Dämonentochter - Verzaubertes Schicksal - Jennifer L. Armentrout - E-Book
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Dämonentochter - Verzaubertes Schicksal E-Book

Jennifer L. Armentrout

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Beschreibung

Alex ist nach ihrem Kampf gegen Ares schwer gezeichnet. Doch sie muss noch einmal in den Krieg gegen den Gott ziehen, denn nicht nur die Covenants stehen vor der Vernichtung – Ares verwüstet die ganze Welt und will die Menschheit versklaven. Da erhält Alex Hilfe von völlig unerwarteter Seite. Manchmal muss eine Liebe eben stärker sein als der Tod …

Jennifer Armentrout "Dämonentochter"-Reihe ist intensiv, dramatisch und voller Leidenschaft. Mörderische und mystische Romantasy für alle Fans von überzeugenden und fesselden Charakteren, einer faszinierenden Welt und Nervenkitzel pur!

Alle Bände der »Dämonentochter«-Reihe:
Verbotener Kuss (Band 1)
Verlockende Angst (Band 2)
Verführerische Nähe (Band 3)
Verwunschene Liebe (Band 4)
Verzaubertes Schicksal (Band 5)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 519

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Autorenfoto: © Vania

DIEAUTORIN

Jennifer L. Armentrout hat es mit ihren Büchern bereits auf die Bestsellerliste von USA Today geschafft. Ihre Zeit verbringt sie mit Schreiben, Sport und Zombie-Filmen. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden in West Virginia.

Armentrout ist außerdem bei cbt erschienen:

Dämonentochter – Verbotener Kuss (978-3-641-10740-6)

Dämonentochter – Verlockende Angst (978-3-641-10741-3)

Dämonentochter – Verführerische Nähe (978-3-641-13906-3)

Dämonentochter – Verwunschene Liebe (978-3-641-14614-6)

Jennifer L. Armentrout

Dämonentochter

Verzaubertes Schicksal

Aus dem Amerikanischenvon Dr. Barbara Röhl

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

© 2013 by Jennifer L. Armentrout

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Sentinel«

bei Spencer Hill Press, Contoocook, USA

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Kinder- und Jugendbuch,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Dr. Barbara Röhl

Lektorat: Friedel Wahren

Covergestaltung: Caroline Liepins

Covermotiv: Shutterstock.com (d1sk, geen graphy, artjazz, piyaphong, Kitsana1980, Gringoann, mystel, Gringoann)

MG · Herstellung: ang

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-18084-3V003

www.cbt-jugendbuch.de

»Es heißt, wenn das Leben dir Zitronen beschert, dann mach Limonade daraus. Aber wenn das Leben dir einen ernsthaft stinkigen Gott beschert, der dir ans Leder will, dann bereite dich auf einen Krieg vor und erhoffe dir das Paradies.«

Alex (Alexandria) Andros

1. Kapitel

Das Gefühl kehrte erst in meine Füße zurück und dann in meine Beine. Das Gefühl von eingeschlafenen Gliedmaßen überlief mich und führte dazu, dass meine Hände sich krampfhaft öffneten und schlossen. In der Kehle spürte ich noch die klebrige Süße des Nektars. Mein Körper schmerzte, als hätte ich gerade einen Triathlon bewältigt und als Allerletzte das Ziel erreicht.

Oder als hätte ein Gott mich kurz und klein geschlagen und ein anderer wieder zusammengeflickt.

Entweder oder …

Neben mir bewegte sich etwas und mein Körper näherte sich etwas Warmem, Festem. Eine Stimme schien meinen Namen zu rufen, aber von der anderen Seite der Welt zu mir herüberzudringen.

Ich bewegte mich mit der Geschwindigkeit einer dreibeinigen Schildkröte, daher dauerte es eine Weile, bis ich blinzelnd die Augen aufschlug, und selbst dann nur einen Spaltbreit. Als meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, erkannte ich die hellgelben Wände und die allgegenwärtigen Zierleisten aus Titan in den Wohnheimzimmern der Universität South Dakota. Es war dasselbe Zimmer, in dem Aiden und ich fast miteinander geschlafen hatten, bevor Dominic uns die Nachricht überbracht hatte, Überlebende von der Götterinsel seien eingetroffen. Damals … damals war alles anders gewesen. In meiner Vorstellung schien das schon Jahre her zu sein.

Eine furchtbare Schwere legte sich wie ein Stein auf meine Brust und war bis in den Rücken hinein zu spüren. Inzwischen war Dominic tot, ebenso wie der Dekan der Universität und seine Gardisten. Das Ganze war ein Trick von Ares gewesen, der sich als Trainer Romvi ausgegeben hatte. Unser Feind war die ganze Zeit unter uns gewesen. Schon bevor ich herausfand, wer er wirklich war, hatte ich den Mann bis aufs Blut gehasst, aber jetzt? Ich hasste ihn mit jeder Faser meines Apollyon-Ichs. Aber mein Hass auf Romvi/Ares, diesen Mistkerl, war nicht wichtig. So viele Menschen waren gestorben und Ares wusste, wo er mich fand. Was würde ihn daran hindern, zu einer zweiten Runde zurückzukehren? Und was konnte verhindern, dass er weitere Menschen tötete?

Wieder hörte ich meinen Namen und diesmal klang die Stimme lauter und kam aus unmittelbarer Nähe. Ich wandte mich der Quelle zu und öffnete mit äußerster Willensanstrengung die Augen. Wann hatten sie sich überhaupt wieder geschlossen? Ich kam mir wie ein neugeborenes Kätzchen vor. Daimonen im ganzen Land erzitterten aus Angst vor mir. Götter, war ich lahm!

»Alex.«

Mein Herz setzte einmal komplett aus und schlug dann bei der Erkenntnis umso schneller weiter. Ah, diese Stimme kannte ich. Mein Herz und meine Seele kannten diese Stimme.

»Mach die Augen auf, Alex! Komm schon, Baby, öffne die Augen!«

Ich wollte es wirklich, denn für ihn hätte ich alles getan. Gegen eine Horde halbblütiger Daimonen kämpfen? Klar. Mich mit angefressenen Furien herumschlagen? Ich war dabei. Ungefähr ein Dutzend Regeln für einen verbotenen Kuss brechen? Schon erledigt. Aber die Augen öffnen? Das war anscheinend zu viel verlangt.

Eine warme, starke Hand legte sich um meine Wange. Die Berührung war vollkommen anders als die meiner Mutter, aber ebenso kraftvoll und herzzerreißend zärtlich. Mir stockte der Atem.

Mit dem Daumen zog er mein Kinn auf so liebevolle, vertraute Weise nach, dass ich am liebsten geweint hätte. Eigentlich hätte ich weinen müssen angesichts der Vorstellung, was er durchgemacht hatte, als Ares und ich in diesem Raum eingeschlossen gewesen waren. Wenn ich es recht bedachte, hätte ich auch weinen sollen, als ich meine Mutter gesehen hatte. Ich hatte die Tränen gespürt, aber sie waren nicht geflossen.

»Ist schon okay«, sagte er mit einer Stimme, die vor Erschöpfung und unterdrückten Gefühlen schroff klang. »Apollo meinte, es könne eine Weile dauern. Ich warte, solange es auch dauern mag. Wenn es sein muss, für immer.«

Diese Worte zerrissen mir schier das Herz und es blieb vor Rührseligkeit fast stehen. Ich wollte ihn keine Sekunde mehr warten lassen und schon gar nicht für immer. Ich wollte … Nein, ich musste ihn sehen. Um ihm zu sagen, dass es mir gut ging, denn mir ging es doch gut, oder? Na schön, vielleicht war mein Zustand nicht wirklich gut, aber seine Stimme sollte nicht mehr so rau und gestresst klingen. Ich wollte, dass wenigstens er sich besser fühlte, wenn ich es schon nicht schaffte, dass es meiner Mom besser ging. Und ich wusste, dass ich für mich selbst nichts tun konnte.

Ein Teil von mir fühlte sich vollkommen leer.

Tot.

Genau. Ich fühlte mich innerlich tot.

Enttäuschung schwappte durch meine Blutbahnen wie Säure. Meine Hände krallten sich in die weichen Laken und ich holte tief und zittrig Luft. Neben mir erstarrte er und stieß bebend den Atem aus.

Fast blieb mir das Herz stehen.

Götter, ich brauchte doch bloß die Augen zu öffnen, nicht auf dem Seil zu tanzen!

Rasch schlug meine Enttäuschung in Zorn um – in einen bis in die Seele reichenden Zorn, der heiß nach Bitterkeit schmeckte. Mein Herz schlug schneller, und da wurde mir klar, dass sie da war – die Schnur. Auf dem Olymp war sie verschwunden gewesen, aber nun war sie zurück. Ich hatte sie nicht gleich gespürt, weil ich nur den Schmerz in den Muskeln und Knochen wahrgenommen hatte, aber die Schnur, die mich mit dem Ersten verband, summte wie eine Million Wespen und wurde immer lauter. Schließlich hätte ich schwören können, vor meinem inneren Auge eine bernsteinfarbene Schnur zu sehen, die sich mit einer blauen Schnur verschlang.

Seth?

Er antwortete mir nicht in Form von Gedanken oder Gefühlen, sondern mit einem Ansturm von Energie, die in mich hereinbrandete und so rein war, als würde ich vom Blitz getroffen. Kraft strömte in mich herein, ein sintflutartiger Schwall von Vitalität, der sich um jedes einzelne Nervenende legte. Jedes Geräusch im Raum wurde verstärkt, selbst mein Atem, der inzwischen regelmäßig geworden war, und das tiefe, langsame Ein- und Ausatmen des Mannes neben mir. Auf dem Flur vor dem Zimmer wurden Türen geöffnet und geschlossen und ich hörte leise, aber deutliche Stimmen. Meine Haut erwachte zum Leben. Zeichen erschienen darauf und reagierten, indem sie über meinen Körper strudelten.

Ich begriff es nicht, aber ich wusste, dass Seth mir seine Kraft lieh wie damals in den Catskills, als ich zum ersten Mal gegen die Furien gekämpft hatte. Angeblich hatte er nicht gewusst, was geschehen war, und alles auf das Adrenalin geschoben, aber schließlich hatte Seth … bei vielen Gelegenheiten gelogen.

Aber jetzt half er mir. Das ergab nicht viel Sinn, da er mich in diesem Zustand viel einfacher hätte überwältigen können. Aber im Moment hatte ich nicht vor, diesem geschenkten Gaul allzu tief ins Maul zu schauen.

Ich riss die Augen auf.

Und ich sah ihn.

Aiden lag auf der Seite und betrachtete mich. Die Hand hatte er immer noch um meine Wange gelegt und strich mit dem Daumen über meine Haut. Ich spürte, wie die Apollyon-Zeichen an die Stellen flossen, wo er mich berührte. Seine Augen mit den langen pechschwarzen Wimpern waren geschlossen, aber ich wusste, dass er wach war. Sein dunkelbraunes Haar stand ihm wirr vom Kopf ab. Einzelne Strähnen fielen ihm in die Stirn und berührten die anmutig geschwungenen Brauen.

Sein linkes Auge war so übel blau und angeschwollen, dass ich mich fragte, ob er es überhaupt öffnen konnte. Eine weitere heftige Prellung, die eine erstaunliche Mischung von Rottönen aufwies, prangte an seinem kräftigen Kinn. Seine Lippen waren leicht geöffnet, sein Hals und seine Schultern wirkten angespannt.

Unversehens fühlte ich mich zu unserer ersten Begegnung zurückversetzt.

Der Covenant in North Carolina existierte nicht mehr, aber ich hatte das Gefühl, wieder dort zu sein und im Trainingsraum für Anfänger zu stehen. Ich hatte mit Cal und Caleb trainiert und etwas unglaublich Schwachsinniges angestellt. Das war aber nichts Neues und wir drei lachten. Ich drehte mich um und sah Aiden an der Tür stehen. Damals nahm er uns vermutlich gar nicht richtig wahr. Er war ein Reinblut und zeigte keinerlei Interesse an Halbblütern, daher hatte ich angenommen, er blicke nur ins Leere. Schon damals hatte er mich in seinen Bann gezogen. Für mich war er ehrlich der verführerischste Mann, den ich je gesehen hatte – mit einem Gesicht, das sowohl hart als auch wunderschön sein konnte. Und diese Augen, die von Hellgrau zu Silbrig wechseln konnten, hatten sich von diesem Augenblick an unauslöschlich in mein Gedächtnis eingegraben. Meine Neugier war erneut aufgeflammt, als er drei Jahre später in Atlanta aufgetaucht war und mich vor einigen richtig ätzenden und redseligen Daimonen gerettet hatte.

Unsere Liebe war nie einfach gewesen.

Als Reinblut war er für mich tabu, obwohl ich der Apollyon war, und sogar jetzt riskierte er alles, um mit mir zusammen zu sein. Er war meine Stärke, wenn ich ihn brauchte. Mein Freund, der mich beruhigte, wenn ich Zustände bekam. Mein gleichwertiges Gegenüber in einer Welt, in der ich nach dem Gesetz immer weniger wert war als er. Und ehrlich, bei den Göttern, er war die Liebe meines Lebens.

Und er würde immer auf mich warten, so wie ich in alle Ewigkeit und länger auf ihn.

Nur dass die Ewigkeit wahrscheinlich ziemlich kurz ausfallen wird, flüsterte eine hinterlistige Stimme mir zu, und sie hatte recht. Selbst wenn ich alle Hindernisse zwischen mir und Seth überwand und es mir gelang, seine Kräfte auf mich zu übertragen, hätte ich sogar als Göttermörderin meine liebe Not, Ares zu bekämpfen. Und wenn ich das durch ein Wunder überlebte, bestanden recht gute Aussichten, dass die anderen Götter mich umbringen würden.

Warum gab ich mich überhaupt damit ab?

Aiden und ich hätten zusammen durchbrennen und so lange wie möglich leben und glücklich sein können. Er hätte es getan, wenn ich ihn darum gebeten hätte. Das wusste ich. Wir hätten uns verstecken können, bis es nicht mehr gegangen wäre, aber wir wären zusammen und am Leben gewesen. Und für kurze Zeit hätten wir uns nicht mehr mit Schmerz und Tod beschäftigen müssen.

Ein großer Teil von mir, besonders dieser dunkle, kalte Bereich, der entstanden war, als Ares mich am Boden hatte, war von ganzem Herzen mit diesem Plan einverstanden. Weglaufen. Nichts erschien mir klüger oder einfacher zu sein.

Aber ich konnte nicht, weil zu viel getan werden musste. Menschen verließen sich auf mich, und die Welt würde im Chaos versinken, wenn Ares nicht aufgehalten wurde.

Ich klammerte mich an den hauchdünnen Faden aus Pflichtgefühl in meinem Leben. »Hi«, sagte ich.

Flatternd hoben sich seine Lider und enthüllten silbrige Augen, die sogleich dafür sorgten, dass meine Magenmuskeln sich zusammenzogen und mein Herz einen aufgeregten Tanz vollführte.

Unsere Blicke trafen sich.

Mit einem Ruck fuhr Aiden hoch. Sein Gesicht wurde um mehrere Nuancen blasser, sodass die Prellungen am Kinn und am linken Auge sich dunkel von der Haut abhoben.

Die Angst schien in meinem Magen zu explodieren. Das fand ich irgendwie befremdlich, denn Furcht war sonst nicht meine erste Reaktion auf plötzliche Bewegungen, aber ich robbte zurück bis ans Kopfende. Mir stockte der Atem, als mein Körper gegen die unvermittelte Bewegung protestierte.

»Was?«, krächzte ich. »Was ist los?«

Aiden starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Die Farbe war noch nicht in sein Gesicht zurückgekehrt. Er war bleich wie ein Daimon und sein ungläubiger Blick zeugte von tiefem Schmerz.

Er streckte die Hand aus, hielt aber inne, bevor er mich berühren konnte. »Deine Augen …«

»Was?« Mein Herz schlug rasend schnell und sprang mir sicher gleich aus der Brust, um zwischen uns auf dem Bett ein Tänzchen aufzuführen. »Ich habe die Augen geöffnet. Du hast mich doch darum gebeten.«

Aiden zuckte zusammen. »Alex …«

Nun drehte ich langsam richtig durch. Warum reagierte er so? Hatte Ares mir das Gesicht so schlimm umsortiert, dass meine Augen inzwischen am Kinn saßen?

Er warf einen Blick zur Tür und betrachtete mich dann wieder. Seine Miene wurde starr, aber er hatte seine Gefühle noch nie vor mir verbergen können. Ich konnte ihm alles von den Augen ablesen. Darin stand so viel Schmerz, dass es mir das Herz brach, aber ich begriff den Grund nicht.

»Was fühlst du?«, fragte er.

Uh, was fühlte ich eigentlich nicht? »Ich …. ich bin wahrscheinlich verwirrt. Sag’s mir, Aiden! Was ist los?«

Er starrte mich so lange an, dass ich immer unsicherer wurde. Mehrere Sekunden vergingen, und dann war ich tatsächlich überzeugt, dass meine Augen am Kinn saßen, was andererseits nachvollziehbar war. Panik stieg in mir auf und breitete sich aus wie ein Virus.

Ich sprang vom Bett auf den Boden. Heißer, stechender Schmerz raste mir durch die noch nicht verheilten Knochen. Ich torkelte zur Seite und fing mich an der Wand ab.

Blitzschnell war Aiden vom Bett gesprungen und an meiner Seite. »Alex, bist du …«

»Alles in Ordnung.« Ich unterdrückte ein lautes Stöhnen.

Aiden streckte die Arme aus, aber ich stieß mich von der Wand ab, bevor er mich berühren konnte. Jeder Schritt schmerzte tartarusmäßig. Schweiß stand mir auf der Stirn, und meine Beine zitterten vor Anstrengung, als ich auf das Bad zusteuerte, das die beiden Suiten verband.

»Ich muss mich im Spiegel ansehen!«, stieß ich hervor.

»Vielleicht solltest du dich setzen«, schlug er dicht hinter mir vor.

Unmöglich. Ich wusste, was Aiden dachte: dass ich mit Seth verbunden war. Und vielleicht unterstellte er mir sogar einen Trick und wartete darauf, dass ich mich befreite und Deacon die Rippen aus dem Leib riss. Doch am anderen Ende der Schnur, die mich mit Seth verband, herrschte Schweigen.

Aiden griff an mir vorbei, öffnete die Badezimmertür und ich fiel praktisch hinein. Ich fand den Wandschalter und Licht erfüllte das kleine, aber funktionale Bad. Ich stand meinem Spiegelbild gegenüber.

Ich keuchte auf.

Das konnte nicht ich sein.

Unmöglich.

Oh, oh, das war ich nicht! Ich wollte nicht daran glauben, aber das verdammte Spiegelbild veränderte sich nicht. Ich hatte mich verändert. Dramatisch. Der Druck in meinem Innern war wieder da und wurde immer stärker, während ich mich am Waschbeckenrand festklammerte.

Das Haar hing mir eine Handbreit über die Schultern, und die Spitzen waren ausgefranst und zackig, nachdem Ares es mit dem Dolch abgeschnitten hatte. Ich nahm eine Strähne in die Hand und zuckte zusammen – sie war sichtlich kürzer als die übrigen Haare. Hing der Rest meines Haares jetzt in Hades’ Kriegsraum?

Meine Haut war blass, als wäre ich monatelang krank gewesen und hätte die Sonne nicht gesehen. Aber nicht einmal das war der springende Punkt. Zum Teufel, es lag auch nicht daran, dass – ja – meine Augen bernsteinfarben waren. Sie waren so klar wie bei Seth und leuchteten wie zwei Topase. Und sie glühten … Sie glühten so unheimlich, dass ich sogar im Dunkeln erkannt worden wäre. Toll, ich hatte glühende honigfarbene Augen. Verdammt toll.

Worüber ich nicht hinwegkam, war mein Gesicht.

Bei flüchtiger Betrachtung sah ich so aus wie jede andere Achtzehnjährige. Aber yeah, was mich hier anstarrte … das war heftig.

Meine Wangen und meine Nase waren kreuz und quer von rosafarbenen Linien überzogen. Meine Stirn ebenfalls. Ein spinnwebartiges Netz aus Narben bedeckte mein Gesicht. Nur die eine Seite meines Kiefers, dort, wo Aiden mich vorhin berührt hatte, war der … nun ja … der Verunstaltung entgangen.

Wie benommen durch diesen Anblick hob ich den Arm und fuhr mir mit den Fingern über die Wange. Mein Verdacht bestätigte sich: Die Linien waren leicht erhaben, wie eine Naht. Apollo und sein Sohn hatten mich geheilt. Im Innern meines Körpers entfaltete der Nektar immer noch sein Wunderwerk. Aber die Narben zeigten mir, wie dringend ich göttliche Hilfe gebraucht hatte, um gesund zu werden.

Wie immer hatte alles einen Preis.

Wenn man etwas gewann, musste man etwas anderes opfern. Niemand brauchte mir zu sagen, dass die Narben nie mehr verblassen würden.

»Oh, meine Götter …« Ich schwankte.

»Du solltest dich setzen, Alex.« Wieder streckte er die Hände nach mir aus.

»Nicht!«, fauchte ich und hielt ihn mit erhobener Hand auf Abstand. Ich riss die Augen auf. Meine Hand war ebenfalls von Narben überzogen. Was genau ich ablehnte, wusste ich nicht, aber mein Mund bewegte sich weiter. »Lass es einfach!«

Aiden zog sich zurück, ging aber nicht. Er lehnte sich an den Türrahmen, verschränkte die muskulösen Arme vor der breiten Brust und biss die Zähne aufeinander.

Der Druck stieg mir in die Kehle, schwoll an wie ein Ballon und explodierte dann wie ein Gewitter im Spätsommer.

»Worauf wartest du? Dass ich wieder komplett die böse Alex werde?« Ich schwankte nach vorn und verlor das Gleichgewicht. »Dass ich meine Kräfte gegen …«

Aiden schoss nach vorn und fing mich auf, bevor ich mit dem Kopf gegen die Wand knallte. »Verdammt, Alex, du musst aufpassen und dich setzen.«

Ich riss mich los, taumelte einen Schritt zurück und ließ mich auf den geschlossenen Klodeckel sinken. Dabei trieb es mir die Luft aus den Lungen. Liebe Götter, es fühlte sich an, als wäre mein Steißbein gebrochen. Ich saß auf dem Klo, und mein Hintern fühlte sich an, als hätte mir jemand buchstäblich hineingetreten. Aiden starrte mich an, und in seinen Augen, die ich so liebte, rangen Hoffnung und Misstrauen miteinander. Ich fühlte mich unglaublich niedergeschlagen.

Aiden trat vor und ging in die Hocke, bis er mir auf Augenhöhe gegenübersaß. »Dann willst du mich nicht umbringen?«

Meine Wut verpuffte. Nichts konnte mir den Wind so

aus den Segeln nehmen wie eine solche Frage von dem Mann, den ich liebte. »Nein«, flüsterte ich.

Scharf sog er den Atem ein. »Du willst nicht, was er will?«

»Nein.« Mein Blick glitt zu seinen Händen, die zwischen seinen Knien lagen. Gute Götter, jeder Knöchel war blau und die Haut aufgerissen, als hätte er gegen … und dann ging es mir auf. Aiden und Marcus hatten mit den Fäusten gegen die Titantüren zum Büro des Dekans gehämmert.

Mir tat das Herz weh, als ich zusah, wie diese zerschundenen Hände sich öffneten, schlossen und wieder öffneten. »Ich spüre ihn nicht einmal. Ich meine, die Schnur ist da, deswegen weiß ich, dass er irgendwo ist, aber ich fühle ihn nicht. Er ist still.«

Seine Hände entkrampften sich, und obwohl ich ihn nicht ansah, bemerkte ich, dass seine Anspannung fast gewichen war. Im Wesentlichen glaubte er mir und die letzten Spuren eines Verdachts konnte ich ihm nicht übelnehmen.

»Bei den Göttern, Alex, als ich deine Augen sah, da dachte ich nur … Sie haben geglüht wie damals, als du aus dem Keller geflüchtet bist und …«

Als ich ihn fast umgebracht hätte.

Hätte ich aufgeblickt, wären sich unsere Blick begegnet, aber das brachte ich nicht über mich. Er rückte dichter an mich heran. »Es tut mir leid. Ich sollte …«

»Ist in Ordnung.« Ich war so müde. Nicht körperlich. Merkwürdigerweise fühlte ich mich eher … innerlich wie ausgebrannt. »Ich verstehe. Du hattest jeden Grund, das zu glauben. Keine Ahnung, warum meine Augen glühen. Seth ist da, aber er will mich nicht beeinflussen.«

Das Wort Aber hing unausgesprochen zwischen uns.

»Und er redet nicht«, setzte ich hinzu, erwähnte allerdings nicht, dass Seth mir etwas von seiner Kraft geliehen hatte.

Ich betrachtete wieder meine eigenen Hände und die Narben, die sie verunstalteten. Auf dem Olymp hatten sie nicht so ausgesehen. Zumindest war mir das nicht aufgefallen.

»Das macht nichts«, sagte er. »Das bist du, und das ist alles, was mir etwas bedeutet – alles, worauf es ankommt.«

Ich wollte ihm glauben. Wirklich, aber ich konnte nicht vergessen, wie entsetzt er beim Anblick meiner Augen gewesen war. Dieser Gesichtsausdruck hing mir noch nach. Ich wusste, dass Aiden meine Augen hasste, seit sie nach meinem Erwachen aufgetaucht waren. Und das konnte ich ihm nicht verübeln. Diese Augen würden ihn immer an Seth und an alles erinnern, was ich damals gesagt und getan hatte, besonders wenn sie wie gelbe Glühbirnen leuchteten.

»Alex.« Seine große Hand legte sich auf meine Finger. Lange schwiegen wir. »Wie fühlst du dich?«

Ich zog die Schultern hoch und zuckte dann zusammen. »Ganz gut.«

Er umfasste meine Handgelenke und plötzlich war ich den Tränen nahe. Warum, wusste ich nicht. Aber am liebsten hätte ich mich auf dem Badezimmerboden zusammengekrümmt.

»Noch nie im Leben hatte ich solche Angst wie in dem Moment, als du Marcus und mich aus dem Raum ausgesperrt hast.«

»Ich auch.« Ich schluckte heftig. Was mich dazu brachte, wusste ich nicht, aber ich zog die Hände weg und schob sie zwischen die Knie. »Wie geht’s Marcus?«

»Er hält sich ganz tapfer. Wenn er hört, dass du aufgewacht bist, ist er sicher erleichtert.« Aiden beugte sich zu mir vor und sein warmer Atem strich mir über die Wange. Eine innere Regung drängte mich, das Kinn ein klein wenig zu heben, um seine Lippen zu erreichen, aber ich konnte mich nicht rühren.

Wieder trat Schweigen ein und seine nächsten Worte klangen ernst. »Ich weiß, warum du dafür gesorgt hast, dass Marcus und ich bei Ares’ Angriff nicht in diesem Raum waren. Das fand ich unglaublich tapfer von dir und war nicht anders zu erwarten.«

Meine Finger krallten sich in den steifen Stoff meiner Jeans. Götter, war es dieselbe Hose, die ich während des Kampfs getragen hatte? Dunkle Flecken aus getrocknetem Blut überzogen die Beine wie verschüttete Farbe. Ich kniff die Augen zusammen und stellte angeekelt fest, dass ich immer noch die Bilder vor Augen hatte, wie ich zu den Flecken gekommen war.

Aiden holte tief Luft. »Aber wenn du so etwas noch einmal tust, erwürge ich dich. Liebevoll natürlich.«

Ich musste fast lächeln, weil ich vor nicht allzu langer Zeit das Gleiche über ihn gedacht hatte, aber das Lächeln schaffte es nicht bis zum Mund.

Er war noch nicht fertig. »Wir haben einander versprochen, dass wir das gemeinsam durchstehen.«

»Ares hätte dich umgebracht«, sagte ich, und das war die Wahrheit. Ares hätte ihn und Marcus getötet, wenn sie in diesem Raum geblieben wären, und er hätte es genossen.

»Aber ich hätte dich beschützt«, hielt Aiden dagegen. »Ich hätte verdammt noch mal alles getan, um dich vor dem Schrecklichen zu bewahren, das sich dort drinnen abspielte. Als ich in den Raum kam und dich sah …« Er unterbrach sich und fluchte halblaut.

»Bei dem Versuch, mich zu schützen, wärst du beinahe gestorben. Begreifst du das denn nicht? Ich musste es tun. Und ich hätte es nicht ertragen, wenn ihr gestorben wärt, du oder Marcus …«

»Keiner von uns kann mit dem Wissen leben, was dieser Schurke dir angetan hat!« Zorn loderte in seiner Stimme auf. Und auch Verzweiflung. »Sieh mich an!«

Ich schüttelte den Kopf, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm sonst das Offensichtliche erklären sollte.

»Götterverdammt, Alex, sieh mich an!«

Vor Verblüffung hob ich den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Das Grau seiner Augen hatte einen heftigen Metallton angenommen und er blickte mich offen an. Nackter Schmerz war darin zu lesen und davor hätte ich wie ein Feigling am liebsten den Blick abgewandt.

»Als diese verdammte Tür vor mir zufiel, blieb mir fast das Herz stehen. Ich hörte euren Kampf. Ich hörte, wie er dich verhöhnte, hörte, wie er dir die Knochen brach. Und ich konnte nichts dagegen unternehmen.« Seine Hände waren neben meinen Beinen aufgestützt. Vor Anspannung zitterten seine Armmuskeln. »Du hättest dich einer solchen Situation niemals allein stellen dürfen.«

»Aber du wärst gestorben.«

»Weil ich dich liebe, bin ich bereit zu sterben, um dich davor zu bewahren. Trau dich nie wieder, mir diese Entscheidung abzunehmen!«

Ich öffnete den Mund, fand aber keine Worte. In meinem Kopf und in meiner Brust tobte ein Sturm. Seine Worte hatten mir das Herz zerrissen und die Wunde dann wieder verschlossen. Aber was blieb mir noch, wenn er starb? Ich wäre zutiefst untröstlich und konnte den Gedanken an seinen Tod nicht ertragen, ohne dass es schmerzte. Hätte ich es noch einmal tun müssen, ich hätte die gleiche Entscheidung getroffen, denn ich liebte ihn. Wie konnte er es wagen, weniger von mir zu erwarten?

Ich wusste, dass ich ihm das sagen musste, aber die Worte … sie drangen einfach nicht an der Sperre in meiner Brust vorbei oder konnten den Druck in meinem Innern nicht zerbrechen. Wie betäubt und bis in die Knochen frierend erschauerte ich.

Aiden wollte meine Schultern umfassen, doch er hielt inne, und seine Finger krümmten sich. »Dir gehört mein Herz und auch meine Kraft. Glaub mir, ich bin bereit, für dich zu sterben, und ich werde nicht von deiner Seite weichen. Ares hätte mich nicht ausgeschaltet, denn ich hätte darum gekämpft, am Leben zu bleiben und für dich da zu sein.«

Ich hörte ihn und nahm das Gefühl dahinter wahr. Aber ich sah nur die Wachen vor mir, die Ares nicht einmal berührt hatte. Dominic, den er mit einem Wink entzweigebrochen hatte. Den Dekan, den er mit einer Handbewegung aus dem Fenster geschleudert hatte. Alles Wollen und Wünschen der Welt hätten ihnen nicht das Leben gerettet.

Im Bad herrschte Schweigen und Aiden stieß zittrig den Atem aus. »Sag doch etwas, Alex!«

»Ich … verstehe.«

Wie vom Donner gerührt starrte er mich an.

Taubheit hatte sich in meinen Muskeln ausgebreitet. »Ich möchte duschen. Ich muss aus diesen Sachen heraus und ich muss mich waschen.«

Aiden blinzelte, dann glitt sein Blick nach unten. Die Zornesröte wich aus seinem Gesicht, als er die blutbespritzte Kleidung bemerkte, die ich nach meinem Kampf mit Ares noch immer trug. »Alex …«

»Bitte«, flüsterte ich.

Eine ganze Weile bewegte er sich nicht, dann nickte er. Mit einer kraftvollen Bewegung wollte er sich erheben, hielt aber auf halber Höhe inne und drückte mir die Lippen auf die Stirn. Mein Herz pochte heftig, aber dann wurde mir klar, dass sein Mund die Narben berührte, und ich zuckte zusammen.

Sofort zog Aiden sich zurück. Besorgnis trat auf sein schönes Gesicht. »Tun sie … habe ich dir wehgetan?«

»Nein … ja … Ich meine, die Stellen sind empfindlich.« In Wirklichkeit hatte seine Berührung überhaupt nicht wehgetan. Im Gegensatz zu meinen anderen Körperteilen. Eigentlich hatte es sich sogar gut angefühlt. »Ich muss bloß duschen.«

Er zögerte, und ich hatte den Eindruck, dass er nicht gehen wollte, doch dann nickte er noch einmal. »Ich suche dir etwas zum Anziehen heraus, bis du fertig bist.«

»Danke«, sagte ich, als sich die Tür hinter ihm schloss.

Mühsam stand ich auf und fühlte mich wie neunzig, als meine Gelenke knackten und meine Muskeln sich streckten. Ich brauchte ungebührlich lange, um die beschmutzte Kleidung auszuziehen. Dann drehte ich das Wasser auf, bis das Bad von Dampf erfüllt war, und trat unter die Dusche. Heißes Wasser überlief mich von Kopf bis Fuß und prasselte auf meine wunde Haut.

Das Wasser strömte durch mein Haar, an meinem Körper hinunter und füllte die Wanne mit rotem Nass, das durch den Abfluss rann wie abartige Himbeersoße. Ich wusch mir das Haar zweimal und führte die Bewegungen mechanisch aus, bis ich zufrieden war und am Boden der Wanne keine rote Spur mehr entdeckte.

Erst als ich den Hahn zudrehte und spürte, wie das Wasser versiegte und nur noch an den Plastikwänden heruntertropfte, betrachtete ich meinen Körper. Bis auf einige Stellen, an denen keine Knochen brechen konnten, überzog mich von den Zehen bis zu den Schlüsselbeinen ein Netz aus feinen rosafarbenen Narben.

Gute Götter … So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich sah aus wie eine Flickenpuppe.

Ich trat aus der Dusche und drehte mich mit zitternden Beinen zur Seite. Mein Rücken sah noch viel schlimmer aus. Am Rückgrat entlang, wo viele Wirbel zerschmettert worden waren, schien von oben bis unten alles dunkel eingefärbt zu sein. Waren die Knochen durch die Haut gedrungen, oder waren durch die Verletzungen Blutgefäße geplatzt? Während des Geschehens hatte ich so große Schmerzen gespürt, dass ich die einzelnen Wunden nicht auseinanderhalten konnte.

Apollyon oder nicht, ich konnte nicht glauben, dass ich das überlebt hatte. Alles kam mir vollkommen irreal vor.

Das Taubheitsgefühl in der Brust wucherte wie Unkraut. Vielleicht war ich ja wie benommen von dem Anblick, der sich mir bot. Ich wusste, es war mein Körper, der so aussah, aber die Erkenntnis war nur eine oder zwei Schichten tief gesunken.

Ein eigenartiger Fleck auf meinem Rücken, in der Nähe meiner Hüfte, erweckte meine Aufmerksamkeit. Er hatte die Farbe einer blassrosafarbenen Rose und folgte nicht dem Muster der anderen Narben.

Ich wischte den beschlagenen Spiegel ab und drehte mich, um den Fleck besser sehen zu können. Mir blieb der Mund offen stehen. Heiliger Hades in der Hölle, er hatte die Größe und den unverkennbaren Umriss einer Hand.

»Was zum Teufel …?«

»Alex?«, Ich hörte Aidens Stimme aus dem Schlafzimmer. »Alles in Ordnung mit dir?«

Mit klopfendem Herzen schnappte ich mir ein Handtuch vom Ständer und wickelte mich darin ein. Den Anblick wollte ich Aiden ersparen. Ich öffnete die Tür und zwang mich zu einer hoffentlich beruhigenden Miene. »Ja, alles bestens.«

Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er mir nicht glaubte, doch dann glitt sein Blick tiefer. Nicht das Handtuch oder meine nackte Haut erweckte seine Aufmerksamkeit. Tief in meinem Innern wusste ich, warum er mich anstarrte und die Lippen zusammenpresste. Ich wusste, dass es ihm nicht wegen meines Körpers die Sprache verschlug.

Es war das Flickwerk aus spinnwebartigen Narben, das fast jeden Zentimeter meines Körpers bedeckte; und er bekam sie zum ersten Mal richtig in ihrer ganzen Pracht zu sehen.

Vor Verlegenheit liefen meine Wangen heiß an. Ich hatte schon vorher Narben gehabt, Daimonenmale und natürlich die Stichwunde. Aber was ich hier und jetzt zeigte, war hässlich, wirklich hässlich. Da biss die Maus keinen Faden ab.

Mit einer raschen Bewegung hob er den Kopf und sah mir in die Augen. Die brodelnden Gefühle, die ich in seinen silbrigen Augen las, konnte ich nicht länger aushalten. Und ein Gespräch wie eben stand ich auch nicht mehr durch.

Ich eilte quer durchs Zimmer, griff nach einem Stapel frischer Kleidung, die er aufs Bett gelegt hatte, drehte mich taumelnd um und stürzte ins Bad. »Bin sofort wieder da.«

»Alex …«

Ich schloss die Tür, um das Ende seines Satzes nicht hören zu müssen. Sicher wollte er etwas albern Tröstliches sagen, wie ich es von ihm gewohnt war. Aber ich wusste es besser.

Es war nicht okay. Dieser Körper war todsicher nicht mehr schön, und ich war nicht so dumm, das Gegenteil zu glauben.

Tränen schnürten mir die Kehle zu, als ich mir das Handtuch herunterriss und auf den Boden warf. Wie bescheuert von mir, mich so anzustellen! Es gab im Moment bestimmt andere Punkte auf der Liste der zehn verkorkstesten Probleme. Aber verdammt, es brannte in meiner Brust wie Feuer.

Als ich angezogen war, starrte ich auf die Tür. Die Tränen kamen nicht, aber die Taubheit in meinem Körper breitete sich weiter aus und verursachte die schlimmsten Gefühle – Zorn und Schmerz.

Und Angst und Sorge.

2. Kapitel

Wer hätte gedacht, dass glühende Augen einen ganzen Raum voller Menschen nervös machen könnten? Alle, sogar mein Onkel, konnten nicht aufhören, mich anzustarren. Vielleicht wirkte ja mein Gesicht auf morbide Art faszinierend. Aus der Entfernung waren die Narben nicht so sichtbar, aber nachdem Aiden der Gruppe versichert hatte, ich sei nicht psychotisch, kamen alle auf mich zu, und es wurde persönlich.

Die Umarmungen waren … nun ja, eine heikle Angelegenheit.

Sogar Deacons Umarmung wirkte gestelzt, und wenn er keine Witze riss oder herumalberte, steckten wir wirklich bis zum Hals in Sch…wierigkeiten. Keine Ahnung, ob sich alle Gedanken wegen meiner Verletzungen machten oder Angst hatten, ich würde wieder zum bösen Apollyon werden und ihnen den Hals umdrehen, wenn sie nicht darauf gefasst waren. Ich hätte mir Lea unter den Anwesenden gewünscht. Sie wäre einfach ohne jeden Skrupel hereinmarschiert und hätte ausgesprochen, was alle wirklich dachten.

Aber Lea würde den Raum nicht betreten. Lea war tot, und der stechende Schmerz, den ich bei diesem Gedanken empfand, hatte nichts von seiner Schärfe verloren.

Wir hatten uns im Aufenthaltsraum in der Nähe des Campus-Hauptgebäudes versammelt. Er ähnelte jenem Raum, in dem ich Caleb am Tag meiner Rückkehr auf die Götterinsel angetroffen hatte, nur dass es hier bessere Möbel und einen viel größeren Fernseher gab.

Olivias bräunliche Wangen wirkten eine Schattierung blasser als sonst, als sie mich wieder losließ. Das lockige Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. »Wie fühlst du dich?«

»Mir geht’s gut.« Meine Standardantwort, die ich mit Kommentaren wie »Okay« und »Bestens« variierte.

Sie sah mir in die Augen und wandte dann rasch den Blick ab. »Wir haben uns alle solche Sorgen gemacht. Ich bin froh, dass es dir … gut geht.«

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.

Laadan war weit taktvoller, aber während sie sonst immer ein Bild kühler Eleganz abgab, sah ihre Leinenhose aus, als hätte sie darin geschlafen, und aus ihrem Haarknoten lösten sich schwarze Strähnen. Unsere Blicke begegneten sich, und sie brachte es fertig, ihr Mitgefühl mimisch auf ein Minimum zu beschränken.

Aiden blieb dicht neben mir. Entweder betrachtete er sich als meinen persönlichen Leibwächter, oder er blieb mir absichtlich so nahe, damit ich ihm nicht davonlaufen konnte. Während alle sich auf Stühlen niederließen oder an die Wand lehnten, war er ungewöhnlich ruhig. Da ich nicht stillstehen konnte und auf diese Weise den Schmerz aus den Beinen vertreiben wollte, lief ich auf und ab, aber Aiden wich mir nie mehr als einen oder zwei Schritte von der Seite.

Ich stellte die erste Frage, die mir in den Sinn kam. »Wann war Ares hier?«

»Vor knapp drei Tagen«, antwortete Marcus und schien vor Schmerzen kaum sprechen zu können. Sein Gesicht war geschwollen und schimmerte in allen Nuancen von Blau und Violett.

Vom Sofa aus verfolgte Diana, eine der Obersten Ministerinnen aus den Catskills und wahrscheinlich die Angebetete meines Onkels, meine Bewegungen mit misstrauischen Blicken. »Apollo hat Sie unmittelbar danach weggebracht. Sie waren vielleicht eine Stunde fort und seitdem haben Sie … geschlafen.«

Ich warf Aiden einen Blick zu. Mein Aufenthalt auf dem Olymp hatte sich viel länger angefühlt, aber wie in der Unterwelt verlief die Zeit dort anders. Was uns hier wie Minuten vorkam, waren dort Stunden, wenn nicht Tage. »Ist Ares zurückgekommen?«

Aiden schüttelte den Kopf. »Nein. Apollo hat Schutzzeichen errichtet, um ihn fernzuhalten.«

»Warum hat er das nicht vorher gemacht?«, fragte ich.

»Apollo erkannte Ares erst, als es zu spät war«, erklärte Aiden geduldig. »Und ich glaube, er hielt die Universität für sicher.«

»Ja, und wir wissen alle, was aus solchen Vermutungen wird.« Wieder ging ich am Fernseher vorbei und bekam am Rande mit, dass ein Nachrichtensender lief. »Ich dachte, der Talisman sollte verhindern, dass die Götter herausfinden, wo …« Ich griff nach der Halskette und stellte fest, dass sie verschwunden war.

»Ares muss sie genommen haben«, sagte Aiden und an seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Wir erklären es uns so, dass diese Gardisten und Wächter an der Autobahn irgendwie Kontakt zu Ares, Lucian oder Seth hatten und dass sie eins und eins zusammengezählt haben.«

»Oder jemand arbeitet mit ihm zusammen.« Niemand im Raum schien das glauben zu wollen. »Ares behauptete, er habe viele Freunde.«

Marcus’ argwöhnischer Blick folgte mir. »Das haben wir in Betracht gezogen, aber …«

»Aber woher sollen wir wissen, wer es ist?«

Er schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Jeder konnte ein Verräter sein, aber ob man es glaubte oder nicht, wir hatten im Augenblick größere Probleme.

Ich holte tief Luft und richtete den Blick auf die Couch und den winzigen Abstand zwischen Deacon und Luke. »Es ist gut möglich, dass Seth weiß, wo ich mich aufhalte.«

Niemand im Raum gab einen Laut von sich, nicht einmal die Leute im Hintergrund des Gemeinschaftsraums. Dort standen ungefähr zwanzig Gardisten und Wächter der Universität. Einige von ihnen erkannte ich als Mitglieder jener von Dominic geleiteten Gruppe wieder, die uns als Ankömmlinge am Schutzwall empfangen hatte. Ich hoffte inständig, dass sie dort, wo sie herkamen, nicht die Einzigen waren.

»Ares muss Seth erzählt haben, wo ich zu finden war. Und außerdem habe ich … während des Kampfs mit Ares meine Abschirmung heruntergelassen.« Vor Scham liefen meine Wangen heiß an und ich starrte auf einen winzigen Riss im Teppich.

»Wir dachten uns schon, dass Seth inzwischen deinen Aufenthaltsort kennt«, meinte Marcus leise. »Ich bin kein Experte für diese ganze Apollyon-Verbindung, aber Seth spürte schon vor deinem Erwachen, was du erlebst. So konnten wir dich in Gaitlinburg finden, als du … als du …«

Als ich weggelaufen war, um meine Mutter zu suchen, nachdem sie zum Daimon geworden war. Ich fühlte mich den Blicken der anderen ausgesetzt, besonders aber denen aus einem silbrigen Augenpaar. »Ja.«

»Heißt das, er hat genau das empfunden, was du beim Kampf gegen Ares erlebt hast?«, fragte Aiden mit täuschend gleichmütiger Stimme – auch bekannt als die Ruhe vor dem apokalyptischen Sturm.

»Willst du das wirklich wissen?«

»Ja.«

Ich warf ihm einen Blick zu und bereute es gleich wieder. Aiden sah aus, als würde er die Antwort schon kennen und sei bereit, jemanden zu ermorden. Und dieser Jemand war Seth. Ich nahm mein ruheloses Umhergehen wieder auf. »Ja.«

Aiden fluchte laut. Sein Bruder sprang auf, trat zu ihm und sprach so leise mit ihm, dass ich nichts verstand. Aidens Hände krampften sich zusammen und lenkten meine Aufmerksamkeit auf seine zerschundenen Knöchel.

Ich wollte zu ihm gehen, schien aber bei einer schwarzen Chaiselongue, auf der Olivia saß, im Boden Wurzeln zu schlagen. Mit purer Willenskraft befahl ich meinen Beinen, sich zu bewegen, aber nichts passierte. Überdruss und Unsicherheit überrollten mich und überwältigten meine Gefühllosigkeit. Mein Zorn schwappte hoch.

Aiden und ich sahen einander unverwandt in die Augen und in meiner Brust entflammte ein götterabscheuliches Gefühl. Ich wollte zu ihm laufen, aber eine kalte, urtümliche Angst, das Bedürfnis, vor ihm zu fliehen, war genauso stark.

»Alex«, flüsterte Olivia.

Ich sah sie an und stellte fest, dass sie besorgt die Augen aufriss. Eigentlich starrten mich alle mit der gleichen Miene an. Was zum …? Mein Blick glitt nach unten.

Oh … meine Füße standen nicht auf dem Boden.

Mein Herz überschlug sich. Ich schloss die Augen und zwang mich auf den Boden. Als meine Turnschuhe den Teppich berührten, überwältigte mich ein Gefühl der Erleichterung. »Tut mir leid«, sagte ich und trat einige Schritte zurück. »Das habe ich nicht mit Absicht getan. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal genau, wie das passiert ist.«

»Ist schon okay«, beruhigte mich Laadan mit leisem Lächeln.

Deacon blieb mit weit aufgerissenen Augen neben Aiden stehen. »Wenn sich jetzt noch dein Kopf zu drehen beginnt …«

»Halt den Mund, Deacon!«, knurrte Aiden.

Er zog eine Grimasse, schwieg aber. Ich kam mir echt wie ein Freak vor.

Mir fiel wieder ein, wie es sich angefühlt hatte, als die Abschirmung zwischen mir und Seth zusammengebrochen war. Durch die Verbindung hatte ich seinen lodernden Zorn gespürt. Seth war episch angefressen gewesen, aber was war der Grund dafür gewesen? Hing es damit zusammen, was Ares getan hatte? Oder steckte etwas anderes dahinter? Die Verbindung hatte ihm alles übermittelt – den Schmerz und die Hoffnungslosigkeit, die ich gespürt hatte, als Ares die Oberhand gewann. Und als ich lieber sterben wollte, als diese Seelen zerschmetternden Schmerzen noch eine Sekunde länger auszuhalten, hatte Seth auch eine Kostprobe von diesem bitteren, fauligen Gefühl abbekommen.

Wie konnte das für ihn okay gewesen sein? Rechtfertigte für ihn wirklich der Zweck die Mittel? Ich hatte durch Ares’ Hände zu viel gelitten und konnte kaum darauf hoffen, dass Seth sich geändert hatte. Wahrscheinlicher war, dass sein Zorn vor allem damit zu tun hatte, dass ich mich Ares nicht unterworfen hatte.

Ein weiterer, anscheinend zufälliger Gedanke stieg in mir auf. Die Prophezeiung von Grandma Piperi, dem unvergleichlichen Orakel, war plötzlich wieder gegenwärtig wie ein Herpesbläschen. Du wirst diejenigen töten, die du liebst.

Ein Teil von mir liebte Seth – jenen Seth, der er gewesen war, bevor er sich zum Vollpfosten gemacht hatte. Er war ein Teil von mir. Wir waren Yin und Yang, und Seth hatte viel für mich getan. Obwohl ich das nie vergaß, war ich nicht mehr blind und wusste genau, was getan werden musste. Wenn es mir nicht gelang, dass die Macht des Göttermörders auf mich übertragen wurde, dann würde ich ihn töten.

Oder bei dem Versuch draufgehen.

Aber die Prophezeiung bedeutete wahrscheinlich nicht, dass nur geliebte Menschen durch meine Hand sterben würden. Kain, ein halbblütiger Gardist, der Aiden bei meiner Ausbildung unterstützt hatte, hatte zu mir vordringen wollen. Er war von meiner Mutter umgedreht und von Seth getötet worden. Caleb war von einem Daimon ermordet worden, weil ich wegen Aiden fix und fertig gewesen war. Wir waren nach draußen geschlichen, um etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Dabei mussten wir damit rechnen, dass sich auf dem Campus Daimonen herumtrieben. Und meine Mom war meinetwegen in einen Daimon verwandelt worden – ihr eigentlicher Tod. Dann hatte ich sie doch noch umgebracht. Und obwohl ich wirklich kein Fan von Lea war, hatte ich sie zum Schluss doch sehr geschätzt, und ihr Tod hatte ebenfalls mit mir zu tun.

Und noch mehr Menschen, die ich liebte, würden sterben.

Ich verschränkte die Arme und achtete nicht auf das Knacken meiner Knochen. »Solange ich hier bin, ist die Universität nicht sicher.«

Aiden fuhr zu mir herum. Seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, aber bevor er etwas sagen konnte, schaltete sich Marcus ein. »Nirgends ist es sicherer, Alexandria. Wenigstens haben wir hier Wächter und …«

»Wächter und Gardisten bedeuten nichts, wenn Ares einen Weg findet. Und angenommen, das passiert nicht, dann müssen wir uns immer noch Gedanken um Seth machen.«

»Wir können nicht weg von hier.« Luke beugte sich vor und legte die Arme auf die Knie. »Nicht, bevor wir die Truppen aufgestellt haben und du dich vollkommen erholt hast …«

»Mir geht es gut!« Beim letzten Wort brach mir die Stimme – ein demütigender Lügendetektor.

Luke zog die Brauen hoch.

»Egal«, sagte ich. »Ich muss weg.«

»Du … bleibst … hier.«

Alle im Raum, mich eingeschlossen, drehten sich zu Aiden um. Seine Worte hingen in der Luft und die Herausforderung war mit Händen zu greifen. »Ich muss«, widersprach ich.

»Nein.« Er trat vor und unter seinem schwarzen Hemd wölbten sich die Muskeln. Er trug das schwarze Hemd eines Wächters, und bei den Göttern, in diesem Moment war er durch und durch Wächter. »Diese Diskussion hatten wir doch schon. Wir alle kennen die Risiken, Alex.«

Herausforderung angenommen. »Aber da hatte uns Ares noch nicht göttermäßig zusammengefaltet.«

Seine Augen nahmen eine wütende silbrige Färbung an und er starrte auf mich herab. »Nichts hat sich verändert.«

»Alles ist anders!«

»Einige Einzelheiten vielleicht, aber sonst nichts.«

Wie vor den Kopf geschlagen starrte ich ihn an. »Wir dachten erst, es sei Hephaestus oder Hermes, aber es ist Ares. Falls du dich nicht erinnerst, er ist der verd…«

»Ich weiß, wer er ist«, stieß Aiden hervor.

»Kinder!«, mahnte Marcus.

Wir warfen ihm beide den Todesblick zu.

Marcus achtete nicht darauf. »Aiden hat recht, Alex.«

War ja klar, dass er sich auf Aidens Seite schlug.

»Wir wissen alle, worauf wir uns einlassen.« Er wies auf sein ramponiertes Gesicht. »Glaub mir, wir wissen alle Bescheid, und wie wir schon einmal sagten, stehen wir das gemeinsam durch.«

»Was ist mit den anderen?« Ich erinnerte mich glasklar daran, wie alle aufgestanden waren und erklärt hatten, sie stünden hinter mir. Und eine von ihnen war jetzt tot. Ich wies auf den hinteren Teil des Raums. »Was ist mit jedem Einzelnen an der Universität – den Studenten und den Menschen, die hergekommen sind, weil dies als sicherer Ort galt? Sind sie bereit, das Risiko einzugehen?«

Ein Wächter neben dem jungen Mann, der am Tag unserer Ankunft mit Dominic zusammengewesen war, trat vor. »Darf ich sprechen?«, fragte er.

Aiden warf ihm einen Blick zu, der jeden anderen in die Flucht geschlagen hätte.

Anscheinend war dieser Wächter nicht bereit, einfach so davonzulaufen. Andererseits waren sie alle ziemlich standhaft.

»Wie heißen Sie?«, fragte Diana.

»Valerian«, antwortete er. Ich schätzte ihn auf Ende zwanzig. Ein Halbblut natürlich.

»Wie die Baldrianwurzel?«, fragte Deacon.

Luke verdrehte die Augen.

Der Mann nickte. »Die meisten nennen mich Val.«

»Was haben Sie zu sagen, Val?«, ließ sich Diana wieder hören.

»Was hier passiert, hat jeden getroffen. Ich kenne keinen, der nicht einen Freund oder geliebten Menschen betrauert. Ganz zu schweigen davon, dass wir durch Ares’ Angriff unseren Dekan und unsere Freunde verloren haben. Ich kann nicht für jeden sprechen, aber ich weiß, dass die Mehrheit der Bewohner bereit ist, alles zu tun, damit es endlich aufhört.«

Dann waren sie alle Narren.

Kopfschüttelnd drehte ich mich um. Keiner der Wächter oder Gardisten konnte es mit Seth aufnehmen, gar nicht zu reden davon, dass nur die Götter wussten, was Ares noch für uns bereithielt.

Bestimmt, aber sanft ergriff Aiden meinen Arm, als sei er sich selbst in seinem Zorn bewusst, dass ich noch nicht gesund war. »Hör auf, so stur zu sein, Alex!«

»Du bist doch der Sturkopf«, schoss ich zurück und wollte mich losmachen, aber Aiden hielt mich fest, und sein Blick flammte warnend auf. »Ich versuche sie zu beschützen.«

»Ich weiß.« Seine Stimme verlor ihre Härte. »Und das ist auch der einzige Grund, warum ich dich nicht über die Schulter werfe und in einem Zimmer einsperre.«

Ich lachte laut. »Zeig mir, wie du das anstellen willst!«

»Forderst du mich heraus?«

Eine Stimme im Hintergrund des Gemeinschaftsraums räusperte sich. »Ich nehme an, die beiden haben eine gemeinsame Vergangenheit.«

Deacon erstickte fast vor Lachen und ließ sich auf das Sofa fallen. »Da wäre wohl ein klares Ja fällig.«

Aiden warf seinem Bruder einen scharfen Blick zu und atmete hörbar ein.

»Wow.« Deacon stieß Luke einen Ellbogen in die Rippen. »Wie peinlich, wenn es nicht so unterhaltsam wäre! Das ist so, als sähe man seinen Eltern beim …«

»Halt den Mund, Deacon!«, fauchten Aiden und ich gleichzeitig.

»Seht ihr?« Deacon grinste. »Sie sind wie Erbsen und Möhren.«

Langsam wandte Luke sich ihm zu. »Hast du gerade Forrest Gump zitiert?«

Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht.«

Endlich schien die Anspannung von Aiden zu weichen … und auch von mir. Er ließ meinen Arm los, klebte aber an meiner Hüfte wie eine Klette. »Manchmal mache ich mir Sorgen um dich, Deacon«, sagte er und zog die Mundwinkel hoch.

»Du solltest dir keine Sorgen um mich machen.« Mit einer ruckartigen Kopfbewegung wies Deacon auf mich. »Mach dir lieber Gedanken um die kleine Möchtegern-Märtyrerin dort drüben.«

Ich zog eine Grimasse, aber alle im Raum, sogar die Wächter im Hintergrund, erwiderten meinen Blick mit entschlossenen Mienen. Aussichtslos, sie von ihrer Meinung abzubringen. Ich wusste, ich würde nicht allein von hier fortgehen, und eigentlich wollte ich das auch nicht. Ehrlich, der Gedanke, Ares oder auch nur Seth allein gegenüberzutreten, jagte mir eine Höllenangst ein.

Und ich benötigte eine Armee – eine richtig große Armee. Hoffentlich hatte der Wächter, der sich zu Wort gemeldet hatte, recht damit, dass die meisten Menschen hier Widerstand leisten wollten. Wir würden sie brauchen.

Ich stieß einen langen Atemzug aus und sah zu Aiden auf. »Okay.«

»Inwiefern okay?«, hakte er nach.

Er wollte wohl unbedingt, dass ich es aussprach. »Ich bleibe hier.«

»Und?«

Liebe Götter … »Ich nehme die Hilfe aller an.«

»Gut.« Er beugte sich herunter und küsste mich schnell auf die Wange. »Endlich siehst du es ein.«

Ich errötete und lief dann richtig knallrot an, als die Anwesenden mich mit offenen Mündern anstarrten. Die meisten waren Halbblüter und nicht daran gewöhnt, ein Rein- und ein Halbblut zusammen zu sehen. Obwohl sie gewiss vermutet hatten, dass zwischen uns etwas lief, schockierte sie der Beweis dafür offenbar.

Dadurch, dass das Gespräch stockte, bekam ich einige der Nachrichten mit. Im Nahen Osten war ein ausgewachsener Krieg ausgebrochen. Ganze Städte waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Eine der Parteien hatte Zugang zu Atomwaffen und drohte, sie einzusetzen. Die UNO rief nach einer weltweiten Intervention und die USA und Großbritannien schickten Tausende Soldaten ins Ausland.

Ich hatte ein ganz mieses Gefühl dabei.

»Das ist Ares«, meldete sich Solos zum ersten Mal seit Beginn der Beratung zu Wort.

Ich wandte mich in seine Richtung und stellte fest, dass im Vergleich zu dem gezackten Mal, das sein Gesicht durchzog, meine Narben zarte Spinnweben waren. »Wissen wir das mit Sicherheit?«

Marcus nickte. »Seine Anwesenheit im Reich der Sterblichen verursacht Zwietracht, besonders dann, wenn er seine wahre Natur nicht verbirgt.«

»Und wir haben gestern im Fernsehen etwas Hochinteressantes gesehen«, setzte Deacon hinzu.

»Jepp«, fiel Luke ein. »Einer der Befehlshaber der angreifenden Armee trug einen äußerst modischen Armreif mit einem griechischen Schild. Ich habe keine Ahnung, was sich Ares davon verspricht, einen Krieg vom Zaun zu brechen.«

Mir erschien das offensichtlich. »Er … liebt den Krieg ganz einfach. Er nährt sich davon wie früher die Götter vom Glauben der Sterblichen. Und wenn ein ausgedehnter Krieg im Gang ist und den Großteil der Welt spaltet, dann kann er die Menschheit auf einen Streich unterwerfen.«

»Sehr wahr«, meinte Diana leise. »Ares’ Liebe zu Krieg und Zwietracht ist wohlbekannt. In Zeiten großen Unfriedens wird er stärker.«

»Genau das können wir gebrauchen …« Aiden verschränkte die Arme vor der Brust. »Dass nämlich Ares stärker wird.«

Ich trat einige Schritte beiseite und lehnte mich an einen Airhockey-Tisch. Es fiel mir schwer, ihn zu sehen und nicht an Caleb zu denken. »Ares will herrschen. Seiner Überzeugung nach wurde es Zeit, dass die Götter sich das Reich der Sterblichen zurückholen. Es würde mich nicht überraschen, wenn auch andere Götter ihn unterstützen.« Zum Beispiel Hermes. Aber außer Marcus und Aiden wusste niemand, dass Hermes Seth bei seiner Kontaktaufnahme zu mir geholfen hatte.

Im hinteren Teil des Raums wurde eine ganze Litanei abgefahrener Flüche laut, die mir früher ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätten.

»Jedenfalls kennen wir Ares’ Ziel. Er sucht Krieg«, erklärte Aiden und sprach zu der Versammlung wie der Anführer, der er war und zu dem ich ganz offensichtlich noch nicht geworden war. »Und den werden wir ihm liefern.«

3. Kapitel

Die Anwesenden beschlossen, am übernächsten Tag auf dem Campus eine Versammlung abzuhalten. Dabei konnte jeder, der es wollte, der »Obercoolen Armee« beitreten, wie Deacon sie genannt hatte. Diana und Marcus, die nach dem Tod des Dekans offensichtlich gemeinsam das Tagesgeschäft auf dem Universitätsgelände übernommen hatten, wählten als Veranstaltungsort das Colosseum der Universität. Alle zwölf Ratsmitglieder der Universität und noch einige von anderen Standorten hielten sich auf dem Campus auf, und Diana schwor, man habe kein Problem damit, dass wir das Gebäude benutzten, welches als eines der heiligsten Bauwerke auf dem Gelände galt.

Es fiel mir schwer, das zu glauben.

Aber den Tag dazwischen wollten wir nicht mit dem Anwerben von Rekruten verbringen. An diesem Tag würden die Toten ein angemessenes Begräbnis erhalten.

Nach dem Ende der Versammlung verdrückte ich mich schnell aus dem Aufenthaltsraum und eilte nach draußen, denn ich brauchte frische Luft. Die Luft in meinen Lungen fühlte sich abgestanden an, und mein Hirn schien voller Löcher zu sein. Sobald mein Zorn verflogen war, fühlte ich nur noch den dumpfen Schmerz in meinem halb verheilten Körper und die eigenartige Taubheit tief in meinem Innern.

Die Nacht senkte sich herab, und obwohl wir Mitte Mai hatten, strich mir kühle Luft über die Wangen. Ich war dankbar für das langärmelige Shirt, das Aiden irgendwo aufgetrieben hatte.

Ich ging am Hauptgebäude vorbei, sah nach oben und sog scharf die Luft ein, als das oberste Stockwerk in mein Blickfeld rückte. Das Fenster zum Park war mit Brettern vernagelt. Ich betrachtete den mit Marmorplatten belegten Weg unter meinen Füßen. Der Stein hatte Risse.

Erschauernd eilte ich an dem schmiedeeisernen Zaun entlang, der den Park von den Wegen trennte. Wie früher auf der Götterinsel gediehen hier trotz des Klimas Blumen und Bäume aus der ganzen Welt. Der klare und süße Duft der Rosen und Pfingstrosen mischte sich mit den dumpferen Gerüchen von Weinlaub und Olivenbäumen.

In der Nähe des Eingangs blieb ich stehen und betrachtete eine Marmorstatue des Zeus. Mit seinem lockigen Haar und dem Bart wirkte er eher wie ein Mann aus den Bergen als der allmächtige Gott, der er war.

Hätte er nicht irgendwann einschreiten, Ares auf die Finger klopfen und alles beenden können? Zeus war doch sicher in der Lage, an Seth vorbeizukommen und Lucian zu vernichten. Aber selbst wenn Zeus sich dazu entschloss, musste er sich immer noch mit Seth auseinandersetzen … und mit mir.

Weiter im Innern des Parks schimmerte eine Apollostatue zwischen den Bäumen hindurch und wurde von einer kleinen Lampe am Sockel angestrahlt. Der Gott wandte das Gesicht gen Himmel.

»Wo steckst du bloß?«, fragte ich.

Apollo hatte sich als Leon getarnt, aber seit er aufgeflogen war, konnte er nicht mehr für länger im Reich der Sterblichen verweilen, ohne geschwächt zu werden. Ich fragte mich, ob für Ares das Gleiche galt, und falls ja, ob er mit den anderen Göttern auf dem Olymp abhing oder ob er irgendwo einen Schlupfwinkel gefunden hatte.

Ich wandte mich von der Statue ab und folgte weiter dem Weg. Der Steinklotz würde mir ganz sicher keine meiner Fragen beantworten. Ich passierte mehrere kleinere Gebäude, die wie griechische Tempel im Miniaturformat wirkten, und kam am Ratsgebäude entlang. In alle vier Seiten des Baus, der große Ähnlichkeit mit einem antiken Tempel aufwies, waren Büsten der olympischen Zwölf eingelassen. Wie immer zog sich mein Magen vor Grauen zusammen, während ich vorbeieilte.

Ratsgebäude bargen für mich keine guten Erinnerungen – das war noch nie so gewesen.

Hinter dem Ratsgebäude blickte ich zurück. Hinter den Hauptgebäuden der Universität erhoben sich mehrstöckige Wohnheime in den Himmel. Die Universität war eine richtige Stadt für sich, aber abgesehen von den patrouillierenden Gardisten hatte ich noch keinen Studenten gesehen.

Wahrscheinlich war es gut, dass man die Studenten angewiesen hatte, auf ihren Zimmern zu bleiben. Nichts wäre derzeit unpassender gewesen als ein Haufen Reinblüter, die Amok liefen und hysterisch wurden.

Götter, ich klang wie ein altes Weib.

Ich fühlte mich wie ein altes Weib.

Am Ende des Fußwegs ragten Marmorwände in den nächtlichen Himmel auf. Scheinwerfer, die alle zwei Meter auf der Mauer angebracht waren, warfen ihre Lichter über den Campus. Im Schatten des sechs Meter hohen Ungetüms standen Gardisten und Wächter. Sie bewachten die Stellen der Mauer, die Schaden genommen hatte.

Ich setzte mich auf eine Bank, streckte die Beine aus und bewegte die heilenden Muskeln und das Gewebe, während ich die Männer beobachtete. Sogar von meinem Standort aus konnte ich erkennen, dass sie alle Halbblüter waren, jeder verdammte Einzelne von ihnen, und ich dachte zwangsläufig an meinen Vater. Die Hoffnung, er könne hier sein, hatte ich aufgegeben, denn sonst hätte Laadan ihn längst gefunden. Er hätte noch im New Yorker Covenant in den Catskills sein können. Er hätte überall sein können – oder er war tot.

Ich rieb mir mit den Händen über das Gesicht und mahnte mich, so etwas nicht zu denken, aber – Mann! – ich hatte so ein negatives Gefühl, als gäbe es kein Morgen. Oder war ich einfach nur realistisch? Wie hätte er überleben können? Wie sollte Ares nicht gewusst haben, dass mein Vater in den Catskills gewesen war? Wäre er dazu in der Lage gewesen, hätte er meinen Vater bestimmt gegen mich eingesetzt.

Welches Leben hätte er sich wohl ausgesucht, wenn er die Wahl gehabt hätte, etwas anderes als Wächter, Gardist oder Dienstbote zu werden? Was hätte wohl jeder der Männer und Frauen draußen an den Mauern gewählt? Dachte einer von ihnen je darüber nach?

In einer gewissen Phase meines Lebens, als ich unter Sterblichen gelebt hatte und lange, bevor ich wusste, was ich war oder von dieser blöden Prophezeiung auch nur gehört hatte, da hatte ich in einem Zoo arbeiten wollen. Kein besonders tolles Lebensziel, aber ich liebte Tiere, und da alle Lebewesen durch geistigen Zwang – und damit von reinblütigen Daimonen – beherrscht werden konnten, hatte ich nie ein Haustier gehabt. Bei meinen wenigen Zoobesuchen hatte ich immer den Eindruck gehabt, die Wärter hätten Spaß an ihrem Job, und das wünschte ich mir auch. Was immer ich mit meinem Leben anfing, ich wollte nur glücklich sein. Früher dachte ich, Wächterin zu werden, würde dieses Bedürfnis erfüllen.

Komisch, als ich unter Sterblichen gelebt hatte, wollte ich eigentlich immer nur im Covenant wieder unter meinesgleichen sein. Jetzt war ich mir nicht mehr sicher, ob ich Wächterin werden sollte, falls ich das hier überlebte.

Ich sah nach unten und legte die Hände auf den Leib wie eine Schwangere. Die Schnur summte vor sich hin; eine ständig offene Verbindung. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich wie an jenem Abend vor dem Kampf mit Ares. Die Götter wussten, dass ich wahrscheinlich genauso bescheuert aussah wie damals.

Seth?

Keine Antwort, als befände sich am anderen Ende nichts und niemand. Als laufe die Schnur ins Leere und ende dort einfach.

Schritte knirschten über den Kies, und ich brauchte mich nicht umzuschauen, um zu wissen, wer da näher kam.

Aiden war mir die ganze Zeit gefolgt.

Hinter der Bank verstummten die Schritte.

»Ich will nicht davonlaufen«, sagte ich, und das hatte ich auch nicht vor.

Ein kurzes Schweigen. »Ich weiß.«

Einige Sekunden später trat er um die Bank herum, setzte sich neben mich und legte die Hände auf die Schenkel. Eine gefühlte Ewigkeit lang schwiegen wir beide. Er brach das Schweigen als Erster.

»Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe.«

Ich lachte erstickt und warf ihm einen Seitenblick zu. »Nein, tut es nicht.«

Er zog die Mundwinkel nach oben, aber es war kein echtes Lächeln, bei dem sich seine Grübchen zeigten. Seit ich am Nachmittag aufgewacht war, hatte ich sie noch nicht zu sehen bekommen. »Okay«, räumte er ein. »Was ich gesagt habe, tut mir nicht leid, aber ich bedaure, die Stimme gegen dich erhoben zu haben.«

»Ist schon in Ordnung.«

»Könntest du bitte aufhören, das zu sagen?«

Ich stand ein bisschen zu schnell auf und meine Knie rächten sich mit einem stechenden Schmerz. »Aber es ist in Ordnung.«

Ich drehte ihm den Rücken zu, spürte aber das Stirnrunzeln in seiner Stimme. »Es ist nicht alles in Ordnung, Alex. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ringsum die Welt zusammenbricht. Es ist in Ordnung, wenn nicht alles okay ist.«

Ich setzte einen Fuß vor den anderen wie auf einem Schwebebalken, aber mein Gleichgewichtssinn hatte nicht mit meiner Genesung mitgehalten, und nach drei Schritten hätte ich leicht für betrunken durchgehen können.

»Wenn du zugibst, dass alles ziemlich vermurkst ist, heißt das nicht, dass du schwach bist.«

Ich blieb reglos stehen. »Das ist aber keine besonders aufmunternde Ansprache.«

Aiden lachte trocken. »Soll es auch nicht sein. Eher eine Dosis Realität.«

»Ich glaube, davon hatte ich in letzter Zeit genug.«

Er seufzte schwer. »Was dir passiert ist, braucht nicht okay für dich zu sein, Alex. Niemand erwartet das. Und ich zum Teufel schon gar nicht.«

Langsam drehte ich mich um, öffnete den Mund und wollte ihm sagen, dass ich darüber wahrhaftig nicht mehr reden wollte. Es kam aber etwas ganz anderes heraus. »Wenn das für mich nicht okay ist, was sollte ich dann sein?«

Er sah mir in die Augen. »Zornig.«

Oh, davon hatte ich jede Menge zu bieten.

»Du darfst aufgebracht und verängstigt sein. Du darfst toben, weil es hundsgemein war, denn so war es. Was dir widerfahren ist, war schlimm. Alles war schlimm und du kannst die Gefühle ruhig zulassen.«