Cinderella: Christmas Love Story - Allie Kinsley - E-Book

Cinderella: Christmas Love Story E-Book

Allie Kinsley

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Beschreibung

Cinderellas Stiefschwester meets Womanizer. Was, wenn die böse Schwester gar nicht so böse ist und nur ein weiteres Opfer der selbstsüchtigen Stiefmutter? Losgelöst von ihrer tyrannischen Mutter bleibt Chantal allein zurück und muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Was sie auch hinbekommen würde, wäre da nicht ihr neuer guter Freund Dillon Baker, für den sie Gefühle hegt, die ihr gänzlich unbekannt sind. Überfordert mit ihrem neuen Leben muss sie sich nicht nur mit der Arbeitswelt und dem Studentenleben herumschlagen, sondern auch mit den Annäherungsversuchen Dillons. Doch Chantal ist nicht dumm, sie weiß, dass der Mann, der ihr Herz höher schlagen lässt, ein Womanizer ist. Vor allem aber ist ihr bewusst, auf welche Art von Frauen er reagiert, und in dieses Beuteschema passt sie überhaupt nicht rein. Denkt sie! Gefangen zwischen ihrer Vergangenheit, einem Neuanfang und den Emotionen für Dillon gerät die junge Frau langsam, aber sicher an ihre Grenzen. Dummerweise hat Dillon nicht vor, sich zurückzuziehen, denn er will mehr als nur eine platonische Freundschaft. Der neue Fantasy-Roman von Erfolgsautorin Allie Kinsley. "Christmas Love Story" ist Teil der "Cinderella" Reihe. Die Bände sind in sich abgeschlossen.

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Cinderella: Christmas Love Story

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Prolog

Prolog

 

Chantal

 

»Ich möchte, dass du mein Haus verlässt«, sagte Rory entschlossen zu meiner Mutter und meiner Schwester. »Nimm deine Tochter Lacey mit. Wie es mit Chantal weitergeht, werde ich mit ihr persönlich klären. Doch du wirst sie nicht genauso kaputt machen, wie du es bei mir getan hast. Ihr beide habt bis heute um Mitternacht Zeit, mein Haus zu verlassen. Nutzt diese Gelegenheit, sonst werde ich euch aus der Villa werfen lassen.«

Gerade hatte ich das Ausmaß dessen erfahren, was meine Mutter und ihre Tochter getan hatten. Nicht nur, dass sie meinen Stiefvater ausschließlich aus reiner Geldgier geheiratet hatte, nein, darüber hinaus war sie auch noch eine Erbschleicherin. Aufgrund einer Verschleierung und Erpressung hatte Mom sich das gesamte Bennett-Vermögen unter den Nagel gerissen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, ließ sie Rory, ihre Stieftochter, meine Stiefschwester, in dem Glauben, dass ihr Vater sie nicht geliebt und ihr aus diesem Grund keinen Cent überlassen hatte.

Geschockt und sprachlos ließ ich mich auf der unteren Stufe nieder. Tränen rannen mir über die Wangen, ich konnte das einfach nicht glauben. Wie konnte mein eigen Fleisch und Blut bloß so bösartig sein? Wobei? Sollte es mich wirklich wundern? Nein, denn auch ich konnte aus eigener Erfahrung sagen, wie bösartig sie waren.

Mein Blick glitt zu Rory, die neben ihrem Freund Damien stand, der soeben mit einem weiteren Mann eingetroffen war. Mit ihren Recherchen hatten die Männer die kriminellen Machenschaften meiner Familie aufgedeckt. Und obwohl ich zu Mom und Lacey gehörte, verbannte Rory mich nicht. Nein, sie wollte mich vorerst hierbehalten. Keiner konnte sich vorstellen, wie dankbar ich ihr war.

Womit hatte ich ihre Großzügigkeit verdient?

In den letzten Jahren besaß ich viele Möglichkeiten, meine Stiefschwester zu unterstützen, mich mit ihr zu verbünden, doch ich hatte nicht eine ergriffen.

Warum?

Weil ich ein feiges Huhn war. Die Angst vor meiner Mutter saß einfach zu tief. Nicht nur vor ihr, sondern auch vor meiner Schwester Lacey. Sobald es um Rory ging, drehten die beiden komplett durch, als wäre sie das Zentrum ihres Hasses gewesen. Bis vor Kurzem hatte ich angenommen, dass ich es war. Doch ich hatte mich geirrt … wir waren es beide.

»Du hast genug von mir bekommen, du Hure«, riss die hysterische Stimme meiner Mutter mich aus den Gedanken. Sie starrte ihre Stieftochter an, als hätte sie nicht minder Lust, sie zu töten. »Und jetzt willst du uns alles nehmen, was wir besitzen?«

»Ich habe von dir nichts, rein gar nichts erhalten«, zischte Rory. »Ich arbeite seit Jahren hart, damit ich mir mein Studium finanzieren, mir Lebensmittel kaufen kann. Du hast mir nichts gegeben, sondern nur von mir genommen. Damit ist jetzt Schluss.«

»Was ist mit meinem Pflichtanteil?« Diese Abgebrühtheit, die Susan Bennett, meine Mutter, an den Tag legte, war kaum zu ertragen. Für sie und Lacey schämte ich mich in Grund und Boden.

»Den hast du in den letzten Jahren ausgegeben«, gab Rory ihr zu verstehen.

Es konnte sich keiner vorstellen, wie stolz ich auf meine Stiefschwester war. Das erste Mal, seit ich sie kannte, bot sie meiner Mutter die Stirn, und das fand ich unglaublich mutig.

»Es ist die Zeit gekommen, liebe Susan, in der du und Lacey euch Gedanken um einen Job machen solltet. Eure Anschaffungen, ob es die Autos, der Schmuck oder die teure Kleidung ist, werde ich verkaufen. Nichts davon gehört euch.«

»Das kannst du nicht machen«, kreischte Lacey aufgebracht. Gott, erst jetzt ging mir wirklich auf, wie sehr ich sie verabscheute.

»Doch, das kann ich«, erwiderte Rory. »Und ich werde es tun.«

»Damit auch alles zu unserer Zufriedenheit abläuft und am Ende nichts fehlt, wenn Rory nach Hause kommt«, mischte sich nun Damiens Freund ein, »werde ich mit einem Beamten des San Francisco Police Departements Ihren Abgang überwachen. Sollten Sie das Anwesen um Punkt Mitternacht nicht verlassen, werden Sie beide unwiderruflich verhaftet.«

Bei den Worten musste ich schlucken. Er wollte einfach hierbleiben, bis Mom und Lacey verschwunden waren?

Einerseits freute es mich, dass ich nicht mit den Furien alleingelassen wurde. Andererseits kannte ich diesen Mann überhaupt nicht. Diesen überaus gut aussehenden Mann im Übrigen. Eigentlich war er das schönste männliche Wesen, das ich in meinem Leben je gesehen hatte.

Schwärmte ich gerade, während ich weinte? Was genau stimmte nicht mit mir?

Leider konnte ich meinen Blick nicht von ihm lösen. Seine Größe imponierte mir. Wenn ich Damien und ihn nebeneinander betrachtete, maßen sie sicherlich beide um die ein Meter neunzig.

Darüber hinaus war der Kerl ohne Namen schlank, aber unglaublich muskulös. Seine Muskeln waren deutlich unter dem weißen Hemd sichtbar. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt, wodurch ein Tribal-Tattoo zu erkennen war.

Da er so stand, dass ich ihm ins Gesicht schauen konnte, sah es so aus, als ziehe sich das Tattoo bis hoch zu seinem Hals. Bei dem Anblick musste ich schlucken.

Männer wie ihn beobachtete ich nur aus der Ferne. Von mir nahmen sie keine Notiz. Ich war einfach kein 90/60/90-Mädchen, wie es Rory war. Nein, ganz im Gegenteil. Meine Oberschenkel waren ausladend, mein Bauch nicht flach, mein Hintern glich dem einer Kuh. Das Einzige, was ich an mir mochte, waren meine hellblonden Haare und meine blauen Augen. Das war es aber auch schon.

Mit den Fingern wischte ich mir die Tränen von den Wangen. Innerlich betete ich, dass meine Mutter und Lacey endlich verschwanden. Ich konnte sie nicht mehr ertragen.

Irgendwie musste ich das alles erst einmal verarbeiten … verarbeiten, was sie getan hatten.

Bevor ich aufstehen konnte, blickte ich auf. In der gleichen Sekunde sah der Fremde zu mir herunter. Wir starrten uns an. Seine grünen Augen musterten mich auf eine Weise, die mir eine Gänsehaut bescherte.

Aufstehen war nicht mehr möglich, meine Beine fühlten sich gerade an wie Gummi. Als er mir auch noch lächelnd zuzwinkerte, zuckte ich beinahe zusammen. Noch nie hatte mir so ein Model seine Aufmerksamkeit geschenkt.

NOCH NIE!

 

***

 

Erschöpft und in meinen Gedanken versunken saß ich auf meinem Bett und starrte Löcher in die Luft. Nachdem Rory mit meiner Mutter fertig und mit Damien gegangen war, entschied ich, mich in mein Zimmer zurückzuziehen. Das war nun ein paar Stunden her. Da ich kein Gekreische mehr hörte, nahm ich an, dass Mom und Lacey das Anwesen verlassen hatten. Jedenfalls hoffte ich das.

Plötzlich klopfte es an meiner Tür. Mein Körper spannte sich an. Was, wenn es meine Mutter oder gar Lacey war?

»Ja, bitte?«, krächzte ich mit zittriger Stimme.

Die Tür öffnete sich, herein kam kein anderer als der fremde schöne Mann.

»Tut mir leid, dass ich einfach so hier reinplatze«, sagte er mit einer tiefen und rauen Stimme, die mir eine weitere Gänsehaut bescherte. »Ich wollte dir nur sagen, dass deine Mutter und deine Schwester endlich gegangen sind.«

Erleichtert atmete ich auf. »Das sind mal gute Nachrichten«, murmelte ich.

»Hi erst mal.« Mit ausgestreckter Hand kam er auf mich zu. Wie von selbst nahm ich seine Geste an. »Ich bin Dillon Baker, ein Freund und Arbeitskollege von Damien.« Noch immer hielt er meine Finger fest mit seinen umschlossen. Ein Blitz nach dem anderen jagte durch meinen Körper. »Du musst Chantal sein. Die Stiefschwester von Rory, richtig?«

Mehr als ein Nicken bekam ich im Moment nicht zustande.

»Sprache verschlagen?«, erkundigte er sich. Wie konnte ein Mensch bloß so selbstsicher sein? Das verstand ich nicht.

»Ich …« … hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte.

Dillon ließ von mir ab, schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, welches mir beinahe die Schuhe auszog. Meine Hand kribbelte immer noch.

»Lust, mit mir etwas zu essen?«, wollte er wissen.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte ich ihn. Was wollte er von mir? »Vielleicht dazu ein Glas Wein?«

»Nein«, kam es wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund. Gerade war ich maßlos überfordert. Warum wollte er überhaupt bleiben? Er könnte doch jetzt gehen! »Dein Vorschlag ist nett, aber ich habe keinen Hunger.« Niemals würde ich vor ihm essen. Niemals!

In seinen Augen war ich sicherlich nur ein bemitleidenswertes dickes Etwas, das auf Kosten ihrer Stiefschwester gelebt hatte.

»Dann was trinken?«, hakte er nach.

Wieso ging er nicht einfach?

»Du musst nicht hierbleiben.« Ich seufzte. »Mir geht es gut. Zu Hause wartet sicherlich jemand auf dich.« Eine Frau oder eine heiße Freundin, eventuell Kinder, schob ich gedanklich noch hinterher.

»Wie kommst du darauf?«, erkundigte er sich.

Verdammt, mit der Frage hatte ich nicht gerechnet. Wie ein Teenager zuckte ich mit den Schultern. Am liebsten hätte ich mich versteckt.

»Ich weiß nicht, ich habe es einfach angenommen.«

Super Aussage. Kein Wunder, dass ich noch nie einen Freund hatte.

»Also, ein Glas Wein?«, wechselte er das Thema, woraufhin ich nickte.

Er verließ das Zimmer und endlich konnte ich wieder atmen. Dillon raubte mir den Sauerstoff, sobald er sich in meiner Nähe befand. So hatte ich mich noch nie gefühlt. Was war nur los mit mir?

Fünf Minuten später tauchte er wieder auf. In einer Hand eine Flasche Rotwein, in der anderen zwei Gläser. Als wäre das vollkommen normal, nahm er mir gegenüber auf dem Bett Platz.

Ich wurde leicht nervös. Nachdem er die Flasche geöffnet hatte und die Gläser befüllte, reichte er mir eins. Ohne mich aus den Augen zu lassen, hielt er mir seines entgegen. Schwer atmend stieß ich an.

Gerade hatte ich das Bedürfnis, die ganze Flasche auf ex zu vernichten. Was eher kontraproduktiv wäre, denn ich vertrug keinen Alkohol.

»Wie geht es dir wirklich, Tally?«

Beinahe hätte ich mich verschluckt.

»Tally?«, wiederholte ich den Kosenamen, mit dem er mich gerade betitelt hatte.

Dillon zuckte mit den Schultern. »Deine Mutter und deine Schwester haben dich sicherlich immer Chantal genannt, oder?« Ich nickte. »Gut, da du nun mit Rory zusammen einen Neuanfang starten wirst, brauchst du einen Spitznamen, der ebenfalls neu ist. Demnach Tally. Außerdem passt er zu dir.«

»Gefällt mir«, sagte ich und meinte es ehrlich. Mich wunderte es etwas, dass Dillon sich darüber überhaupt Gedanken gemacht hatte. Irgendwie fand ich das süß.

»Und?« Dillon wartete immer noch auf eine Antwort.

»Ich weiß es nicht ganz genau«, gab ich ihm zu verstehen. »Mein ganzes Leben war ich das nicht-gewollte Kind und die nicht-gewollte Schwester. Als meine Mom Rorys Dad heiratete, hatte ich angenommen, oder besser gesagt gehofft, dass sich dadurch einiges ändern würde. Rory und ich verstanden uns gut, innerlich habe ich mir gewünscht, dass Mr. Bennett eines Tages auch mein Vater werden würde. Dummerweise starb er recht früh, woraufhin Rorys und meine Hölle erst richtig begann. Es ist viel passiert, das werde ich dir sicherlich nicht alles erzählen, dann würden wir nächste Woche noch hier sitzen, aber es waren schwere Jahre.«

Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Wie ich bereits erwähnt hatte, es waren Höllenjahre. Für Rory und auch für mich.

»Was Rory durchgemacht hat, habe ich ansatzweise vorhin durch das Gesagte erfahren«, erwiderte Dillon. »Doch was ist mit dir? Du scheinst ganz anders zu sein als deine Mutter und deine Schwester.«

»Gott, das hoffe ich.« Niemals wollte ich so schlecht und grausam sein. »Glaub mir, wenn ich mutiger gewesen wäre, hätte ich Rory beschützt. Leider war ich das nie, dafür hat meine Familie gesorgt. Irgendwie haben sie mich gehasst, obwohl ich nie verstanden habe, warum?! Ich bin doch auch ihre Tochter, Laceys Zwillingsschwester.«

Mehrmals hintereinander schüttelte ich den Kopf.

»Ich war eben nicht so perfekt wie Lacey. Im Gegensatz zu ihr bin ich immer schon dicker gewesen. Das hat sich in den letzten Jahren leider nicht geändert. In den Augen meiner Familie war ich fett, nicht würdig, in dieser Welt zu leben. Wenn es nach Lacey gegangen wäre, hätte ich bei Rory im Bungalow schlafen sollen. Innerlich habe ich mir gewünscht, dass Mom sich darauf einlässt, damit ich endlich von ihnen loskomme, doch sie verbannte mich nicht aus der Villa. Warum auch immer. Jedenfalls wurden beide niemals müde, mir zu sagen, wie hässlich, wie fett ich bin. Wenn du das über Jahre eingetrichtert bekommst, glaubst du das auch irgendwann.«

Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, die Dillon, zu meiner völligen Überraschung, mit dem Daumen einfing. Schnell zog ich meinen Kopf zurück.

»Entschuldige«, sagte ich und meinte damit meine Schwäche.

 

»Es gibt nichts zu entschuldigen«, raunte er mir zu. »Du darfst weinen. Daraus wird dir keiner einen Vorwurf machen.«

»Mir wurde immer gesagt, dass ich niemals heulen sollte.«

»Das ist absoluter Bullshit.« Dillon drückte meine Hand. »Es ist wichtig, seine Gefühle herauszulassen, ansonsten erstickt man eines Tages daran.«

»Machst du das denn?«, erkundigte ich mich.

»Was?«, hakte er nach. »Weinen?«

Ich nickte.

»Äh … nein. Aber ich bin kein Maßstab, Kleines, immerhin bin ich ein Mann.«

Kurz schauten wir uns an. Dann lachten wir beide laut auf. Dillon sah nicht nur aus wie ein Model, nein, er war darüber hinaus auch noch nett und humorvoll.

Nie im Leben hätte ich erwartet, dass ich an so einem schrecklichen Tag lachen könnte, doch der Mann vor mir hatte es geschafft.

Nichtsdestotrotz und so toll ich es von ihm fand, dass er bei mir blieb, um mich aufzuheitern, er gehörte nicht hierher.

»Mir geht es schon viel besser«, teilte ich ihm mit. »Du kannst jetzt wirklich gehen. Einen Babysitter brauche ich nicht mehr.«

»Und was ist, wenn ich gerne dein Babysitter für heute Nacht sein möchte?«

Irgendwie hörte sich das zweideutig an. Oder ich bildete mir das gerade ein. Auch möglich. Doch sein Blick sprach Bände. »Kannst du es einem Mann verübeln, wenn er die Gegenwart einer wunderschönen Frau noch eine Weile genießen möchte?«

Wunderschönen Frau? Wo?

»Aber …«

Dillon beugte sich vor, einen Finger legte er auf meine Lippen, womit er mich unterbrach.

Sofort stand mein Körper in Flammen. Sein Gesicht war meinem ganz nahe.

»Kein Aber«, hauchte er mir zu.

Sein Atem war deutlich spürbar. Das Herz raste wild in meiner Brust, dass ich fast befürchtete, es würde mir herausspringen. Wollte er mich etwa küssen?

Wir sahen uns tief in die Augen, dabei musste ich hart schlucken.

In meinem Bauch kribbelte es. Seine grünen Iriden glitzerten, er visierte meinen Mund an, anschließend wieder mein Gesicht, bevor unsere Blicke sich erneut trafen.

Plötzlich zog er sich zurück, sein Finger verschwand ebenfalls. Dillon schaute zur Seite, trank von seinem Wein. Niedergeschlagen tat ich es ihm gleich.

Wie zum Teufel kam ich bloß darauf, dass ein Mann wie Dillon Baker mich küssen wollte? Verlor ich jetzt komplett meinen Verstand?

Niemals, nicht einmal in eintausend Jahren, würde er mich begehren oder gar Verlangen nach mir verspüren.

Er war nur aus einem einzigen Grund hier: Damien war sein Freund und Rory dessen Freundin. Ich war nur die Stiefschwester. Die dicke Stiefschwester wohlgemerkt. Wahrscheinlich wollte er sich einfach davon überzeugen, dass es mir gut ging. Schließlich war er nett.

In sein Verhalten durfte ich nichts hineininterpretieren.

Sobald er das Haus verließ, würde ich mich höflich bei ihm bedanken und hoffen, ihm nie wieder über den Weg zu laufen.

Dillon war ein Mann, der mich etwas spüren ließ, was mir nicht nur gänzlich fremd war, sondern mich auch maßlos überforderte. Unter anderem das Kribbeln in meinem Bauch.

 

 

 

1. Kapitel

 

 

Kapitel

 

 

Dillon

 

»Wenn du nicht gleich atmest, erstickst du, Alter«, flüsterte ich meinem besten Freund Damien zu.

»Die Fliege sitzt zu eng«, nölte er.

»Hör auf, dich wie eine Pussy zu verhalten«, zog ich ihn auf. Ich liebte es, ihn in dieser Situation aufzuziehen.

Damien Steel und ich waren zusammen aufgewachsen. Bereits im Sandkasten hatten wir zusammengesessen und die anderen Kinder verjagt. Wir besuchten die gleichen Schulen, studierten an derselben Uni. Im Gegensatz zu ihm tauchte ich in den IT-Bereich ab. Meine Leidenschaft waren Computer und alles, was damit zu tun hatte.

Vor einigen Jahren gründete Damien die Steel Inc. Er holte mich mit an Bord und übergab mir die gesamte IT-Abteilung. Darüber hinaus saß ich mit im Vorstand des Unternehmens.

Gemeinsam hatten wir eine der erfolgreichsten Firmen San Franciscos erschaffen. Worauf ich verflucht stolz war.

Damien und ich waren uns sehr ähnlich. Wir liebten das Leben, vor allem die Frauen. Im Grunde ließen wir uns kaum eine Gelegenheit nehmen. Bis zu dem Tag vor vielen Monaten, als wir Damiens Geburtstag im Club Secrets feierten und er Rory über den Weg lief. In jener Sekunde hatte mein bester Freund sich verändert.

Von Grund auf.

Heute mit ihm hier in der Eventkirche zu stehen, erfüllte mich mit Stolz. Nicht mehr lange und seine zukünftige Frau würde erscheinen. Ich freute mich für beide, sie hatten dieses Glück mehr als verdient.

Plötzlich wurde leichte Musik im Hintergrund gespielt. Die Gäste erhoben sich, Damien und ich schauten nach vorn auf die Doppeltür, die just in diesem Moment aufging.

Tally.

Mir stockte der Atem. Niemals im Leben hätte ich gedacht, dass sie so einen Auftritt hinlegen würde. Dieses Mädchen war eine Schönheit, egal, was andere ihr eingeredet hatten. Ja, sie war nicht schlank, aber weit entfernt von dick. Kurvenreich und genau diese Kurven setzte sie gerade in Szene.

Ihre langen hellblonden Haare hatte sie zu einer Hochsteckfrisur drapiert. Überall an den Seiten fielen vereinzelte Locken heraus. Ihr Gesicht war leicht geschminkt, die blauen Augen in einem gold-beigen Ton gehalten, die sogar aus der Ferne schimmerten und strahlten. Je näher sie kam, desto deutlicher wurden ihre glänzenden hellbraunen Lippen. Lippen, die ich gerne betrachtete, und ich stellte mir regelmäßig vor, wie sie sich auf meinen anfühlen würden. Doch all das war noch nicht mein Highlight. Es war das dunkelblaue bodenlange Kleid, welches eng anliegend bis unter ihrer üppigen Brust lag. Der Rest des Stoffes floss locker nach unten. Der V-Ausschnitt würde mich wohl den ganzen Tag um den Verstand bringen, so viel stand mal fest.

Normalerweise kleidete Tally sich nicht dermaßen aufreizend. Vielmehr versteckte sie ihren Körper in weiten ausgestellten Klamotten. Doch ihre Oberweite konnte sie noch nie verbergen, dafür war sie eindeutig zu groß. Was ich jetzt zu sehen bekam, machte mich komplett fertig. Verdammt, sie war heiß, schön und sexy.

»Wie war das mit dem Atmen, du Penner?«, wisperte Damien mir zu.

»Schnauze.« Ich konnte meine Augen nicht von der Kleinen nehmen. Keine Chance.

Mit wiegenden und langsamen Schritten kam sie auf uns zu, lächelte, wirkte aber dennoch nervös. Sie war noch unglaublich schüchtern und zurückhaltend. Nach wie vor schaffte sie es kaum, jemandem ins Gesicht zu sehen, der ihr nicht bekannt war.

Mir gegenüber blieb sie stehen. In ihren Händen hielt sie einen kleinen Blumenstrauß. Ich zwinkerte ihr zu, woraufhin sich ihre Wangen leicht rot färbten, aber sie lächelte.

Himmel, den Abend würde ich nicht heil überstehen.

Chantal Bennett war nicht nur schön, sondern auch klug, liebevoll und besaß ein Herz, das groß genug für die gesamte Welt war. Mit ihrer bösartigen Mutter oder gar Schwester hatte sie nichts gemeinsam. Rein gar nichts.

Seit dem Abend, als ich bei ihr war, um mich um sie zu kümmern, waren ein paar Monate vergangen. In der Zeit hatte sich vieles getan.

Rory und Damien wohnten seit einigen Wochen zusammen in der Villa ihres Vaters. Mein bester Freund überließ Tally sein Penthouse. Niemand hätte etwas dagegen gehabt, wenn sie weiterhin in dem Haus mitgelebt hätte, nur Rorys Stiefschwester selbst schien sich dabei nicht wohlzufühlen.

Sobald Damien mit seiner Verlobten zu Hause war, zog die Kleine sich zurück, wahrscheinlich, weil sie niemandem zur Last fallen wollte. Das hatten mein Freund und Rory sich nicht lange angesehen und ihr den Vorschlag mit dem Penthouse unterbreitet, worauf Tally direkt eingegangen war.

Ich fand es hervorragend, dass sie nun allein lebte, so hatte sie die Möglichkeit, sich frei entfalten zu können. Was sie auch tat. Mittlerweile hatte sie Rorys alten Job als Kellnerin und Bardame im Secrets. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war sie nun eine Meisterin ihres Fachs geworden. Außerdem schien sie sich in San Franciscos angesagtester Disco wohlzufühlen.

Was Tally und mich betraf, so waren wir irgendwie zu Freunden geworden. Wir redeten viel miteinander, zwischendurch erzählte sie mir über ihr Leben. Grausame Details.

Für mich stand fest, dass Tally noch viel Zeit brauchte, um über die Geschehnisse hinwegzukommen.

Darüber hinaus hatte Tally den Mut gefunden und sich in der Uni eingeschrieben, um ihr Studium in Architektur wieder aufzunehmen. Jenes, das sie nach der Highschool bereits angefangen hatte, aber leider abbrechen musste. Grund dafür war ihre Mutter, die ihr einredete, viel zu dumm für ein Studium zu sein. Des Weiteren hatte sie ihr die Gelder dafür gestrichen.

Rory sah das allerdings anders und unterstützte ihre Stiefschwester finanziell. Das fand ich großartig.

Rory Bennett, baldige Rory Steel, war ein ganz besonderer Mensch, der vieles erdulden musste. Dennoch hatte sie nie aufgegeben. Im Gegensatz zu Susan und Lacey hasste sie Tally nicht. Ganz im Gegenteil, sie liebte ihre Schwester. Wahrscheinlich, weil sie beide in den letzten Jahren die Hölle durchlebt hatten. Nun erklang der Hochzeitsmarsch. Damien straffte die Schultern. Innerlich musste ich lachen, er wirkte unglaublich nervös, was man von diesem Kerl überhaupt nicht kannte.

Unfassbar, wie die Dinge sich verändern konnten.

In der gleichen Sekunde tauchte Rory auf, die untergehakt bei Dick Spencer im Gang auftauchte.

Bei dem großen, muskulösen Endvierziger handelte es sich um Rorys Ziehvater, der dazu noch ihr ehemaliger Chef und der Inhaber des Secrets war. Die Kleine hatte uns mal erzählt, dass sie nur seinetwegen und wegen ihres besten Freundes Kevin den ganzen Mist mit ihrer Stiefmutter und ihrer Schwester überstanden hatte. Beiden hatte sie eine Menge zu verdanken.

Was Rory betraf: Noch nie zuvor war mir eine schönere Braut untergekommen. Ihre braunen langen Haare trug sie offen, am Hinterkopf wurde der Schleier befestigt. Die hellblauen Augen waren ausschließlich auf ihren zukünftigen Mann gerichtet. Für beide schien die Welt gerade stehen geblieben zu sein. Das Kleid war schlicht, so wie Rory es mochte. Sie war niemand, die sich in Szene setzte. Das hatte sie auch nicht nötig. Es war schulterfrei und bis zu den Oberschenkeln hauteng geschnitten. Ab da weitete sich der Tüll bis zum Boden aus. Eine bildschöne Frau, wie man sie selten zu Gesicht bekam.

Bei uns angekommen, küsste Dick seine Rory auf die Stirn und reichte Damien die Hand seiner Ziehtochter. Anschließend nahm der Hüne neben Kevin in der ersten Reihe Platz. In seinen Augen schimmerten Tränen.

»Du bist wunderschön«, hörte ich Damien zu seinem Mädchen sagen.

»Auch du siehst unglaublich gut aus«, kam es leise von Rory.

Gemeinsam wandten wir uns dem Altar und dem Priester zu.

 

***

 

»Danke«, sagte Tally, als ich ihr ein Glas Champagner reichte.

»Auf die schönste Trauzeugin, die ich je gesehen habe«, meinte ich und stieß mit meinem Glas an ihres.

Sofort konnte ich erkennen, wie stark sie schlucken musste. Mit Komplimenten kam sie nicht zurecht, dennoch wurde ich nicht müde, ihr immer wieder welche zu machen. Vielleicht glaubte sie mir ja eines Tages.

Nervös nippte sie an ihrem Getränk. Keine Ahnung, wie oft ich ihr heute schon gesagt hatte, wie traumhaft ich sie fand, meiner Meinung nach reichte es noch lange nicht aus.

Langsam beugte ich mich vor. »Du bist eine Augenweide.« Meine Stimme war tatsächlich noch etwas rauer geworden, als sie sowieso schon war.

»Danke schön«, murmelte sie und senkte ihren Kopf.

Mit Daumen und Zeigefinger umschloss ich ihr Kinn, hob ihr Gesicht so weit an, dass sie gezwungen war, mich anzusehen.

»Du bist bildschön, Tally«, raunte ich ihr zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Da ich sie mittlerweile kannte und wusste, wie nervös und schüchtern das Mädchen war, ließ ich schnell wieder von ihr ab, egal, wie schwer es mir fiel.

»Bislang scheint der Tag genau nach Plan zu verlaufen«, wechselte die Kleine das Thema.

»Ja, der Wedding-Planner hat seinen Job außergewöhnlich gut gemacht«, erwiderte ich.

Die Location war grandios. Man konnte im Saal selbst sitzen, essen, trinken und tanzen. Aber auch für Abwechslung war gesorgt worden. Der Wintergarten durfte ebenfalls genutzt werden. Hier war die Luft angenehm und man konnte der lauten Musik für einen Moment entfliehen.

Endlich hatten wir den ganzen Stress hinter uns und ich konnte mich nun ein wenig auf den Spaß konzentrieren.

Da ich bis jetzt kaum dazu kam, mit Tally zu reden, hatte ich sie gerade gesucht und endlich gefunden.

Ganz allein hatte sie sich in den Wintergarten zurückgezogen und vor sich hingestarrt. Mir gefiel es nicht, wenn sie sich zurückzog, vielmehr wollte ich sie endlich mal losgelöst lachen sehen. Egal, wie viel es mich kosten würde, heute wollte ich es schaffen, sie für einen Augenblick glücklich zu machen.

»Für Rory und Damien ist auf jeden Fall ein Traum in Erfüllung gegangen«, meinte sie, rückte an die Seite, als ich mich neben sie setzte.

»Ja, das stimmt«, gab ich ihr recht. »Weißt du, ich habe auch einen Traum. Willst du ihn hören?«

Sofort nickte Tally.

»Ich würde unheimlich gerne mit dir tanzen.«

Die Kleine riss ihre Lider auf. »Mit mir?«, hakte sie ungläubig nach.

»Siehst du hier noch jemanden?«, zog ich sie auf.

Tatsächlich schaute sie sich um. Unglaublich.

»Dillon, ich weiß nicht«, murmelte sie. »Es gibt bestimmt andere Damen, die viel besser tanzen können als ich.«

»Da mich andere Damen gerade nicht interessieren«, sagte ich und erhob mich, »kommst für die Erfüllung meines Traums nur du in Betracht.« Auffordernd hielt ich ihr meine Hand entgegen. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre hineinlegte und sich beim Aufstehen helfen ließ.

Gleichzeitig nahm ich ihr das Glas ab, stellte es zu meinem und führte sie aus dem Wintergarten, zurück in den Saal, wo reges Treiben herrschte.

Die Tanzfläche war voll, leider lief nicht das Lied, welches ich für mein Vorhaben benötigte.

Ich küsste Tallys Handrücken und beugte mich vor zu ihrem Ohr. »Bin sofort zurück«, gab ich ihr zu verstehen. »Nicht bewegen.«

»Okay«, stimmte sie zu, woraufhin ich mich abwandte und zum DJ marschierte.

Mein Traum war es nicht nur, mit ihr zu tanzen, sondern sie eng an mich zu ziehen, sie in den Arm zu nehmen, sie zu halten, sie zu spüren.

Auch wenn es mich zum größten Arschloch machte, aber ich hatte wenig Interesse an einer Freundschaft mit Tally, vielmehr interessierte mich ihr Körper … Die Frau selbst.

 

Nicht nur einmal hatte ich mir vorgestellt, sie zu entkleiden, nackt unter mir zu spüren und mich tief in ihr zu versenken. Die Kleine machte mich wahnsinnig und so langsam wollte ich wieder normal werden. Dazu brauchte ich sie.

Vielleicht konnten wir danach zu Freunden werden, vielleicht auch zu mehr. Bei Tally war ich mir nicht sicher, was genau ich von ihr wollte. Sie weckte in mir Gefühle, die ich nicht ganz einordnen konnte, aber ich war bereit, herauszufinden, was sie zu bedeuten hatten.