Dark and Deadly - S. B. Connor - E-Book
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Dark and Deadly E-Book

S. B. Connor

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Beschreibung

Nikita hat alles, wovon andere Frauen träumen: Sie lebt in Manhattan, ist ein weltberühmtes Laufstegmodel und verlobt mit einem Milliardär. Aber irgendetwas fehlt ihr. Sie sucht den Nervenkitzel, sich mit der Mafia anzulegen und muss kurz darauf von einem mysteriösen Fremden gerettet werden. Endlich weiß sie, was sie so lange Zeit vermisst hat. Doch zu welchem Preis? Als seine Gefangene muss sie bald feststellen, dass er noch viel gefährlicher ist als die Leute, die ihn auf sie angesetzt haben.

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Dark and Deadly
Über die Autorin
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
EPILOG
Die Eisermann Media GmbH

S. B. Connor

Dark and Deadly

Passion Fruit Verlag

Über die Autorin

S. B. Connor ‒ Suchtkrank, liebeskrank und einen Wimpernschlag vom Wahnsinn entfernt! Das war wirklich keine leichte Zeit für die Autorin, bevor sie den Ausweg fand, ihre Dämonen auf Papier zu bannen. Daher soll dieser »Befreiung« eine Warnung vorausgeschickt werden, dass es dieser Dämon in sich hat. Sensible Leser sollten besser die Finger davon lassen. Das ist keine (normale) Liebesgeschichte. Das ist krank!

Mehr über Autorin S. B. Connor gibt es auf instagram: @freak.stylee

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-98752-004-4

E-Book-ISBN: 978-3-98752-504-9

Copyright (2024) Passion Fruit Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

Bilder und Grafiken von www.shutterstock.com und creativemarket.com

Stockfoto-Nummer: 2021769362, 2050151324, 2411819083

Lektorat: Bettina Dworatzek

Korrektorat: Daniela Höhne

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Deutschland (EU)

Passion Fruit Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Alte Heerstraße 29 | 27330 Asendorf

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Kapitel 1

Traum oder Alptraum?

Ich sollte der glücklichste Mensch der Welt sein, aber ich bin es nicht.

»Bist du aufgeregt wegen heute Abend?«, will der Fotograf wissen.

»Ich darf gar nicht daran denken, sonst krampft sich mir der Magen zusammen.« Das tut er schon seit Wochen, lasse ich unausgesprochen. Seit ich mit meiner Radikaldiät angefangen habe, um mich auf diesen Tag vorzubereiten. In wenigen Stunden stehe ich im Finale des bedeutendsten Modelcastings aller Zeiten. Es geht nicht darum, berühmt zu werden – das sind meine Mitstreiterinnen längst. Ich dagegen erst, seit mir der Sprung aus einer schäbigen Model-WG an die Seite von Chris Kanell gelungen ist. Nein, es geht darum, wer die Beste unter den Besten ist, die Schönste unter den Schönen, und damit auch die Bestbezahlte. Es kann nur eine geben: das neue Gesicht von Bel Amour. Wer würde nicht nervös werden bei dem Gedanken, die umsatzstärkste Modemarke der Welt zu vertreten?

Der Fotograf legt die Kamera beiseite und ich stecke mir mit zittrigen Fingern eine Zigarette an.

»Du solltest das Rauchen lieber lassen«, gibt er oberlehrerhaft zum Besten. Wie unpassend für diesen Möchtegernmacho.

»Das hilft mir, den Hunger zu unterdrücken.« Wobei ich deutlich durchklingen lasse, wie sehr mich seine Bevormundung nervt.

Doch er lässt nicht locker. »Und es verursacht vorzeitige Hautalterung.« Charmant wie ein ungewaschener Schwanz.

»Was soll’s? Spätestens mit dreißig heißt es sowieso: Du bist zu alt für diesen Job. Dann kann ich bestenfalls noch Werbung für Faltencremes machen und in diesen Shows auftreten, bei denen man aus dem Fremdschämen nicht herauskommt. Oder ich heirate einen reichen Mann, um niemals aus meinem goldenen Käfig auszubrechen. Ein wahrgewordener Mädchentraum, wie die Klatschpresse es nennt.« Ich lache sarkastisch. »Da braucht es verdammt viel Fantasie, plus mediale Gehirnwäsche, um sich erfolgreich zu fühlen, während man sämtliche Körperöffnungen hinhält, um nie die Gunst seines Gönners zu verlieren.«

An der Stelle mit den Körperöffnungen verzieht mein Zuhörer das Gesicht zu einem dreckigen Grinsen, worauf ich meinen zynischen Ton verschärfe: »Gefangen in einem Fulltime-Job als perfekte Vorzeigefrau. Nur um irgendwann gegen eine jüngere Rivalin ausgetauscht zu werden. Fabelhafte Aussichten, findest du nicht? Und dafür habe ich die Schule hingeschmissen!«

Aber der Fotograf geht gar nicht darauf ein. Geht ihm doch am Arsch vorbei, wenn sein Arbeitsmaterial zur Abwechslung mal Kritik an diesem »Luxusleben« übt. Wie die meisten Menschen hört er nur das, was er hören will: »Das mit dem reichen Ehemann ist doch längst erledigt, Niki Schätzchen. Oder ist dir Chris Kanell mit seinem Multimilliarden-Dollar-Unternehmen etwa nicht reich genug? Ich dachte, ihr seid verlobt?«

»Nur weil er mir im Blitzlichtgewitter der Paparazzi einen Antrag gemacht hat? Es scheint, als würde keinen interessieren, dass ich noch nicht Ja gesagt habe.«

»Aha, das heißt, du willst dich vor der Ehe noch ein bisschen austoben«, schlussfolgert er mit einem anzüglichen Augenzwinkern. Und das Niveau sinkt ins Neandertal. Wie kann man nur so mordsmäßig missverstanden werden? Es hat keinen Sinn mehr, mit diesem notgeilen Sumpfbiber zu reden. Das Fotoshooting ist ohnehin gelaufen und so verdrehe ich nur die Augen, schnipse die halb gerauchte Kippe in eine Blumentopf-Requisite und schlüpfe hinter die Kulissen des Ateliers.

In der Garderobe durchwühle ich meine Handtasche und fische das Päckchen mit dem weißen Pulver heraus. Auf einen Handspiegel gestreut, ziehe ich es mit meiner goldenen Mastercard in eine schnäuzgerechte Line. Jetzt bin ich nur noch einen Atemzug von meinem Stressless-Gefühl entfernt, das ich auf natürliche Weise immer seltener erreiche. Mit einem zusammengerollten Hunderter in der Nase beuge ich mich über die Line … Genau in diesem Moment spüre ich einen unheimlichen Lufthauch im Nacken. Ich fahre herum und knalle fast mit dem Kopf meines Agenten zusammen. Wie ich seinen schmierigen Schweinskopf vermisst habe!

»Was hast du hier zu suchen?«, platzt es lauter als beabsichtigt aus mir heraus.

»Dich«, pariert er ungerührt. »Es gehört zu meinen Aufgaben, nach dir zu sehen.«

»Du meinst, mir wie ein Raubtier in der Garderobe aufzulauern?«

»Hast du dich endlich entschieden, deinen Vertrag zu verlängern?«, wechselt er das Thema.

»Wenn ich heute in der Endrunde rausfliege, werde ich noch mal darüber nachdenken«, versuche ich das Ganze zu vertagen. Ich lehne mich nach vorne und schnäuze mein Koks in einem Zug weg, bevor wieder was dazwischen kommt.

»Und was, wenn du das Rennen machst?«, hakt er ungeduldig nach. »Willst du dich ohne den Beistand meiner Agentur von Bel Amour verpflichten lassen?«

Jetzt gibt mir das Koks den richtigen Kick: Ich spüre, wie es unter meiner Kopfhaut prickelt und mich mutig macht. »Dir geht es nur um die satte Gewinnbeteiligung. Reden wir mal Klartext. Du brauchst mich mehr, als ich dich. Auch wenn das am Anfang anders war …« Immerhin hat er mich in der Branche bekannt gemacht, bevor mir mit der Victoria’s Secret Show der Durchbruch gelungen ist. »Aber dann wolltest du mich wie ein billiges Flittchen an deine Protz-Promis weiterreichen. Ich hab genug von Schauspielern, die abseits der Kameras zu Wildschweinen mutieren. Und genauso wenig halte ich von deinen schmutzigen Aufträgen.«

Er deutet auf den Spiegel, wo noch wenige weiße Krümel zu sehen sind. »Wie willst du in Zukunft an deinen Stoff kommen?«

»Du denkst, das Zeug wäre von dir?« Ein Hauch von Schadenfreude schleicht sich in meine Stimme. »Nein, ich habe mich längst mit meinen eigenen Quellen unabhängig gemacht.«

Endlich hab ich mich getraut, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen. Es kommt mir ziemlich gewagt vor, aber es muss sein, damit er mich endlich in Ruhe lässt. »Ich bin nicht länger das naive, junge Ding, das sich zu jedem Scheiß überreden lässt.« Einen Augenblick lang glaube ich, dass meine Worte die gewünschte Wirkung erzielen, doch dann drückt er die hochgerutschten Augenbrauen zu einer harten Linie runter. »Und was, wenn ich dich nicht gehen lasse?« Allein sein Ton ist Drohung genug, aber ich werde mich ums Verrecken nicht einschüchtern lassen! »Wie willst du mich denn aufhalten?«

»Du willst sicher nicht, dass ein Video deiner Partyexzesse an die Öffentlichkeit gelangt.«

Ich atme tief durch, bevor ich zum Gegenschlag aushole. »Mir war klar, dass du dich absichern würdest. – Also habe ich dasselbe getan und mein Handy mitlaufen lassen, wenn deine Saufgenossen von all den Extras geschwärmt haben, mit denen du sie bei Laune hältst. Du kannst mich vielleicht mit Schmutz bewerfen, aber du kannst nicht verhindern, dass er auf dich zurückfällt.«

»Sei vorsichtig, mit wem du dich anlegst, Niki! Oder denkst du, ich hätte das alles alleine organisiert? Mein Freundeskreis besteht nicht nur aus harmlosen Hohlköpfen. Ich kenne Leute, die keinen Spaß verstehen, wenn man ihre Geschäfte gefährdet.«

»Du kannst mir keine Angst mehr machen. Meinetwegen setz die ganze Mafia auf mich an. Ich bin fertig mit dir!«

Darauf fällt ihm nichts weiter ein, als mit rotgekrampftem Kopf die Garderobe zu verlassen und ich finde die Zeit, mich einer zweiten Line Koks zu widmen. Weiß bepudert werfe ich die Nase zurück, betrachte mein gelöstes Gesicht im Spiegel und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Einerseits will ich abschalten, mir vom inhalierten Hochgefühl den Kopf freipusten lassen. Andererseits wird mir die Tragweite meiner Worte bewusst. Hab ich es wirklich gerade gewagt, mich gegen meinen Agenten zu behaupten? Meinen Ex-Agenten! Schluss mit der Schlepperei von Koffern. Soll er sich einen neuen Drogenkurier suchen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Harte Beats, kühle Drinks und noch mehr Koks …

Doch dafür kenne ich diesen Charakter-Krüppel viel zu gut. Ich wette, das wird ein Nachspiel haben.

Kapitel 2

Das Finale

Auf der Fahrt zum Fernsehstudio begegne ich stetig meinem Gesicht. Überlebensgroß blickt es mir von den Plakatwänden entgegen. Die Augen ekstatisch entseelt, die Lippen lasziv geöffnet, um dem Betrachter ein Lipgloss-ertränktes »Nimm mich« entgegenzuhauchen. Sex sells – nach dieser Devise werde ich zu einer willenlosen Wichsvorlage degradiert. Sterile Statussymbole lassen sich leichter vermarkten als eigenwillige Persönlichkeiten. Zudem wurden mir sämtliche Merkmale eines menschlichen Wesens einfach aus dem Gesicht gelöscht. Die kleine Falte am Mundwinkel, die davon zeugt, dass ich früher viel gelacht habe, ist genauso verschwunden wie meine Muttermale und die leichten Schatten unter meinen Augen. Nicht mal Poren darf man haben! Was soll diese unrealistische Retusche? Obwohl ich mich seit Beginn meiner Karriere auf ein lebensfeindliches Untergewicht runterhungern musste, wurde ich per Bildbearbeitung sogar noch dünner gemacht. In letzter Zeit frage ich mich oft, wozu das alles. Auf der emotionalen Ebene finde ich keine zufriedenstellende Antwort, doch für meine Auftraggeber ist sie umso simpler. Jedes Mädchen, das keine Haut wie eine Porzellanpuppe hat oder eine Taille, die noch Platz für Innereien bietet, soll sich im Vergleich zu diesen Trugbildern fett und picklig fühlen, damit sie Unsummen für Diät- und Kosmetikprodukte rausschmeißt. Solange der Profit stimmt, ist es der milliardenschweren Schönheitsindustrie doch scheißegal, wenn sie junge Menschen in Depression und Selbsthass treibt. Und ich lasse mich zum Komplizen von Magerwahn und Minderwertigkeitskomplexen machen!

Was hindert mich daran, jetzt auszusteigen? Zuerst aus diesem Wagen und dann aus dieser ganzen Scheinwelt?

Aber was würde das ändern? Wenn ich den Job nicht mache, macht ihn eine andere. Sofort wäre mein Platz mit einem neuen, willenlosen Werkzeug dieser weltweiten Frauen-Verdummungs-Kampagne besetzt und ich müsste mir einen neuen Job suchen. Einen, der nicht einen Bruchteil dessen einbringen würde, was ich aktuell an Gagen kassiere. Besonders heute Abend wurde der Geldhahn aufgedreht und statt des üblichen Taxis eine Luxuslimousine geleast. Samt Minibar, die leider nur alkoholfreie Erfrischungen enthält.

Durch die getönten Scheiben werfe ich einen letzten resignierten Blick auf mein Werbegesicht, als wäre es der Sargdeckel meiner Kindheitsträume. Dann krame ich mein Handy aus der Handtasche und finde eine Mail von meinem Imageberater, der mich daran erinnern will, was ich bei der Siegerehrung zu sagen habe. Das übliche Blabla: »Ich danke der Jury und den Leuten, die für mich abgestimmt haben. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich mit meinen sechzehn Jahren zum jüngsten Gesicht von Bel Amour gewählt werde …«

Gleichzeitig dichtet meine humorvolle Hirnhälfte dazu, was die Leute lieber nicht hören sollten: »Sechzehn bin ich aber nur auf den Papieren, die mein Agent – inzwischen Ex-Agent – besorgt hat, um mich drei Jahre jünger zu machen. Tja, was tut man nicht alles für die Karriere? Vor allem, wenn man so leicht damit durchkommt. Immerhin werde ich von den meisten Leuten sogar noch jünger geschätzt. Vielleicht hab ich irgendeinen Gendefekt, der mich nicht altern lässt.«

Das Ganze kommt mir so absurd vor, dass ich kopfschüttelnd das Handy in die Handtasche zurückstecke. Ist sowieso schon klar, dass ich heute Abend nicht in Verlegenheit komme, eine Rede zu halten. Das weiß ich seit der Vorrunde, als ich mich heimlich zum Koksen auf die Toilette verdrückt und ein Gespräch zwischen zwei Stylistinnen aufschnappt habe. Die beiden waren offenbar eingeweiht, dass die Siegerin bei dieser Castingshow von Anfang an feststand. Und natürlich konnte es keine andere als Cassandra sein. Die Anrufe der Fernsehzuschauer sind also manipuliert, um den Leuten die Illusion zu lassen, sie hätten auch was zu entscheiden. Seltsamerweise war ich erleichtert, das zu hören. Es nahm mir den Druck, den ich bei den Dreharbeiten verspürt hatte. Und das war deutlich mehr Druck als die übliche mentale Zwangsjacke, nie ich selbst sein zu dürfen. Nein, lieber gebe ich die Abgebrühte, als den Aasgeiern da draußen meine sensible Seite zum Fraß vorzuwerfen.

Schließlich erreichen wir in Schrittgeschwindigkeit das Messegelände und fahren an einem Meer von Menschen vorbei, die entlang der Fernsehstudios auf die prominenten Gäste warten. Der Chauffeur hält am VIP-Eingang der größten Halle und ein Security-Mitarbeiter öffnet mir die Türe. Sofort werde ich vom Blitzlichtgewitter der Paparazzi geblendet und es dauert einen Augenblick, bis ich mich traue, den roten Teppich zu betreten. Falls ich über meine halsbrecherisch hohen Stilettos stolpere, würden die Schnappschüsse davon in Rekordzeit durch die Klatschpresse rauschen und mich – schon wieder – zur Witzfigur abstempeln. Ich muss da durch, ganz egal, wie sehr ich diesen Spießrutenlauf hasse. Zumindest wird mir ein Bodyguard zur Seite gestellt, der mich von den aufdringlich verlängerten Mikrofonen der Reporter abschirmt, während die grölenden Fans der Veranstaltung mithilfe von Bauzäunen davon abgehalten werden, den roten Teppich zu stürmen. Mein Bodyguard scheint meine Unsicherheit zu spüren und führt mich über die Stufen zur Empfangshalle, als hätte ich die Glasknochenkrankheit. Wobei er nicht der Erste ist, der sich wegen meines zerbrechlichen Aussehens nicht traut, mich richtig anzufassen.

In der Garderobe werde ich von einem Trupp Visagisten abgefangen. Mit Pinsel und Puderquaste bewaffnet, frischen sie mein Make-up auf, kleistern Stresspickel zu, maniküren meine abgekauten Fingernägel und verlängern den Lidstrich meiner Smokey Eyes bis zu den Augenbrauen. Beim Blick in den Spiegel muss ich an die Büste einer ägyptischen Königin denken. Nofretete im zarten Alter von zwölf. Und wie üblich, wenn ich mich fremd im eigenen Körper fühle, flüchte ich mich in Tagträume. Damals in der Tanzbar haben wir uns einfach einen dicken schwarzen Rahmen um die Augen geschmiert. Musste nicht perfekt sein und selbst wenn wir mal keinen Bock auf Kriegsbemalung hatten, der Spaß war trotzdem garantiert. Wie ich meine alten Freunde vermisse! Es ist ja nicht so, als hätte ich neue gefunden.

Backstage treffe ich auf meine Kollegin Cassandra. Nach quälend langen Castingwochen sind nur wir beide übrig geblieben, um uns hier und heute dem alles entscheidenden Finale zu stellen. Bei mir war das so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto, während Cassandra sicher sein konnte, dass sie alle anderen aussticht. Sie sieht einfach perfekt aus! Wie eine moderne Grace Kelly – ohne den geringsten Makel. Bis auf den Charakter. Denn leider lässt sie keine Gelegenheit aus, um über ihre Kolleginnen herzuziehen. Am liebsten über mich.

Sobald mich die Schöne und das Biest in einer Person entdeckt hat, macht sie ein Gesicht, als wäre ihr ein ekelhafter Gestank in die Nase gestiegen. Ich fühle mich automatisch klein, so wie sie auf mich herabblickt. Immerhin ist sie gute fünfzehn Zentimeter größer als ich, plus das Gleiche in High Heels. Ich erfülle nicht einmal das Mindestmaß von eins zweiundsiebzig. Keine Ahnung, wie mir dennoch der Einstieg in die höchste Liga des Business gelingen konnte. Der Hype um mein Babyface kann kaum als Erklärung herhalten. Mein Selbstwertgefühl schrumpft ins Bodenlose, während es Cassandra offensichtlich kaum erwarten kann, gleich als Siegerin aus der Entscheidungsshow hervorzugehen.

Das Donnern der Lautsprecher über dem Laufsteg, der mich zum Ende meiner Karriere führen wird, hämmert mit meinem Herzschlag um die Wette. Von der Bühne dröhnt ein Getöse durch die Trennwand, als würde ein Gladiatorenkampf angekündigt. Die Moderation wechselt mit epileptischer Discomusik. Noch wenige Minuten, bis es losgeht.

Wortlos warten wir auf den großen Showdown, bis mir der Gedanke kommt, dass dies die letzte Gelegenheit sein könnte, um mit meiner Rivalin Frieden zu schließen. Ich räuspere mich unsicher, was hoffentlich in der Geräuschkulisse untergeht, bevor ich meine Stimme so stabil bekomme, dass sie mich hört. »Cassandra?« Darauf trifft mich ihr Blick so frostig, dass ich zu stottern anfange. »Ich weiß, wir verstehen uns nicht so gut …« Die Untertreibung des Jahrhunderts. »Aber ich hoffe, das muss nicht so bleiben. Jedenfalls wünsche ich dir viel Glück beim Finale.«

»Glück?«, spuckt sie angewidert aus. »Als ob ich das nötig hätte! Wünsch dir lieber, dass du deine Niederlage verkraften kannst. Oder hast du ernsthaft geglaubt, da draußen gäbe es genug Pädophile, die dich als Gewinnerin sehen wollen?«

Das trifft mich so unerwartet, dass mir die Gesichtszüge entgleisen. Cassandra genießt die Wirkung ihrer Worte und dreht sich hocherhobenen Hauptes von mir weg. Ihre Anspielung auf Kinderschänder holt alles wieder hoch. Knochige Kindergröße, hallt es mir durch den Kopf, denn das und ähnliche Schmeicheleien waren ihre Worte, als sie vor laufenden Kameras über mich herzog. Dabei füllt sie selbst kaum Größe XS aus. Nur ist sie leider nicht die Einzige, die mich auf eine infantile Erscheinung reduziert. Es tut weh, mir einzugestehen, wie sehr ich selbst an meinen weiblichen Reizen zweifle. Sonst hätte mich die bissige Bemerkung eben nicht so sehr aus der Bahn geworfen. Cassandra sieht wenigstens wie eine richtige Frau aus, während ich mir vorkomme, als wäre ich noch vor der Pubertät im Wachstum stecken geblieben.

Wie üblich verirre ich mich so tief in meinen Gedanken, dass ich zu spät bemerke, wie ein Regieassistent in unsere Richtung winkt. Nein, nur in ihre. Ich bin viel zu nervös, um mich an den geplanten Ablauf der Show zu erinnern. Cassandra ist zuerst dran und stolziert nach draußen ins Scheinwerferlicht, empfangen vom tosenden Applaus der Zuschauer. Ich bleibe mit einem melancholischen Blick in den Spiegel zurück. Je länger ich auf meinen Auftritt warten muss, desto weniger glaube ich an die Wirkung, die ich dabei erzielen wollte. Nichts mehr übrig von sexy oder selbstbewusst. Die Leute werden mich bestenfalls wie einen wandelnden Minderwertigkeitskomplex im Gedächtnis behalten.

Dann bekomme ich den entscheidenden Wink, worauf ich dreimal tief Luft holen muss, bevor ich mich in Bewegung setzen kann. Einfach loslassen, sage ich mir. Einen Fuß vor den anderen setzen. Mehr wird doch nicht von mir erwartet.

Ich laufe um die Trennwand herum und lasse den Beat der Discomusik meine Schritte beschleunigen. All meine Komplexe schiebe ich zur Seite, um wie der Phoenix aus der Asche ins gleißend helle Scheinwerferlicht zu treten. Wenn ich schon keine vollausgereifte Frau verkörpern kann, dann wenigstens die neue Lolita! Ja, das wäre das perfekte Image für mich – mein Rettungsring, an dem ich mich aus dem Sumpf der Unsicherheit ziehen kann.

Der Laufsteg verläuft direkt durch die Zuschauerränge und ich spüre, wie mein Gesicht erstarrt. Mein Lächeln sitzt so stramm, dass meine Lippen taub werden und ich Angst habe, dass sie zu einem grotesken Grinsen verkrampfen. Doch ich darf mein wackliges Selbstwertgefühl nicht wieder fallen lassen. Mit einstudiertem Hüftschwung schreite ich zur Bühne, erklimme die Stufen und nehme meinen Platz neben Cassandra ein. Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln, für das sie lange geprobt haben muss. Irritiert von ihrem Schauspiel vergesse ich einen Augenblick lang, das Lächeln zu erwidern. Wahrscheinlich denken die Leute jetzt, dass ich die Zicke von uns beiden bin.

Über unseren Köpfen hängt eine riesige Kinoleinwand, auf der ein Zusammenschnitt der letzten Wochen eingespielt wird.

Der attraktive Moderator Gregor Donavan – leider schwul und seit seiner Affäre mit einem Oligarchen medienwirksam geoutet – kommentiert die Videosequenzen mit zynischen Scherzen über die Mädchen, die bereits gehen mussten. Schonungslose Nahaufnahmen von tränengetränkten Wangen flimmern über die Leinwand.

Bin ich eigentlich die Einzige, der auffällt, wie menschenverachtend das Ganze inszeniert wird? Diese sensationsgeile Zurschaustellung meiner Kolleginnen; wie sie unter dem Druck der Challenges die Nerven verloren, sich gegenseitig fertigmachten und schluchzend zusammenbrachen. Auch ich war mehr als einmal den Tränen nahe, als ich von den Coaches, Cassandra und Juroren in Grund und Boden schikaniert wurde. Doch ich habe es irgendwie geschafft, meine Gefühle hinter einer Maske aus Professionalität zu verbergen. Dabei fühle ich mich alles andere als professionell. In Wahrheit habe ich mich nur in eine andere Welt geträumt, wenn ich es anders nicht mehr aushalten konnte.

Die Hitze der Scheinwerfer holt mich in die Gegenwart zurück und presst mir den Schweiß aus den Poren. Ich fürchte, dass mein Make-up der Überschwemmung nicht mehr lange standhalten kann. Am Ende werde ich wie ein verschmierter Harlekin aussehen. Wie lange wollen sie uns denn noch auf die Folter spannen, bevor die Entscheidung verkündet wird?

Es dauert drei weitere, nervenzerreißende Rückblenden, bevor sich der Moderator in Rage redet, als wolle er einen Trommelwirbel ersetzen. Dann wird auf der Kinoleinwand endlich das Cover der diesjährigen Bel Amour enthüllt. Eine Jubiläumsausgabe, für deren Titelseite nur eine klassische Schönheit wie Cassandra infrage kommt. Ich traue mich gar nicht hinzusehen, während das Publikum in tosenden Applaus ausbricht, um ihren Aufstieg in den Olymp der Topmodel-Legenden zu feiern.

Das Letzte, worauf ich jetzt Lust habe, ist, ihrem triumphierenden Blick zu begegnen, aber ich darf keine schlechte Verliererin sein, also zwinge ich mich dazu. Nur um festzustellen, dass sie noch nie so geschockt ausgesehen hat. Ich folge ihrem Blick nach oben und begegne meinem eigenen Gesicht …

Das Mädchen auf dem Cover sieht tatsächlich aus wie ich!

Auf einmal verschwimmt alles hinter einem Tränenschleier. Der Moderator umarmt mich überschwänglich, knutscht mir gefühlt zwanzigmal kreuz und quer übers Gesicht, dann reicht er mir das Mikrofon und führt mich wie eine Blinde auf das Podium, wo ich eine Dankesrede halten soll. Apathisch wie eine Puppe lasse ich mich aufstellen. Ich weiß nicht, wie lange ich schocksteif vor den Zuschauern stehe. Wie oft hat mir mein Imageberater eingeschärft, was ich in diesen Fall sagen soll? Ohne dass ich eine Sekunde lang an meinen Sieg geglaubt habe. Und jetzt, wo ich endlich den Mund aufbekomme, bricht mir die Stimme weg. Meine Lippen fangen an zu beben, bis ich die Blöße nicht länger ertrage und meine Hände vors Gesicht schlage. Nachdem ich so lange verhindern konnte, vor einem Millionenpublikum in Tränen auszubrechen, fließen die Gefühle nun wie ein Dammbruch aus mir heraus. Ich stehe hier, um mich vor der ganzen Welt lächerlich zu machen und dennoch steigert sich der Applaus des Publikums in grenzenloses Getöse. Es ist, als würden all diese fremden Menschen meinen Gefühlsausbruch teilen.

Bin ich wirklich zur Gewinnerin dieser Megashow gekürt worden? Es ist unbegreiflich, zu viel der Ehre! Und irgendwie beschleicht mich der Verdacht, dass ich nicht allein aus Freude so hemmungslos weine.

Kapitel 3

Tintenschwarze Tiefe

Nicht mal backstage kann ich mich von diesem Schock erholen. Wie eine willenlose Traumwandlerin werde ich von einem Trupp Visagisten in die Mangel genommen, die mein verheultes Make-up wieder zurechtpinseln. Dann schickt man mich zur Abfertigung der Journalisten weiter, wo kein verwertbares Interview zustande kommen will. Ich bin einfach zu perplex, um auf die vielen Fragen zu antworten.

Schließlich werde ich von dieser Verpflichtung in die nächste entlassen, um mich auf der After-Show-Party sehen zu lassen. Ein Agent von Bel Amour begleitet mich zurück zur Limousine und erklärt mir während der Fahrt eine Vielzahl von Verhaltensregeln, die ich als neues Gesicht des Modeimperiums einzuhalten habe. Kaum etwas bleibt hängen in der Nebelsuppe meiner Gedanken.

Der Wagen hält vor einem Luxushotel, wo schon der nächste rote Teppich wartet und in einen prunkvollen Festsaal führt. Am liebsten würde ich mich still und heimlich an die Cocktailbar verdrücken, doch ich werde pausenlos von Fotografen und Designern umzingelt, die sich einen freien Platz auf meinem Terminkalender sichern wollen. Alles läuft wie ein Film in der Endlosschleife an mir vorbei und ich schalte meinen solide lächelnden Autopiloten ein, um meine Gedanken auf Abwege zu schicken. Wie lange ist es her, dass ich freiwillig auf solche Partys gegangen bin? Als ich vom Ehrgeiz getrieben denselben Leuten nachlief, die mir heute hinterherlaufen? Ist das nicht typisch für mich? Träumen hinterherjagen, die unerreichbar scheinen und falls sie doch in Reichweite kommen, verlieren sie ihren Reiz.

Mit Chris geht es mir genauso. Als ich ihn auf einer VIP-Party wie dieser kennenlernte, war er der begehrteste Junggeselle der New Yorker High Society. Nicht allein wegen seiner auffallenden Ähnlichkeit mit dem jungen Robert Redford, nein, sein Reichtum spricht für sich. Oder wie viele Frauen würden sich weigern, mit dem attraktiven Erben eines milliardenschweren Immobilienunternehmens auszugehen? Horden von Schauspielerinnen und Mannequins hatten vergeblich versucht, bei ihm zu landen … Und ausgerechnet mir ist es gelungen. Öffentlich bestätigt durch die Paparazzi-Bilder vom Liebesurlaub auf seiner Yacht. Das machte mich zum Feindbild Nummer eins für meine Kolleginnen. Vor allem für Cassandra, die ich genau in diesem Moment inmitten einer Gruppe von Journalisten entdecke. Wahrscheinlich lästert sie wieder über mich. Ich kann es ihr nicht mal übelnehmen. Erst der Traummann, den ich ihr vor der Nase weggeschnappt habe, dann die hochdotierten Aufträge und jetzt hat sie den sicher geglaubten Sieg bei Bel Amour an mich verloren.

Ein Blick von eisiger Schärfe durchschneidet meine Gedanken, als hätte ihr Hass eine telepathische Verbindung zwischen uns geschaffen. Jedes Mal, wenn ich zu ihr rüber sehe, gehe ich ihren lauernden Katzenaugen in die Falle. Wenn Blicke töten könnten … Und wie auf Kommando sehen wir beide wieder weg. Ich glaube fast, dass so eine Feindschaft noch intensivere Gefühle hervorrufen kann als meine Beziehung mit Chris. Ein bisschen schäme ich mich dafür, dass ich ihn nicht so sehr liebe wie ich sollte. Andererseits weiß ich, dass er mich auch nur in dem Maße liebt, wie mein Kurs als Model gestiegen ist. Vor dem Karriereturbo hat es gerade für eine heimliche Affäre gereicht, doch kaum wurde mein Name durch die Victoria’s Secret Show bekannt, entschied er, mich ganz offiziell als seine Freundin zu präsentieren. Ich glaube, damit stehe ich als Statussymbol nur eine Stufe über dem Lamborghini. Aber ich habe kein Recht, mich zu beschweren, wo ich doch kein bisschen besser bin. Sicher wäre ich nicht mit ihm zusammen, wenn er ein armer Schlucker wäre. Das gute Aussehen allein kann nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir - abgesehen von unserer oberflächlichen Partnerwahl - nicht das Geringste gemeinsam haben.

Wo ist er eigentlich abgeblieben? Hatte er mir nicht versprochen, dass er es diesmal zur After-Show-Party schafft? Ich krame mein Handy aus der Handtasche und sehe eine Nachricht von ihm aufblinken: »Sorry, Babe, meine geschäftlichen Verpflichtungen halten mich bis Montag in Chicago fest. Aber ich habe das Finale am Laptop verfolgt und gratuliere dir ganz herzlich zu deinem Sieg. Du siehst heute wieder wunderschön aus.«

»Und immer weniger wie ich selbst«, kommentiere ich das Kompliment so leise, dass mich keiner der Umstehenden hört.

»Erzähl mir alle Einzelheiten, wenn ich wieder da bin. I love you, Babe.« Kurz angebunden wie immer, aber anders als die üblichen paar Stunden Verspätung, werde ich nun auf nächste Woche vertröstet. Und er weiß genau, wie sehr ich es hasse, wenn er mich Babe nennt!

Was soll’s. Insgeheim bin ich erleichtert, dass er nicht kommt. Das würde nur wieder in Arbeit ausarten. Bin ich eigentlich die einzige Frau, die so genervt von ihren sexuellen Verpflichtungen ist? Am Anfang war das noch aufregend, aber jetzt kann ich mich nicht mehr fallen lassen und muss beim Sex an irgendeinen Blödsinn denken. Bereits beim Vorspiel - das ausschließlich aus Oralsex für ihn, nie für mich besteht -, vergleiche ich seinen Geschmack mit diversen Fischsorten. Oder ich mache mir Sorgen, dass ich meinem Fisch versehentlich einen Fussel aus der Vorhaut lutsche. Im schlimmsten Fall könnte ich mir sogar das Intervallfasten versauen, wenn ich nach acht Uhr noch etwas in den Hals bekomme.

So eine Hochglanz-Beziehung ist wie mein ganzes Hochglanz-Leben: Nix als vergoldete Scheiße.

Was stimmt denn nicht mit mir, dass ich immer so unzufrieden bin, ganz egal, was ich erreiche?

Sobald mir wieder bewusst wird, wo ich mich befinde, kommt mir der Gedanke, dass diese Glamour-Gesellschaft not amused wäre, wenn sie wüsste, was dem frisch gekürten Topmodel durch den Kopf geht.

Ich fühle mich so verloren in der Weite des Raumes, allein unter Menschen, die mir kokette Küsschen auf die Wange drücken, obwohl sie mich kaum vom Small Talk kennen. Schrill gekleidete Designer mit ebenso schriller Tuntenstimme, bis zur Unkenntlichkeit operierte It-Girls und reiche Witwen oder überbezahlte Schauspieler, die ich vom gemeinsamen Koksen und einer Besenkammerromanze kenne …

Plötzlich steigt mir ein Geruch in die Nase, der meinen persönlichen Dämon weckt. Der allzeit lauernde Hunger versucht, mich auf die Kalorienbomben am Buffet aufmerksam zu machen. Doch ich halte meinen Blick stur von diesen Fallen fern, die wie frisch gebackene Weihnachtsplätzchen duften. Unwillkürlich fange ich an, auf meinen manikürten Fingernägeln zu kauen und merke es erst, als meine Stylistin einen spitzen Ton ausstößt, als wollte sie eine Katze von einer Mülltonne verscheuchen. Meine unglamourösen Angewohnheiten bringen sie regelmäßig an den Rand der Raserei. Es bleibt ohnehin keine Zeit, um noch länger meinen Gedanken nachzuhängen. Wie am Fließband muss ich für die Fotografen posieren, pausenlos lächeln und die verschwitzten Hände prominenter Gratulanten schütteln. Zusammen mit der ängstlichen Ausdünstung, die mir noch vom Casting-Finale anhaftet, kommt mir das so vor, als würden wir Schweißbruderschaft schließen.

Ich lauere auf die erstbeste Gelegenheit, um unbemerkt einem Kellner hinter die Bar zu folgen. Als sich der junge Mann zu mir umdreht, lege ich einen Finger auf meine Lippen und zwinkere ihm verschwörerisch zu, damit er mich nicht verpfeift, während ich mich durch die Küche verdrücke. So leise wie möglich husche ich an Tellerwäschern vorbei und finde einen Ausgang. In der Lieferanteneinfahrt bleibe ich unschlüssig stehen. Links öffnet sich der Hof zur Straße, wo bestimmt ein paar Paparazzi darauf warten, den Angestellten Geschichten über die prominenten Gäste abzukaufen. Ich wäre ein gefundenes Fressen, ihnen hier in die Arme zu laufen. Rechts geht es weiter auf den Hinterhof, wo es nach gammligem Leergut, Urin und Erbrochenem riecht. Der Küchenchef muss hier echt was drauf haben.

Ich angle die XXL-Grace-Kelly-Sonnenbrille aus meiner Handtasche, um möglichst unerkannt, aber misstrauisch begafft, an den rauchenden Hotelangestellten vorbeizukommen, die hier versammelt stehen. Ringsum von Hochhäusern umzingelt, suche ich einen Fluchtweg aus der Gefängnishofkulisse. Zwischen stinkenden Stapeln von Getränkekisten entdecke ich einen schmalen Durchschlupf und damit eine noch größere Herausforderung für meine Klaustrophobie. Ich zwinge mich durch die verwinkelte Gasse und gelange zurück auf die Straßen. Hier sind keine Paparazzi mehr zu sehen.

Ich brauche frische Luft, um den Kopf frei zu kriegen. Die Winternächte in New York sind frisch genug und ich könnte endlich aufatmen, würden mir nicht die Blicke von Passanten folgen. Das übliche: »Ist das nicht die aus der Werbung?«, bleibt mir dank der Sonnenbrille erspart, trotzdem erregt es Aufsehen, wenn man bei diesen winterlichen Temperaturen in einem hauchdünnen Abendkleid unterwegs ist. Ich hatte keine Zeit, vor meiner Flucht den Mantel an der Garderobe zu holen. Ist auch nicht nötig. Erstens habe ich keinen Cent für das unschöne Teil ausgegeben - sowas wird mir inzwischen von Designern gesponsert - und zweitens hat sich die Aufregung des Abends wie ein Hitzepolster in mir angestaut, so dass ich kaum eine Unterkühlung riskiere, wenn ich die Abkürzung durch den Central Park nehme. Von hier aus wirkt das Central Building so nah, als könnte ich den Arm danach ausstrecken. Mit seinen vierhundert Metern zählt es zu den höchsten Wolkenkratzern von New York. Von der Dachterrasse aus hat man eine fantastische Aussicht über die Stadt, aber seit mein »Verlobter« ausgezogen ist, war ich nicht mehr im Penthouse. Dafür konnte ich ein kleines Apartment, ein paar hundert Meter tiefer ergattern. Und das auch nur, weil viele New Yorker zu abergläubisch für die 13. Etage sind.

Wenn ich mich beeile, könnte ich zu Hause sein, bevor eine Anstandsdame von