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Rowohlt E-Book Theater Es gibt keinen Zufall mehr. Wie durch weltumspannende Interdependenzen – genannt Globalisierung – alles mit allem verknüpft ist, das verdeutlicht Philipp Löhle in seinem Theaterstück auf unterhaltsame Weise. Wenn sich ein Afrikaner nachhaltige Methoden des Baumwollanbaus aufschwatzen lässt, verhilft das zwei jungen Chinesen zu ihrem ersten Start-up-Erfolg. Wenn deren Handel mit Sojabohnen ins Stocken gerät, wirkt sich das auf die rumänische Schweinezucht aus, was wiederum direkte Folgen für die Ehe von Katrin und Thomas hat und einen überraschend internationalen Showdown heraufbeschwört. Und das titelgebende Ding – eine Baumwollfaser – reist derweil einmal um den Erdball und schaut verwundert auf das Treiben der Menschen.
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Seitenzahl: 71
Philipp Löhle
Das Ding
Rowohlt E-Book
Mit besonderem Dank an Hartmut Becher und das Goethe-Institut Buenos Aires.
«Im Anfang war das Gewürz.»
Stefan Zweig, Magellan.
Fernão de Magalhães, genannt Magellan
König Manoel I., genannt El Fortunado
Das Ding
Thomas Friege
Katrin Friege, geborene Dräger
Patrick Dräger
Li
Wang
ModeratorInnen/JournalistInnen
Beat
Siwa
Fela
(Manoel I., genannt El Fortunado, auf seinem Thron. Auftritt Fernão de Magalhães, genannt Magellan, mit Weltkarten, Dokumenten und einem Koi im Glas.)
FERNÃO
Mein König. Euer treuer Untertan Fernão de Magalhães bittet um Audienz.
(Fernão verbeugt sich.)
MANOEL
Fernão de Magalhães?
FERNÃO
Ja.
MANOEL
??
FERNÃO
Auch bekannt als Magellan.
MANOEL
Ah. Magellan. Ihr seid es.
FERNÃO
Jawohl. Ich bin es. Treu ergeben.
MANOEL
Gut. Und?
FERNÃO
Ich habe Euch ein Präsent mitgebracht, mein König. Einen Fisch. Ein Koi. Ein seltenes, sehr schönes Tier.
MANOEL
Ein Fisch … Gut … Stell ihn da hin.
(Fernão stellt den Koi vor Manoel.)
MANOEL
Danke. War’s das?
FERNÃO
Nein. Nein, ich wollte Euch gerne in einer gewissen Angelegenheit sprechen.
MANOEL
Und?
FERNÃO
Es geht um die Anschuldigungen, die einige Beamte in Marokko gegen mich erhoben haben.
MANOEL
Es heißt, du hättest Beute veruntreut.
FERNÃO
Was ich natürlich nicht habe.
MANOEL
Natürlich!?
FERNÃO
Mein König, ich habe hier Dokumente, die beweisen, dass ich ehrenhaft aus Marokko heimkehre.
MANOEL
So.
FERNÃO
Ja. Hier.
(Fernão zeigt die Dokumente.)
MANOEL
Gut. Das ist gut. Leg sie da hin.
(Fernão legt die Dokumente vor den König.)
FERNÃO
Die Dokumente wurden von all Euren führenden Offizieren in Marokko unterzeichnet.
MANOEL
Das ist gut. Wirklich gut.
FERNÃO
Mein König, ich hatte schon so oft Gelegenheit, mich an irgendeiner Beute zu bereichern, und habe es nie getan, warum sollte ich es gerade in Marokko tun, bei den Mauren, und warum auch noch so ungeschickt?
MANOEL
Tja. Warum?
FERNÃO
Eben. Die Anschuldigungen sind aus der Luft gegriffen. Vollkommen haltlos. Diejenigen, die sie erheben, sind Falschspieler, Lügner, Verleumder. Ich aber bin ein ehrenwerter Mann, der sein ganzes Leben in Euren Dienst gestellt hat und jetzt diffamiert werden soll.
MANOEL
Das werden die Ermittlungen zeigen.
FERNÃO
Die Ermittlungen sind ebenso falsch. Die Kolonialbeamten korrupte Feiglinge. Die Beweise gefälscht.
MANOEL
Willst du meine Staatsdiener schlechtmachen?
FERNÃO
Nein, ich will beweisen, dass ich einer der Besten von ihnen bin.
MANOEL
Wie gesagt, das werden die Ermittlungen zeigen.
FERNÃO
Und diese Dokumente.
MANOEL
Ja. Vielleicht auch diese Dokumente.
(Fernão verbeugt sich. Bleibt aber da.)
MANOEL
Noch was, Magellan?
FERNÃO
Ja, mein König. Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, mein Bein … ich … aufgrund einer Verletzung muss ich es nachziehen.
MANOEL
Du hinkst?
FERNÃO
Gut beobachtet, mein König. Ein Lanzenschlag aufs Knie. In Marokko.
MANOEL
Wer eine Wunde fängt, hat den Gegner unterschätzt.
FERNÃO
Mein König, das …
MANOEL
Ja?
FERNÃO
Nichts.
MANOEL
Also?
FERNÃO
Nun, da ich körperlich beeinträchtigt bin …
MANOEL
Weil du hinkst?
FERNÃO
Genau. Da ist es mir natürlich nicht mehr möglich, in vollem Umfang meiner Tätigkeit als Offizier nachzukommen, und deshalb wollte ich bitten, ob Ihr … meine Pension, … ob Ihr sie um einen halben Crusado anheben könntet.
MANOEL
Was?
FERNÃO
Es würde vieles für mich vereinfachen.
MANOEL
Um wie viel?
FERNÃO
Ein halber Crusado … nur ein halber Crusado …
MANOEL
Ein halber Crusado?
FERNÃO
Ja. Für einen vielgedienten Mann der portugiesischen Krone, zehn Jahre in allerlei Schlachten, davon sieben Jahre zu Wasser. Das ist nicht zu viel verlangt, ganz im Gegenteil, es steht mir zu, denke ich.
MANOEL
Hm.
(Warten.)
FERNÃO
Was sagt Ihr? Mein König.
MANOEL
Ich sage nein.
FERNÃO
Nein?
MANOEL
Ja. Nein.
FERNÃO
Nein.
MANOEL
Ja.
FERNÃO
Aber … vielleicht wisst Ihr nicht, dass meine Pension derzeit weniger beträgt als der Lohn eines Anfängers an Eurem Hofe und dass mich das natürlich in meinem Stolz … wie soll ich sagen …
MANOEL
Nein.
FERNÃO
Nein.
MANOEL
Noch was, Magellan?
(Pause.)
FERNÃO
Ja. Da ist noch was.
MANOEL
Also gut. Was denn noch?
FERNÃO
Nun, da ich, wie schon erwähnt, nicht mehr aktiv am Frontdienst teilnehmen kann, weil ich durch die Verletzung …
MANOEL
Das Knie.
FERNÃO
Ja. Es ist ein Knie, sonst nichts … Nun, bedingt durch diese Verletzung und weil ich, wie Ihr vermutlich schon gehört habt, ein durchaus erfahrener Seemann bin, Seeschlachten, Schiffbrüche, Stürme, Flauten und jede Form von Wetter auf einem Schiff erlebt habe, dazu ein hervorragender Nautiker, erfahren im Umgang mit Kompass und Senkblei, kam mir eine Idee, aufgrund einer Entdeckung, die ich in der Bibliothek zu Tesoraria gemacht habe, die in mir einen Gedanken evoziert hat, ein Vorhaben, einen Plan, etwas, das zu großem Ruhm für Euch und zu großem Reichtum für unser Land beitragen kann. Zumal ich sicher bin, dass meine Vermutung stimmt.
MANOEL
Eine Vermutung?
FERNÃO
Ja, aber eine gesicherte Vermutung.
MANOEL
Eine gesicherte Vermutung?
FERNÃO
Ja. Weil … Nun, ich habe mehrere Atlanten, See- und Küstenkarten und Logbücher der vergangenen Brasilienexpeditionen durchgesehen, dazu einige Berichte über Panama gelesen und den Erdapfel des Nürnbergers Martin Behaim genau studiert. Und daraus ergibt sich Folgendes. Darf ich …?
(Fernão breitet eine Weltkarte in der Darstellung Martin Behaims und andere Seekarten aus.)
FERNÃO
Wie man hier sieht, fahren wir, um zu den Gewürzinseln zu gelangen, seit Jahr und Tag nach Osten. Wir müssen also bei jeder Fahrt, und ich habe sie einige Male am eigenen Leibe erlebt, die gesamte barbarische afrikanische Westküste nach Süden fahren, unten am Horn durch die gefährlichen Winde, wo wir schon manche Fracht, manches Schiff und manch guten Mann verloren haben, um dann, nachdem wir Afrika und seine Nutzlosigkeit hinter uns gelassen haben, über Madagaskar, Sumatra und Borneo zu den Molukken zu gelangen. Auf dem Rückweg dasselbe.
MANOEL
Das ist mir bekannt.
FERNÃO
Nun, natürlich ist Euch das bekannt, aber ich habe nun etwas herausgefunden, was das alles vereinfachen würde.
MANOEL
Die gesicherte Vermutung.
FERNÃO
Die gesicherte Vermutung, die ich mit Hilfe des Gelehrten Rui Falero, einem Euch sicher bekannten Astronomen und Kartographen, abgeglichen und sozusagen bestätigt, abgesichert, fast schon verifiziert habe.
MANOEL
Und was ist es?
FERNÃO
Ja. Also … jetzt kommts:
MANOEL
?
FERNÃO
Haltet Euch fest! Ich bin überzeugt: Es gibt eine Durchfahrt, einen Paso, einen Seeweg durch Amerika hindurch!
MANOEL
–
FERNÃO
Ein Weg, der den Atlantischen mit dem Indischen Ozean verbindet, einen direkten, weitaus kürzeren Weg zu den Gewürzinseln. Versteht Ihr?
MANOEL
Magellan –
FERNÃO
Gebt mir eine Flotte, und ich werde diesen Weg finden, ich werde ihm Euren Namen geben, Manoelstraße, und wir werden auf diese Weise einen direkten, viel schnelleren Zugriff –
MANOEL
Magellan –
FERNÃO
auf die Gewürzinseln haben. Amerika wird nicht länger im Weg sein. Es wird nur noch auf dem Weg sein. Ist das nicht –
MANOEL
Magellan!!
FERNÃO
Ja, mein König.
MANOEL
Ist es das?
FERNÃO
–
MANOEL
Das hast du herausgefunden?
FERNÃO
–
MANOEL
Und dazu musstest du in die Bibliothek in Tesoraria?
FERNÃO
Nun …
MANOEL
Das ist doch nichts Neues.
FERNÃO
Na ja, doch, weil –
MANOEL
Bitte. Weißt du nicht, was Männer wie Kolumbus, Vespucci, Cortereal, Cortez, Cabot, was all diese Männer wollten? Was sie gesucht haben?
FERNÃO
Natürlich weiß ich das, aber sie lagen falsch. Immerhin hielt Kolumbus eine Karibikinsel für China, ich meine –
MANOEL
Und du?
FERNÃO
Bitte?
MANOEL
Wenn all diese Männer bewiesen haben, dass es keine Durchfahrt gibt, wie kannst dann du immer noch daran glauben? Bist du dann nicht der weitaus größere Narr?
FERNÃO