Das Buch für den trüben, verregneten Tag - Anli Sa - E-Book

Das Buch für den trüben, verregneten Tag E-Book

Anli Sa

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Beschreibung

Was gibt es Schöneres an einem trüben, verregneten Tag, als einzutauchen in ein Buch, gemütlich in eine Decke gekuschelt und von fremden oder fernen Welten und Abenteuern zu lesen? Dieser spannende Roman nimmt uns mit zurück in die Zeit der Nuraghen, zu unseren Vorfahren. Wir lernen den Moruschclan kennen und anhand seiner Geschichte können wir miterleben, was alles geschehen kann, wenn sich jemand traut, einmal ganz neue Wege im Leben zu gehen. Wenn Sie ein richtiger Bücherwurm sind und immer gerne ganz in die Geschichten eintauchen möchten, lade ich Sie herzlich ein, dieses Buch erst zu beginnen, wenn Sie ganz hungrig sind und ihr Magen knurrt, um das Erlebnis sehr authentisch mitfühlen zu können. Zur Belohnung können Sie ein Experiment mit ihren Geschmacksnerven ausprobieren.

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Seitenzahl: 278

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für Rosemarie

und für die gastfreundlichen und sehr

hilfsbereiten Sarden,

die Nachfahren der Nuragher

Liebe Leserin - Lieber Leser

Was gibt es an einem trüben, verregneten Tag Schöneres, als einzutauchen in ein Buch, gemütlich in eine Decke auf dem Sofa oder Bett eingekuschelt, um von fremden oder fernen Welten und spannenden Abenteuern zu lesen?

Möglicherweise zählst du zu den richtigen Bücherwürmern, die gerne ganz in die Geschichten hineinkriechen möchten, dann kannst du zusätzlich zum Lesen, mit diesem Buch ein kleines Experiment mit deinen Geschmacksnerven ausprobieren und sie einmal so richtig in Schwung bringen.

Dazu lade ich dich ein, das vorliegendes Buch erst zur Hand zu nehmen, wenn du richtig hungrig bist und dein Magen ordentlich knurrt.

(Soweit das deine Gesundheit zulässt.)

Auch wird es dir viel besser gelingen den Beginn der Geschichte möglichst echt und real nachzuempfinden, denn die fünf Männer haben seit 15 Tagen nichts zu essen bekommen und sind schon ganz ausgehungert!

Im zweiten Kapitel gibt es dann eine kurze Anleitung für das Experiment mit deinen Geschmacksnerven, die du bitte zuerst einmal ganz durchliest.

Um möglichst viele verschiedene und unterschiedliche Geschmacksvariationen auszuprobieren, stelle dir dazu bitte ein kleines Sortiment deiner Lieblingshappen bereit. Achte möglichst darauf, dass du verschiedene Geschmacksrichtungen bei deiner Auswahl berücksichtigst. Suche etwas Süßes, Saures, Salziges vielleicht sogar etwas Bitteres für dich aus. Im zweiten Kapitel kannst du dir dann deine Leckereien genüsslich in den Mund schieben.

Bist du ausprobierfreudig?

Ja doch, ein Prolog zu Beginn ist sehr sinnvoll, damit du zurück in die Bronzezeit reisen kannst.

Hier noch ein Hinweis:

Für die deutsche Sprache sehr verwirrend sind folgende Artikel:

die Mastio, die Tholos

-

(Kuppel)

der Nuraghe

(Steinhaufen)

Namensverzeichnis

Amatsuclan

Aumi

Clanoberhaupt

Amitu

sein Sohn

Aurel

Baumeistersohn

Atiju

Steinarbeiter

Atkeru

Steinarbeiter

Assa

Steinarbeiter

Afare

Frau von Aurel

Moruschclan

Mosch

Clanoberhaupt

Misra

Krieger – Bote

Morasch

Krieger, Schwert

Menaki

Krieger

Minjo

Krieger

Mimo

Pfeil + Bogen

Meku

Lanze/Speer

Marun

Zimmermann

Marida

Steinarbeiter

Morano

Steinarbeiter

Mukusch

Steinarbeiter

Muschin

Schäfer

Frauen

Marinuta

Mabena

Medara

Mefira

Mijeta

Mekari

Danuge

Schamane

Domsa

Schamenoberhaupt

Götter

Babay

Gott im Himmel

Stierkopfdarstellung

Mater

Göttin der Erde

Ras

Wassergott

Balaclan

Banga

bedeutender

Erzähler

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Das lange Dunkel

Ungewissheit

Die Verhandlung

Die Verhandlung Teil 2

Marinuta

Erholung

Aurel

Die Besprechung

Morasch

Danuge

Mosch

Das Ritual

Die Nachwirkungen

Die Mastio

Was nun?

Erzählfreie Zeit

Prolog

Erst Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde den Nuraghen auf der Mittelmeerinsel Sardinien eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Zu verdanken ist das Giuvanni Lilliu. Als er 1951 begann auf einem Hügel zu graben, auf dem er als Kind schon gespielt hatte, war er der festen Meinung einen Brunnen frei zu legen.

Aber im weiteren Verlauf seiner Grabungen musste er feststellen, dass er sich gründlich geirrt hatte! Denn was er tatsächlich freilegte, war kein Brunnen, sondern Reste eines Kraggewölbes, dass früher einmal einen großen Nuraghenturm abschloss und der wiederum zu einer riesigen, ausgebauten Festungsanlage gehört.

So hatte Giuvanni Lilliu 1951 mit dieser Ausgrabung sein Lebenswerk begonnen; die Ausgrabung eines riesigen Nuraghenkomplexes, einer richtigen Bastion. (der Nuraghe auch übersetzt wie hier, als prähistorischer Turmbau)

Gestaltet ist so eine Anlage aus großen Basaltquadern, Mergelstein und Granit. Heute weiß man, dass diese große Festungsanlage in dem langen Zeitraum von 1.800! Jahren entstanden ist. Sie besitzt einen dreistöckigen 19 Meter hohen zentralen Turm (Mastio) und gilt als eines der wichtigsten prähistorischen Denkmäler der Welt.

1997 wurde daher das ganze Areal von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Heute ist der Komplex unter dem Namen ´Su Nuraxi Barumini´ bekannt.

Nuraghen, also die typischen Steinrundbauten der Nuragher, sind verschieden gestaltet; als einfache Hütte, bis hin zu wirklich gigantischen Festungsanlagen mit einem großen Mittelturm, Innenhöfen und mehreren hohen Türmen an den Außenkanten. Diese einzelnen, ebenfalls hohen Eck– oder Aussichtstürme sind durch massive, hohe oval kurvige Mauern verbunden. (Kurtine) Sie wurden benötigt, um eine bessere Standfestigkeit für diese großen, runden, voluminösen Türme zu erzielen und dienten gleichzeitig als Verbindungsweg von Turm zu Turm. Auch heute noch stehen diese Anlagen oft an strategisch günstigen Stellen im Landschaftsbild. Wichtige Straßen führen manchmal nur knapp an ihnen vorbei.

Die Grundrisse solcher großen Anlagen sind von eher schlichten runden oder elliptischen Formen bis hin zu drei bis vierkleeblattartigen Umrissen oder sogar bis zu fünfeckigen Blütenformen gestaltet und ausgebaut.

Die unteren Mauerabschnitte sind meist eher grob und unregelmäßig mit sehr großen Steinquadern gestaltet, je höher die Mauer wird, umso aufwendiger wurden die Steine aber bearbeitet. So konnten sie möglichst passgenau und statisch stabilisierend aufgelegt und gestapelt werden. Besonders zu beobachten ist dieses aufwendige Arbeiten bei Durchgängen und Fensteröffnungen oder Nischenabschlüssen.

In den frühen Zeiten und Anfängen der nuraghgischen Architektur finden wir nur spitz zulaufende, gekrümmte und gebogene Formen, so wie es die Natur den Menschen damals gezeigt hat. Dementsprechend sind alle Nuraghen gerundet, entweder kreisrund oder elliptisch, angelegt.

In die dicken Mauerwände sind größere und kleinere Löcher ausgespart. Sie bilden große Zimmer, Kammern oder auch kleinere Nischen. Die Entwicklung der oberen Abschlüsse dieser Hohlräume vollzog sich über Jahrhunderte. Von einer frühen spitzzulaufenden Form, die dadurch sehr viel Raumhöhe benötigte, ging die Entwicklung über ogivale Rundungen und Rundbögen, um schließlich zu der späteren genialen Lösung der Trapez- und Rechteckformen zu kommen. Diese Variante, die nur mit Hilfe von Stürzen durchgeführt werden kann, ermöglichte eine weit geringere Raumhöhe.

Diese Veränderung von einer eher Eiform zur Trapezform und Rechteckform der Zimmer- und Durchgänge zeugt von einer hohen Baukunst, die Facharbeiter in diesem Gebiet vermuten lassen, so die Wissenschaftler. Es ist schon sehr verblüffend, mit welchen Fertigkeiten solche Steintürme rund nach oben hin verjüngend gebaut wurden; ohne eine zusätzliche Haltemöglichkeit zu nutzen. Einzig lose Steine wurden ohne jede weitere Verbindung oder Halterung passgenau aufeinandergestapelt, eine wirklich grandiose statische Leistung der Baumeister.

Wie die Nuragher ihre Bauten und sich selber nannten, ist leider nicht überliefert, da sie keine Schriften hinterließen. Wissenschaftlich ist bis heute nicht geklärt, ob die aufwendigen Steinarbeiten eine Gemeinschaftsleistung und freiwillig waren, oder durch Zwangsarbeiten zu Stande kamen. Möglich wäre auch, dass es Resultate von speziellen Handwerkern und deren Mitarbeitern waren, für deren Versorgung dann die anderen Menschen durch Nahrung und Kleidung zu sorgen hatten.

Im Mittelpunkt solch einer Festungsanlage bzw. Bastion steht der großer Hauptturm in der Mitte der Anlage, der über 20 m hoch sein kann und in Tholosform gebaut ist; ein sogenanntes falsches Gewölbe bzw. Kraggewölbe.

Diese Deckenvariation wird komplett aus Steinen in der Technik des Auskragens gestaltet. Hierbei ragen die Steine der jeweils oberen Reihe etwas in den Innenraum hinein, wie ein Vorsprung. Dadurch verringert sich der fortlaufende Umfang des Innenkreises von Reihe zu Reihe. Dieses Verengen der Steinreihen wurde so lange fortgeführt, bis schließlich der Innenkreis fast geschlossen war.

Dafür konnte eine Höhe von 11-21 m nötig sein. Die Mitte dieser Kuppeln weist meist eine kleine Öffnung (zur Lüftung) auf, die mit Ästen und Blätter leicht abgedeckt wurde, oder es ist ein symbolischer Setz– oder Schlussstein eingefügt, der aber keinerlei statische Bedeutung hat. Die Bauweise dieser Gewölbe ließ zu, dass jede einzelne Reihe in sich sehr stabil und statisch fest war, man konnte also auch während der Bauphase auf den äußeren Reihen umhergehen.

Die oberen Ebenen werden durch eine Wendeltreppe, die innerhalb der dicken Außenmauer verläuft, erreicht. Zimmer, Balkone oder Wehrgänge schließen an den Treppen an. Die Türme enden häufig mit einer Terrasse, die über die Turmmauern hinaus ragen und auf Steinkonsolen ruhen. Die auskragenden Brüstungen, gebaut auf Granitpechnasen, schließen mit einem Geländer ab.

Alle Mauern sind, wie schon gesagt, trocken verlegt, also ohne Mörtel oder Bindemittel. Die Dicke solch einer Mauer kann in Bodennähe bis zu 4,50 – 6,00 m bei Festungen und Bastionen betragen, einfache Wohnhäuser kommen mit einem bis zwei Metern Mauerdicke aus. Um eine stabile Mauer zu errichten, wurden zwei Steinreihen aus sehr großen, groben Steinbrocken in einem gewissen Abstand parallel gelegt. Der dazwischenliegende Hohlraum wurde mit kleineren Steinen und Schutt sorgfältig aufgefüllt. Je höher gebaut wurde, umso schmaler wurde die Wanddicke. Sie muss sich nach oben hin verjüngen, aus verständlichen, statischen Gründen.

Die kleineren Hütten besaßen nur einen Raum und waren innen häufig mit Lehmputz ausgekleidet. Kork wurde in die Zwischenräume der Mauern gestopft, um mögliche Zugluft auszusperren. Zusätzlich sorgten geflochtene Matten, Vorhänge und Felle für Behaglichkeit.

Die Dachgestaltung der runden Hütten, die auf den Mauern etwa in Kopfhöhe begann, war eine zeltartige Konstruktion aus vielen, langen Baumstämmen, die mit Binsen und Blätterwerk abgedeckt und verflochten wurde.

Eine weitere Gruppe der typischen steinernen und massiven Zeitzeugen der Nuragher sind die Gigantengräber (Tomba di Giganti). Sie bestehen aus einem langen überdachten Gang, abgedeckt durch riesige Steinplatten und schließen mit einer besonderen Fassade ab. Zwei Steinreihen bilden die Form eines Horns (Symbol des Stiergottes im Himmel). In der Mitte direkt vor dem langen Gang steht eine gewaltige ovale Steinstele. Mit einer kleinen obligatorischen Öffnung an ihrer Basis ergänzt sie das typische Bild der Gigantengräber.

Die dritte wichtige Gruppe der architektonischen Überreste bilden die Brunnenheiligtümer, (pozzo sacro). Auch heute noch kann man diese einzigartige Atmosphäre spüren, die von ihnen ausgeht. Ihre Bauweise ist so raffiniert und gelungen, dass ein achtsames, langsames Hinabsteigen der Stufen uns auch heute noch verzaubern kann. Dieses Gefühl wird dadurch verursacht, dass die Stufen nach untenhin immer schmaler werden und ein Gefühl der Enge und Kleinheit entsteht. Gleichzeitig ist die Dachkonstruktion so gestaltet, das sie immer größer und breiter erscheint, als wenn der Himmel sich öffnen würde. Nach untenhin Enge nach obenhin Weite.

Die Blütezeit der Nuraghenkultur war die Bronzezeit; Wissenschaftler datieren sie für Sardinien ungefähr von 1.800/1.600 – 850 v.Chr. Es war eine Periode bemerkenswerter technischer Vielfalt. Fortschritt und Zunahme handwerklicher Produkte ermöglichte den Clans Reichtum und Macht. Aus der gruppenorientierten Arbeitsweise entwickelten sich später mehr und mehr individuelle Leistungen des Einzelnen. Diese traten in späteren Zeiten immer stärker in den Vordergrund.

Aber wie können wir uns heute ein Leben zu dieser weit zurückliegenden Zeit vorstellen? Natürlich gab es im Vergleich zu heute weit weniger Menschen auf dieser Insel. Wissenschaftler haben an Hand der noch ungefähr 7000 Steintürmen bzw. Ruinen, die bis heute noch auf der Insel zu bestaunen sind, eine Einwohnerzahl von 210.000 bis 245.000 Menschen in der Periode der Blütezeit für ganz Sardinien ermittelt. Cagliari, die heutige Hauptstadt ganz im Süden von Sardinien, zählt zurzeit 154.000 Einwohner und das ist nur eine von mehreren großen Städten auf der Insel.

Zumeist waren die Gemeinschaften eine Weide- und Ackerbaukulturgesellschaft mit Spezialisierung in Handwerk und Kunst. Angebaut wurden verschiedene Weizenarten und Gerste für Fladenbrote und Gebäck; dazu noch verschiedene Hülsenfrüchte, wie Saubohnen, Erbsen und Linsen. Zum Speiseplan gehörten aber auch Maronen, Eicheln, Früchte, Mandeln und auch Weinstöcke konnten die Archäologen bestätigen.

Zu einer Gemeinschaft zählten natürlich auch Jäger und Krieger mit ihren wichtigen Aufgaben. Aber auch Spezialisierungen einzelner Berufe wie Händler, Bergmann, Gießer von Metall, Töpfer und natürlich die Steinarbeiter waren wichtig.

Die Fertigkeit, mit Hilfe von Wasser und Feuer die riesigen Steine zu teilen oder zu schneiden und passgenau in die entsprechenden Mauerreihen für ihre aufwendigen Bauten einzufügen, wurde immer geschickter. Nicht zu vergessen die Zimmerleute, die nicht nur Kochlöffel, Hocker, Kisten, Tischchen oder auch Bettgestelle zimmerten, sondern auch verantwortlich für die erforderlichen Hebelanlagen und Gerüste für einen Nuraghenbau waren.

Im gesamten Mittelmeerraum wurde zu dieser Zeit schon rege Handel getrieben. Die Bronze der Nuragher war sehr begehrt, aber auch der Flachs mit seinen langen Stängeln und blauen Blüten waren sehr berühmt. (lino sardonicum). Die Ägypter benutzten die Fasern für ihre Binden, mit denen ihre Leichname aufwendig mumifiziert wurden.

Die Handwerker der Nuragher waren sehr geschickt in der Verarbeitung von Bronze. Sie besaßen eine hohe Fertigkeit Werkzeuge und Waffenklingen in großer Formvariation zu gießen. Darunter waren Schwerter, Dolche, Äxte, Klingen, Lanzenspitzen, Pfeilspitzen, Hacken und Beile. Aber auch Helme, Panzerteile und Protektoren oder Messerklingen und Rasierer wurden schon in verschiedenen Qualitäten gefertigt. Griffe, Nägel sowie Knöpfe und Fibeln etwa wurden sehr fein und kunstvoll gearbeitet.

Eine große Anzahl kunstvoll gestalteter und bearbeiteter Schmuckstücke, wie Ringe, Ketten, Ohrringe, Armreifen und Broschen, wurden ausgegraben. Sehr große Beachtung fanden die gefundenen Miniaturstatuetten (Bronzetti), die als Opfergaben dienten und in großer Zahl bei den Brunnenheiligtümern entdeckt wurden. Sehr filigran stellen diese kleinen Bronzestatuetten viele verschiedene Berufe der Menschen in ihren unterschiedlichen Kleidungen dar. Auch verschiedene Tiere und kleine Schiffchen oder Barken sind unter ihnen zu finden.

Die Töpferkeramiken waren zum Teil sehr aufwendig gestaltet. Der Ton selbst wurde beispielsweise wie geflochtene Körbe auf der Außenseite gestaltet. Oder es wurden andere Materialien in die Tongefäße mit eingearbeitet. Mit Hilfe von Stempeln wurden geometrische Muster mit Kurven, Dreiecken oder Zickzack in den Ton gedrückt und später bemalt. So sind auch Töpfe mit Füßen, verschiedenen Henkeln, Schalen, Siebe oder Vasen mit und ohne glockenförmigen Abschlüssen hergestellt worden.

Die Materialien der Umgebung, wie Binsen oder Hanf wurden verflochten und zur Herstellung von Seilen, Körben, Käfigen und Fischernetzen benutzt. Auch Fallen konnten aus den Fasern zusammengeknüpft werden. Der vielseitige Kork der Korkeichen diente nicht nur als Schutzpolster für die Hand- und Schienbeinschoner oder als Futterschutz unter den Helmen für die Köpfe der Krieger; aus ihm wurden auch Gefäße zum Aufbewahren von Flüssigkeiten wie Milch hergestellt.

Die Frauen scheinen ähnliche Rechte wie die Männer gehabt zu haben. Zu dieser Ansicht kommen die Wissenschaftler, weil weibliche Figuren von einem gewissen Ansehen innerhalb der Darstellungen der Bronzestatuetten gefunden wurden. Einige Forscher sprechen sogar von Priesterinnen.

Zu dieser Zeit trugen die Frauen lange Tuniken aus Leder, gewebter Wolle, Filz oder Leinen mal bis zum Unterschenkel mal bis zum Fuß. Darüber wurden Umhänge mit Kragen oder Kapuzen getragen, die mit verschiedenen Verzierungen bedruckt waren. Oder sie waren mit Bordüren geschmückt oder auch aufwendig in Falten gelegt und in unterschiedlicher Länge zu bewundern.

Die Weberei war, wie vermutet, die Arbeit der Frauen. Jede Frau musste die Teppiche, Wandteppiche, Decken, Stoffe für Kleidung oder auch für Satteltaschen herstellen. Die Stoffe wurden mit einem vertikalen Rahmen gefertigt und mit verschiedenen Farbtönen und Schattierungen gewebt. Die Hirten züchteten extra besondere Ziegen und Schafe für die Nachfrage der verschiedenen Fellfarben.

Zum Färben und bemalen waren folgende Farben bekannt: Weiß, Gelb, Grau, Schwarz, Rötel, Violett, Hellblau, Beige, Rot, Braun und Grün. Besonders kostbar war das seltene Safrangelb, hergestellt aus einer speziellen Krokusart.

Die Kleidung der Männer bestand aus einem überlappenden Lendenschurz in unterschiedlicher Länge, meist jedoch bis oberhalb vom Knie. Darüber trugen sie eine Art Hemd oder Tunika und verschieden lange Umhänge, die mit Armschlaufen auf der Innenseite versehen waren, die Vorläufer unserer Ärmel heute. Zusammengehalten waren die Umhänge mit Fibeln, Knöpfen oder Lederbändern, ebenso mit Ketten und aufwendig gestalteten Broschen.

Die Ausstattung der verschiedenen Krieger dagegen war wirklich sehr aufwendig. Helmformen mit so vielen unterschiedlichen Ausführungen wurden gefunden. Von einfachen Kappen in ganz unterschiedlichen Formen und Falten bis hin zu Helmen mit Stierhörnern, gebogen entweder nach oben, vorne oder hinten. Sogar Helme mit langen spitzen Antilopenhörner, die aus Afrika stammen, wurden gefunden.

Je nach Kampf- oder Wurfwaffe waren die Krieger mit verschiedenen schützenden Rüstungen und vielen beweglichen Schonern ausgestattet. Außer den häufigen Waffen wie Pfeil und Bogen, Speere und Lanzen benutzen die Krieger auch große Schilde, in denen auf der innenliegenden Seite selbst noch bis zu 4 Schwerter eingesteckt waren.

Sehr abhängig waren die Einwohner in dieser frühen Zeit natürlich von den Naturgewalten und Naturgesetzen. Die Menschen konnten sich damals die Phänomene des Himmels und des Wetters ja nicht erklären und so verehrten sie verständlicherweise verschiedene Götter:

Mater – die Göttin oder Mutter der Erde, die alles Leben spendet und verwandelt, Ras - den Wassergott, ohne den kein Leben bestehen kann und Babay - den Gott des Himmels (Blitz und Donner), der in Form von Stierköpfen dargestellt ist.

Um überleben zu können, war der Kampf in dieser Zeit eine notwendige Tatsache! In den Familien oder Clans war ein bedingungsloses Zusammenhalten lebensnotwendig. Hier galt es die Familie zu schützen; das war das oberste Gebot! Erst danach kam der einzelne Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen.

Wollte ein Mensch also nicht ausgegrenzt und verstoßen werden, so musste sich der einzelne dem Willen und Wohl der Gemeinschaft unterordnen. Die Gefahren waren vielfältig, die auf einen einzelnen Menschen in der Landschaft lauerten. Niemand wagte es daher leichtsinnig und unbedacht seinen angestammten Platz in der Gemeinschaft aufs Spiel zu setzen und sich den Regeln zu widersetzen.

Abends am Lagerfeuer, wenn alle beisammen hockten, wurde nicht nur gegessen und getrunken, sondern auch erzählt und beraten. Für die Kinder war es die Schule. Die Jungen lernten von den Alten und von den Weisheiten, die in den Geschichten steckten, die in der Dämmerung erzählt wurden.

So saßen die Kinder und auch die meisten Großen in der Abendzeit um das Lagerfeuer in der Atmosphäre der Geborgenheit, hörten das beruhigende Knistern und Knacken des Holzes im Feuer, sahen den weichen Lichtschein der Flammen gegen den schwarzen Nachthimmel leuchten und lauschten gebannt.

Auf diese Art und Weise wurden die damaligen Begebenheiten von Generation zu Generation weitergetragen und manches Kind, das den Geschichten mit Aufregung und Spannung lauschte, wird wohl angefangen haben zu träumen, von den Helden und Heldentaten und fragte sich vielleicht selbst, ob es wohl auch einmal so ein Held oder so eine Heldin werden würde, später, wenn es einmal groß sei?

Das lange Dunkel

So sitzen die Kinder nun alle wieder im tiefen Dunkel um das Lagerfeuer herum und warten etwas aufgeregt auf einen alten Mann. Aber da kommt er ja schon etwas schlurfig und langsam auf das Feuer zu. Er sieht etwas gebückt aus und stützt sich auf einen langen Stock. Sein langer Umhang berührt ab und zu den Boden, als wenn er alle Fußspuren wieder verwischen wollte, die der Alte in die Erde getreten hat. Sein Gang ist langsam, fast mühevoll und eher schlurfend.

Seine wenigen, spärlichen Haare fallen locker auf die Schultern. Sein Gesicht drückt eine Art freudige Anspannung aus und seine Augen leuchten freundlich und hellwach. So schreitet er langsam einen Halbkreis am Feuer entlang und betrachtet die Kinder und die dahinter sitzenden Alten sehr aufmerksam. Er scheint zufrieden und einverstanden zu sein, denn jetzt nickt er zustimmend mit dem Kopf.

Es ist Banga einer der bedeutendsten Erzähler des Balaclans. Er ist einmal wieder an der Reihe eine Geschichte zu erzählen. Noch während er langsam weiter im Halbkreis um das Feuer schreitet, beginnt er zu erzählen.

Vor vielen, vielen Bruder Sonnenphasen fand einmal eine ganz ungewöhnliche Begebenheit statt. Zuvor war es ein Leben wie es schon viele Jahre gelebt wurde; Essbares war zu beschaffen durch Anbau von Getreide, durch das Sammeln von Früchten und durch die Jagd auf Tiere. Aber natürlich gehörte auch die Viehzucht als ein wichtiger Bestandteil der Nahrung zum normalen Leben. Das Vieh musste also gefüttert und gehütet werden und vor Dieben und wilden Tieren geschützt werden. Denn auch die Felle waren eine wichtige Ware für die Menschen. Überfälle und Angriffe von Feinden auf die Gemeinschaft mussten tapfer zurückgeschlagen werden. Eindringlinge wurden gewaltsam vertrieben oder mussten zumindest bestraft werden. Alles hatte seine wohl bekannte Ordnung.

Dann aber, als Bruder Sonne einmal schlief, geschah etwas ganz Außergewöhnliches. Nun stelle dir einmal vor, es ist finster um dich herum, du kannst nicht den feinsten Lichtschein erkennen, da ist nur Schwarz, tiefstes Schwarz und du bist eingesperrt in einem Nuraghe, der mit einem riesigen Felsblock verschlossen ist.

Der Alte versucht eine bestimmte Stimmung am Lagerfeuer herauf zu beschwören und untermalt seine Worte mit großen, kreisenden und ausholenden Armbewegungen. Dabei beugt er sich leicht vor und betrachtet seine kleinen Zuhörer mit durchdringendem Blick. Dann erst fährt er fort.

Schließe deine Augen und fühle – fühle das Schwarz! Nichts ist zu hören nur – Stille – Schwärze und Stille, als wenn alles ruhig schlafen würde. Aber! Zusätzlich ist es auch noch kalt, feuchtkalt, da kein Sonnenstrahl die inneren Steine des Nuraghe aufwärmen konnte, ist es kalt und feucht.

Stille - Finsternis – feuchte Kälte!

Banga macht eine gewichtige Pause, damit seine Zuhörer richtig nachempfinden können, wie sich diese unangenehmen, bedrohlichen Lebensumstände von Schwärze, Stille und Kälte anfühlen. Dann richtet er sich etwas auf und erzählt weiter.

Aber auf einmal hörst du dann ein Reiben und Ruscheln, das plötzlich die Stille beendet. Es ist das Geräusch, das entsteht, wenn sich jemand erhebt und seine Kleidung dabei aneinander reibt. Ein Räuspern ist zu hören und voller Aggression und Wut brüllt der jetzt Stehende laut in den schwarzen, kalten Raum hinein:

„Wieso? – Wieso haben die uns nicht gleich getötet? Seit 15 Sonnenhochständen haben wir nichts zu essen bekommen! Da kann ich bald gar nicht mehr aufstehen! Ich kann mich doch jetzt schon kaum noch auf den Beinen halten. Schlapp und schwach bin ich geworden. Wo ist meine Kraft, wo ist meine Stärke? Was soll das Ganze hier bloß? Ich verstehe nicht, warum wir alle hier hungern müssen, wieso sind wir hier? Wieso müssen wir unsere ganze Kraft verlieren?“

Bei dieser Wut in der Stimme fühlt man förmlich, wie Atiju, der Stehende, die Fäuste ballt und wild vor sich hin wedelt, als wolle er einen unsichtbaren Feind vertreiben.

„Ich will hier raus! Versteht ihr – ich habe es satt – es reicht! Ich will jetzt endlich wissen, wozu wir überhaupt hier sind! Was wollen die stummen Männer denn nun von uns? Warum reden die nicht einmal ein paar Worte mit uns? Warum erklären die uns nicht, wofür wir überhaupt hier sind? Wieso beantworten die uns unsere Fragen nicht? Was soll das Ganze? Ich will jetzt endlich eine Erklärung!“

„Wir bekommen immerhin Wasser! Noch werden wir jedenfalls nicht verdursten“, entgegnet da Atkeru nach einer kurzen Pause beschwichtigend, aber durchaus auch verzagt.

„Ja und?“ brüllt Atiju zurück „soll ich darüber vielleicht auch noch froh sein? Willst du mich gleich noch aufmuntern, indem du sagst, in der tiefsten Dunkelheit, wenn keine Orientierung möglich ist, lassen sie uns kurz raus zum Bauch entleeren? Wohw - aber ich sage dir was, Atkeru, da ist schon lange nichts mehr drin in meinem Bauch! Der ist schon lange ganz leer! Der knurrt nur noch wild vor sich hin! Der will sich schon fast selber essen!“ Immer lauter wird Atijus Stimme, bis er brüllt:

„In der Dunkelzeit draußen, ja, da können wir die Sterne sehen, die Richtung in der es nach Hause geht! Wir können aber nicht erkennen, wie es in dieser ganz nahen Umgebung aussieht, das sehen wir nicht! Es ist nicht möglich einen Fluchtweg zu erkennen. So frage ich euch: Was soll das Ganze hier also? Ich verstehe es nicht! Kein Essen und nur stumme Männer und Wasser zu trinken!“ Verzweiflung mischt sich in Atijus Stimme.

„Wird nicht normalerweise der Gegner beim Kampf getötet, wenn er unterlegen ist – und fertig? Das ist doch das normale Verhalten, das kennen wir alle! Aber, was ist das denn hier? Sie bieten mir ja noch nicht einmal die Gelegenheit zum Kampf! Nur Hocken im Dunkeln nichts zu essen, nichts zu tun! Sind die nicht ganz richtig im Kopf?“ schreit Atiju die Worte verächtlich in die Finsternis hinein.

„Wie soll ich so kraftlos kämpfen? Das ist gar nicht gut, das ist gegen die Regel! Was soll das hier alles?“ Empörung, Wut und starke Verzweiflung begleiten seine lauten Worte.

„Hör auf jetzt!“ weist ihn da eine tiefe, kräftige Stimme zurecht. „Das bringt doch auch nichts, es raubt uns nur die letzten Kräfte. Lasst uns lieber überlegen, mit welchen Gegnern wir es zu tun haben. Meinst du etwa, wir machen uns nicht ständig Sorgen und Gedanken über unsere Lage, Atiju? Ja, in der Tat, es ist wirklich sehr ungewöhnlich, dass wir noch am Leben sind, da stimme ich dir absolut zu! Unsere Lage ist wirklich sonderbar. Aber, überlegt doch mal, wenn die stummen Männer uns wirklich töten wollten, hätten sie das nicht längst getan? Wenn sie unseren Tod wollen, wozu dann so lange warten? Das ergibt doch auch keinen Sinn!

Schaut doch nur zurück, wie unsere Gefangennahme geschah! Ich muss die ganze Zeit darüber nachdenken. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass das eine ganz wunderliche Tat war, denn seht - kein Blut ist geflossen - kein Schrei warnte oder überbrachte eine Botschaft nach Hause.“ Und wie mit einem ungläubigen Kopfschütteln in der Stimme fährt Aurel fort:

„Unser Oberhaupt, dein Vater Amitu, vermisst uns ja noch nicht einmal, weil ja jeder glaubt, dass wir auf Steinesuche sind. Die ganze nächste Bruder Sonne Phase wird uns niemand vermissen. Das ist doch einfach nur unglaublich! Was für ein großer Vorteil für die Ergreifer. Aber was haben sie mit uns vor? Das verstehe ich genauso wenig wie ihr“ und mit einem tiefen, traurigen Seufzer fährt er noch fort:

„Ich habe geschworen auf dich aufzupassen, Amitu! Was wird allein mit mir geschehen, selbst, wenn wir wieder freikämen? Welche Strafe würde dein Vater für mich haben? Ich habe Aumi zugesichert auf dich Acht zu geben, damit dir nichts geschieht, und jetzt so was hier! Das wird er mir nie verzeihen, dass ich dich nicht besser beschützt habe!“ „Oh Aurel nein - keine Strafe für dich! Dafür werde ich sorgen! Du gibst mir hier schließlich Zuversicht, obwohl auch meine körperliche Kraft völlig verschwunden ist! So schlapp und kraftlos habe ich mich noch nie gefühlt. Aber ohne dich wäre ich schon längst aus Verzweiflung andauernd gegen die Wand gerannt, hätte mir den Kopf aufgeschlagen oder sonst noch was angetan. Wir können hier nicht fliehen und nach Hause zurückkehren, was schrecklich ist. Aber du passt auf mich auf, damit ich mir nicht selber etwas antue und dadurch unverletzt bleibe.“ antwortet auch Amitu traurig. Etwas hoffungsvoller fragt er dann weiter:

„Aber Aurel, wenn du sagst, es war eine wunderliche Tat, dieses Wegschleppen von uns, dann war das doch keine zufällige Tat! Oder? Dann war sie doch geplant, sie war vorher ausgedacht? Ja? Denn hier war ja schon alles vorbereitet, das Wasser hier drinnen und der Stein vor dem Eingang! Und ist dann die Zeit hier auch geplant, damit wir unsere Kräfte verlieren? Wir werden wohl nicht verdursten, also werden wir nicht sterben? Aurel – werden wir nicht sterben? Atiju, Atkeru, Assa, wir werden nicht sterben! Hört ihr? Wir werden nicht sterben!“ Mit fester Stimme versucht Amitu sich Mut zu machen. Er ist doch noch so jung! Was für ein Leben wartet auf ihn, den Sohn des Clanoberhauptes. Er muss nur überleben und nach Hause zurückkehren!

„Wenn wir nicht sterben sollen, was sollen wir hier dann?“ fragt nun Atkeru neugierig und etwas aufgeregt in die dunkle Runde. „Wir scheinen ja dann für irgendetwas nützlich zu sein? Aber wofür? Was meint ihr dazu? Mir fällt dazu im Augenblick gar nichts ein!“

„Wir nützlich?“ verächtlich ruft Atiju die Worte zurück und lässt sich wieder auf den Boden gleiten. „Nützlich, wir Steinearbeiter? Wozu sollen wir denn nützlich sein, außer zum Steine-bearbeiten? Wozu dann der Kräfteverlust – so kraftlos kann ich doch keine Steine bewegen! Das ergibt doch alles keinen Sinn! Das ist hier alles so merkwürdig. Nützlich wäre ja wohl eher nur Amitu als Sohn des Oberhauptes. Vielleicht wollen die Mistkerle hier viele Waren von deinem Vater für dich, Amitu, zum Austausch und dann kannst du wieder nach Hause gehen. Aber wir? Wer soll denn für uns Waren zum Austausch geben? Nein, ich sage euch, wir sind verloren! Es wird ein übles Ende nehmen mit uns!“

„Atiju – es reicht jetzt! Halt endlich den Mund! Hör auf mit deinen miesen Worten - du - ach halt einfach den Mund! Dieses Gerede hilft uns hier jetzt gar nicht!“

„Wieso? Du willst wohl nicht die Wahrheit hören, oder wie? Was glaubst denn du Aurel, wie es für dich hier endet? He? Los sag´ mal was. Und du Atkeru, was ist deine Meinung, erzähl mal! Was glaubst du denn, was hier vor sich geht?“

„Ach- lass mich! Ich muss die ganze Zeit an meine Familie denken“, erwidert Atkeru traurig. „Die zu Hause wissen ja noch nicht einmal, was mir hier passiert ist. Sie glauben ja, wir suchen den Setzstein. Ich verhungere hier und sie wissen noch nicht einmal etwas davon! Ja – gut, vielleicht ist das sogar besser für sie. Sehr wahrscheinlich ist es sogar besser so. Aber ich hätte mich gerne noch von ihnen verabschiedet und wäre nicht so einfach aus ihrem Leben verschwunden.“

Danach hört man nur noch ein paar tiefe, seufzende Atemzüge, aber geredet hat keiner mehr. Die Gefangenen sitzen vielmehr eingesunken auf dem kalten Boden und versuchen zu überleben.

Banga, der Alte hält kurz inne. Er holt selber erst einmal ganz tief Luft, richtet sich dann wieder etwas auf und fährt er fort:

Ja, nun stelle dir das wirklich einmal vor, seit 15 Sonnenhochständen sitzen diese fünf Männer nun schon in der Dunkelheit! Die klamme Kälte verzehrt sie zusätzlich. Die Körper sind schon total geschwächt und eingefallen. Die Ungewissheit, wie es mit ihrem Leben weitergehen wird, lässt sie fast verrückt werden. Durch den versperrten Eingang und das Dach dringt nur in der Hellzeit etwas Dämmerlicht herein, aber gerade so viel, dass lediglich schemenhaft die anderen Männer zu erkennen sind. Trübsal und Niedergeschlagenheit senkt sich über sie. Eine so lange Periode im Dunkeln lässt sich nur sehr schwer überstehen!

Aber, glaubt mal nicht, dass die Gesellen untätig gewesen wären. Oh nein! Während der langen Dauer ihrer Gefangenschaft haben die Insassen alles unternommen, was möglich war, um auszubrechen.

Zuerst haben sie für eine lange Zeit versucht in der Dachbebauung Äste oder Befestigungsbänder oder wenigstens Blätter zu lösen. Sie wollten versuchen ein kleines Loch zu puhlen, dass dann stetig größer werden würde. Aber irgendetwas muss noch über dem üblichen Blätterdach gebaut oder gespannt worden sein. In der Dunkelheit ist es für sie nicht möglich gewesen, dieses richtig zu erkennen. Auch sind die Stützhölzer des Dachaufbaues sehr viel enger gesetzt als normaler weise üblich.

Es ist ihnen also nicht gelungen ein Loch zu öffnen. Und um überhaupt an die Dachbaumstützen zu gelangen, müssen sie sich ja gegenseitig hochstemmen und hochhalten. Doch dazu fehlt ihnen bald jede Kraft.

Auch die Möglichkeit am Übergang von der Steinmauer und den Dachholzstützen etwas zu verändern, müssen sie bald enttäuscht aufgeben! Jeden einzelnen Holzstab haben sie sorgsam mit ihren Händen geprüft, aber alles ist so fest mit den Maurersteinen verkeilt, dass ein Lockern oder Lösen mit den bloßen Händen nicht möglich ist.

So bleibt als letzte Möglichkeit nur noch die Steinmauer als Fluchtmöglichkeit, was ja an sich schon eine absurde Absicht ist, als wenn es hier eine Möglichkeit für einen Ausbruch gäbe! Es ist aber nun so, dass dieser Nuraghe innen nicht mit Lehm verputzt ist und die Hoffnung auf Erfolg und die lange Zeit des Nichtstuns haben die Insassen dazu verleitet, aufmerksam mit den Händen jeden einzelnen Stein, jede Ritze und jedes kleinste Loch sorgsam abzutasten. Das sind ihnen gut vertraute Handlungen und darum haben diese Arbeiten sie für eine lange Weile abgelenkt von ihrer so hoffnungslosen Situation.

Unter den Gefangenen ist Aurel, der Baumeistersohn des Amatsuclans aus den Bergen, drei weitere Steinarbeiter und der Sohn des Amatsuclanoberhauptes Amitu.

Die Fünf haben wohl die Hoffnung gehabt, kleine Steine aus der Innenmauer zu lösen, um sie umformen zu können zu Werkzeugen. Darum sind sie voller Hoffnung ans Werk gegangen und haben mit ihren Fingern sorgsam jeden Stein und jede Ritze der kompletten mannshohen Innenwand abgetastet. Aber sie haben nicht die geringste Möglichkeit gefunden, einzelne Steine zu lösen!

Sehr schnell ist ihnen entmutigt klargeworden, hier waren erfahrene Steinarbeiter am Werk gewesen, die Steine waren gut ausgewählt und sorgsam dicht an dicht aufgestapelt.

Als allerletzte Möglichkeit bleibt also nur noch der Türstein. Aber damit haben sie es erst gar nicht versucht. Ohne Hebel wären sie nie in der Lage gewesen, diesen mächtigen Stein zu versetzen! So müssen sie enttäuscht alle Hoffnung aufgeben, aus diesem Nuraghe fliehen zu können. Es bleibt für sie nur das trostlose Abwarten.

Und nun stelle dir das wirklich einmal vor, sie sitzen verlassen im tiefschwarzen Dunkel, in der Stille und Kälte und da gibt es nur noch – Warten! Keine Hoffnung auf ein gutes Ende bleibt noch übrig, und es ist doch so schwer ohne jede Hoffnung in der Dunkelheit überhaupt weiterzuleben.

Und schon gesellt sich zu ihnen diese tiefe, quälende Ungewissheit, die das Gemüt ganz zerreiben kann! „Was soll das hier? Warum bin ich hier – noch eben lebendig, aber schon so sehr geschwächt? Was wollen die stummen Männer von mir? Wieso lassen die meine Kraft so verschwinden? Warum reden die kein einziges Wort mit uns, egal was wir sie auch fragen? Das ist so gemein! Was wird nur aus Frau und Kind? Was wird aus meinen Eltern? Wie lange wird dieser Zustand hier noch andauern?“

Kleine Wünsche werden aus dieser jetzigen, düsteren Lebenslage geboren nach etwas Sonnenlicht und Wärme! Wie glücklich wären die Gefangenen, wenn sie nur ein bisschen Sonnenlicht und Wärme auf ihrer Haut fühlen könnten! Das tröstende, helle Sonnenlicht, dass Hoffnung auf Besserung versprechen kann.

In so ausweglosen Lebenszuständen ist es verständlich, dass die Menschen sich an höhere Wesen wenden und so versuchen auch die fünf Gefangenen mit den Göttern zu reden.

Sie beten zu Mater, der Göttin oder Gottmutter Erde, die alles Leben gibt. Mater, die Göttin, die in der Lage ist, alles zu verwandeln. Sie erbitten ihre Unterstützung, damit sie aus ihrer misslichen Lage eine lebensfreundlichere wandeln möge.

Auch zu Ras, dem Wassergott, der alles Leben erhält, sprechen sie Gebete. Möge er ihre Leben erhalten, unversehrt, damit sie zurück zu ihren Familien gehen können.