CLUB PRIVÉ CACHÉ - Once upon a time in Vienna - Gabriele André - E-Book

CLUB PRIVÉ CACHÉ - Once upon a time in Vienna E-Book

Gabriele André

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Beschreibung

BAND # 1 Beschreibt die prägende Pubertät eines 12-jährigen Jungen namens Clemens Capron. Sein Schicksal im Zweiten Weltkrieg und seine Adoleszenz in der Besatzungszeit, wie auch danach. Der harte Beginn der alliierten Besatzungszeit und das Ende des folgenden Wirtschaftsaufschwungs, zeigen ebenso die psychosozialen Veränderungen einer Gesellschaft, bestehend aus Ganoven, Möchtegern und Grenzgängern und solcher, welche ihre Chance witterten. Sie beherrschen den Alltag der treuen, manchmal aber auch untreuen oder korrupten Gesetzeshüter und hoher Beamter. Einblicke in die Entstehung der Wiener Unterwelt beschreiben eine wachsende Parallelgesellschaft, welche durch Not, Zwang, Zufall, politische Einstellung, wie auch dem eigenen Willen, bestehende Gesetze negiert. Eine neue facettenreiche Ära der Unterwelt von Wien beginnt, sie entfaltet sich über Jahrzehnte. Viele Facetten aus dem Unterwelt-Milieu, deren kriminelle Handlungen und den blöden G´schichten, welche etliche obskure Gewinner und zahlreiche skurrile Verlierer hervorbrachten, werden aus deren Perspektive, sowie auch ihrer Verfolger erzählt. Wien hat zwei Millionen Geschichten, diese ist eine davon, ... Acht Jahrzehnte Unterwelt aus dem Rotlicht-Milieu! Facetten der Unterwelt deren Subkultur vom konskribiert kontrollierten Strich und kriminellen Handlungen. Aus dem strukturierten Beginn der 50er Jahre bis in das 21. Jahrhundert im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld von Wien bis Berlin und Hamburg als Krimi-Serie. Unterhaltsam im reichhaltigen Repertoire unvorhersehbarer Ereignisse mit durchtriebenen kriminellen Handlungen skurriler Figuren. Die Vergangenheit einer Subkultur teils ironische, sarkastisch, satirisch mit der herrschenden Brutalität und markanten Persönlichkeiten ikonisch, dargestellt. Stetig wachsende Korruption in den Reihen der mächtigen Staatsorgane nährten das System durch Duldung, Handlungen und Unterlassung. Unter diesem Einfluss wuchs Wien, als begehrenswerte Kulturstadt, allmählich zur Business-Oase der weltweit tätigen Syndikate. Clans der Mafia hielten Wien als umstrittenes und begehrtes Territorium vom ausgeübten Verbrechen im Zaum. Insider wussten, Wien diente mit als ruhiges, anonymes Zentrum der Abhandlung großer bedenklicher Geschäfte und dunkler Machenschaften.

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© 2022 Autoren Gabriele André, Wolfgang André

© 2022 Coverdesign & Illustration, Wolfgang André

© 2022 Korrektorat & Redigierung, Anton Hackner, Josef Mayrhofer, Peter Lamplot und Werner Schediwy MBA

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN Softcover:

978-3-347-69701-0

ISBN Hardcover:

978-3-347-69702-7

ISBN E-Book:

978-3-347-69703-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Texte, Bilder und Illustrationen sind rechtlich geschützt.

Bilder unterliegen der entgeltlich erworbenen Lizenz der Autoren der gesamten Bandreihe Club Privé Caché sowie auch der Autoren von Dreamstime (www.dreamstime.com).

Dreamstime LLC 1616 Westgate Circle, Brentwood, TN 37027, United States, bestätigt der Autorin Gabriele André die rechtlich erworbene Lizenz der Bilder. Vectorgrafik und Illustration wurde von dem Autor Wolfgang André gestaltet.

CLUB PRIVÉ CACHÉ

# 45ER AUTOMATIC

Aus der Feder von

Gabriele & Wolfgang ANDRÉ

Episoden aus der Sicht der Wiener Unterwelt. Um niemanden direkt zu deklassieren, oder gar einer vermeintlich strafbaren Handlung zu bezichtigen, sowie das Grundrecht der Kunstfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu wahren, wurde die Sphäre in der Krimi-Bandreihe #1, des Club Privé Caché, der gesamten menschlichen Lebensbereiche fabuliert und fiktiv dargestellt.

Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, oder Abgeschiedener, wie auch deren Schicksal oder Situationen, deren Geschichten und Handlungen sind frei erfunden. Diese wären rein zufällig.

Kriminelle Ereignisse liegen nur im Tatbestand selbst mancher wahren Begebenheiten zu Grunde, jedoch nicht in deren detaillierten Tatausführungen mitsamt deren Beteiligten.

Historische Ereignisse und Informationen aus den Kriegstagen sind real, sie entsprechen der Geschichte. Dem zugrunde liegen Recherchen weltweit auf. Diese wurden nicht verändert oder irgendwie anders behauptend dargestellt. Bellizismus wird ausdrücklich von den Autoren in jeglicher Form und Art abgelehnt und kommt in der gesamten Krimi-Bandreihe keinesfalls zum Tragen.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

# STAATSADLER

1000 Jahre Häfen

# STRAFPROZESS

Dolus directus

# IM NAMEN DES VOLKES

Indicium

# QUALIFIKATION

Experiment

# FEUERSTURM

Hitler-Jugend

# PHILIPPHOF

Wiener Albertina Platz

# EIN ENDE UND EIN ANFANG

Granatsplitter

# VOLKSEMPFÄNGER

PPScha-41

# SPIONAGE

Penicillin

# WIDERSTAND O5

Griasler

# ZWINGBURG

Kuckuck

# PAWLATSCHEN

TrăDător

# US TOP-SECRET CASE

Ghost Army

# VIVE LA LIBERTÉ

Passe-Passe

# BLUTRACHE

Novemberpogrom 1938

# ESPÉRANCE

Falsche Hoffnungen

# ESKAPADE

Bagatelle

# ESPORTAZIONE

Reichsadler

# OFFIZIERSKASINO

Tamtam

# QUANTO COSTA IL MONDO?

Hazard

# GESTAPO

Observation

# CONNEXION POUR LA VIE

Ewige Hawara

# FATALITÄT

Offenbarung

# WIENER BLUT

Schleichhandel

# LA RÉUNION

Palliativmedizin

# PANZERSCHOKOLADE

Depésche

# CAMPAGNE DE POLITIQUE

Dolchstoßlegende

# BRINKMANSHIP

Machtergreifung

# OPERATION RADETZKY

Nerobefehl

# LOCKHEED P-38 LIGHTNING

Doline Grünloch

# DEADSTICK

Kraut

# TALLBOY-BOMBE

Sperrfeuer

# REVANCHE

Levée en masse

# WEISSE ROSE

Flugblatt Nr. 6

# CLUB PRIVÉ CACHÉ

Cowboys

# KAMPF UM WIEN

Brevi manu

# BEFREIUNG

Tagebuch

# NOUVEAU DÉPART

Stadt Wien

# GOLDSTEMPEL

Latkes

# THE LAST BATTLE

Schloss Itter

# KAPITULATION

Kriegsende

# BESATZUNGSZONE

Die Alliierten

# NAZI-GOLD

Clearing

# HAKENKREUZSTEMPEL

Dokumente

# OKKASION

Zinshaus

# NÜRNBERGER PROZESS

Vive la liberté

# LAPS DE TEMPS

45er Automatic

# WURLITZER

Stand by me

# STAATSVERTRAG

Baba und foi net

# WIRTSCHAFTSWUNDER

Rock‘n Roll

# BURNHEIDLSTRIZZI

Aanserschmäh

# SCHANDLOHN

Pratermatura

# FEUERWERK

Marchfelderhof

CLUB PRIVÉ CACHÉ - 45ER AUTOMATIC

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

# STAATSADLER

# FEUERWERK

CLUB PRIVÉ CACHÉ - 45ER AUTOMATIC

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Gabriele André & Wolfgang André

CLUB PRIVÉ CACHÉ

# 45ER AUTOMATIC

Krimi - Band # 1, beschreibt in der Epoche der schrecklichen letzten Kriegsmonate in Wien, von März 1945 bis zum Ende des Jahres 1956, das Schicksal, die prägende Pubertät und Adoleszenz von einem zwölfjährigen Jungen, mit dem Namen Clemens Capron.

Die Kausalität der historisch, wie psychosozialen Veränderung einer Gesellschaft, gewährt strukturierte Einblicke in eine wachsende Subkultur einer Parallelgesellschaft, welche durch Not, Zwang, Zufall, politische Einstellung und auch dem eigenen Willen, aufgrund der unterschiedlich getrieben Eigenschaften, bestehende Gesetze negiert.

Facetten aus dem Unterwelt-Milieu, kriminellen Handlungen jeglicher Art unter deren herrschender Brutalität von markanten Persönlichkeiten der Clans, sowie auch der Bezirks-Ganoven, Schwerverbrechern, Möchtegern und Grenzgängern, werden satirisch, wie auch ironisch, sarkastisch aber auch zeitweilig humorvoll dargestellt. Gespickt unter einem reichhaltigen Repertoire mancher skurrilen Figuren, Namensbezeichnungen, Redewendungen, mit Schmäh und Ausdrücken, Idiome der Gaunersprache sowie auch im Wiener Dialekt unter dem Reglement des Codex der Gaunerehre. Die blöden G´schichten, wie auch die oft damit verbundenen strafbaren Handlungen, brachten etliche Gewinner, aber auch zahlreiche Verlierer hervor.

Es ist keinesfalls auszuschließen, dass es sich irgendwie so, … oder womöglich auch anders ereignet haben könnte, …?

# STAATSADLER

1000 Jahre Häfen

«Soll ich mich wirklich schuldig,

reumütig oder gar schlecht fühlen?

Ich habe lediglich ein Stück Scheiße,

menschlichen Abschaums, beseitigt.

Es gibt einfach zu viele Arschlöcher.», geht 45er durch den Sinn, als er in Begleitung von zwei Justizbeamten, pünktlich um 09.00 Uhr, an diesem frühwinterlichen feucht nebeligen Herbsttag, den 26. November 1982, den großen Schwurgerichtssaal-I im Wiener Landesgericht I, noch in U-Haft befindlich, betritt.

Ruhig, schick im schwarzen Zweiteiler, mit weißem Hemd, schwarzer Krawatte, steht er vor der Anklagebank. Er blickt mit einem freundlichen Nicken gelassen in die Reihen der Besucher und Geschworenen, unterdessen er dem Justizbeamten seine mit den Handschellen geschlossenen Hände entgegenstreckt. Dem älteren Justizbeamten kann er nichts abgewinnen. Ein wahrlich unguter, kleinwüchsiger, schmierig, abgespeckt, permanent schwitzender Fettkloß. Einfach ein unsympathischer, empathieloser, ungustiöser Typ, mit einer sadistischen Veranlagung. Der Zyniker ist in diesem Beruf total fehl am Platz und er stinkt immer nach Schweiß, fast genauso wie dieser abgestandene fürchterlich erbärmliche Mief in den Zellen. Er ist im Aanser-Landl (Landesgericht I), wie man im Milieu so schön sagt, bekannt. Jede Situation der Straftäter nützt er frech und perfide aus. Ein echt korruptes Arschloch, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Jeder weiß es, jedoch scheint es, als hat er in seinem Beamtenstatus Narrenfreiheit, zumindest glaubt er es. Jeder schaut weg, wenn er mit den Häftlingen seine Geschäfte macht. Es kann ihn jedoch eines Tages einholen, denn oft werden diese Typen in ihrer Überheblichkeit unvorsichtig. Aber wen juckt das schon, …?

45er schmiert ihn nicht. Er kann ihn einfach nicht ausstehen. Somit muss er auf etwaige Vergünstigungen verzichten und vermeidet jegliche unnötige Konfrontation mit dem Zyniker. Sie können einander einfach nicht leiden. Ein wahrlich ekeliger Typ, dieser sadistisch veranlagte Justizbeamte. Er behandelt Häftlinge wie sein Eigentum, dabei lässt er seinen Launen in gezielter Bösartigkeit freien Lauf. Ergötzend genießt er die Lage der U-Häftlinge.

Unterdessen der abgeschmierte, ungustiöse Beamte, 45er die Handschellen abnimmt, versucht er wieder mit einem seiner unnötigen Statements einzuschüchtern. Süffisant murmelt er:

«Hast di scho g´wöhnt an die Achter, mei Freind?

Nau, jetzt spielst nimmer in der ersten Liga, was?

Heut is soweit Bester, ein besonderer Tag, was?

Ein neues Zuhause wartet, freust di eh scho, was?

Vorbei mit etepetete, glaub mah, im Häfen kannst

da dei erstes Peckerl stechen lassen. Mama!»

«Ja, mein Leben verrinnt unter Schmerzen,

unter Seufzen vergehen meine Jahre.

Wenn ih wüh, kauf ih ma dei Leben Angschütter.

Jetzt schleich di du Trottel.» flüstert 45er dem, um einen Kopf kleineren, verschwitzten Justizler cool unter freundlicher Mimik, zähneknirschend entgegen.

«Scheiß Wadlbeißer, so ein schmieriger Wichser.», denkt er, kurz bevor er auf der Anklagebank Platz nimmt.

Unterdessen schweift sein Blick durch die Anwesenden im Saal. Alle sind gekommen, die komplette Entourage des Club Privé Caché. Ausnahmslos, sogar die einschlägig bekannten Ganoven der Gürtelbezirke haben sich unter die Gerichtskiebitze, Pressefotografen und Journalisten gemischt. Seit mehr als zwei Wochen verfolgen auch die Medien, in erwartungsvoller Haltung den Prozess. Wiener Boulevardzeitungen kolportierten ihn mit diversen überzogenen Schlagzeilen, wie «Krieg der Unterweltbosse».

Die rechten Platzreihen sind mit dem Baron alias Boris Baroncelli links beginnend, in hierarchischer Reihenfolge mit:

Würfel Wolferl,

Tanzbär Toni,

Italiener Zizibé,

Gummihansl Gerry,

John Jolly,

Black Jack,

Klaas Kinsky,

Dirty Henry, genannt der Captain

Vegas Charli, genannt der Colonel

Boxer Bernd,

Uzi Ulrich,

Pump Gun Peter,

Mad Mani,

Inder Chunni,

Lange Ludwig,

Saugerl Sigi,

Chinese Wi Wan Wozu,

Schmierer Schurli,

Wuzler Willi,

Ottakringer Otto,

Klugscheißer Karli,

Grapscher Gustl, genannt der Gschissane.

Japaner Jono,

Piefke Pauli,

Schlitzer Stefan,

Schwindliche Stolperer,

Zwitscherer Zisl,

Pole Plotschek,

Franzose Frederic,

Hatscherde Herbert,

Flumy Fredl,

Hüne Hildor,genannt Hilli, der gesellige Bierhansl Bruno, bekannt im Mileu als der «B´soffene Hansl», der mit Ottakringer Otto eine innige Freundschaft hegt, besetzt.

Sogar die autarken Drei C (Cool, Clever, Clean) sind gekommen. Eigentlich ein riskantes Unterfangen, denn die Drei C agieren immer unter dem Radar, sie meiden weitgehendst die Öffentlichkeit. Selten bekommen die Ganoven der Bezirke diese drei Unikate zu Gesicht. Wenn schon, dann handelt es sich meist um eine sehr ernste Angelegenheit. Oft ist es das Letzte, was so manch einer zu Gesicht bekommt.

Das Dutzend der Damen des Club Privé Caché sind auf der linken Platzreihe in gleichfalls geordneter hierarchischer Reihenfolge platziert:

Mätresse Zoé, Barons Lebensgefährtin,

Lilly, 45er´s Liebe,

Charmante Carin,

Lustvolle Lore,

Couragierte Conny,

Geile Gerti,

Chevalereske Channel,

Sexy Susi,

Laute Lena,

Domina Arabess,

Madam Moné,

Flotte Frida, und

Praterbaa Paula (Standplatz Prater).

Mit stummem Nicken grüßt 45er seinen Rechtsanwalt für Strafsachen. Dr. Paul Pitzelig ist ein renommierter Wiener Strafverteidiger, der mit seinen 56 Jahren schon dreißig Jahre seine Klienten in der gehobenen Unterwelt, sowie auch in der Politik findet. Im Milieu wird er «Professor» genannt. Wenn es eng wird, weiß er immer was zu tun ist. Sein Einfluss ist fast grenzenlos. Sein Leitsatz seit seiner Studienzeit, von dem französischen Schriftsteller Sully- Prudhomme, dem ersten Nobelpreisträger für Literatur, lautet:

«Barmherzigkeit ist leichter zu üben als Gerechtigkeit.»

45er mag den Professor. Der Professor ist ein Mann, der nicht lange um den heißen Brei herumredet. Er macht einem einfach nichts vor und nennt die Dinge beim Namen. In schwierigen Fällen hat er für seine betuchten Klienten immer die besten Bedingungen ausgehandelt. Seine Gage ist er jedenfalls wert.

Innerlich schmunzelt 45er. Niemals zuvor befanden sich in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung mehr als 1000 Jahre Häfen, wenn man die verhängten Freiheitsstrafen, der im Gerichtssaal anwesenden, einschlägig vorbestraften Bezirks-Ganoven in den Reihen der Zuhörer, addiert. Natürlich ein Novum für die Presse. So mancher hat ein Vorstrafenregister, länger als die Speisekarte des Marchfelderhofes. Sozusagen, das volle Programm.

Einfach nichts ist ihnen unbekannt. Delikte gegen die Ehre, gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit, gegen fremdes Vermögen, gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweisen, etliche strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und unbaren Zahlungsmitteln, Angriffe auf Staatsorgane, ebenso Verletzung der Amtspflicht. Nichts wurde und wird ausgelassen, inklusive des Widerstands gegen die Staatsgewalt, der ist bislang sowieso Usus. Manch schräge Persönlichkeit könnte damit schon einen Verbrecher-Almanach, mit dem Querschnitt der erfüllten Tatbestände und Verurteilungen der letzten Jahrzehnte nach dem österreichischen Strafrecht füllen, wenn es so etwas gäbe.

Einige unter den Gaunern, sind jedoch keine «Hobby-Extra» Raucher denn diese Tschick sind nur für helle Köpfe. Hirnlose Taten verschlangen sinnlos Lebensjahre der wirklichen Trotteln. Entschuldbar ist lediglich, dass so manch Möchtegern im Bauch mehr Hirn hat als im Schädel, wenn er eine Fliege verschluckt. 45er hat in seiner bisherigen Laufbahn genug Erfahrung mit diesen Hirnis gesammelt. Oftmals musste er diese Typen im mittleren Maße, unter angemessener Brachialität sozusagen ruhigstellen. Wenn es einer genau wissen wollte, wurde ihm in der Gaunersprache unmissverständlich eine ernstzunehmende «Wendeltreppe», juristisch jedoch unverwertbare Drohung, angesagt.

Sofort war dem Betroffenen klar, es ist vorbei mit blöd und lustig, da dieser Ausspruch einer massiven ernstzunehmenden gefährlichen Drohung gleichkam, in der man brutal zur Schnecke gemacht wurde. Im besten Fall eine saftige Portion Prügel kassierte.

Da saßen sie, die Spezialisten, die skurrilsten Charaktere der Stadt. Einige darunter ohne Ehrgefühl, Empathie und Genierer. So mancher würde sogar für einen Schilling seine eigene Mutter verkaufen, wie der Abstauber Alex, Linke Ludwig, Klauer Klemens, Falsche Fridl, Kappe Konrad, Vieraugerte Viktor, Fisch Ferry, Gier Gerhard, Flache Franz, Palavarer Poldi, Fetzen Fredl, Tandler Theo, Dicke Didi, Krempel Klaus, Barabarer Boris und Gschichtldrucker Gustl.

Andere der Komiker waren und sind einfach immer nur deppert, besonders Party Prinz, Tippler Toni, Ernste Ernstl, Kicherer Karli, Göffel Gerry, Dillo David, Wappler Willi, Waugl Werner, Wache Wolfram, Zwinkerer Zamir, Nerverl Niki, Fixer Fitzke, Schneemann Sigfried, Blunzen Berni, Hirnederl Horstl, Geile Gisi, Wilde Waidl, Einghackte Emil, Gschaftlhuba Gerhard, Wamperte Walter, Aschanti Aron, Tachinierer Tomi, Zwirnscheißer Zlatko, Pumperer Pauli, Motschgerer Manfred, Bongo Billi, Wixerl (Waldo) Waldemar. Sie lassen sich vom, Wifen Willi, Flieder Fritzi, Queue Quapil, Billard Bruno, Oplacky Ossi, Kammpel Kurtl, Hammer Heino, Tango Tino, Rocker Rudi, Pfuscher Peter, Elektrik Edi, Giftler Gorgo und dem Gstopften Gustl, immer wieder über den Tisch ziehen. Sie lernen es einfach nicht.

Nur der stadtbekannte Hehler Heini, genannt der 164er, nach dem Paragraphen § 164 Hehlerei, ist nicht gekommen. Ist auch verständlich, bei ihm gehen die Kieberer ein und aus. Er ist froh, wenn er mit der Justiz nichts zu tun hat, nicht einmal anstreift. Der Blade Bertl und der Feige Fredl, die zwei hirnlosen Kumpane, des verstorbenen Schwerverbrecher Nagler Niki, sitzen als Klagevertreter neben ihrem Anwalt, dabei starren sie 45er durchgehend giftig an. Sie hoffen, dass 45er im heutigen Urteil einen «Frack» ausfasst.

Bei der gestrigen Verhandlung haben sich die zwei Dillo mehrmals zugunsten 45er´s, beim Kreuzverhör in eklatante Widersprüche verwickelt. Sogar die vorsitzende Richterin Dr. Emica Ehren und Staatsanwalt Dr. Georg Geier, schüttelten sichtlich den Kopf. Fast schon ein kabarettreifes Amüsement. Die Richterin war echt gefordert, sie musste aufgrund des oftmals ausbrechenden Gelächters in den Reihen der Zuhörer zur Ordnung rufen. Besonders, weil der Blade Bertl sie fortwährend mit Herr Rat ansprach, obwohl sie ihn mehrmals darauf hinwies, dass sie eine Frau ist. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie resignierte. Er behirnte es einfach nicht, dass der Vorsitz sichtlich von einer Frau, obendrein von einer noch sehr gepflegten und mit allen weiblichen Attributen ausgestatteten gutaussehenden, reifen Dame, mittleren Alters, geführt wird. Ein wahr grenzgenialer Volltrottel, … auch 45er schmunzelte verhalten.

Tja, die beiden Zeugen, echte Koffer. Sie sind eben merklich unterbelichtet. Es kommt auch sichtlich davon, dass sich die beiden schon jahrelang täglich mehrere rote 0,75 Patronen reinhauen. Das permanente Vernichten der Bouteillen zeigt Spuren. Es grenzt ja schon an ein Wunder, die zwei lustigen Schädelbrummer einmal nüchtern zu sehen. Jetzt stehen die Komiker ohne ihren Mentor da. 45er ist sich fast sicher, dass die Beweislage für einen Frack, wie man im Wiener Jargon zu einer Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe sagt, nicht ganz reichen wird, …aber was weiß man?

Langsam kehrt im Saal Ruhe und Stille ein. Es ist fünf Minuten nach 09.00 Uhr, erspäht 45er auf der Uhr des jüngeren Justizbeamten. Alle warten und verharren steif, nur Gummihansl spielt sich angespannt und nervös mit seinem Gummiringerl. Das Gummiringerl ist seine Macke, so eine Art Stimmungsbarometer, an dem man seine allgemeine Stimmung in der jeweiligen Situation ablesen kann. Nur reißen sollte es nicht, da wird’s dann meisten eng und geht ans Eingemachte, zumindest im Club.

Eine Saaltür öffnet sich. Die Richterin tritt ein. Ein Ruck geht durch den Saal, alle erheben sich. Verteidiger Dr. Paul Pitzelig richtet seinen Blick flüchtig zu 45er, er blinzelt ihm kurz zu.

# STRAFPROZESS

Dolus directus

«Guten Morgen!

Bitte nehmen Sie Platz.», fordert die vorsitzende Richterin Dr. Emica Ehren, richtet sich ihre schwarze Robe mit dem eingefassten violetten Samtstreifen, legt das Barett und ihre Akten ab, nimmt Platz, setzt ihre Brille auf, blättert und liest.

Ein Türschlag, die Richterin blickt prüfend auf. Sie runzelt die Stirn. Kriminalbeamter, Major Manfred Mayrhofer, betritt mit seinem erfahrenen Ermittler-Duo, Chefinspektor Friedrich Fischer und Gruppeninspektor Sebastian Steinmann, gestresst etwas verspätet den Schwurgerichtssaal, mit einem knappen:

«T´schuldigung Euer Ehren!

Verzeihung, Sie wissen ja, der Verkehr!»

«Ich weiß nicht!

Die Frage wäre auch, welcher Verkehr?», kontert die Vorsitzende wohlwollend gelaunt mit einem verstohlenen Schmunzeln, in höflicher Geste deutet sie Platz zu nehmen.

Während die Richterin kurzweilig weiter im Akt blättert, richtet Major Manfred Mayrhofer seinen Blick, unter freundlich verlegener Mimik zu 45er. Er begrüßt ihn geneigt nickend. Danach richtet er sich das Sakko und die Krawatte unterdessen er plötzlich errötet.

«Scheiße!

So ein Schass! Des ah noch!

Des hab ih wieder braucht?», durchfährt es Major Manfred Mayrhofer verärgert.

Es ist 09.05 Uhr.

Er rempelt mit dem Ellbogen seinen Kollegen Fischer:

«Wir haben vergessen die Dienstpistolen abzugeben.

Der angschütte Justizler ist gleich vor meiner

Kieberer-Kokarde in die Knie gegangen. Scheiße!»

Chefinspektor Friedrich Fischer nimmt es gelassen. Er richtet sich die Beule seines Sakkos, damit man den Abdruck des Schulterhalfters nicht sieht, währenddessen er seinem Vorgesetzten leise zuflüstert:

«Scheiß da nix, es passiert scho nix.

Ist mir schon öfters vorkommen.»

45er ist es nicht entgangen, er grinst. Jetzt heißt es Ruhe bewahren, Geduld haben, nicht den Staatsanwalt und die Geschworenen anstarren oder gar fixieren, nicht unnötig auffallen, einfach abwarten, …ist die Devise. Die vorsitzende Richterin richtet ihren Blick für einen kurzen stummen Moment in den Saal zu den Anwesenden. Dann sieht sie zu den Geschworenen:

«Nach allen abgeschlossenen

Zeugeneinvernahmen und Erschließung aller

Beweise und der abgeschlossenen

Tathergangs Ausführungen, sowie den

erschlossenen Berichten der Sachverständigen,

kommen wir zu den Abschlussplädoyers der

Staatsanwaltschaft und der Verteidigung.

Bevor Sie, liebe Geschworenen, sich am heutigen

Tage zur Urteilsfindung zurückziehen,

hat der Angeklagte Clemens B. Baroncelli

nach den Plädoyers das letzte Wort.

Sind die anwesenden Herren der Klageführung

und der Verteidiger des Angeklagten damit

einverstanden?»

Staatsanwalt Dr. Georg Geier:

«Keine Einwände!»

Verteidiger Dr. Paul Pitzelig:

«Keine Einwände!»

«Gut so!

Ich bitte um Ruhe!» verkündet die Richterin.

Es ist 09.15 Uhr.

Dr. Emica Ehren, die Vorsitzende, greift sich ihr Diktafon, lehnt sich konzentriert in ihren Richterstuhl und diktiert:

«Strafsache LG 711-26/1982, der Staat gegen

den Angeklagten Clemens B. Baroncelli alias 45er, am 26. November 1982, um 09.15 Uhr, ist eröffnet.

Der Angeklagte Herr Clemens B. Baroncelli befindet sich seit 14. November 1982, 10.00 Uhr, gem. § 175 Abs.1 StPO mit Beschluss in Untersuchungshaft.

Angeklagt des Mordes nach § 75 StGB, in Tateinheit nach mit § 5 Abs. 1-3 StGB, laut Polizeiprotokoll aus dem Vorfall, am 13. November 1982, um 23.30 Uhr, am Tatort, Wien 18., Währinger Gürtel 69, im Nachtlokal Club Privé Caché. Alle Zeugen wurden einvernommen.

Beweisanträge vorgelegt, bestätigt, protokolliert. Einsatzprotokoll, Anzeige und Niederschriften der Einvernahmen, des Täters und der Zeugen liegen dem Gerichtsakt unter der Zahl LG 71-20-25/1982 bei.

Laut Polizeibericht kam es zur angeführten Tatzeit, am bezeichneten Tatort, zwischen dem Angeklagten und dem Verstorbenen zu einer Auseinandersetzung, wobei Nagler Niki, Nationale im Akt, den Tod fand.

Der Prozess wird am heutigen Tage mit dem befundenen Geschworen Urteil beendet.»

Die Richterin schaltet ihr Diktiergerät aus, legt es ab und beugt sich nach vor, dann spricht sie im Abschlussverfahren in den Saal:

«Ich erteile somit dem Staatsanwalt das Wort!»,

Betulich erhebt sich der Staatsanwalt Dr. Georg Geier, in seinem knitterunempfindlichen schwarzen Staatsanwaltstalar mit dem Revers und Passepolierungen aus rotem Samt. In den zwei Wochen der bisherigen U-Haft hat sich dieses Bild in 45er fast schon eingebrannt. 45er findet ihn eigentlich sympathisch, obgleich dieser ihn für lange Zeit wegsperren möchte. Der Staatsanwalt ist ein richtiger Paragraphen-Reiter, irgendwie hat man das Gefühl er überfordert die Geschworenen mit seinem streng juristischen Fachwissen. Er hält sich in seinen Plädoyers mehr mit dem Gesetz auf, als mit der Tat und den Beweisen selbst. Vielleicht ein Vorteil, denkt sich 45er.

Im Schwurgerichtssaal herrscht Stille. Sekundenlang. In kurzen leisen Schritten wendet sich der Staatsanwalt direkt zu den Geschworenen. Lang andauernd sieht er in deren Gesichter. Manche der zwölf Geschworenen halten dies nicht durch und wenden verlegen ihren Blick ab. 45er blickt zwischenzeitlich zu seiner merklich angespannten Lilly. Innig betreiben die beiden in der Stille Augenkontakt. Er zwinkert ihr mit ruhiger Mine zu, als wollt er ihr sagen, sorge dich nicht, es wird schon, … irgendwie.

Nach einer gefühlten Ewigkeit räuspert sich der Staatsanwalt, dreht schwungvoll vor den Geschworenen um und wendet sich zur Vorsitzenden:

«Hohes Gericht, geehrte Vorsitzende,

geschätzte Geschworene. Guten Morgen!

Ist es ein guter Morgen?

Sie wissen was, heute für ein Tag ist?

Ja? Ja, sie wissen es!

Es ist der Tag der Urteilsfindung!

Jedoch für einen ist es kein guter Tag,

denn er weilt nicht mehr unter uns!»

Staatsanwalt Dr. Georg Geier hält kurz inne. Spontan dreht er sich wieder zu den Geschworenen, er wird lauter:

«Ja! Er ist nicht mehr da!

Weg! Unwiederbringlich fort!

Tot! Gestorben! Ermordet!

Einfach kaltblütig vorsätzlich ermordet!

Das durch die Hand des Angeklagten!

Eine nichtwiederkehrende Seele!

Ein Toter mehr in der Gesellschaft!

Die Frage ist, wollen wir das?

Brauchen wir Tote in unserer Gesellschaft?

Brauchen wir Verbrechensopfer?

Die Antwort müsste lauten: Nein!

Wir brauchen keine Ermordeten!

Denn Mord, kaltblütiger Mord, ist das

abscheulichste, schlimmste Verbrechen!»

Es ist 09.30 Uhr.

Der Staatsanwalt pausiert für einen Moment sein Plädoyer. Mit ernster Miene geht er auf 45er zu, stellt sich neben die Anklagebank und zeigt sekundenlang stumm auf ihn, dann fährt er fort:

«Hier sitzt ein Krimineller!

Ja, ein vorsätzlicher Mörder!

Ein vorsätzlich kaltblütiger Mörder!»

Noch in seiner Ausführung blickt er prononciert in die Reihen der Geschworenen. Nach kurzer Sprechpause führt er weiter aus:

«Nach allem, was Sie, werte Geschworenen

gehört haben, können natürlich durchaus unter

falscher Betrachtung auch erhebliche Zweifel entstehen?

Jedoch bedenken Sie, was dieser Mann gemacht hat!

Er hat gemordet! Ja, gemordet, vorsätzlich!

Eiskalt gerichtet und vorsätzlich gemordet!»

45er verzieht während dieser harten Beschuldigungen keine Miene. Innerlich verspürt er, dass der Staatsanwalt ihn fertig machen will. Es verlangt ihm schon einiges ab. Ein bisserl viel Mord, denkt er und behält in jeglicher Form die Contenance. Sein Verteidiger ist stolz auf ihn, dass er die Ruhe bewahrt. Jetzt zu reagieren, wäre falsch und könnte die Geschworenen mit beeinflussen. Es reicht schon die andauernde Suggestion des Staatsanwalts. Verteidiger Dr. Paul Pitzelig sendet 45er einen eindringlich zufriedenen Blick. Er kennt Dr. Georg Geier sehr gut und weiß, was er immer für eine Show abzieht. Ihm ist klar, obwohl einige Vorwürfe im laufenden Verfahren schon entkräftet wurden, wird es trotzdem kein Sparziergang. Aufmerksam hört der den harten Ausführungen weiter zu, dabei schreibt er konzentriert mit an seinem Konzept.

Es ist 09.45 Uhr.

Der Staatsanwalt hält wiederum für einen Moment inne. Wortlos begibt er sich jetzt zu den Geschworenen, bleibt stehen, blickt abermals taxierend in deren Gesichter und führt sein Plädoyer weiter:

«Ein Krimineller! Ein vorsätzlicher Mörder!

Ein Verbrecher! Werte Geschworene,

was machen wir mit Verbrechern?!

Wir verurteilen sie und sperren sie ein!

Wir schützen die Gesellschaft vor ihnen!

Genau das ist meine und Ihre Aufgabe!

Der Angeklagte muss also gem. § 75 StGB

im Sinne der Anklage und des abgeschlossenen

Beweisverfahrens wegen vorsätzlichen

Mordes schuldig gesprochen, verurteilt

und lebenslänglich eingesperrt werden!

Dieses Urteil zu fällen ist Ihre Aufgabe,

Pflicht und auch bürgerliche Verantwortung!»

Abermals pausiert er für einen Augenblick. Stumm geht er in Richtung der Verteidigung, blickt seinen Kontrahenten an, dreht ab und bewegt sich in kleinen Schritten zu den Gerichtskiebitzen.

Es ist 09.50 Uhr.

Jetzt holt der Staatsanwalt aus. Das Finale Plädoyer folgt:

«Werte Geschworene, werte Anwesende!

Was verstehen wir unter dem Begriff Kriminalität im eigentlichen Sinne? Im Wesentlichen orientiert er sich an der Definition im Allgemeinen der ausgeführten Straftaten als Gesamtphänomen, während sich die Begriffe Vergehen und Verbrechen am direkten Verhalten eines Täters abzeichnen. Diese kategorische Einschätzung erfolgt auf Grund der Basis bestehender Gesetze, Normen und Verordnungen, welche eine dem Gesetz entsprechende rechtliche Orientierung in einem souveränen Staat dem allgemeinen sozialen gesellschaftlichen Verhalten, in all seinen Bereichen, der gesamten Bürgerschaft vorsetzt. Um wirklich kriminell zu werden, bedarf es jedoch, neben etwaigen sozialen Umständen, wie das Umfeld, sowie das Moralempfinden, die Einschätzung der jeweiligen Situation und einigen Attributen, mehr. Besonders, aber und vor allem auch den eigenen Willen!

Dieser Wille ist der massivste Entscheidungsträger, um eine widerrechtliche strafbare Handlung zu begehen. Dolus directus! Es war der direkte vorsätzliche Wille des Angeklagten, die hier zu verhandelnde strafbare Handlung, den vorsätzlichen Mord zu begehen!

Allein sein direkter vorsätzlicher Wille war es!

Dies wurde in der 14-tägigen Verhandlung unter allen angeführten Fakten ersichtlich und bewiesen!

Bedenken Sie dies bei Ihrer Urteilsfindung! Entscheiden Sie in Gottes Namen richtig!

Die Staatsanwaltschaft plädiert auf schuldig des vorsätzlichen Mordes und fordert zwingend für den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe! Ich danke für Ihr Gehör!»

Es ist 10.15 Uhr.

Das beschwörende Plädoyer des Staatsanwaltes verhallt. Während die Protokollantin das Stenogramm beendet, blickt er noch einmal erhobenen Hauptes in die Reihen der Gerichtskiebitze. Dann geht er gemächlich zu seinem Platz und setzt sich. Es wird immer leiser. Ruhe breitet sich im Schwurgerichtssaal aus. Alle warten auf den Verteidiger Dr. Paul Pitzelig. Dieser kritzelt noch schnell etwas in seine Unterlagen. Die Atmosphäre wird immer angespannter.

Die vorsitzende Richterin wird schon etwas ungeduldig:

«Ist die Verteidigung bereit?»

Dr. Paul Pitzelig hebt lediglich kurz für einen Moment die Hand. Darauffolgend erhebt er sich, geht straffen Schrittes zum Richterpult und tauscht sich leise mit der Vorsitzenden aus.

Richterin Dr. Emica Ehren, greift sich ihren Gavel, den Richterhammer, schlägt dreimal auf und verkündet:

«Ich rufe nochmals den Zeugen,

Herrn Bakovic Berthold in den Zeugenstand!»

Verwundert blickt der Blade Bertl die Vorsitzende an. Unsicher und sichtlich errötet, erhebt er sich mit einem leicht verkrampft leisen:

«Aber, aber, was is jetzt, …ich war ja schoh dran?»

Zaghaft betritt er den Zeugenstand. Merklich nervös setzt er sich. Seine Hände schwitzen. Die Vorsitzende weist ihn abermals ein:

«Herr Bakovic, Sie stehen noch immer unter Eid.

Beantworten Sie die Fragen wahrheitsgetreu!»

Dr. Paul Pitzelig tritt langsam an den Zeugen heran, …

# IM NAMEN DES VOLKES

Indicium

Es ist 10.20 Uhr.

Dem Bladen Bertl wird sichtlich immer heißer, er knöpft sich das Hemd auf und lockert seine Krawatte. Im Moment versteht er gar nichts mehr. Alle Blicke der Zuhörer sind auf ihn gerichtet. Die Geschworenen mustern ihn mit fragenden Gesichtern. Auch 45er ist gespannt und runzelt die Stirn, …

Rechtsanwalt Dr. Paul Pitzelig steht vor dem Zeugenstand und greift in seine Hosentasche. Er überreicht dem Zeugen mit freundlicher Geste sein weißes Stofftaschentuch:

«Hier bitte, nehmen Sie.

Sie schwitzen! Die Kilos, nicht wahr?

Auch die Anspannung!

Ist nichts Ungewöhnliches, bei so einer großen Sache. Bei lebenslänglich verstehe ich das, wie wir alle.

So ein einschneidendes Urteil nimmt einen einfach her. Natürlich auch wenn es einen anderen betrifft, oder?

Keine Sorge, …kein Grund nervös zu sein.

Ich habe nur ein paar kurze Fragen.

Ich bitte um Geduld, … ich komme gleich zu Ihnen!»

Trotz angenehm ruhiger Tonlage wurde alles, was Verteidiger Dr. Paul Pitzelig zum Bladen Bertl sagte, neugierig in jedem Detail von den Anwesenden beobachtet. Der Verteidiger wendet sich mit einem freundlichen Lächeln vom Bladen Bertl ab. Dieser grinst verlegen in die Menge und wischt seinen Schweiß von der Stirn.

Es ist 10.30 Uhr.

«Sie werden sich fragen, warum hatte ich keine Einwände? Keinen einzigen Einspruch, gegen die Ausführungen, im Plädoyer meines geschätzten Kollegen, dem Herrn Staatsanwalt Dr. Georg Geier?»

Dr. Paul Pitzelig lässt sekundenlang die Frage im Raum stehen. Langsam dreht er sich im Kreis, macht einen Rundumblick in die Gesichter und fährt fort:

«Ich werde es Ihnen sagen!

Weil er mit allem recht hat!

Ja, er hat recht mit dem, was er sagte!

Wir müssen die Gesellschaft vor obskuren und kriminellen gefährlichen Individuen schützen!

Ja, schützen und das unbedingt zwingend!

Aus diesem Grund sind wir hier!

Ein Mordprozess ist sicherlich keine Kleinigkeit.

Stimmen Sie mir zu, werte Geschworene?!»

Als er diese Frage laut und vehement in den Raum stellt, pausiert er und alle nicken. Dr. Paul Pitzelig bezweckt, mit den gestellten Fragen in den unterschiedlichsten betonten Tonlagen seines ausführenden Plädoyers, die gesamte Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu richten. Wie es scheint, gelingt es. Die fragenden Gesichter werden deutlicher. Seine Strategie nimmt Formen an. Im Innersten zufrieden, setzt er seinen rhetorischen Auftritt fort:

«Wie ich schon sagte, ja!

Herr Staatsanwalt Dr. Georg Geier hat recht!

Bis auf einen einzigen Punkt!!!

Bis auf den Punkt, dass mein Mandant ein vorsätzlicher, Dolus directus oder bedingt vorsätzlicher, Dolus eventualis, Mörder ist!! Nein, das ist er nicht!

Er selbst ist Opfer eines Mordversuches!

Er handelte in Notwehr!!! Ja, in Notwehr!!!»

Es ist 10.40 Uhr.

Noch im selben Moment, nach Vollendung des letzten Satzes, wendet sich Dr. Paul Pitzelig sofort an die Geschworenen, blickt dabei eindringlich in ihre Gesichter. Mit dem Wissen, die Geschworenen jetzt zu kriegen, holt er mit deutlich betonender Stimmlage weiter aus:

«Mein Mandant ist kein Mörder!

Er selbst wäre jetzt nicht hier, hätte er

nicht unmittelbar, blitzartig gehandelt.

Er selbst wäre jetzt tot, und der durch Notwehr

ums Leben gekommene Nagler Niki müsste

sich jetzt und hier vor Ihnen, werte Geschworene, wegen vorsätzlichen Mordes verantworten.

Das sind die unwiderruflichen Fakten!

Dies werde ich Ihnen, hier und jetzt beweisen!»

Ein lautes Raunen und Gewisper hallt durch den Schwurgerichtssaal. Zwischenrufe folgen. Die Vorsitzende schlägt mit ihrem Gavel mehrmals impulsiv auf den Holzsockel auf:

«Ruhe!

Ruhe bitte!

Fahren Sie fort Herr Verteidiger!»

Im Zeugenstand wetzt der Blade Bertl, schwitzend unruhig am Sessel hin und her. Fluchend gehen ihm die Nerven durch:

«Geh schleich di!

So ah Blödsinn!

Da 45er is ah scheiss Mörder!

Des is ja a Verhöhnung, ah Störung

der Totenruhe. Ah Frechheit!

Der Paragraphentrottel hat ja an Klescha!

Pass auf was´t sagst Bester!

Ah so ah Oaschloch!»

Dr. Paul Pitzelig bleibt ruhig. Seine innere Zufriedenheit stellt er nicht zur Schau. Auf die verbalen Beleidigungen vom Bladen Bertl reagiert er nicht. Vielmehr tut dies die Richterin:

«Ruhe, Ruhe, Ruhe!!

Bei weiteren Störungen lasse ich den Saal räumen!

Obendrein verhänge ich über den Zeugen eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 5000,- Schilling, wegen Herabwürdigung des Gerichts und Beleidigung der Verteidigung!»

Merklich erzürnt, schlägt sie ihren Richterhammer wuchtig auf den Holzsockel. Die Stimmung ist aufgeheizt. So wollte es die Verteidigung. Alles läuft nach Plan, der Zeuge wird emotional. Jetzt verliert er die Kontrolle. Wir kommen der Wahrheit einen beachtlichen Schritt näher, denkt Dr. Paul Pitzelig und entschleunigt mit spürbarer Gelassenheit die Situation. Doch seine Strategie führt er fort. Er weiß, was zu tun ist. Mit bedachten Worten leitet er die tragende Exposition seines Plädoyers ein.

Es ist 10.55 Uhr.

Zufrieden in Pokerface Manier wendet er sich an die Geschworenen und setzt wohlbedacht fort:

«Betrachten wir die Sache in Ruhe!

Mein geschätzter Kollege definierte korrekt die Begriffe, Vergehen, Verbrechen und Kriminalität!

Ich möchte mit Ihnen noch einen Schritt weiter, also mehr in die Tiefe gehen, wenn Sie erlauben, wodurch sich auch die gängigste Definition für Kriminalität, in potenziell kriminalisierbare oder potenziell strafbare Handlungen findet.»

Nach einem Räusper führt er weiter aus:

«Daraus folgt die unbestrittene Tatsache,

dass nicht alle kriminellen Handlungen

geahndet werden. Folgend dessen, verkürzt

der juristische Kern der Kriminalitätsdefinition

des Teils komplizierten und nuancierten moralischen Bewerten im Einzelfall auf eine zwingende Entscheidung!»

Dr. Paul Pitzelig richtet seinen Blick wiederum in die Gesichter der Geschworenen und betont:

«Entweder ist eine Handlung strafbar

oder sie ist es nicht!»

Bewusst lässt er diesen Teil der Ausführung sacken. Kurz darauf referiert er impulsiv weiter:

«Um das Rechtsempfinden und Bewusstsein von seinen Bürgern zu schärfen ebenso zu stabilisieren, benötigt ein demokratischer Staat zur Gewaltentrennung souveräne staatliche Einrichtungen und dementsprechende Gesetze. Dies sollte jedoch nach einem tragenden Funktionsprinzip der Verfassung in einem Rechtsstaat nach eindeutigen Parametern der Machtaufteilung erfolgen, damit kein Bürger einer willkürlichen Staatsmacht ausgeliefert ist und einen ordentlichen fairen Prozess im Falle einer Verfehlung erwarten kann.

Dessen sollten wir uns hier und jetzt bewusst sein! Deshalb sind wir hier! Wir sind hier, um den wahren Schuldigen, den wahren Mörder, den wahren Täter, den wahren Verbrecher zu überführen, um die Gesellschaft zu schützen!

Aus diesem Grund sitzt Herr Bakovic Berthold nochmals hier im Zeugenstand! Da ich der Ansicht bin, dass wir einer bestimmten Sache, wenig Gehör und Augenmerk schenkten! Einer sehr wesentlichen Sache, aus meiner Sichtweise!»

Nachdenkliche Gesichter in den Reihen der Geschworenen.

Es ist 11.20 Uhr.

Verteidiger Dr. Paul Pitzelig greift sich von seinem Tisch den Akt des Polizeiprotokolls, blättert ein paar Seiten durch, lässt die Mappe offen und begibt sich zum Zeugenstand. Er bleibt stehen.

«Heiß, nicht?», fragt er den Bladen Bertl.

Dieser wischt sich zittrig mit dem bereits total durchgeschwitzten Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn und grinst blöd.

«Im Polizeiprotokoll vom 14. November 1982, um 02.00 Uhr, gaben Sie unter anderem an, dass Sie, am 13. November 1982 gegen 20.00 Uhr schon mal kurz den Nachtclub Club Privé Caché betraten, sich umsahen und nach dem 45er fragten. Ist das so richtig?

Waren Sie vor der Tat dort?»

«Wieso ist des wichtig? Was soll des?

Kau scho sei. Is ja g’schissen was drauf.

Ih sag nix mehr!», antwortet der Blade Bertl knapp.

«Es ist sehr wichtig!!», testiert der Verteidiger.

«Was soll de depperte Fragerei?

Ja! Vielleicht war ih dort, und?

Is des a Verbrech´n? Bin ih auklagt?», schreit der Blade Bertl aufgebracht und wischt sich wieder übers Gesicht.

«Geh stöh di net so deppert au, du Trottel!

Sicher warst dort! Da Niki hat ja g´sagt, er wü sicher sei, dass da 45er ohne seine Gorillas da is, damit er eam a g´scheide Wendeltreppen ansag´n kau.

Hast vergess´n, was? Du Hirni!», ruft der Feige Fredl plötzlich von der Bank der Anklagevertretung, zum Staunen aller durch den Schwurgerichtssaal. Alle Blicke sind in diesem Moment auf ihn gerichtet. Der Blade Bertl wird unrund und aggressiv.

«Geh, halt dei Gosch´n!», schreit der Blade Bertl zornig.

«Ih halt überhaupt net mei Goschn! Du Koffer!

Sag die Wahrheit Oaschloch Du bist unter Eid!

Drahst uns no total eine! Trottel!» schreit der Feige Fredl.

Unter den Bezirksganoven bricht, wegen der extremen Naivität vom Feigen Fredl, spontan lautes Gelächter aus. Man vernimmt sogar einige kurze Statements, wie: «Is der deppert? Was der eh wo a ist? Der draht sich ja selber eine! Ah Koffer! Dem Trottel sollten´s de Pappn zuapicken, …ect. ect…»

Die Richterin schlägt mit dem Gavel zur Ordnung. Sie mahnt vor Gericht nicht zu fluchen und schimpfen, obgleich ihr bewusst ist, dass dies die Sprache des Milieus ist. Mit etwas Toleranz lässt sie fortfahren. Dr. Paul Pitzelig setzt nach, er kratz weiter an dem bereits angeschlagenen Nervenkostüm vom Bladen Bertl:

«Sie waren also schon vor der Tat im Club?

Warum? Um Vorkehrungen zu treffen?

Um Auszukundschaften? Oder, gar etwas zu verstecken?

Warum waren Sie vor der Tat dort?

Sie stehen unter Eid! Antworten Sie wahrheitsgetreu!

Wollten Sie vielleicht die abgesägte Schrotflinte verstecken, um nicht gleich aufzufallen, wenn ihr Drei später gemeinsam in den Club geht!

Denn ihr wusstet, Gummihansl hätte euch durchsucht, also gefilzt, wie man in ihren Jargon sagt!

War es so?! Wollten Sie die Waffe deponieren?!»

«Des is ja de nächste depperte Frag!

Ih sag nix mehr! Ih wü nimma!

Und du halt de Gosch´n, du Wichtelscheißer!

Dir geht immer gleih da Oasch!», schreit der Blade Bertl total fertig echauffiert und stark schwitzend dem Feigen Fredl entgegen. Hektisch wischt er sich den Schweiß vom Gesicht. Die Geschworenen kommen aus dem Staunen kaum heraus.

«Ih halt überhaupt net mei Goschn!

Ih hab da gleih g´sagt, de wissen eh scho alles.

Warum glaubs´t san de Kieberer später kumma!

Die wissen scho länger als alle anderen, dass ma den scheiß 45er killen wollt´n. Warum glaubs´t ham´s uns abgschmiert!

Ih wollt da gar net mitmachen!

Es wolltet´s den 45er unbedingt wegramma!

Zwungen habt´s mi es Oaschlöcher, ih wollt net!

Des hab ih da scho g´sagt wie du de depperte Schrotflinten abgsagelt hast! Du Schlaumeier! Des war ah Schass!

Ih hab g´wusst es geht schief!

Was ham ma davon, jetzt is da Niki für imma hi!

Von dir lass ih mi net einedrahn du Oasch!», schreit der extrem aufgebrachte Feige Fredl zitternd schluchzend unter Tränen.

Unverzüglich nach diesen Aussagen entbindet die vorsitzende Richterin den Zeugen aus dem Zeugenstand und fordert ihn auf, wieder Platz zu nehmen. Sie übergibt sofort das Wort dem Verteidiger:

«Hohes Gericht! Werte Geschworene!

Wie Sie soeben selbst hörten, und Zeuge der Aussage von Flatterer Ferdinand, im Milieu bekannt als, der Feige Fredl, betraten die beiden Klagevertreter und der Verstorbene am Tag der Tat, die bezeichnete Tatörtlichkeit, mit dem Entschluss im Sinne des § 15 Abs. 2 StGB, eine Tat, ein Verbrechen, einen lange geplanten vorsätzlich kaltblütigen Mord gem.

§ 75 StGB, auszuführen und zu vollenden.

In Absprache übte Bakovic Berthold, genannt der Blade Bertl, im Wissen der Mittäter, eine unmittelbar vorangehende Handlung aus, indem er versuchte die Tatwaffe im Club Privé Caché für die Ausführungstat, 45er, ich zitiere: zu killen, wegzuräumen! Hohes Gericht, Frau Rat, Herr Staatsanwalt werte Geschworene ich plädiere auf Freispruch meines Mandanten, wegen Notwehr! Eindeutig Notwehr!»

Es ist 12.00 Uhr.

Es scheint. die Ereignisse überschlagen sich. Im Schwurgerichtssaal herrscht Aufruhr. Blitzlichtgewitter der Fotografen und Journalisten brechen los. Richterin Emica Ehren ruft deutlich zur Ordnung, sie schlägt wuchtig mit dem Gavel auf den Holzklotz, bis sich alles wieder beruhigt. Verteidiger Dr. Paul Pitzelig führt sein Plädoyer für das Protokoll weiter aus:

«Diese Situation der Notwehr, steht auch in totaler Kausalität mit dem Tathergang und lässt somit keinerlei Zweifel, einer Putativnotwehr, der Notwehrüberschreitung durch Irrglauben in einer Notwehrsituation zu sein, zu.

Mein Mandant blickte in den Lauf einer doppelläufigen, abgesägten Schrotflinte der Marke Browning Hunter, welche mit Kaliber 16/70 Trap-Munition geladen war.

Laut Zeugenaussagen, ich zitiere wörtliche Nagler Niki, aus dem Gerichts-Protokoll, im Wiener Dialekt und Jargon des Milieus, mit den Worten des Verstorbenen: Für dich gibt es kein Morgen mehr, Bester! Jetzt geht dir da Reis, du Oasch, was? Die zwa Patronen san für di! 45er hatte keine Alternative, keine Chance er musste sich wehren!

Er tat es! Nur in seiner Ruhe und Vorsicht durch Angst, die Mutter des Schutzes, ja Angst, durch diese Angst, dass jetzt etwas Schreckliches passieren könnte, trifft er eine Entscheidung, um sich schnell und unmittelbar zu wehren.

Er setzt sich zur Wehr, indem er eine seiner beiden Pistolen, Browning 45er Automatic, zieht, steckt deren Lauf in den oberen abgesägten Lauf der Doppelschrotflinte und drückt sofort ab. Gefahr vorbei!

Dabei kam es zur folgenschweren Explosion der tötlichen Trap-Schrotpatrone, welche die Flinte zerfetzte. Der gewaltige Druck der Explosion, herumfliegende Munition und Waffenteile enthaupteten sofort den aktenkundigen nun verstorbenen Schwerverbrecher Nagler Niki.»

Nach einem Moment der Stille, führt der Strafverteidiger sein Plädoyer für das Protokoll weiter aus:

«Unmittelbar danach verständigte mein Mandant selbst, via Telefon die Sicherheitsbehörden, indem er den Notruf 133 wählte. Hohes Gericht! Hiermit stelle ich den Antrag, meinen Mandaten sofort aus der U-Haft zu entlassen.

Frau Vorsitzende, Herr Staatsanwalt, ich beantrage und fordere den Freispruch meines Mandanten, Herrn Clemens B. Baroncelli, beruhend auf Notwehr im Sinne des § 3 Abs. 1 StGB!

Ich plädiere auf Freispruch im Sinne der Anklage!»

Mit der Geste eines Nickens setzt sich der renommierte Strafverteidiger Dr. Paul Pitzelig zufrieden an sein Pult. Kurz blickt er zu 45er.

Es ist 12.30 Uhr.

Staatsanwalt Dr. Georg Geier, erhebt sich blickt einen Moment in die langen betroffenen Gesichter von dem Bladen Bertl und Feigen Fredl, die bereits unruhig auf der Klagevertreterbank herumwetzen. Bestimmend wendet er sich dann wieder der Richterin zu:

«Hohes Gericht, ich möchte dem Antrag des Herrn Verteidigers Dr. Paul Pitzelig stattgeben.

Die Staatsanwaltschaft kommt aufgrund der Ereignisse zu dem Schluss, die Anklage gegen den Angeklagten Herrn Clemens B. Baroncelli, alias 45er, im Sinne des § 75 StGB, wegen vorsätzlichen Mordes angeklagt, unverzüglich mit sofortiger Wirkung aufzuheben! Da dieser zweifellos, laut dem Tathergang, sowie der Aussage des Zeugen Flatterer Ferdinand alias der Feige Fredl, sich eindeutig in einer, dem Gesetz nach § 3 Abs 1. StGB für das Gericht plausiblen und absoluten, wie unwiderruflichen Notwehrsituation befand.

Er hatte keine Wahl! In dieser äußerst prekären Situation musste er sein Leben schützen! Hochachtbare Vorsitzende, die Staatsanwaltschaft gibt dem Antrag der Verteidigung, auf Freispruch aufgrund einer Notwehrsituation, statt! »

Staatsanwalt Dr. Georg Geier, räuspert sich, schließt seinen Akt und spricht weiter:

«Frau Vorsitzende, aufgrund dessen ist die Mordanklage gem. § 75 StGB, gegen den Angeklagten im Zuge dieses Prozesses aufzuheben und der Fall in einem gesonderten Verfahren, wegen versuchten Mordes zu verhandeln.»

Kurz gezollter Applaus unterbricht für einen kurzen Moment die Ausführungen des Staatsanwaltes. Die Richterin klopft zur Ruhe mit dem Gavel. Dann führt der Staatsanwalt weiter aus:

«Die Geschworenen sind deshalb aus dem hiermit abgeschlossenen Verfahren freizustellen und zu entlassen. Werte Geschworenen ich danke Ihnen.

Die vereidigten unter Eid stehenden anwesenden Zeugen, Herr Flatterer Ferdinand und Bakovic Berthold werden wegen Mordversuch in Tateinheit mit Begehung durch Unterlassung, gem. §§ 2, 5 Abs. 1-3, 15 Abs. 1-2 und 75 StGB angeklagt und sind sofort gem. § 175 Abs. 1-3 StPO festzunehmen. Ich beantrage die U-Haft. Der Haftbefehl über Verhängung der Untersuchungshaft, gem. § 175 Abs. 3, wird eingebracht und dem Gericht nachgereicht.»

Im Schwurgerichtssaal breitet sich Totenstille aus, während der Staatsanwalt Platz nimmt. Lilly zwinkert 45er zu, er lächelt. Dem Bladen Bertl und dem Feigen Fredl fällt regelrecht die Lade runter. Mit offenem Mund werden ihnen von den Justizbeamten die Handschellen angelegt. Für den sadistischen Ungustl, wieder zwei neue Opfer, …

«Die Justiz is a Hure! Es Oaschlöcher, wer zahlt schiebt immer a guade Nummer!

Hör auf zum Heulen, du Vollrottel!», schimpft der Blade Bertl ungestüm schreiend, als er abgeführt wird. Der Feige Fredl wimmert, schluchzt und heult bitterlich. Der Blade Bertl reicht ihm jovial sein Stofftaschentuch, …

Es ist 13.00 Uhr.

Die vorsitzende Richterin Dr. Emica Ehren stimmt den Anträgen der Staatsanwalt und der Verteidigung zu. Greift sich ihr Diktiergerät und protokolliert die Ereignisse, indessen die Protokollantin das Stenogramm-Protokoll dieser Verhandlung abschließt.

Am Ende des Diktates greift die Richterin zum Gavel, sieht zu 45er, lächelt verhalten und klopft:

«Die Untersuchungshaft gegen Herrn Clemens B.

Baroncelli, wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

Der Angeklagte ist auf Befund der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

Herr Clemens B. Baroncelli ist unter sofortiger Wirkung ein freier Mann. Die Beamten der Justiz mögen die Aushändigung seiner Depositen unverzüglich veranlassen. Ich erkläre somit die Verhandlung für geschlossen!»