Das alles waren Nebensächlichkeiten, die ich an der Weihnachtszeit liebte. Meine Liebe zum Fest ging tiefer. Um diese Zeit hatte ich die schönsten Momente meines jungen Lebens verbracht. Weihnachten wurde nicht ohne Grund das Fest der Liebe und Besinnlichkeit genannt. Ein warmes Gefühl schlich sich in die Herzen der Menschen, damit sie ihre Sorgen für eine Weile vergessen konnten. Auch mir war es so ergangen. Bis vor einem Jahr.

Für einen Augenblick schloss ich die Augen und konnte die Leichtigkeit der Schneeflocken auf den Lidern fühlen. Wie Federn gleich lagen sie auf der dünnen Haut, deren Wärme sie in Sekunden zum Schmelzen brachte. Sie waren ebenso vergänglich wie das Leben. Ich dachte zurück an das letzte Weihnachtsfest. Zurück an die Zeit, in der ich nicht glücklicher hätte sein können.

An jenem Tag, der für uns der schönste im Jahr hätte werden sollen, hatte die Welt aufgehört sich zu drehen. Mit einem Mal hatte sie stillgestanden. Alles, wirklich alles, war an diesem Tag aus den Fugen geraten. Plötzlich war da keine Besinnlichkeit mehr, keine Liebe und keine freudigen Gesichter. Da waren nur noch Trauer und Leere, die mein Herz erfüllten. Dieser Schmerz machte mich blind gegenüber der Schönheit des Winters. Ich nahm nur noch einen Schleier aus Schwarz und Grau wahr.

Hals über Kopf war ich geflohen. Vor meiner Heimat, meiner Vergangenheit, vor meinen Gefühlen und vor allem vor dem Schmerz. Ich hatte es nicht mehr ausgehalten. Nicht, wenn mich alles an Mary erinnerte. Sie war nicht nur meine beste Freundin gewesen. Sie war wie eine Schwester für mich. Sie bedeutete mir die Welt, so sehr hatte ich sie geliebt. Das tat ich noch. Nun war sie fort. Aus der Welt gerissen. Von dem einen auf den anderen Tag war sie mir genommen worden. Noch immer konnte ich es nicht verstehen. Warum? Warum tat Gott so etwas? Warum beendete er ein so junges Leben? Warum gerade sie? Sie war so glücklich gewesen mit ihrem Freund, dass sie sogar erwogen hatte zu heiraten. Das war ihr nun nicht mehr vergönnt.

Heiße Tränen liefen über die kühle Haut meiner Wangen und verfingen sich in dem dicken Wollschal um meinen Hals. Von schweren Schluchzern geschüttelt, setzte ich mich auf eine schneebedeckte Bank, die neben einer eisernen Laterne stand. Das Gesicht hinter den Händen verborgen, ließ ich den Tränen freien Lauf. Zu lange hatte ich sie zurückgehalten. Mary fehlte mir so unwahrscheinlich, dass ich kaum noch Luft bekam.

Zwanzig Jahre war es her, dass sie mit ihren Eltern neben uns eingezogen und meine beste Freundin geworden war. Seither waren wir unzertrennlich gewesen. Sie war immer für mich da gewesen. Selbst jetzt noch konnte ich spüren, dass sie bei mir war. Ich glaubte, die seidenen Federn ihrer Schwingen zu fühlen, wenn es mir wieder mal den Boden unter den Füßen wegzerrte. Sie war mein Engel. Sie gab auf mich Acht. Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht und trocknete die Tränen. Selbst nach ihrem Tod spendete sie mir Trost und gab mir die Kraft, mein Leben weiterzuleben.

Ja. Ich hatte richtig entschieden. Es war an der Zeit, nach Hause zu kommen. Viel zu lange hatte ich meiner Familie und meinen Freunden den Rücken zugekehrt. Sie wussten weder, wo ich wohnte, noch, ob ich zurückkehren würde. Ich wusste zwar, dass mir keiner die Auszeit übelnehmen würde, trotzdem war es nicht fair gewesen. Ich hatte Zeit gebraucht, um meinen Weg wiederzufinden, aber das war alles andere als nach Plan verlaufen. Ich war kein bisschen über meine beste Freundin hinweggekommen. Und nun, da ich meine Familie zu Weihnachten besuchen wollte, saß ich hier fest. Mitten im verschneiten London.

Seufzend stieß ich den Atem aus, der kleine Wölkchen in der kalten Nachtluft bildete. In den letzten zwei Wochen hatte es so viel geschneit, dass die Flugzeuge nicht mehr flogen. Selbst im Bus- und Bahnverkehr musste der Betrieb eingestellt werden, weil die Fahrzeuge nicht von einem Ort zum anderen kamen. Mittlerweile war ein Großteil der Straßen Londons freigeräumt worden, sodass man sich wenigstens mit dem Auto fortbewegen konnte. Ein Auto besaß ich leider nicht, weshalb ich auch nicht aus London herauskam. Dabei wollte ich nicht nur meine Eltern überraschen, sondern auch Marys Familie.

Ich vermisste sie. Ich vermisste die gemeinsamen Abende sowie die unzähligen Feiern mit unseren Familien. Das alles hatte in dem Augenblick geendet, als Mary uns alleingelassen hatte. Es hätte ihr sicher nicht gefallen, dass wir getrennte Wege gingen, aber sie konnte nichts tun. Sie war nicht hier. Wir alle hatten unsere Zeit gebraucht, Zeit, um zu trauern und sich an den Schmerz zu gewöhnen. Er würde niemals vergehen, dessen war ich mir bewusst. Denn es tat heute noch genauso weh wie vor einem Jahr.

Wenn ich im Nachhinein darüber nachdachte, ob es richtig gewesen war, alles hinter sich zu lassen, konnte ich nicht sagen, ob es das wirklich war. Ich hatte versucht, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen und auf eigenen Beinen zu stehen. Dabei hatte ich Mary nie vergessen. Ich tat es, weil sie nicht gewollt hätte, dass ich mich so hängenließ. Ihretwegen zwang ich mich dazu, nach vorne zu schauen, um nicht in der Trauer zu ertrinken.

Instinktiv legte ich die Hand an mein Dekolleté. Dorthin, wo unter meinem Pullover der Herzanhänger von Mary ruhte. Das letzte Geschenk, das ich von ihr zu Weihnachten bekommen hatte.

»Cailin?« Eine Stimme, die sich von der Kälte etwas rau anhörte, erklang neben mir.

Langsam drehte ich den Kopf nach links, woher die Stimme kam. Ich erkannte einen stattlichen Mann in meinem Alter, der mich mit erhobenen Brauen ansah. Durch den warmen Schein der Laterne, der mich blendete, konnte ich nicht erkennen, um wen es sich handelte, zumal ich in London niemanden kannte. Vielleicht hatte er mich auch mit jemandem verwechselt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies zutraf, war relativ gering. Immerhin hatte er mich direkt angesprochen.

»Cailin?«, wiederholte er leise meinen Namen. Es klang so vertraut, dass sich unwillkürlich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete. Der Klang seiner Stimme, die sich scheinbar von Natur aus etwas heiser anhörte, kam mir bekannt vor. Ich konnte mich nur nicht erinnern. Mein Gefühl sagte mir, dass ich etwas verdrängte, das nun langsam wieder an die Oberfläche geriet. Mit aller Mühe kämpfte es sich nach draußen, bis mein Herz eine Sekunde lang aussetzte. Plötzlich war mit bewusst, mit wem ich es zu tun hatte.

»Logan.«

Zwei

»Logan.«

Meine Stimme war nur ein Flüstern, als ich seinen Namen aussprach. Ihn hier zu treffen, mitten in London, brachte mich aus dem Konzept. Immerhin war ich vor ihm genauso geflüchtet wie vor allen anderen. Wenn ich nur sein Gesicht sah, musste ich unwillkürlich an meine beste Freundin denken. So, wie er gerade vor mir stand, die Hände im Trenchcoat verborgen und die veilchenblauen Augen fest auf mich gerichtet. Wie sollte ich das ertragen? Der Schmerz war zu sehr in meinem Herzen verankert. Er holte mich ein.

Eine Flut aus Bildern, die mich schier überrollte und unzählige Erinnerungen zum Vorschein brachte, schnürte mir die Kehle zu. Mein Hals war zu eng zum Atmen, sodass ich wie ein Fisch an Land anfing, nach Luft zu schnappen. Erneut liefen mir salzige Tränen über die Wangen, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich konnte sie nicht aufhalten.

»Cailin.« Logans sanfte Stimme erklang neben meinem Ohr, während er sich zu mir auf die Bank setzte und einen Arm um die Schultern legte. Augenblicklich zog er mich an seinen warmen Körper.

Seine Nähe war nur bedingt hilfreich, um mich zu beruhigen. Im Gegenteil, sie machte es nur noch schlimmer. Die Tränen wollten nun nicht mehr aufhören zu fließen, von den Erinnerungen in meinem Kopf mal abgesehen. Ich verlor die Kontrolle über meine Gefühle, wobei ich sonst darauf bedacht war, ihnen in der Gegenwart anderer standzuhalten. In seinen Armen gelang mir das jedoch nicht mehr. Ich weinte hemmungslos. Während ich mein tränennasses Gesicht an seiner Brust verbarg, krallte ich die Finger in den weichen Stoff seiner Jacke, um den Halt nicht zu verlieren. Er hielt mich in dieser Welt.

Nachdem mein Körper aufgehört hatte zu beben, befreite ich mich aus der Umarmung und rückte von ihm ab. Ich brauchte Abstand zu ihm. Es konnte nicht sein, dass ich dasaß und mich von ihm trösten ließ, wo er Mary ebenfalls verloren hatte. Er musste sie genauso vermissen wie ich.

»Du musst dich nicht für deine Tränen schämen, Cailin«, hauchte er in die kühle Nacht hinein.

Ehe ich antwortete, wischte ich mir die restlichen Tränen fort und sah ihn aus trüben Augen an. »Ich schäme mich nicht für meine Tränen, sondern dafür, dass ich nur an mich gedachte habe.«

»Sag so was nicht.« Zärtlich strich er mit dem Daumen über meine feuchten Wangen und berührte dabei den kleinen Leberfleck unter meinem linken Auge. »Du bist nicht egoistisch, das warst du nie. Für dich kommen immer erst die anderen. Dabei solltest du auch mal an dich denken.«

Aufgewühlt stand ich auf. »Ich habe mich gehen lassen. Das hätte so nicht passieren dürfen. Nicht nur ich habe Mary verloren!« Mit den Worten hatte ich ihn direkt ins Herz getroffen. Kurz huschten Schmerz und Trauer über sein Gesicht, bevor er sich wieder fasste und mich ansah. Er baute eine Mauer um sich herum auf. Genau, wie ich es das vergangene Jahr getan hatte. Allerdings gelang es ihm besser, die Kontrolle über seine Gefühle zu behalten.

»Ja, ich habe sie verloren und vermisse sie mit jedem Tag, der vergeht. Aber jeder geht mit seinem Schmerz anders um«, sagte er ruhig.

Er hatte recht. Jeder trauerte auf seine Weise. Doch Logan schien mir zu gefasst, gar schon emotionslos. Wie konnte jemand, der seine Verlobte verloren hatte, so ruhig bleiben? War er wirklich schon über ihren Tod hinweg? Ich hatte deutlich in seinen Augen gesehen, dass ihn der Gedanke an Mary noch immer quälte. Wie schaffte er es also, nicht zusammenzubrechen? Ich konnte es nicht nachvollziehen.

»Hör auf, dir den Kopf über mich zu zerbrechen. Du bekommst nur Falten davon«, neckte er mich.

Überrascht über den Stimmungswandel sah ich ihn an. »Wie bitte?«

Lachend stand er auf, machte einen Schritt auf mich zu und zeichnete mit dem Daumen die Falte zwischen meinen Augen nach. »Du bist zu jung und zu hübsch, um jetzt schon Falten zu bekommen.«

Schmollend, dass er mich wie immer aufzog, schlug ich seine Hand weg. Trotzdem kam ich nicht umhin, dass sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen schlich. Logan wusste eben, wie er mich zum Lachen bringen konnte. Das war eine von vielen Eigenschaften, die ich an ihm mochte. Ganz gleich, wie traurig ich war, er hatte mich ebenso wie Mary immer aufheitern können.

Seufzend vergrub ich die Hände in den Taschen meines Mantels. Mary. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich mich bald von meiner besten Freundin verabschieden müsse, wäre ich wohl auf ihn losgegangen. Es wäre mir nie im Leben in den Sinn gekommen, dass sie schwerkrank sein könnte. Immerhin hatten wir gemeinsame Pläne. Wir wollten reisen, unser Leben genießen. Keiner von uns war diesen Plänen nachgekommen. Warum hatte ich nicht besser auf sie aufgepasst?

Als ihre beste Freundin hätte ich ahnen müssen, dass etwas mit ihr nicht gestimmt hatte. Doch was hätte es geändert, wenn ich davon erfahren hätte? Nichts. Vermutlich hätte ich sie nur mit anderen Augen betrachtet, und das hätte sie nicht gewollt. Ich wusste, dass Mitleid das Schlimmste für sie gewesen wäre. Sie hatte ihr Leben bis zum letzten Atemzug gelebt, genau so, wie sie es gewollt hatte. Zudem war sie als Freundin von uns gegangen und nicht als ein Mensch, der bald sterben würde. Wir hatten ihr den Abschied erleichtert.

»Was machst du eigentlich in London? Warst du bis vor kurzem nicht in Kanada?«, fragte Logan in die Stille hinein.

»Ich …« Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. »Ich weiß, es war nicht richtig. Ich hätte nicht abhauen sollen. Aber es war alles zu viel.«

»Du bist mir keine Rechenschaft schuldig«, sagte er kühl. »Ich möchte nur wissen, was dich herführt.«

Ich hob die Schultern. »Ich möchte endlich nach Hause und meine Familie sehen.«

Sein Blick wurde weicher bei meinen Worten. »Das klingt nach einer guten Idee.«

»Wenn mir dieser verfluchte Schneesturm keinen Strich durch die Rechnung machen würde«, brummte ich und trat vor Frust gegen die Laterne, die kurz aufflackerte. »Ich sitze hier fest, obwohl ich eigentlich auf dem Weg nach Hause sein wollte.«