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Conni ist endlich fünfzehn geworden. Sie fühlt sich wie immer. Kein bisschen anders. Aber das kann nicht sein. Irgendetwas muss anders sein! Immerhin hat sie fünfzehn Jahre ihres Lebens darauf hingearbeitet, fünfzehn zu sein. Ab heute hat sie genau ein Jahr Zeit, um den Unterschied herauszufinden – falls es einen gibt. Conni freut sich auf grenzenlose Freiheit und wilde Abenteuer. Sie will endlich mal eine richtige Party mit der Clique feiern. Und sie will mit Phillip zusammen sein, ganz ohne wachsame Elternaugen ... Die Reihe: Conni 15 ist für Mädchen ab 12 Jahren. Lebensnah, frisch und authentisch erzählt, geht es um das, was Teenager beschäftigt: die Zumutungen des Schullebens, den manchmal etwas anstrengenden Eltern, dem Spaß mit den Freundinnen, der ersten Liebe - und der Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit. Band 1: Mein Leben, die Liebe und der ganze Rest Band 2: Mein Sommer fast ohne Jungs Band 3: Meine beste Freundin, der Catwalk und ich Band 4: Mein Freund, der Eiffelturm und ich Band 5: Meine Freundinnen, der Rockstar und ich Band 6: Mein Freund, das Leben und das Glück Band 7: Ziemlich hohe Berge, mein Dream-Team und ich
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Dagmar Hoßfeld
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Copyright © by Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2013
Umschlag- und Innengestaltung: Gunta Lauck
ISBN 978-3-646-92519-7
Alle Bücher im Internet unter www.carlsen.de
Satz und E-Book-Umsetzung: Greiner & Reichel, Köln
Connis Soundtrack: Tim Bendzko, Andreas Bourani, Jupiter Jones,
Black Eyed Peas, Rihanna, Amy Winehouse.
Der Abdruck des Zitats aus Tim Bendzko: „Wenn Worte meine Sprache wären” erfolgt
mit freundlicher Genehmigung von © Freibank Musikverlags- und -vermarktungs GmbH.
„Nur noch kurz die Welt retten“
Musik und Text: Simon Triebel / Mo Brandis / Tim Bendzko
© Edition Ginger Songs / EMI Music Publishing Germany GmbH / Rückbank Musikverlag
Gibt es einen Unterschied und wenn ja: welchen?
Ich bin fünfzehn.
Seit genau einer Sekunde.
Mein Herz schlägt einen Salto.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“, flüstere ich in die Dunkelheit.
Der jaulende Klang einer elektrischen Gitarre bringt mich etwas aus dem Konzept. Obwohl ich nicht geschlafen habe (ich war viel zu aufgeregt, um überhaupt ein Auge zuzubekommen), zucke ich zusammen und würge den Klingelton meines Uralthandys schnell ab. Das Gitarrensolo ist ein bisschen zu laut um diese Uhrzeit. Nebenan schlafen meine Eltern, Jakob schnarcht gegenüber leise vor sich hin. Muss nicht sein, dass sie mitbekommen, dass ich mitten in der Nacht telefoniere.
„Halloo?“, melde ich mich unschuldig und halte die Luft an. Natürlich weiß ich, wer dran ist. Es leuchtet mir in Großbuchstaben vom Display entgegen und ist nicht mal im Dunkeln zu übersehen: PHILLIP.
„Happy birthday to you, happy birthday to you …“, singt er leise.
Seine Stimme klingt verschlafen und ein bisschen kratzig. Im Gegensatz zu mir hat er bestimmt schon geratzt. Er muss sich extra den Wecker gestellt haben, um mir als Erster zum Geburtstag zu gratulieren. Der süßeste Junge der Welt hat zu meinem Geburtstag gesungen!
Neben mir streckt sich Mau und schmatzt. Ich kraule ihn mit einer Hand, während ich Phillips Geburtstagsständchen lausche, das sich langsam in Richtung Finale bewegt. Mau sabbert begeistert.
„Alles Liebe zum Geburtstag“, sagt Phillip feierlich. „Du hast einen Wunsch frei!“
„Danke.“ Mein Herzschlag beruhigt sich etwas und macht einem äußerst wohligen Gefühl Platz. Ich kuschele mich tiefer in mein Kissen und presse das Handy ans Ohr.
„Und?“, fragt Phillip.„Wie fühlst du dich? Anders als gestern?“
Ich schüttele den Kopf. „Kein bisschen.“
„Das kommt noch“, verspricht er. „Wart’s ab.“
„Na, hoffentlich“, seufze ich.
Phillip muss es wissen. Er ist schließlich ein ganzes Jahr älter als ich.
Mau springt vom Bett auf die Fensterbank, schiebt seinen Kopf durch einen Spalt im Vorhang und späht hinaus in die Nacht. Sein Schwanz zuckt hin und her. Was er wohl sieht?
Ich unterdrücke ein Gähnen und frage Phillip, was er mir schenkt. Immerhin ist seit ein paar Minuten offiziell mein Geburtstag. Da wird man sich doch wohl nach den Geschenken erkundigen dürfen, oder? Schließlich möchte ich wissen, worauf ich mich freuen kann. Aber Phillip bleibt stur.
„Sei nicht so neugierig“, sagt er, sosehr ich auch bettele. „Lass dich einfach überraschen.“
Wir reden ein bisschen hin und her, über den Vormittag in der Schule, der uns in wenigen Stunden bevorsteht und von dem wir nicht wissen, wie wir ihn überleben sollen, und über meine Geburtstagsparty, die am Abend steigen soll. Mit meinem Geburtstermin hätten meine Eltern sich ruhig ein bisschen mehr Mühe geben können, finde ich. Ich meine, wer hat schon freiwillig am 30. April Geburtstag? In unseren Breitengraden liegt da manchmal noch Schnee. Oder es regnet in Strömen. Echt super für Gartenpartys und Grillfeste. Der einzige Vorteil ist, dass morgen der 1.-Mai-Feiertag ist, denn das bedeutet – bingo! – schulfrei. Juhu!
Bevor wir uns verabschieden, versuche ich es noch einmal: „Wann krieg ich mein Geschenk? Doch nicht etwa erst heute Nachmittag, oder? Das halt ich nicht aus!“
„Soll ich’s dir lieber in der Schule geben? Vor allen anderen? Ist nicht dein Ernst, oder?“
Ich kann geradezu spüren, wie Phillips dunkle Augen tief in meine blicken. Blicken würden, meine ich. Wenn er jetzt hier wäre. Neben mir. In meinem Zimmer. Äh, wo waren wir gerade?
„Nee, nicht wirklich“, gebe ich zu. „Aber vielleicht vorher?“
Phillip lacht, aber dann sagt er: „Okay. Wir treffen uns vor der Schule im Park. Halb acht an der Entenbrücke?“
„Yes!“, jubele ich.
„Freu dich nicht zu früh“, dämpft er meine Erwartungen. „Du weißt schließlich noch nicht, was es ist!“
„Egal, ich freu mich trotzdem!“ Und das meine ich genau so, wie ich es sage. „Bis dann!“
„Bis dann“, sagt Phillip und gähnt.
Ich habe das Handy gerade fröhlich geknutscht und auf den Nachttisch zurückgelegt, als es sich noch einmal meldet. Diesmal ist es eine SMS, natürlich auch von Phillip: „SGUTS!“
SGUTS? Was soll das denn heißen? Sieben Gartenzwerge unter tausend Socken vielleicht? Sechs große Ufos taumeln südwärts? Hmmm, das ergibt nicht wirklich Sinn. Ich versuche es noch einmal.
Schlaf gut und träum süß? Oh ja, das ist ein guter Plan!
Irgendwie muss ich nach dem Anruf tatsächlich eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwache, ist es kurz vor halb sieben. Fast schon Zeit zum Aufstehen. Mau liegt auf meinen Füßen und schnurrt im Schlaf. Ich strecke mich vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, und verschränke die Hände im Nacken.
„Fünfzehn“, sage ich leise vor mich hin. „Eine Fünf und eine Zehn.“
Ich lege mir die Zahlen auf die Zunge, drehe sie in meinem Kopf hin und her und betrachte sie von allen Seiten. Fühlt es sich anders an als gestern? Fühle ich mich anders? Wenn ja, wie? Gestern war ich noch vierzehn. Wo ist der Unterschied? Ob es einen gibt? Oder ist das Ganze nur Gerede und jedes neue Lebensjahr gnadenlos überbewertet?
Nein, das kann nicht sein. Irgendetwas muss anders sein, beschließe ich. Immerhin habe ich fünfzehn Jahre meines Lebens darauf hingearbeitet, fünfzehn zu sein. Besonders das letzte Jahr war echt hart. Ich konnte es kaum erwarten, endlich älter zu werden. Und zwar nicht nur, weil es dann mehr Taschengeld gibt. Aber soll das alles sein? Zehn Euro mehr im Monat und eine weitere Kerze zum Auspusten auf der Torte? Hm …
Ich grüble und grüble, aber außer dass ich jetzt den Mofa-Führerschein machen dürfte (was mir meine Eltern sowieso nie erlauben würden), fällt mir nicht viel ein, was anders sein könnte. Jedenfalls nichts wirklich Positives. Im Bus muss ich jetzt zum Beispiel einen sauteuren Erwachsenenfahrschein lösen, es sei denn, ich mache mich klein und piepse „Einmal zur Schule, bitte!“. Danke, darauf kann ich gut verzichten.
Trotzdem. Mit vierzehn ist man irgendwie noch ein Kind, finde ich. Zumindest wird man so behandelt. Mit fünfzehn ist man dagegen schon fast erwachsen. Es MUSS also einen Unterschied geben.
Ich werfe einen Blick auf den Kalender, der über meinem Schreibtisch hängt. Da steht es schwarz auf weiß: Heute ist der 30. April, mein Geburtstag. Ab heute habe ich genau ein Jahr Zeit, um den Unterschied herauszufinden – falls es einen gibt. Ich bin ja sooo neugierig!
Ein einzelner Sonnenstrahl stiehlt sich durch den schmalen Spalt zwischen den Vorhängen und malt einen goldenen Kringel an die Tapete. Kleine Staubkörnchen tanzen in der Luft. Ich liege in meinem Bett und warte. Darauf, dass ich mich anders fühle. Und darauf, dass meine Familie endlich auftaucht, um mir zu gratulieren.
„Happy birthday to youuu, happy birthday to youuuu …“, singt jemand im Flur.
Es geht los! Ich flutsche tief unter meine Decke und stelle mich schlafend.
„Guten Morgen, Geburtstagskind!“, ruft meine Mutter, fröhlich wie immer. Die ist jeden Morgen gnadenlos gut drauf, egal wie früh es ist, ob’s stürmt oder schneit. Echt unglaublich.
Jemand zieht mir die Bettdecke weg. Das kann nur Jakob sein. Na warte! Ich erwische einen Zipfel und ziehe mit voller Kraft zurück. Jakob fällt halb auf mich und grinst.
„Häppi Börsdeh, du alte Schwester“, sagt er.
Er war gestern beim Friseur und sieht aus wie ein kleines Hähnchen. Die Haare sind stachelig kurz geschnitten und in der Mitte zu einem kleinen Kamm gegelt. Seit er auf die Gesamtschule geht, legt er Wert auf sein Äußeres. Sehr süß.
„Danke“, sage ich und befreie mich von ihm, um meine Geschenke entgegenzunehmen. Vorher hält mein Vater mir allerdings noch einen Schokoladenkuchen mit fünfzehn Kerzen unter die Nase. Da ist sie also, die Zusatzkerze! Ich hole tief Luft, kneife die Augen zusammen und puste. Dann werde ich umarmt. Links von Papa, rechts von Mama. Irgendwo dazwischen sind Jakob und der Kuchen. Und Mau, der von dem Radau aufgewacht ist und mitspielen will, indem er versucht, meine Zehen zu fangen.
„Aua!“, protestiere ich. „Lass das! Ich hab Geburtstag!“
„Beeil dich, Conni“, sagt meine Mutter. „Unten wartet dein Geburtstagstisch auf dich.“
Mein Vater stellt den Kuchen auf den Nachttisch. Wie jetzt, keine Geschenke? Na gut, vielleicht ist es etwas Größeres. Ich will mal nicht so sein. Eigentlich habe ich mir ein iPad gewünscht, und das ist nun wirklich nicht so groß, als dass meine Eltern es nicht hätten nach oben tragen können. Es muss also etwas anderes sein. Fragt sich nur was? Ein rosa Elefant vielleicht?
Ich hüpfe aus dem Bett. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es vielleicht noch, vor Jakob ins Bad zu kommen. Er hat zwar seine Haare gestylt, aber angezogen ist er noch nicht. Wenn er das Badezimmer erst mal blockiert hat, kann es Stunden dauern, bis er wieder rauskommt, das weiß ich aus leidvoller Erfahrung. Aber heute darf ich auf keinen Fall zu spät kommen. Phillip und sein Geschenk warten auf mich! Und mein Geburtstagstisch! Mit oder ohne Elefant.
„Bin gleich unten!“, rufe ich, schnappe meine Klamotten vom Boden – uaah, schon wieder voller Katzenhaare! – und hechte quer über den Flur ins Badezimmer.
Atemlos betrachte ich mich im Spiegel. Seit ich meine Haare wachsen lasse, sehe ich endlich ein bisschen älter aus. Aber nur ein bisschen, wie ich seufzend feststelle. Äußerlich habe ich mich also schon mal nicht verändert – wenn man von dem fetten Pickel absieht, der sich quasi über Nacht auf meiner Stirn angesiedelt hat. Ausdrücken oder abdecken? Ich quetsche ein bisschen daran herum, aber es tut sofort weh. Also abdecken. Aber zuerst kommt das Wunderwaschgel, das jede Hautunreinheit schon im Keim erstickt.
Alles leere Versprechungen … Nach dem Waschen ist der Schmarotzer noch genauso fett und fies wie vorher – und ich entdecke sogar noch zwei! Beide am Kinn! So ein Mist. Bekomme ich etwa meine Tage oder was ist hier los? Im Kopf rechne ich nach. Tatsächlich, morgen oder übermorgen ist es so weit. Kein Wunder, dass ich aufblühe. Wenn die wundersame Pickelvermehrung in diesem Tempo weitergeht, werde ich pünktlich zu meiner eigenen Party heute Abend wie ein Streuselkuchen aussehen. Hilfe! Vielleicht kann ich den Fiesling auf der Stirn mit meinen Ponyfransen unsichtbar machen. Aber was ist mit seinen Freunden auf dem Kinn? Da hilft nur möglichst elegant die Hand vorhalten und durch.
Ich hüpfe unter die Dusche, überprüfe nebenbei, ob mein Busen gewachsen ist – leider nicht –, und schlüpfe in Jeans und Sweatshirt. Anschließend benutze ich reichlich Abdeckcreme, fixiere meinen Pony in Strähnen über der Stirn und übe, wie ich meine Hand halten muss, damit man die blühende Landschaft auf meinem Kinn nicht sieht. Nicht gerade umwerfend, aber es geht.
Minuten später stehe ich unten auf der Matte, bereit, meine Geschenke entgegenzunehmen. Auf dem Tisch im Wohnzimmer erwarten mich – neben einem Blumenstrauß und dem Schokokuchen, den Papa brav wieder nach unten getragen hat:
» Eine Geburtstagskarte mit Musik, die „You are my Sunshine“ spielt, wenn man sie öffnet. Cool!
» Eine witzige Pop-up-Karte von Mandy mit William und Kate und zwei Möpsen, die Kopfstand machen.
» Ein großes rechteckiges Geschenk (eine Schachtel mit einem Ballkleid vielleicht!?).
» Zwei deutlich kleinere, dicke, ebenfalls rechteckige (Bücher, wie ich meine Eltern kenne).
Ich entscheide mich spontan für eines der kleineren und reiße das Einwickelpapier herunter. Bingo! Mama ist so vorhersehbar. Es ist ein Roman über ein afrikanisches Mädchen, das als Model Weltkarriere gemacht hat.
„Klingt spannend“, sage ich zu Mama und bedanke mich.
„In dem Buch steckt noch ein Gutschein“, sagt sie. „Kino für zwei. Inklusive Popcorn.“
„Cool. Danke!“ Dann weiß ich ja, was Phillip und ich demnächst vorhaben: Kuscheln in der Dunkelheit des Neustädter Kinos. Hoffentlich gibt’s einen Film mit Überlänge!
In dem anderen kleinen Geschenk steckt ein gerahmtes Foto von Mau. Jakob hat es mit meiner alten Kamera gemacht, die ich ihm vererbt habe. Die Aufnahme ist toll geworden, mit scharfen Kontrasten und Gegenlicht. Mau muss ganz still gehalten haben. Und ungelogen, er grinst mich an! Ich umarme meinen kleinen süßen Bruder, bevor er sich wehren kann.
Mandy hat mir neben ihrer Karte, auf die sie unzählige Kreuze und Os – für jede Menge Hugs and Kisses – gekritzelt hat, einen Amazon-Gutschein geschickt, den ich online einlösen kann. Spitze!
Und dann kommt endlich das große Hauptgeschenk!
In Gedanken verabschiede ich mich von meinem iPad-Traum und reiße voller Elan die Tesastreifen von dem bunten Papier. Was darunter zum Vorschein kommt, lässt mich sprachlos werden, was bei mir ziemlich selten vorkommt.
„Aber … aber … das ist ja …“, stammle ich.
Meine Eltern machen Gesichter wie Knecht Ruprecht und sein Gehilfe. Jakob grinst.
„Cooooool!“, jubele ich, als meine Stimme sich entschließt, mir wieder zu gehorchen. „Wahnsinn! Danke! Danke!“
Papa wirft mir einen Blick über die Schulter. „Er hat ein eingebautes Modem und Wireless LAN. Du kannst damit überall ins Internet, wenn ein Hotspot in der Nähe ist.“ In seiner Stimme schwingt Stolz mit, als er mir etwas von den ganzen Gigabytes und der tollen VGA-Grafikkartenauflösung vorschwärmt.
Ich höre nur mit halbem Ohr zu, wenn überhaupt. Ich bin fassungslos. Meine Eltern sind nicht nur über ihre eigenen Schatten gesprungen – „Wozu brauchst du einen neuen PC, Conni? Der alte, den wir dir vor hundert Jahren überlassen haben, statt ihn dem Museum zu schenken, tut’s doch noch!“ –, sie haben sich geradezu selbst überflügelt!
Ich streichele glücklich über die glänzende Oberfläche meines neuen himbeerfarbenen Laptops. Endlich ein eigenes Laptop, nur für mich allein! Kann sich irgendjemand vorstellen, wie lange ich mir das gewünscht habe? Es hat sogar ein Blu-Ray-Laufwerk! Das ist viel besser als ein iPad!
Mama und Papa nicken mir zu.
„Wahnsinn“, krächze ich noch einmal. „Danke!“
„Und jetzt wird gefrühstückt!“, beschließt mein Vater.
Gute Idee!
Am liebsten würde ich mein Laptop natürlich noch vor dem Frühstück in Betrieb nehmen und, während ich mein Brötchen mümmele, ein bisschen im Internet surfen, aber dank meines Geburtstags ist Familie Klawitter spät dran. Wir müssen uns alle ziemlich ranhalten, um noch einigermaßen pünktlich aus dem Haus und zur Arbeit beziehungsweise zur Schule zu kommen.
Zum Glück rollt mein Rad heute wie von selbst den Weg hinunter zum Stadtpark. Ob das daran liegt, dass ich mich so leicht und glücklich fühle? Ich könnte glatt die ganze Welt umarmen!
Aber zuerst beschränke ich mich mal auf Phillip, nehme ich mir vor. Danach kommt der Rest.
Ich sehe ihn schon von weitem auf der Holzbrücke stehen, die über den Ententeich führt. Er lächelt mir entgegen, und wie immer, wenn er das macht, setzt mein Herzschlag für ein paar Sekunden aus. Er hat wirklich das hinreißendste, schnuckeligste, anbetungswürdigste Lächeln der Welt.
Phillip und ich kennen uns schon ewig; genauer gesagt, seit er damals neu in die Klasse gekommen ist. Bevor er aufgetaucht ist, war’s ziemlich öde an unserer Schule. Lessing-Gymnasium – schon der Name klingt irgendwie altmodisch, verstaubt und vertrocknet, und von innen sieht es auch genauso aus. Aber was soll man machen, wenn man in einem Kaff wie Neustadt wohnt? Da ist die Auswahl an Schulen nicht so riesig. Aber zurück zu Phillip … Hatte ich schon erwähnt, dass er blonde Locken und braune, goldglitzernde Augen hat? Eine tolle Kombination. Unwiderstehlich, sage ich euch!
Abgesehen davon, dass er super aussieht, brauche ich ihn. Sonst wäre ich nämlich ziemlich allein auf der Welt. Dina geht seit einem Jahr auf ein Fachgymnasium für Kunst und Gestaltung, Mark ist auf die Realschule gewechselt, und Tim ist weggezogen. Meine besten Freundinnen Anna und Billi sind in meiner Parallelklasse. Paul auch. Früher hingen wir ständig zusammen, aber inzwischen glaub ich fast, dass das mit unserer Clique damals mehr so ein Teenie-Ding gewesen ist, so ähnlich wie bei den Wilden Hühnern. Manchmal macht es mich traurig, dass es nicht mehr so ist wie früher. Aber dann denke ich daran, was für eine schöne Zeit wir hatten und dass uns das, was wir gemeinsam erlebt haben, niemand nehmen kann. Wahrscheinlich werden wir eines Tages sogar noch unseren Enkeln davon vorschwärmen. Falls wir jemals welche bekommen sollten. Und natürlich sind wir immer noch befreundet, auch wenn wir nicht mehr so viel zusammen unternehmen. Besonders seit es zwischen Anna und Mark aus ist und sie diesen komischen neuen Freund hat. Dieser Lukas, der immer so tut, als wäre sie sein Privateigentum. Ich frag mich echt, warum Anna sich das gefallen lässt.
„Hey!“, ruft Phillip und breitet die Arme aus.
Am liebsten würde ich geradewegs in ihn und seine Umarmung hineinfliegen, aber leider sitze ich noch immer auf meinem Rad. Ich mache eine Vollbremsung, da ist Phillip schon bei mir. Er schaut mir tief in die Augen und gibt mir einen langen, langen Kuss. Meine Knie verwandeln sich augenblicklich in Gelee der Marke Extrawacklig. Mehr davon!
Ich habe keine Ahnung, wie lange wir uns küssen, weil ich währenddessen natürlich nicht auf die Uhr gucke, aber es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit. Wenn wir nicht bald aufhören, werden wir zu spät zur ersten Stunde kommen. Sorry, werden wir zu unserer Entschuldigung sagen, wir konnten leider nicht früher kommen. Wir haben uns leidenschaftlich geküsst und dabei glatt die Zeit vergessen. Ging nicht anders!
Nach einer weiteren halben Ewigkeit lösen wir uns endlich voneinander, auch wenn’s echt schwerfällt. Ich versuche unauffällig wieder zu atmen.
Phillip zieht ein winziges lilafarbenes Papiertütchen aus seiner Jackentasche und reicht es mir. Das Tütchen ist federleicht und fühlt sich an, als wäre nichts darin außer Luft.
Ob er mir einen Kuss schenkt? Noch einen, so wie eben? Ich muss lächeln.
„Willst du’s nicht aufmachen?“ Phillip macht ein erwartungsvolles Gesicht. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen funkeln.
„Doch. Klar.“
Plötzlich zögere ich. Was, wenn mir sein Geschenk nicht gefällt? Wenn ich enttäuscht bin? Vielleicht ist es das Falsche, und dann müsste ich mich trotzdem freuen, oder zumindest so tun, um ihn nicht zu verletzen. Er guckt so erwartungsvoll. Egal. Ich kann meine Neugier nicht länger beherrschen. Mit spitzen Fingern öffne ich das Tütchen und linse hinein. Ich sehe etwas Rotes, etwas Weißes und etwas Silbernes und schüttele den Inhalt vorsichtig in meine Handfläche.
Wow! Es ist ein hauchzartes Halskettchen mit einem rot und weiß emaillierten Sternanhänger.
Ein Stern in meinen Lieblingsfarben … Ich habe noch nie etwas so Süßes gesehen!
„Gefällt es dir?“, fragt Phillip aufgeregt.
Ich kann nur stumm nicken. Ich freue mich wirklich. Die Kette ist wunderschön.
Aber mir hat noch nie ein Junge Schmuck geschenkt. Noch nie! Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll. Hat das jetzt etwas zu bedeuten? Steckt vielleicht irgendeine tiefere Symbolik dahinter? Wenn ja: welche? Ich fühle mich leicht überfordert.
Stell dich nicht so an!, flüstert mir eine leise Stimme ins Ohr. Es ist nur eine Kette, kein Verlobungsring.
Okay, denke ich erleichtert. Dann ist ja alles gut.
Ganz behutsam nimmt Phillip mir das Kettchen aus der Hand, legt es mir um und gibt mir noch einen Kuss.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, sagt er leise. „Ich glaub, wir kommen zu spät.“
„Egal“, antworte ich.
„Du küsst besser als mit vierzehn“, stellt er fest.
Wir lachen übermütig. Ein älteres Ehepaar, das mit seinem Dackel vorbeispaziert, nickt uns freundlich zu.
Ich will nicht in die Schule! Ich will den Tag mit Phillip im Park verbringen!
Leider siegt die Vernunft. Phillip setzt seinen Helm auf und geht zu seinem Motorroller, den er neben der Brücke abgestellt hat. „Lass das Rad stehen. Ich nehm dich mit.“
„Geht nicht“, sage ich. „Ohne Helm.“
Er zuckt mit den Achseln und schiebt den Roller neben mir und meinem Rad her. Immer wieder schaut er mich an. Und ich fühle immer wieder nach, ob die Kette mit dem kleinen Stern noch da ist. Ist sie.
Erst am Ausgang des Parks startet Phillip den Motor. Ich winke ihm zu, dass er ruhig vorfahren soll. „Wir sehen uns an der Schule!“
Dank einer Abkürzung, die ich nehme, kommen wir fast gleichzeitig am Lessing-Gymnasium an. Am Fahrradunterstand steht Paul und grinst uns entgegen. Er hat sein Lieblings-T-Shirt an. MATHE IST EIN ARSCHLOCH, prangt es neongrün auf seiner Brust. … UND PHYSIK IST SEIN KLEINER BRUDER, steht auf der Rückseite. Er liebt solche T-Shirts.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, sagt er und schüttelt mir formvollendet die Hand.
Ich grinse. Dafür, dass ich Paul schon seit Ewigkeiten kenne, benimmt er sich ganz schön förmlich!
Wir schließen unsere Räder ab. Phillip parkt den Roller, klemmt sich seinen Helm unter den einen Arm und legt den anderen um mich. In der Aula trennen sich unsere Wege.
Außer mir haben vor ein paar Jahren alle meine Freunde Latein als zweite Fremdsprache gewählt. Billi will Bio studieren, Anna Medizin. Phillip möchte vielleicht Meeresbiologe werden. Lauter Studiengänge, für die man Latein braucht.
Nur Paul weiß noch nicht, was für eine Laufbahn er später mal einschlagen will. Im Moment ist er bei ‚Gitarrist in einer Heavy Metal Band‘, wofür man nicht zwanghaft Latein können muss, soweit ich weiß. Ich vermute, er hat es aus purer Bequemlichkeit gewählt – es stand auf der Fremdsprachenliste an erster Stelle – und weil er mit Phillip in einer Klasse bleiben wollte. Paul war schon immer ein Herdentier.
Nur ich habe mich für Französisch als zweite Fremdsprache entschieden. Früher wollte ich Tierärztin werden. Oder Kinderärztin, wie meine Mutter. Aber das ist ewig lange her. Im Moment tendiere ich zu Journalismus. Ich schreibe gerne. Tagebuch, kleine Texte, alles Mögliche. Manchmal auch Gedichte, aber die darf außer mir niemand lesen.
Mir schwebt vor, später in einer Zeitungsredaktion zu arbeiten oder für eine große Zeitschrift. Da komme ich mit Französisch und vor allem Englisch eindeutig weiter als mit Latein, das eine ziemlich mausetote Sprache ist. Außerdem möchte ich unbedingt mal wieder nach London. Und zwar möglichst bald. In den Sommerferien zum Beispiel. Fragt sich nur, wie ich meinen Eltern das einigermaßen schonend beibringen soll.
Ich gebe Phillip ein Küsschen, winke Paul zu und verschwinde in meiner Klasse.
Lena wartet schon auf mich. Lena Kowalski. Seit dem letzten Schuljahr sitzen wir nebeneinander, teilen Freud und Leid unseres Schülerdaseins und sind nebenbei beste Freundinnen geworden. Obwohl sie total faul und chaotisch ist, mag ich sie sehr. Vielleicht, weil sie so anders ist als alle anderen. An Lena ist einfach alles wild. Ihr Temperament, ihre langen, hennaroten Haare, ihre Fantasie, ihre ganze Lebenseinstellung und ihre Klamotten natürlich auch. Am liebsten trägt sie Kleider vom Flohmarkt oder indische Flatterhosen mit Blümchenprint und dazu selbst gebatikte Männerunterhemden in Feinripp. Feinripp!
„Lässt du bitte mal Englisch rüberwachsen?“, fragt sie und gähnt.
Trotz ihres Temperaments ist sie echt der faulste Mensch, dem ich jemals begegnet bin. Der Tag, an dem sie ihre Hausaufgaben macht, muss erst noch im Kalender stehen.
Seufzend reiche ich ihr meinen Englisch-Ordner.
„Thanx.“ Lena macht einen Kussmund. „Ach … und schönen Glückwunsch zum Geburtstag!“
„Danke.“
„Dein Geschenk ist leider noch nicht übergabereif. Du kriegst es heute Abend, okay?“
„Klar. Kein Problem.“
Pünktlich mit dem Gong tänzelt Frau Peters-Beutel um die Ecke. Sie heißt wirklich so: Doreen Peters-Beutel. Manche Frauen haben es echt nicht leicht.
Frau Peters-Beutel ist als Referendarin an unsere Schule gekommen. Zuerst hieß sie Frau Peters. Aber dann hat sie ihr Staatsexamen bestanden und Herrn Beutel kennengelernt, seines Zeichens Studienrat für Bio, Chemie und Erdkunde. So wurde Frau Peters-Beutel aus ihr. Und unsere Klassenlehrerin. Von Lena auch liebevoll „das Doreensche“ genannt.
„Good morning, class!“, wünscht sie uns.
„Good morning, Mrs Peters-Beutel“, wünschen wir zurück.
Lena schiebt mir meinen Englisch-Ordner rüber.
„Hast du die zum Geburtstag bekommen?“, flüstert sie und zeigt auf mein Kinn.
Hilfe, meine Pickel! An die hab ich überhaupt nicht mehr gedacht! Automatisch fährt meine Hand zum Kinn.
„Hübsch“, kichert Lena.
„Well now, ladies and gentlemen“, sagt das Doreensche freundlich. „Let’s go!“
Erst in der großen Pause sehe ich Phillip wieder. Billi und Anna sind auch da. Und Lukas natürlich. Er hängt an Annas Hals wie ein riesiger Krake. Die ganze Zeit grapscht er mit seinen langen Tentakeln an ihr herum, dass mir schon vom Zusehen schlecht wird. Nicht mal, als Billi und Anna mir gratulieren wollen, lässt er sie los. Mensch, Anna! Meine älteste und beste Freundin! Muss es echt dieser Typ sein? Er sieht zwar ganz niedlich aus mit seinen schwarzen Haaren und den himmelblauen Augen, aber Aussehen ist eben nicht alles. Charakter zählt auch. Und davon hat Mr Tentakel bei der Verteilung nicht gerade viel abbekommen, wenn man mich fragt. Aber mich fragt ja keiner. Anna schon mal gar nicht. Sie blinzelt mich an wie ein liebeskrankes Eichhörnchen, komplett weggetreten und blind vor Liebe. Ein Wunder, dass ihre Brillengläser nicht beschlagen sind!
„Bleibt es bei heute Abend?“, säuselt sie.
„Klar. Wenn das Wetter hält, feiern wir im Garten.“
Tentakel-Lukas gibt ein Grunzen von sich. „Kommt die Lesbe etwa auch?“
Billi verdreht die Augen in meine Richtung.
Ich seufze und lege mir meine Antwort sorgfältig zurecht, bevor ich sage: „Falls du zufällig Lena meinst: Ja, die kommt auch. Wenn es dir nicht passt, kannst du gerne zu Hause bleiben. Kein Problem.“ Blödmann, füge ich wortlos hinzu und schenke ihm ein giftiges Lächeln.
Wie soll ich einer Schwachbirne wie ihm auch erklären, dass Lenas Mutter zwar lesbisch ist und mit einer Frau zusammenlebt, dass das aber noch lange nicht heißt, dass Lena selbst auch lesbisch ist? Ich hab’s ein paarmal versucht, aber er kapiert es einfach nicht. Wahrscheinlich will er’s auch gar nicht verstehen. Gleichgeschlechtliche Liebe scheint für viele Jungs ein heikles Thema zu sein. Entweder sie werden rot und fangen an zu geifern oder sie machen saublöde Witze. Bei Lukas läuft alles gleichzeitig ab: Seine Ohren laufen knallrot an, er sabbert vor sich hin, und dann reißt er eine Zote. Zum Glück nimmt Phillip mich in den Arm, sonst würde ich angesichts dieser geballten Dämlichkeit glatt platzen.
Anna weicht meinem Blick vorsichtshalber aus. Ich würde ihr zu gerne mal meine Meinung geigen, aber sobald es um Lukas geht, blockt sie total ab. Dabei ist er ein echter Kotzbrocken. Superarrogant und komplett abgehoben. Ich würde es keine zehn Minuten mit dem in einem geschlossenen Raum aushalten, und ich wundere mich, wie Anna das erträgt. Ist wohl was dran, dass Liebe blind macht. In diesem Fall nicht nur blind, sondern auch taub. Aber vielleicht hat er ja andere Qualitäten – auch wenn er die ziemlich gut verborgen hält. Irgendwie bin ich froh, als es zur Stunde gongt.
Phillip fragt mich, wann ich Schluss habe.
„Um zwei“, stöhne ich. „Sieben Stunden. Und das an meinem Geburtstag!“
„Soll ich auf dich warten?“
Ich schüttele den Kopf. „Nee, lass mal. Ich fahr lieber direkt nach Hause.“
Ich denke daran, was ich noch alles erledigen muss, bevor mein Besuch aufkreuzt: den Tisch decken (hoffentlich im Garten), den Grill putzen, mich umziehen, Musik raussuchen, Lichterketten aufhängen, meine Pickel weglabern … Es gibt viel zu tun. Keine Zeit für Streicheleinheiten. Leider, seufz.
Stell dir vor, du bist fünfzehn und keiner merkt den Unterschied, weil deine Party ein Kindergeburtstag ist.
Nach der Siebten bin ich als Erste an den Fahrradständern und werfe einen Blick in den Himmel. War es vorhin nicht noch sonnig und frühlingsmäßig warm? Wo kommen bitte schön plötzlich all diese fetten Wolken her? Hilfe! Nichts ist schlimmer als ein Geburtstag, der ins Wasser fällt. Besonders wenn man vorhat, draußen zu feiern!
„Bitte nicht!“, schicke ich ein Stoßgebet nach oben. „Wehe!“
Ich hab’s ja schon gesagt: Ich habe mit meinem Geburtstagsdatum die Arschkarte gezogen. Kaum fahre ich los, fängt es in Strömen zu gießen an. Sekunden später bin ich klatschnass. Und eiskalt. Und sehr verzweifelt.
Vor unserem Haus baden zwei Spatzen in einer Pfütze und tschilpen schadenfroh, während ich mein Rad in die Garage schiebe und den Tränen nahe bin. Was heißt nahe? Nur mit äußerster Selbstdisziplin gelingt es mir, sie zurückzuhalten. Bis ich an der Haustür bin, ist es mit der Beherrschung allerdings vorbei und ich heule wie ein Schlosshund. So ein Mist!
Jakob ist schon da. „Bist du nass geworden?“, grient er.
„Wie kommst du darauf?“ Ich wringe mein T-Shirt aus und niese zweimal hintereinander. Na super! Jetzt noch eine Erkältung und mein Glück ist perfekt!
„Du tropfst.“
„Echt? Hätte ich gar nicht gemerkt. Danke.“ Ich schiebe mich an ihm vorbei, durch den Flur und die Treppe hoch. Unterwegs niese ich noch einmal. Toll, ganz toll.
„Das ist doch nur ein Schauer“, sagt meine Mutter, als sie kurz nach mir aus der Praxis kommt. „Dahinten wird’s schon wieder heller. Siehst du?“
„Nö“, schniefe ich. Wie kann man nur so optimistisch sein? In der Richtung, in die sie zeigt, versammeln sich neue Regenwolken, die ganz klar nur ein einziges Ziel haben: mir meine Laune und meinen Geburtstag gründlich zu vermiesen!
Ich habe mir einen Handtuchturban um den Kopf geschlungen und dicke Wollsocken an den Füßen. So viel zum Thema Aprilwetter. Am liebsten würde ich mich in mein Bett verkriechen, so kalt und klamm fühle ich mich. Und so unglücklich. Nicht mal mein schickes neues Himbeerlaptop schafft es, mich zu trösten. Obwohl ich ihm als Desktophintergrund eine Südseelandschaft mit Palmen und kristallklarem Wasser spendiert habe.
Genau da möchte ich jetzt sein, am sonnenwarmen Strand, weit weg von Neustadt und meinem verregneten Geburtstag. Aber statt unter einer Palme zu liegen und mich von Phillip mit einer eigenhändig gepflückten Kokosnuss füttern zu lassen, bin ich auf einer drauf. Auf der höchsten Palme, die man sich nur vorstellen kann!
„Alles ist nass! Die Gartenstühle, der Grill, alles“, jaule ich. Wenn schon Elend, dann richtig! Aber Mama lässt es nicht gelten.
„Hol die Lichterketten aus dem Keller“, ordnet sie an. „Und nimm das Grillfleisch aus der Marinade!“
Das klingt eindeutig nach pädagogisch wertvoller Ablenkungs- und Beschäftigungstherapie.
Maulend erledige ich die Aufträge und werfe dabei immer wieder einen Blick aus dem Fenster. Der Regen hat tatsächlich aufgehört. Blitzt dahinten wirklich die Sonne zwischen den Wolken hervor oder ist das eine Fata Morgana? Hab ich vielleicht Fieber? Nein, meine Stirn ist ganz kühl.
Mein optimistisches Mutter-Orakel wuselt auf der Terrasse herum. Ich höre es summen und Stühle verschieben. Wenig später quietscht die Markise.
„Fertig!“, verkündet meine Mutter freudestrahlend.
„Was?“, frage ich misstrauisch.
„Schau’s dir an!“
Auf Socken folge ich ihr bis zur Terrassentür und staune. Es ist gar nicht so übel, eine patente Mutter zu haben. Auch wenn’s manchmal nervt. Mama hat die Gartenmöbel trockengelegt und unter die Markise geschoben.
„Jetzt kann es regnen“, strahlt sie. „Und ihr bleibt trotzdem trocken. Na?“
„Danke!“ Ich falle ihr um den Hals. Mein Handtuchturban wickelt sich ab. Meine Haare sind fast trocken. „Du hast mich gerettet!“
Ich war meiner Mutter schon lange nicht mehr so dankbar. Die Frage, wo wir tanzen sollen, verkneife ich mir lieber. Unter der Markise ist jedenfalls eindeutig kein Platz mehr. Irgendwo müssen schließlich auch noch der Grill und die Anlage stehen. Ich bete, dass der Rasen bis zum Abend trocknet, sonst müssen wir Gummistiefel anziehen. Und dann wird meine allererste richtige Party gleichzeitig als die peinlichste in die Geschichte eingehen: Connis Gummistiefelparty. Nein danke!
„Das Büfett bauen wir in der Küche auf“, schlägt meine pragmatische Mutter vor. „Die Getränke auch. Dann kann sich da jeder selbst bedienen.“
Ich könnte sie knutschen.
Ein paar Stunden später bin ich von den Partyvorbereitungen ziemlich erledigt und gleichzeitig total aufgedreht. Weil ich erstens nicht jeden Tag fünfzehn werde, zweitens morgen schulfrei ist und ich drittens beschlossen habe, die Zeiten mit Topfschlagen, Tortenschlacht und Wattepusten in meinem fortgeschrittenen Alter endgültig hinter mir zu lassen, kommen meine Gäste erst am frühen Abend. Genauer gesagt um sieben. Also gleich. Bis gerade eben habe ich gefühlte tausend Luftballons aufgepustet, den Tisch gedeckt, meine kleine Musikanlage an ein trockenes Plätzchen geschleppt, das Büfett aufgebaut, Mau davon abgehalten, das Grillfleisch abzulecken, die Lichterketten zwischen den Bäumen aufgehängt und auch sonst alles abgehakt, was auf meiner To-do-Liste stand. (Kleine Notiz für nächstes Jahr: Wie teuer ist ein Partyservice, der sich um so was kümmert? Unbedingt herausfinden!!) Zum Glück ist zwischendurch Papa nach Hause gekommen und hat mir bei der Logistik geholfen. Jetzt ist es halb sieben. Ich habe also noch genau eine halbe Stunde Zeit, um mich in meine Klamotten zu werfen, die ich schon vor Tagen bereitgelegt habe (dunkle Jeans, weiße Bluse, Ballerinas),und mirein entspanntes Gastgeberinnenlächeln ins Gesicht zu pinseln, was gar nicht so einfach ist, wenn man so nervös ist wie ich.
Es ist knapp, aber ich schaffe es.
Gerade als mir mein Spiegelbild signalisiert, dass alles in Ordnung ist, klingelt es an der Haustür. Wow, perfektes Timing!
Anna und Mr Tentakel sind die Ersten. Anna hat sich heftig aufgebrezelt. Glitzertop (unter dem sich ziemlich deutlich ihr neuer Push-up-BH abzeichnet), enge schwarze Jeans und jede Menge Wimperntusche. Lukas steht wie ein frisch getoastetes Muskelpaket neben ihr. Kein Wunder. Wenn er nicht gerade wie ein Schatten an meiner besten Freundin klebt, verbringt er seine Freizeit in einem Fitnessstudio mit Solarium. Mehr Hobbys hat der Knabe nicht: Anna, Muskelzuwachs, Proteinshakes und ungesunde Turbobräune. Muss ich noch mehr sagen? Unauffällig spähe ich unter seine Arme, ob er darunter vielleicht ein paar Hantelscheiben spazieren trägt.
Er drückt mir einen Blumenstrauß in die Hand. „Gratuliert haben wir ja schon.“
Wir! Seit wann hat Anna keine eigene Stimme mehr?
„Kommt rein! Gerade durch und auf die Terrasse.“
Es klingelt im Minutentakt. Paul und Billi kommen zusammen. Lena drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Ein paar Freunde aus meiner Klasse: Cem, Björn, Jesko, Mieke, Kerstin und noch ein paar andere. Dina grinst mich an und gratuliert. Und dann, als Allerletzter, kommt Phillip. Endlich! Ich überlege, ob ich kurz schmollen soll, entscheide mich dann aber spontan dagegen. Immerhin ist er nur zehn Minuten zu spät, und ich bin fünfzehn. Da ist man cool und steht über den Dingen, oder?
Er tippt den kleinen Stern an, der an seiner Kette in meinem Blusenausschnitt baumelt, und lächelt. „Steht dir gut.“
„Find ich auch.“
Nachdem wir uns vergewissert haben, dass meine Eltern nicht in der Nähe sind, küssen wir uns im Flur, bevor wir zu den anderen gehen.