Das Buch für den trüben verregneten Tag und für Nuraghenfreunde Teil 2 - Anli Sa - E-Book

Das Buch für den trüben verregneten Tag und für Nuraghenfreunde Teil 2 E-Book

Anli Sa

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Beschreibung

Der zweite Teil dieses Nuraghenromans erzählt die spannende Geschichte von Mosch und dem Moruschclan zu ende. Haben die Helden die Möglichkeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen, oder resignieren sie vor den Lebensumständen, in die sie geraten sind? Banga, der alte Erzähler wird wie versprochen am Lagerfeuer in seiner gewohnten Art und Weise den Kindern diese spannende Geschichte weiter erzählen.

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für alle Menschen, die sich trauen auch

einmal ganz neue und ungewohnte

Gedanken aufzunehmen

Liebe Leserin – Lieber Leser

Schön, dass Sie oder du wieder dabei sein möchtest, um am Lagerfeuer gemütlich Platz zu nehmen und der Geschichte von Maurel und Mosch weiter zu lauschen. Der alte Geschichtenerzähler Banga wird in dieser neuen Phase von Bruder Sonne all sein Wissen weitergeben, was er über den Moruschclan aus den Überlieferungen her weiß. So können auch wir in die weiteren Abenteuer des Moruschclans eintauchen.

Wenn Ihnen oder dir der alte Erzähler Banga jedoch noch nicht bekannt ist, so bitte ich freundlich zuerst den ersten Teil der Geschichte zu lesen, denn ohne das benötigte Vorwissen, wird dieses Buch eher unverständlich bleiben.

Vielen Dank

Inhaltsverzeichnis

Das Paar

Der Vorfall

Wer war es?

Besuch

Vorbereitungen

Aufbruch

Warten

Alarm

Hin und Her

Her und Hin

Bewegte Zeiten

Versammlung

Durchatmen

Zerwürfnis

Frauenwahl

Erzählfreie Zeit

Namensverzeichnis Teil 2

Amatsuclan

Aumi

Clanoberhaupt/Häuptling

Amitu

Häuptlingssohn

Aurel, Maurel

Baumeistersohn

Atiju

Steinarbeiter

Atkeru

Steinarbeiter

Assa

Steinarbeiter

Afare

Frau von Aurel

Asuri

Schäfer

Anila

Frau von Atkeru

Moruschclan

Mosch

Clanoberhaupt

Misra

Krieger – Bote

Morasch

Krieger, Schild + Schwert

Menaki

Krieger, Schild + Schwert

Minjo

Krieger, Schild + Schwert

Matus

Pfeil + Bogen

Mimo

Pfeil + Bogen

Muno

Pfeil + Bogen

Meku

Lanze + Speer

Mesuli

Lanze + Speer

Mobuso

Lanze + Speer

Milla

Beil

Muto

Dolch

Marun

Zimmermann

Marida

Steinarbeiter

Minu

Steinarbeiter

Mukusch

Steinarbeiter

Mudan

Vater von Mukusch

Muschin

Schäfer

Masuri

Ausbilder

Masum

Wache/ Krieger

Molira

Wache/ Krieger

Matep

Wache/ Krieger

Misaro

Wache/ Krieger

Danuge

Schamane

Domsa

Schamenoberhaupt

Frauen

Marinuta

Mabena

Medara

Mefira

Mijeta

Mekari

Manira

Götter

Babay

Gott im Himmel Stierkopf Darstellungen

Mater

Göttin der Erde

Ras

Wassergott

Balaclan

Banga

bedeutender Erzähler

Bula

Kind

Banuto

Kind

Das Paar

Wie versprochen kehrt Banga, der alte Erzähler, in der neuen Phase von Bruder Sonne zu den Kindern ans Lagerfeuer zurück. Und wie es so seine Art ist, nähert er sich etwas schlurfend und langsam dem Feuer.

Bula, ein kleiner Junge kommt ihm schon ganz aufgeregt entgegengelaufen und verkündet atemlos:

„Banga, ich habe das Freundschaftsritual mit Banuto durchgeführt, aber, weißt du, wir haben uns gar nicht gedreht! Kein bisschen – nichts!“ Enttäuschung und Trauer spiegeln sich auf Bulas kleinem Gesicht. Der weise, alte Erzähler wackelt daraufhin nur leicht mit dem Kopf, hebt seinen Zeigefinger unter das Kinn des Jungen und zieht so das kleine Gesicht zu sich in die Höhe. Enttäuschte, trotzige Augen schauen hinauf zu Banga.

Nun, Bula, ich fürchte, du warst noch nicht offen genug gegenüber Banuto, kann das sein? Warst du denn überhaupt mutig genug? Hattest du denn gar keine Angst? Keine Mauer darf zwischen euch stehen! Keine Zweifel oder Ängste dürfen in dir sein! Die Beteiligten müssen ihr Herz weit öffnen und sich ganz hingeben können. Aber, selbst wenn dein Versuch noch nicht zu dem erwünschten Ergebnis geführt hat, so hast du doch etwas Wichtiges gelernt, nämlich, dass es gar nicht so einfach und leicht ist, sein Herz ganz weit zu öffnen. Nicht wahr? Ohne Vorbehalte und ohne etwas von sich selber verstecken zu wollen muss man vor seinem Freund stehen. Dieses Ritual kann nicht gelingen, wenn du versuchst etwas zurückzuhalten oder zu verstecken! Du hast aber nun, unterstützt durch deine eigene Erfahrung, die Möglichkeit zu erkennen, dass unsere Helden wirklich sehr mutig und ganz offen gegenüber dem anderen waren. Nicht wahr?

Maurel hatte in seiner Lebenslage nichts mehr zu verlieren, darum konnte er sich voll Vertrauen auf Mosch einlassen. Das Clanoberhaupt war zu diesem Zeitpunkt so zufrieden überzeugt, dass jetzt im Dorf alles wieder gut laufen würde, dass er sich schließlich auch auf Maurel einlassen konnte. Sicher, Mosch brauchte etwas mehr Zeit, aber am Ende hat auch er sich völlig geöffnet. Mir scheint, dass das bei dir noch nicht der Fall war, als du das Ritual mit Banuto ausprobiert hast, oder irre ich mich da?

Etwas beschämt und traurig senkt daraufhin Bula seinen Kopf wieder und erwidert kleinlaut: „Nein – da war ich wohl doch noch nicht so mutig, obwohl ich das eigentlich dachte. Ich mag doch Banuto. Er ist doch mein Freund, wir sind uns schon oft ganz nahe und hocken ja auch häufig zusammen. Aber, das scheint wohl überhaupt nicht auszureichen, oder Banga? Dann muss ich wohl erst noch mehr mit Banuto üben, oder wie geht das, Banga?“

Nun Bula, zuerst einmal weißt du jetzt, dass es noch sehr viel mehr braucht, als einen Freund nur gernzuhaben, um dieses Ritual so auszuführen, wie es Mosch und Maurel getan haben. Nicht wahr? Auch wenn dein Wunsch nach so einem Erlebnis noch nicht in Erfüllung gegangen ist, so kannst du doch versuchen, den Menschen und vielleicht besonders Banuto, deinem Freund, für kurze Zeit mal ganz offen zu begegnen, ohne jede Angst. Das beinhaltet aber auch, dass du Banuto erlaubst die Eigenschaften an dir zu sehen, die du selber nicht so schön von dir selber findest. Diese Offenheit kannst du immer mal wieder üben. Das wäre eine gute Vorbereitung für das Ritual. Aber nun wollen wir die anderen nicht länger warten lassen. Möchtest du wissen, wie es mit unseren beiden Helden weitergeht?

„Oh, ja sicher, unbedingt“, antwortet Bula da schnell und lebhaft mit dem Kopf nickend. Gut, dann setze dich zu den anderen und ich werde gleich weitererzählen.

Banga geht langsam die letzten Schritte bis zum Lagerfeuer und wartet noch ein Weilchen, bis die Stimmen der Anwesenden verstummen und Ruhe sich ausbreitet. Dann begrüßt er freundlich alle Zuhörer und schreitet wie üblich noch einmal langsam am Feuer entlang. Dabei betrachtet er aufmerksam die großen und kleinen Menschen, nickt ihnen kurz zu und beginnt dann endlich zu erzählen.

Eigentlich ist die Sonne nur wenige Male auf- und wieder untergegangen, seitdem Maurel nun im Moruschclan lebt. Für ihn selber fühlt sich das allerdings wie ein ganzes, langes Leben an, denn er musste ja ein ganz neues Leben beginnen. Alles Bekannte und Vertraute musste er hinter sich lassen und viele neue Lebensweisen kennenlernen und übernehmen. Es ist so viel geschehen – so viel – aus dem Gefangenen Aurel ist Maurel geworden, ein mit Ehren ausgestatteter Baumeister und ein wahrer Freund des Moruschclanoberhauptes. Mosch hat uns mit seinem Mut gezeigt, dass es sich durchaus lohnen kann, gegen viele Widerstände ein Vorhaben unbeirrt immer weiter voran zu treiben. Für ihn ist es erfreulicher Weise zu einem guten Ende gekommen. Er hat mit seinem eigenen Clan gestritten und sogar seine eigene mögliche Ungnade bei den Clanmitgliedern in Kauf genommen, weil er die ganze Zeitphase über so sehr davon überzeugt war, dass eine friedliche Lösung die bessere Möglichkeit für alle beteiligten Menschen seines Vorhabens ist.

Ja und Maurel? So ganz ist er in seinem neuen Leben noch nicht angekommen. Er kann aber schon erahnen, welche großen Arbeitsaufgaben jetzt vor ihm liegen. Das führt dazu, dass eine gewisse Anspannung und Vorfreude, Aufgeregtheit und auch durchaus Zuversicht in seinem Inneren anwächst.

Er hat für sich selber entschieden nur noch nach vorne zu schauen; er hat sich fast verboten zurück zu sehen, zurück zu seinem alten Leben! Er hat ja verstanden, dass es kein Zurück in sein altes Leben für ihn geben kann, in diesem Abschnitt seines Lebens. Um für sich selber besser mit seiner neuen Lebenslage umzugehen, richtet sich Maurel einen Raum in seinem Inneren ein, in dem er all seine Erinnerungen hineingegeben hat und diesen nun gut wieder fest verschlossen hält. Später einmal wird er diesen Raum wieder öffnen und all seine Erinnerungen werden frisch wieder zum Vorschein kommen, das hat er sich fest vorgenommen.

Nach der Prügelei mit Mosch fühlt er sich voller Energie und sehr lebendig. Alles wird gut gehen, ist er sich jetzt nach all den Ungewissheiten und Verwirrungen, die hinter ihm liegen, sicher. Gerade eben erst, in der letzten Dämmerung haben sie ihre Freundschaft endgültig besiegelt, er und Mosch. Maurel hat genügend blaue Flecke und Beulen als sichtbare Beweise der Prügelei auf seinem Körper zurückbehalten. Einige Stellen schmerzen sogar noch sehr heftig, aber Maurel kann trotzdem ein Schmunzeln oder Lächeln auf seinem Gesicht einfach nicht unterdrücken. Manchmal schüttelt er nur wieder ungläubig den Kopf und lacht einfach leise vor sich hin. Dieser Mosch! Dieser Mosch, aber auch!

Mosch dagegen hat sogar etwas Mühe richtig tief durchzuatmen. Sein ganzer Körper fühlt sich wie zerschlagen oder durchgekaut an. Die linke Seite seiner Brust muss einen heftigen Schlag mitbekommen haben. Dazu ziert eine sehr dicke, aufgeblähte und aufgeplatzte Lippe sein Gesicht. Sobald man Mosch ansieht, wird sofort die ganze Aufmerksamkeit auf diese dicke Lippe gelenkt. Marinuta tupft gerade behutsam eine weißliche Tinktur auf diese Wunde, schimpft dabei aber laut die ganze Zeit in einem wütenden Tonfall vor sich hin:

„Männer! Wieso könnt ihr eigentlich nicht mal Ruhe geben? Freunde? Sehen so vielleicht Freunde aus? Du jedenfalls siehst aus, als wenn du gegen eine ganze Horde gekämpft hättest! Was habt ihr euch nur dabei gedacht?“

Auf Moschs Gesicht versucht sich ein verschmitztes Lächeln auszubreiten. Es gleicht dem Grinsen eines kleinen Jungen, der zwar eine Prügelei hinter sich hat und blaue Flecke als Erinnerung mit sich trägt, der aber trotzdem viel Spaß dabei erlebt hat. Aus dem Grinsen wird aber schnell nur eine schmerzhafte Fratze, die ihn leise aufstöhnen lässt.

„Was bist du nur für ein Vorbild? Als Clanoberhaupt solltest du dich besser aufführen! Sollen sich im Clan hier jetzt alle Freunde auch so verprügeln und so herumlaufen wie du jetzt? War das wirklich nötig, musste das wirklich sein? Wieso müssen Männer auch immer raufen? Ich glaube das werde ich nie verstehen! Als wenn es nicht reicht, wirkliche Feinde in die Flucht zu schlagen – nein sie müssen sich auch noch gegenseitig heftig zurichten! Du bist doch derjenige, der hier immer nach einer friedlichen Lösung sucht! Wie passt das bitte schön zusammen? Kannst du dir vorstellen, wie du aussiehst? Ich werde es dir sagen, du siehst so aus, als wenn ein störrischer Esel nach dir getreten hätte! Aber du benimmst dich so, als wenn das eine Auszeichnung wäre!“

„Ist gut jetzt, Marinuta! Ist ja gut!“ versucht Mosch die Worte zwischen den Lippen hervor zu nuscheln. Was verstehen Frauen schon von Männerfreundschaften! Aber Marinuta hat noch viel zu viel Unmut in sich und so schimpft sie einfach weiter auf Mosch ein und lässt ihren Ärger freien Lauf.

„Na, hoffentlich sieht Maurel wenigstens nicht so entstellt aus, wie du jetzt! Ich möchte ja nicht, dass unsere Töchter Angst vor ihm bekommen. Mosch, Mosch, Mosch, wie konntest du nur! Was für eine überaus schlechte Idee, Maurel eine von deinen Töchtern zur Frau zu geben! Wirklich, du mit deinen vorschnellen Aussprüchen! Und das immer wieder!

Du hast drei Töchter – ja! Aber hast du sie auch nur einmal gefragt, was sie eigentlich davon halten einen ganz Fremden zum Mann nehmen zu müssen? Meinst du vielleicht, sie freuen sich darüber und jubeln? Wen von den Dreien wirst du nun ins Unglück stürzen? Hast du denn gar nicht an deine Töchter gedacht? Waren deine Gedanken nicht einmal dabei, wie es ihnen wohl ergehen wird, als du dir diesen unmöglichen Plan der Frauenwahl ausgedacht hast?

Sicher! Jetzt soll ich mit deinen Töchtern reden! Jetzt darf ich wieder deine vorlauten, voreiligen Bestimmungen geradebiegen und ich kann mir die Empörung unserer Töchter anhören und versuchen zu beschwichtigen! Mach´ du das doch selber! Mosch, also wirklich! Warum muss ich eigentlich immer deine voreiligen Unüberlegtheiten glätten oder wieder umwandeln in etwas Gutes? Immer muss ich deinen Mist aus der Welt schaffen! Was, wenn ich dazu nicht mehr bereit bin? Was ist, wenn deine Töchter sich weigern diesen Maurel zum Mann zu nehmen? Was ist, wenn sie da nicht mitspielen? Das wäre ihr gutes Recht! Rede doch selbst mit ihnen! Wieso muss ich das nun wieder tun? Wann hörst das endlich auf, dass du immer so voreilig und schnell bist? Ich will deine unüberlegten Beschlüsse, die du so in die Welt setzt, nicht mehr mitmachen!

Und der Gipfel des hohen Berges ist dazu noch, dass eine deiner Töchter der Mutter Erde geweiht werden soll! Wie konntest du das vergessen? Mosch, wo waren nur deine Gedanken? Ihre Ausbildung ist doch schon fast abgeschlossen! Das weißt du doch genau! Das kannst du doch nicht einfach vergessen haben? Wieso hast du nicht daran gedacht? Sie darf doch gar keinen Mann haben! Also wirklich, Mosch! Wie konntest du nur? Wo haben die Männer bloß ihre Gedanken? Kämpfen und prügeln, fällt euch eigentlich nichts anderes ein?“

Mit ihrem Kopf schüttelnd und mit drohenden Gesten untermalt Marinuta ihre ärgerlichen Worte sehr eindrucksvoll. Hoch aufgerichtet steht sie vor Mosch und schimpft sich ihren Ärger von der Seele.

„Was ist, wenn Maurel nun ausgerechnet sie erwählt? Du bringst hier schon wieder alles durcheinander und machst nur Schwierigkeiten! Ist das zu glauben? Was soll das jetzt wieder werden? Wann hört das endlich auf mit dir – du und deine Einfälle! Mosch, fast denke ich, du bist nicht der Richtige für die Position des Clanoberhauptes! Es kann doch nicht sein, dass du immer nur so viel Unruhe und Unfrieden stiftest!“

„Marinuta, Marinuta ja doch, jetzt beruhige dich mal, verstehe doch“, versucht Mosch kleinlaut zu wirken und mit seiner geschwollenen Lippe und seinen blauen Flecken, erhofft er Mitleid bei ihr zu erwecken.

„Marinuta, es reicht jetzt! Schau, ich habe dir schon ein paar Mal versucht zu erklären, dass die besagte Ratssitzung schon zu lange dauerte und dass ich eine schnelle Lösung brauchte, die Zeit drängte, ich hatte einfach keine Zeit alles bis in die letzte Möglichkeit zu überdenken, um alle Umstände mit einzubeziehen. Schau´, auch Danuge hat nicht sofort widersprochen! Ich hatte diese Tatsache tatsächlich in dieser angespannten Situation kurz übersehen! Ich habe nicht daran gedacht! Du hast ja Recht, es ist nicht richtig gewesen von mir. Aber jetzt kann ich das ausgesprochene Wort aus der Ratsversammlung ja nicht wieder zurücknehmen und auch das weißt du selber ganz genau! Was in der Ratsversammlung gesprochen wird, gilt! Und daran wird nichts mehr verändert, wenn der Rat einmal verlassen wurde.

Gesagt ist gesagt! Das weißt auch du genau! Mari komm´ schon, Mari sei doch nicht so! Höre doch mal zu! Es ist ja nicht gewiss, dass Maurel ausgerechnet sie wählt, oder? Schau´, ich kann Maurel doch einen kleinen Wink geben, so ganz nebenbei, verstehst du? Oder besser vielleicht einen klitzekleinen Wink ganz gerade heraus, oder vielleicht doch eher einen Rat unter Freunden sozusagen? Wir sind ja jetzt gute Freunde. Darum kann ich ihm doch erklären, dass ich einen Fehler gemacht habe in der Ratssitzung und er sie nicht wählen darf. Schließlich wäre das auch gar nicht gut für ihn selber, denn sie hat ja nicht für die Aufgaben der Essenszubereitung und Kleiderwartung gelernt. Was meinst du Mari?“

Mit großen Augen, auf Zustimmung hoffend, schaut Mosch Marinuta freudig an. Selber erleichtert über seinen Vorschlag für diese mögliche günstige Veränderung des Problems, versucht er einschmeichelnd seine Frau anzustrahlen, soweit das seine Lippe zulässt.

Aber entgegen seiner Vermutung blickt sie ihn nur sehr ärgerlich und böse an, stemmt die Arme jetzt drohend in die Hüften, baut sich noch etwas größer vor Mosch auf und fährt ihn wütend und laut an:

„Mosch – hör´ auf! Höre endlich auf, dich immer weiter in diese Geschehnisse einzumischen! So geht das nicht! Es reicht! Jetzt werde ich langsam richtig böse mit dir! Ich sag´ dir jetzt mal was und du hörst mir ganz genau und aufmerksam zu!“ Mit finsterem Gesichtsausdruck beugt sie sich leicht nach vorn und bohrt ihren Blick eindringlich in Moschs Augen.

„Du – Mosch, wirst dich jetzt mal eine ganze Weile aus den Geschehnissen dieses Clans heraushalten und dich zurückziehen! Hast du gehört? Hast du verstanden, was ich gesagt habe? Du hast in den letzten Sonnenhochständen für genug Unruhe im ganzen Clan gesorgt! Fast hättest du ihn gespalten! Die Menschen waren verunsichert, keiner wusste mehr, wie es weitergeht – du hast Unruhe und Zwietracht verbreitet in der ganzen Gemeinschaft! Es haben sich Lager gebildet und fast wäre ein Zerwürfnis des ganzen Clans eingetreten durch diese langen Verhandlungen wegen Maurel. Diese Zeit hat dem ganzen Clan sehr zugesetzt und darum wirst du dich jetzt erst einmal zurückhalten! Jetzt ist die Zeit, in der wir uns alle an die neuen Umstände gewöhnen müssen, ich könnte auch sagen, an Maurel gewöhnen. Auch sein Leben hast du ganz gehörig durcheinandergewirbelt und darum lässt du ihn jetzt in Ruhe! Du wirst ihm zum Thema Frauenwahl nichts sagen, kein einziges Wort über deine Töchter! Hörst du? Du wirst ihm keinen Wink geben auch nicht den klitzekleinsten! Hast du mich verstanden? Ich meine das ganz ernst! Mosch!

Höre mir gut zu! Ich verbiete dir hiermit ausdrücklich, dich in dieser Angelegenheit von Maurel in den nächsten Sonnenhochständen einzumischen! Du bist kein Gott, der alles bestimmen kann – lass´ ab! Lasse jetzt die Götter sprechen und du mein Lieber, hältst den Mund! Für dich gilt ab sofort: geschlossener Mund! Hast du mich verstanden? Geschlossener Mund! Du machst jetzt Pause und lässt erst einmal wieder Ruhe und Ordnung in diesen Clan kommen!

Du wirst dich erst recht nicht nachträglich in schon beschlossene Vorhaben einmischen! Du lässt jetzt das Leben und die Götter bestimmen! Hörst du! Ein Zuschauer des Lebens wirst du jetzt für eine gewisse Zeit sein und sehen, wie deine Entscheidungen unser Leben verändert! Ich verbiete dir mit Maurel über die Frauenwahl zu sprechen, oder auch nur zu versuchen, ihn in irgendeine Weise zu beeinflussen! Du machst ja alles nur noch schlimmer! Du schweigst jetzt – es reicht!“ „Aber, Marinuta…“ Mosch versucht auch durch Handzeichen ihren Redefluss zu unterbrechen, aber vergeblich.

„Ruhe Mosch – jetzt rede ich! Mosch - halte dich raus! Wenn Maurel sie tatsächlich erwählt – ist es nicht gut, nein, gar nicht gut! Aber wir werden dann seine Wahl wohl schweren Herzens annehmen müssen! Dann scheinen die Götter ja auch damit einverstanden zu sein! So werde ich mir jedenfalls die weiteren Geschehnisse erklären und auf die Götter vertrauen. Sie werden alles lenken und begleiten, darum werde ich ihre Entscheidungen annehmen, egal wie er sich entscheidet. Denn wenn sie zulassen, dass Maurel sie erwählt, werde ich mich fügen und nach einer gewissen Zeit auch einverstanden sein können. Denn wenn die Götter schon nichts dagegen tun und damit ja anscheinend einverstanden sind, wer bin dann ich, dass ich die Wahl nicht annehmen kann.

Nun, wenn ich dich so anschaue, überlege ich gerade, ob ich dich bis zur Frauenauswahl in der nächsten Hellzeit nicht besser begleite auf deinen Wegen und aufpasse, dass du jede Einmischung unterlässt und dich auch wirklich aus den Ereignissen heraushältst. Es ist ja nur noch eine kurze Zeit, bis dahin.“

„Nur das nicht!“ denkt Mosch entsetzt. Wie würde das denn aussehen, wenn er mit seiner Frau durchs Dorf laufen würde! Nein – soweit darf er es nicht kommen lassen! Darum widerspricht er ihr sehr schnell: „Marinuta, nein, das brauchst du wirklich nicht! Beruhige dich! Ich sage dir, ich werde nicht mit Maurel über die Frauenwahl reden und ihm auch keinen Wink geben. Hörst du?“ Aber Marinuta kennt Mosch zu gut und schaut daher nur sehr zweifelnd ihren Mann an. „So glaube mir doch, Mari! Muss ich erst schwören, dass ich Maurel auch wirklich keinen klitzekleinen Wink geben werde? Bitte glaube mir doch, was ich sage!“

„Das ist auch besser so, Mosch! Siehst du denn nicht, dass du alles nur noch schlimmer machen wirst? Denn, überlege einmal, vielleicht würde er sie dann erst recht auswählen! Stell´ dir das vor, nur weil du es nicht willst, tut er es eben extra, um dir eins auszuwischen – oder auch nicht – ach, was weiß ich denn? Vielleicht sucht er sich ja eh eine andere aus. Es muss ja gar nicht zu diesem Problem kommen. Aber wenn du nicht so vorschnell gewesen wärst, hätten wir dieses Problem jetzt überhaupt nicht! Immer bringst du alles durcheinander mit deinen schnellen Einfällen, ach Mosch!“

„Ja, ja, Mari du hast wohl Recht. Du hast sicher Recht, Marinuta, aber wir werden jetzt erst einmal abwarten und schauen, ob es überhaupt Schwierigkeiten und Verwicklungen bei der Frauenwahl geben wird oder nicht. Ja? Genauso, wie du gesagt hast. Ja? Und dann werden wir ja schon bald erfahren, wie das Ergebnis dieser Wahl ausfällt, nicht wahr? Und vielleicht haben wir uns ganz umsonst Sorgen gemacht. Die ganze Aufregung ist ja vielleicht ganz umsonst. Wir werden jetzt erst einmal in Ruhe abwarten. Mari, komm schon, es wird alles Gut werden. Es ist doch immer noch irgendwie alles gut geworden! Oder etwa nicht?“

Marinuta schüttelt nur besorgt den Kopf und beide Marinuta und Mosch seufzen gleichzeitig aus tiefsten Herzen auf, als sie auseinandergehen. Marinuta muss jetzt die unliebsame Aufgabe übernehmen, den Mädchen zu erklären, was auf sie zukommen wird und Mosch macht sich auf den Weg zu seinem neuen Herzensfreund.

Je weiter Mosch sich von Marinuta entfernt, umso fröhlicher wird er wieder. Leise redet er sich selber gut zu: „Alles wird gut werden! Warte ab, Mosch! Du kriegst das wieder hin! Ja, da habe ich wirklich die Weihung an Mutter Erde vergessen – sowas, das ist ein Fehler gewesen! Wie kann ich den nun wieder aus der Welt schaffen? Würde Mater uns zürnen, wenn sie ein anderes Mädchen zur Weihung bekommen würde? Welche Auswirkungen wird das dann erst wieder haben? Hm. Wird sie unsere Ernte vernichten, oder die Körner erst gar nicht wachsen lassen? Das kann ich doch nicht einfach hinnehmen! Wie kann ich es nur anstellen Maurel so ganz nebenbei, wie aus ganz großer Entfernung einen ganz kleinen Wink zu geben? So, so ganz hinten herum vielleicht, damit er das gar nicht richtig merkt? Nur so ganz nebenbei, so ganz versteckt? Ja, ich war wieder einmal zu voreilig, das stimmt leider, aber jetzt will ich es ja wieder gut machen und das Problem aus der Welt schaffen! Dazu muss ich irgendwie nur das Gespräch auf die Wahl lenken und dann ganz beiläufig…ja, genauso werde ich das machen. Das wird schon gehen! Nur ein klitzekleiner Hinweis an Maurel und die Sache ist hoffentlich erledigt – könnte ganz einfach werden!“ Zuversichtlich und schief schmunzelnd geht Mosch weiter Richtung großem Nuraghen.

Banga unterbricht kurz seine Erzählung und spricht die Kinder direkt an: Ja ist denn das zu glauben, da will sich Mosch also doch wieder einmischen? Obwohl es ihm Marinuta verboten hat und Mosch ihr zugesichert hat, es nicht zu tun? entrüstet sich Banga jetzt und stützt demonstrativ seine Arme an den Hüften ab und schaut dabei in die Runde. Einige Kinder lachen vor sich hin, die anderen schauen böse in die Runde. Also dieser Mosch – wirklich! Was sagt man dazu? aber dann nimmt Banga wieder seine Erzählhaltung ein und fährt mit der Geschichte fort.

Erleichtert und froh im Herzen, mit dem Gefühl alles unter seiner Beaufsichtigung zu haben, nähert sich Mosch seinem Freund. Eine friedliche Offenheit macht sich in seinem Herzen breit und er freut sich richtig Maurel zu sehen.

„Wie siehst du denn aus?“ fragt Maurel sofort, als er die dicke Lippe in Moschs Gesicht sieht. „Wer hat dich denn so zugerichtet?“ „Das muss ein störrischer Esel gewesen sein“, kommt prompt die Antwort von Mosch und schnell fangen sie einvernehmlich an zu Lachen. Dann zeigen sie sich gegenseitig ihre dicksten Beulen und blauen Schwellungen, als wenn das besondere Auszeichnungen wären. Dabei grinsen sie sich gegenseitig an, wie Verbündete. Es braucht eigentlich keine Worte zwischen ihnen, etwas auszudrücken, sie verstehen sich auch so. Aber dann berichten sie sich gegenseitig doch noch, wie sie die letzte Dunkelzeit verbracht haben und kommen so ins Plaudern. Nach einer Weile versucht Mosch dann tatsächlich ganz beiläufig zu klingen und in einem lässigen Plauderton lenkt er das Gespräch auf die Frauenwahl. Er will gerade sagen: „Ach, Maurel, was ich noch sagen wollte, nur eine Kleinigkeit…“ Aber schon wird er laut gestoppt:

„Moment mal Stopp! Stopp! Stopp Mosch!“ schnell bringt Maurel seinen Freund zum Schweigen. Befremdlich und verwundert blickt Maurel Mosch an. „Was willst du hier tun? Hast du vor die Frauenwahl abzusagen – wunderbar! Nein? Also nicht? Dann will ich kein Wort darüber hören! Erst recht nicht von dir! Hast du verstanden? Du hast gesagt, ich darf mir die Frau alleine auswählen! Erinnerst du dich nicht? Mosch guck´ mich an! Was soll das hier werden? Willst du mir etwa etwas einreden und mir Dinge sagen, die meine Wahl beeinflussen sollen? Mosch? Du willst mir doch schon eine Entscheidung in den Mund legen! Das sehe ich dir doch an, ist das dein Hintergedanke? Ha, ich darf selber auswählen! Mosch, das waren deine eigenen Worte! Oder kannst du mir da widersprechen? Also höre auf zu reden! Ich will kein einziges Wort über die Frauenwahl von dir hören! Von dir schon gar nicht! Ich will ja gar keine neue Frau! Das weißt du doch genau! Du hättest mich immerhin vorher fragen können, anstatt schon wieder über mich hinweg zu bestimmen! Wenn ich mich schon zusammentun muss, dann stehe zu deinem Wort, dass ich die alleinige Wahl habe! Ich will aus deinem Mund darüber nichts hören. Kein einziges Wort! Hörst du? Sonst werde ich ganz ärgerlich auf dich. Ich will das Ganze ja gar nicht! Kannst du das denn nicht verstehen?“

Mosch merkt sofort, dass Maurel ihn durchschaut hat! Dem kann er wohl wirklich nichts mehr vormachen! Darum erkennt er schnell, hier kann er nichts nach seinen Wünschen wieder geradebiegen! Die beiden Freunde können sich gegenseitig wohl nichts mehr vortäuschen oder sich anlügen! Es geht einfach nicht!

Darum sieht Mosch jetzt ärgerlich und kleinlaut wie ein Verlierer vor sich hin. Er fühlt sich ertappt, mehr noch, er empfindet Maurels Reaktion auch als eine Antwort oder einen Wink der Götter! Er hat ja schließlich zugesichert, sich nicht einzumischen! Darum hebt er jetzt schnell und büßerhaft den Kopf zum Himmel und grüßt Babay stumm und demütig und bittet um Vergebung. Ich wollte doch nur meinen Fehler wieder gutmachen, aber ja, ich habe verstanden, ihr Götter! Ich muss mich heraushalten! Er möchte die Götter schnell wieder beruhigen und zur Buße und Wiedergutmachung verspricht er Babay ein Redeverbot für alle Menschen im Clan anzuordnen, damit keiner mit Maurel über die Frauenwahl reden darf! Er wird die Wahl von Maurel anerkennen, egal wie sie ausgeht, das verspricht er den Göttern leise. Auch Mater, die große Göttin Erde versucht er schon jetzt zu besänftigen und verspricht ihr zu Ehren ein Ritual abzuhalten.

Nach dieser Abschweifung blickt Mosch wieder zu Maurel und zeigt ihm so, dass er gedanklich wieder bei ihm ist, darum spricht Maurel jetzt weiter:

„Mosch, jetzt mal etwas ganz anderes! Hör mal, so langsam, also eher so ganz langsam, finde ich mich in meinem neuen Leben etwas zurecht. Die Aufgabe, die Tholos zu bauen habe ich angenommen und will und werde diese Aufgabe auch übernehmen. Um aber dieses Vorhaben voranzutreiben, sind natürlich deine Männer nötig, oder besser gesagt der ganze Clan ist nötig, um zu helfen. Nur, ich kenne die Menschen ja gar nicht und sie kennen mich noch nicht. Das ist keine gute Voraussetzung für so ein Vorhaben, will mir scheinen. Darum möchte ich zu den Menschen im Clan sprechen und ihnen meine Vorstellungen mitteilen. Noch bin ich ja ein ganz Fremder für sie. Können wir nicht ein Treffen auf dem freien Platz vor der Baustelle abhalten, damit ich zu deinem Clan sprechen kann? Eine gute Zusammenarbeit braucht ja auch ein gewisses Maß an Vertrauen um so ein Vorhaben möglich zu machen! Darum müssen die Menschen mich doch erst einmal kennenlernen, was meinst du?“

„Hm, das ist ein guter Einfall! Maurel, du hast Recht glaube ich. Das wäre eine gute Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens. Ich höre daraus, dass es dir sehr eilig ist. Du scheinst so schnell wie möglich mit dem Bau weitermachen zu wollen. Gut, das kann ich gerne unterstützen. Ich hätte gedacht bis nach der Verbindungszeremonie in der nächsten Phase von Bruder Sonne voll zu warten, aber wenn es dein Wunsch ist, können wir das auch schon eher machen.“

„Ja, weißt du, mir wäre es sogar lieber, wenn es nicht nur vor der Verbindungszeremonie, sondern sogar schon vor der Frauenauswahl möglich wäre! Nun, ich habe mich ja wirklich dazu entschieden freiwillig für euch die Tholos bauen. Würde es nicht eher wie unter Zwang wirken, wenn das Treffen erst nach der Wahl stattfindet? Mein Wunsch wäre aber, dass ich frei, für mich allein mit dem Clan sprechen kann. Nicht als Anhängsel deiner Familie sozusagen.“

„Oh – gut, ja – gut! Ich verstehe, was du meinst. Aber dann bleibt ja nur noch die nächste Frühdämmerung als Möglichkeit dafür übrig! In der Spätdämmerung ist ja schon die Auswahl! Da ist nicht viel Zeit! Ja – dann, also, ja - ich werde aufbrechen müssen und alles vorbereiten lassen. Der ganze Clan sollte ja möglichst dabei sein können. Na, dann muss ich jetzt aber sofort gehen und alles anordnen. Maurel, ja gut, das ist ein guter Einfall, ich werde alles in die Wege leiten.“

So verabschiedet sich Mosch schnell und macht sich nachdenklich auf den Weg. Auf so einen guten Gedanken einer Ansprache an den Clan, ist er, Mosch, selber gar nicht gekommen. Na, er musste sich ja auch die ganze Zeit mit Marinuta rumstreiten! Aber ja, so ein Zusammentreffen findet immer mehr seinen Zuspruch, je länger er darüber nachdenkt.

Nachdem Mosch die ganzen Anweisungen und Befehle gegeben hat, die nötig sind, um so ein großes Zusammentreffen des Clans zu organisieren, ist Mosch in der Spätdämmerzeit noch einmal bei Maurel. Hier versucht er ein neues Anliegen behutsam anzusprechen:

„Da fast alle Clanmitglieder bei der Versammlung dabei sein werden, kommen auch deine Gesellen und Amitu auf den Versammlungsplatz dazu. Ich möchte dich aber bitten, sie nicht zu sehr zu beachten, damit keine Feindseligkeiten unter den Menschen entstehen, wenn einige besonders behandelt werden. Denn keiner soll sich mehr oder weniger beachtet vorkommen, verstehst du, wie ich das meine? Die Clanmitglieder sollen dich ja als einen von ihnen begrüßen, nicht wahr? Das verstehst du doch? Du wirst sicher schon bald Gelegenheit haben, allein mit den Gesellen zu reden. Meinst du, du kannst mir das zusagen?“

„Was? Was redest du da? Weißt du, wie lange ich nicht mehr mit den Gefährten geredet habe? Nur einmal habe ich sie gesehen im Tempelvorhof. Es sind immer noch meine Gefährten; meine Leidensgenossen, die den Hunger und die Dunkelheit mit mir durchlitten haben! Da verlangst du, dass ich sie jetzt nur wenig beachten soll? Wie stellst du dir das vor?

Du kannst dir sicher denken, dass ich endlich auch mit ihnen reden will! Wenn ich sie nur immer zu Gesicht bekomme, ohne eine Möglichkeit zu haben mit ihnen zu reden, schmerzt das sehr! Kannst du dir das nicht vorstellen? Wann also kann ich mit ihnen sprechen? Sie müssen ja denken, ich will nichts mehr mit ihnen zu tun haben, oder ich will sie vergessen! Oder ist das etwa dein Vorhaben, das hinter dieser Trennung steht? Ich will mit den Gesellen sprechen, hast du verstanden, Mosch! Erkläre ihnen wenigstens, dass wir reden werden und dass auch ich darauf warte sie endlich wiederzusehen.“

„Ja, das verstehe ich doch! Maurel, ich bitte dich doch nur, dass du sie nicht allzu sehr beachtest, also bevorzugt, vor allen anderen Clanmitgliedern. Alle sollen gleichbehandelt werden.! Darum bitte ich dich doch nur. Ich verspreche dir, du wirst bald mit den Gesellen reden können, Maurel. Nach der Frauenwahl, nach diesem nach außen hin sichtbaren Zeichen der Verbundenheit, kannst du mit ihnen sprechen.“

Nachdenklich und missmutig schaut Maurel vor sich hin. Mosch will ihn schnell auf andere Gedanken bringen und fragt darum: „Ach, sag´ mir Maurel, weißt du eigentlich schon, welche Worte du an den Clan sagen willst?“ „Mosch?“ völlig entgeistert wendet sich Maurel zu ihm um. „Was? Willst du mir jetzt vorsagen, welche Worte ich wählen soll? Willst du mich schon wieder beeinflussen oder mir vorschreiben, was ich dem Clan zu sagen habe? Hast du gar schon eine Rede vorbereitet, die ich mir merken soll?“

„Wer ich? Nein, also so doch nicht! Langsam, langsam. Viele Menschen reden nicht gern vor Menschenhaufen. Ich wollte doch nur helfen; ich frag‘ doch nur mal nach!“, versucht sich Mosch schnell wieder aus der Situation zurück zu ziehen.

Belustigt schaut Maurel seinen neuen Freund mit der dicken, geschwollenen Lippe an. Daran wird er sich wohl gewöhnen müssen, dass Mosch sich überall einmischen will!

Banga lächelt in die Runde. Ja, ja dieser Mosch. Nicht wahr? Der kann es nicht lassen, überall will er mitreden, mitbestimmen und den anderen sagen, wie sie sich verhalten sollen! Der glaubt vielleicht auch, ohne ihn würde die Welt stillstehen, was? Oder alle Angelegenheiten würden schieflaufen, wenn er sich einmal nicht um all die Entscheidungen kümmern würde. Ist er nun sehr fürsorglich und hilfsbereit, oder will er nur alles bestimmen und beherrschen, damit die anderen sich nach seinem Willen richten sollen?

Aber ohne eine Antwort auf seine Fragen zu erwarten oder selber eine Antwort zu geben, hebt Banga mit einem freundlichen Lächeln einen Arm hoch in die Luft, nickt den Zuhörern zu, wendet sich um und verlässt langsam den Feuerplatz.

Der Vorfall

In der nächsten Spätdämmerung kommt Banga wie üblich langsam auf die versammelten Menschen zu. Er schreitet gemütlich am Feuer entlang, nickt seinen Zuhörern freundlich zu, nimmt seine Erzählhaltung ein und beginnt zu reden.

Dieser Sonnenhochstand wird ein aufregender für den Moruschclan werden! Zuerst die Versammlung des ganzen Clans an der Baustelle und später noch die Frauenauswahl. Erinnert ihr euch? Erst soll Maurel eine Frau auswählen und später dann in der Phase von Bruder Sonne voll soll die Vereinigung von Maurel und seiner Frau mit einer Zeremonie stattfinden. So wichtige Ereignisse finden selten an nur einem Sonnenhochstand statt. Daher macht sich die Aufregung schon in der Frühdämmerzeit überall bemerkbar.

Die Menschen strömen unruhig und aufgeregt auf das große, freie Feld vor dem Baustellenturm. Nur einige Männer müssen auf ihren Wachposten bleiben, wie ihr wisst und einige jungen Hirten und Schäfer sind auch nicht dabei, weil sie das Vieh bewachen müssen, aber bis auf diese Ausnahmen strömen alle anderen Menschen herbei.

Sie wollen Maurel sehen und hören, was er ihnen zu sagen hat! Die Clanmitglieder sind sich durchaus noch nicht einig, ob Mosch richtig gehandelt hat, indem er Aurel zu Maurel machte und ihn nun nicht länger als einen Gefangenen behandelt, sondern als seinen Freund. Darum sind alle sehr neugierig, was Maurel wohl zu sagen hat.