Das Dunkel in dir - Samantha Hayes - E-Book

Das Dunkel in dir E-Book

Samantha Hayes

3,8
8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie wählen den Tod. Doch wollen sie wirklich sterben?

Vor knapp zwei Jahren wurde das englische Dorf Radcote von einer Selbstmordserie heimgesucht. Gerade erst ist ein wenig Normalität in den Ort zurückgekehrt, da wird der Abschiedsbrief eines tödlich verunglückten jungen Mannes gefunden. Detective Inspector Lorraine Fisher wollte in Radcote eigentlich ein paar entspannte Wochen bei ihrer Schwester Jo verbringen. Doch als ein zweiter Junge sich das Leben nimmt und dann auch noch ihr Neffe Freddie verschwindet, weiß Lorraine, dass sie schnell herausfinden muss, ob es sich bei den Todesfällen womöglich doch um grausame Verbrechen handelt. Und sie muss Freddie finden, bevor es zu spät ist …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 411

Bewertungen
3,8 (18 Bewertungen)
6
6
3
3
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Vor knapp zwei Jahren wurde der englische Ort Radcote in Warwickshire von einer Reihe von Teenagerselbstmorden heimgesucht. Unter den Toten war auch der neunzehnjährige Simon Hawkeswell, der sich auf dem Grundstück seiner Eltern erhängte. Er hatte das perfekte Leben, vor ihm lag eine hoffnungsvolle Zukunft. Den Grund, warum er sich das Leben nahm, haben seine Familie und seine Freunde nie erfahren. Die Selbstmorde setzten allen Dorfbewohnern zu, und erst allmählich fühlt das Leben in Radcote sich wieder etwas normaler an. Doch dann stirbt ein junger Mann bei einem schrecklichen Motorradunfall, und bei seinen Sachen findet die Polizei einen Abschiedsbrief.

Detective Inspector Lorraine Fisher ist gerade in Warwickshire angekommen, um ein paar entspannte Sommerwochen bei ihrer Schwester Jo zu verbringen, aber die Atmosphäre im Haus ist angespannt. Jos Sohn Freddie wirkt, als würde ihn irgendetwas sehr belasten, er weigert sich jedoch, darüber zu sprechen.

Als sich ein zweiter obdachloser Junge das Leben nimmt und dann auch noch Freddie verschwindet, weiß Lorraine, dass sie schnell handeln und herausbekommen muss, ob es sich bei den Todesfällen wirklich um Selbstmorde handelt. Und sie muss Freddie finden, bevor es zu spät ist …

Autorin

Samantha Hayes wuchs in den englischen Midlands auf und wünschte sich schon mit zehn Jahren sehnlichst eine Schreibmaschine. Doch erst nach vielen Reisen und beruflichen Umwegen erfüllte sie sich ihren Traum und verfasste ihren ersten Roman. Während eines Australienaufenthalts lernte sie ihren Ehemann kennen. Mit ihm und ihren Kindern lebte Samantha Hayes für einige Zeit in den USA, bevor sie schließlich in ihre Heimat England zurückkehrte, wo sie, wenn sie nicht gerade schreibt, alte Häuser renoviert.

Von Samantha Hayes außerdem bei Blanvalet lieferbar:

Aus tiefster Seele

SAMANTHA HAYES

Das

Dunkel

indir

Psychothriller

Aus dem Englischenvon Sabine Schilasky

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.

Die Originalausgabe erschien 2014

unter dem Titel Before You Die bei Century, London.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Februar 2016

bei Blanvalet, einem Unternehmen der

Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © Samantha Hayes 2014

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2016

by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Johannes Frick, Neusäß

Umschlagmotive: Trevillion Images/Gary Isaacs; Shutterstock

Redaktion: Ulrike Nikel

AF · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-16561-1V001

www.blanvalet.de

Meinen Eltern, Avril und Graham, in Liebe

Prolog

Ich klammere mich an ihn, während der Wind über meinen Körper peitscht, in meinen Geist stürmt und all meine Gedanken davonfegt. Die Bäume und Hecken kommen mir vor wie gefährliche Blitze, die flirrend in der Dunkelheit vorbeirauschen. Als er noch mehr Gas gibt, packe ich seine Taille fester und presse das Gesicht an sein T-Shirt. Sein Rücken fühlt sich warm an, und die Muskeln unter dem Stoff sind angespannt.

»Alles okay?«, brüllt er und dreht den Kopf halb nach hinten.

»Das ist fantastisch«, rufe ich durch das Visier meines Helms, obwohl er mich vermutlich gar nicht hören kann. Sein Kopf hingegen ist ungeschützt, denn es hing nur ein Helm am Lenker, als wir das Bike stahlen, und er bestand darauf, dass ich ihn aufsetze.

»Willst du, dass ich noch mehr Speed mache?«

Mein Herz schlägt schneller. Ich weiß nicht recht, ob vor Angst oder Aufregung oder vor beidem. Über seine Schulter spähe ich zum Tacho: neunzig Stundenkilometer, doch es kommt mir doppelt so schnell vor.

Trotzdem feuere ich ihn an. »Ja, gib ruhig Gas«, schreie ich aus Leibeskräften und drücke kurz seine Schultern, um die Ernsthaftigkeit meiner Worte zu bekräftigen.

Als er die Maschine dröhnend beschleunigt und aus einer Kurve heraus in eine lange Gerade steuert, die Devil’s Mile, Teufelsmeile, genannt wird, rutsche ich durch die Fliehkraft auf meinem Sitz nach hinten, drücke die Beine gegen das Motorrad und verstärke den Griff meiner Hände um seine Taille. Vor uns erstreckt sich die Straße wie ein dunkles Band im Mondlicht.

Immer mehr dreht er auf, treibt die Maschine an ihre Grenzen. Mit kraftvollem Heulen fliegt sie mit uns durch die verlassen daliegende nächtliche Landschaft. Mein Kopf fühlt sich leer an, als würde alles aus ihm herausgesogen. Es ist genau die Befreiung, die ich gebraucht habe.

Das Ende der geraden Strecke kommt unerwartet schnell, und ich frage mich angstvoll, wann er endlich bremsen will. Noch fester bohren sich meine Finger in seine Rippen. Wenn wir in diesem Tempo in die nächste Kurve gehen, landen wir im Graben.

»Langsamer«, rufe ich.

Der Motorenlärm wird leiser, als er Gas wegnimmt und ich durch das Abbremsen wie ein gigantisches Gewicht gegen seinen Rücken gepresst werde. Lachend wendet er mir sein Gesicht zu, seine weißen Zähne blitzen. Ich atme erleichtert auf und umfasse wieder den Metallbügel hinter mir, lege den Kopf in den Nacken.

»Das war verdammt fantastisch«, sage ich und verschweige, dass mir gleichzeitig ganz schön mulmig war.

Er bringt das Bike, das jetzt nur noch kehlig schnurrt, am Straßenrand zum Stehen und stellt die Füße, an denen er nichts als Flipflops trägt, auf den matschigen Boden.

»Du bist nicht unbedingt passend angezogen«, sage ich, schwinge mich vom Sitz hinunter und löse den Helmgurt. »Ist wirklich eine nette Maschine.«

Ich klinge, als hätte ich Erfahrung mit Motorrädern, dabei habe ich diese Dinger eigentlich nie besonders gemocht. Doch durch diese eine Fahrt bin ich süchtig geworden nach dem Rausch der Geschwindigkeit, der einen für einen kurzen Moment alles andere vergessen lässt.

»Ich wusste, dass es dir gefällt«, sagt er, kickt den Ständer nach unten und drückt sich an mich.

Ein weißer Van kommt langsam um die Kurve. Der Fahrer ist ganz auf sein Handy konzentriert – ich erkenne es an dem schwachen Lichtschein des Displays, der sein Gesicht beleuchtet. Uns beachtet er gar nicht.

»Wir haben nicht mehr lange«, sagt er. »Bald wird jemand diese Schönheit vermissen.« Er streichelt mit einer Hand den Motorradsattel und mit der anderen mein Hinterteil.

Mein Magen verkrampft sich bei dem Gedanken an das, was wir getan haben, und in meinem Kopf dreht sich alles. Eine Folge von zu viel Alkohol und all dem Zeug, das ich geraucht habe. Was es genau war, weiß ich nicht.

Leute wie ich tun solche Sachen eigentlich nicht.

»Vielleicht sollten wir die Maschine einfach stehen lassen und verschwinden«, schlage ich vor, denn auf einmal habe ich schreckliche Angst, erwischt zu werden.

Streifenwagen, Blaulichter, Cops, Handschellen, die Nacht in einer Zelle … Gefängnis.

»Was? Willst du sie nicht selbst einmal fahren?« Seine Stimme hört sich enttäuscht an. »Nach all der Arbeit, die ich mir gemacht habe?«

Ich sehe das Bike an, die eleganten Linien, den schimmernden Lack, den imposanten silbernen Auspuff, und verspüre angesichts dieser Power erneut ein begehrliches Prickeln. So habe ich mich nie zuvor gefühlt.

»Denkst du, das kann ich?«

Sein Mund streift meinen. »Na klar. Steig vorne auf.«

Er tritt zur Seite und hält das vibrierende Motorrad für mich fest. Erneut stülpe ich mir den Helm auf den Kopf, diesmal allerdings mit hochgeklapptem Visier, greife mit weit gespreizten Armen die Griffe des Lenkers, die für mich eine Spur zu weit auseinanderliegen. Schon im Leerlauf übertragen sich die Vibrationen auf meinen Körper, laufen kribbelnd meine Beine hinauf und durch meinen Rücken hindurch bis in mein benebeltes Hirn.

»Du kannst doch Auto fahren, oder?«, beschwichtigt er mich. »So anders ist das nicht.«

Sein Atem riecht nach Bier und Wodka. Ich frage mich, ob meiner genauso riecht und ob wir am Ende zusammen eingesperrt werden.

Als ich versuche, ihn durch die Helmöffnung zu küssen, stoße ich gegen seine Stirn, und wir kriegen einen hysterischen Lachanfall, der das Motorrad um ein Haar zum Kippen gebracht hätte.

Mit einem Mal aber vergeht mir mein Kichern. Plötzlich nämlich wird mir in einer lichten Minute klar, was wir getan haben, und ich beginne an allen Gliedern zu zittern. »Grundgütiger, wie konnten wir nur ein Motorrad klauen? Nicht auszudenken, wenn wir erwischt werden«, sage ich kleinlaut und würde am liebsten absteigen, denn das hier ist völlig falsch.

»Jetzt chill mal«, sagt er mit einem coolen Grinsen. »Willst du nun ein bisschen Spaß haben oder nicht?« Seine Hände ziehen mir vorsichtig den Helm vom Kopf, und sein Mund findet meinen, küsst meine Angst weg.

Das macht alles gleich besser.

»Schon«, behaupte ich tapfer, und obwohl es mir lieber wäre, er würde mich weiterküssen, lasse ich mir zeigen, wie man die Kupplung bedient, wann man Gas gibt, wo sich die Gang- und die Bremshebel befinden und wie man das Riesenteil mit der rechten Hand und dem Fuß zum Halten bringt. Ich gehe alles im Geiste durch und übe die entsprechenden Handbewegungen.

»Ich sitze direkt hinter dir«, beruhigt er mich. »Wir gehen es langsam an, und ich sage dir genau, was du tun musst. Und jetzt setz den hier wieder auf.«

Er gibt mir einen letzten Kuss, tiefer und zärtlicher denn je, bevor er mir den Helm überstülpt, das Visier herunterklappt und hinter mir aufsteigt. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, weil er ebenfalls einen tragen sollte.

Nachdem er mir geholfen hat, das Motorrad zu wenden, liegt vor uns erneut die lange Gerade der Devil’s Mile. Besser als vom Rücksitz aus erkenne ich im Licht des Mondes, dass der Asphalt vom abendlichen Regen nach wie vor feucht schimmert. Gut bloß, dass seine Hände auf meinen liegen und mir beim Steuern helfen werden.

»Bereit?«, ruft er mir zu und lässt, als ich nicke, die Kupplung kommen.

Mit Tempo zwanzig kriechen wir vorwärts, aber für mich ist es mehr als genug, zumal man vorne die Geschwindigkeit stärker spürt. Noch balanciert er die Maschine mit den Füßen aus, doch sobald wir mehr Fahrt aufnehmen, stellt er sie auf die Stützen, und wir geraten leicht ins Schwanken.

»Halt die Umdrehungszahl«, ruft er. »Sonst würgst du sie ab.«

Nach einer Weile gewöhne ich mich daran, unter seiner Führung das Motorrad zu lenken, die Hebel am Lenker zu bedienen, während er die Fußpedale bedient.

»Das ist klasse«, rufe ich begeistert aus und gewinne sichtlich an Selbstvertrauen, will schneller fahren.

Bevor wir das Ende der Geraden erreichen, gebe ich noch ein bisschen Gas. Ich spüre, wie die Maschine heulend anzieht - es fühlt sich an, als würden wir mit mindestens hundertfünfzig Sachen dahinbrausen.

Wie im Rausch steuern wir auf die Kurve zu. Der pure Wahnsinn. Alle Vernunft ist ausgeschaltet, alle Vorsicht vergessen, alle Angst.

»Lass es mich allein machen«, signalisiere ich ihm.

Mein Herz schlägt heftig im Takt des ständig beschleunigenden Motorrads, scheint gleichzeitig mit ihm auf Touren zu kommen, und ich merke, dass er dasselbe fühlt. Gebannt richte ich meine Augen auf den Tacho: siebzig, neunzig, hundert … Und es geht noch mehr.

Ich kann zeigen, was ich draufhabe.

»Du bist ein Naturtalent«, brüllt er hinter mir.

Ohne weiter nachzudenken, drehe ich das Gas so weit auf, wie es geht.

Es wäre auch gar keine Zeit mehr zum Denken geblieben. Keine Zeit, überhaupt irgendwas zu tun. Angst und Dummheit, mangelnde Erfahrung und grenzenlose Selbstüberschätzung verhindern es. Nehmen selbst die kleinste Chance, der Vernunft zum Sieg zu verhelfen und im letzten Moment das Unheil noch abzuwenden. Bevor wir realisieren, was geschieht, schießt das Bike nach vorn, schleudert meinen Kopf nach hinten in sein Gesicht. In diesem Moment erst begreife ich schlagartig, dass es zu spät ist.

Vor uns taucht die Silhouette eines Baumes auf. Mit unverminderter Geschwindigkeit halten wir direkt auf ihn zu.

Ich höre seine Stimme hinter mir, ohne die Worte zu verstehen. Sein Fuß tritt gegen meinen, seine Hände tasten nach dem Lenker, erreichen die Gas- und Bremshebel aber nicht rechtzeitig.

Ein harter Stoß wirft mich von der Maschine. Ich fliege, werde durcheinandergewirbelt. Oben und unten verschwimmen. Der Boden ist über mir, unter mir, bis ich schließlich in die harte Erde gepresst werde. Meine Knochen knacken, ein stechender Schmerz fährt mir durch den Rücken und durch mein verdrehtes Bein, in meinem Mund habe ich den Geschmack von Blut.

Dann schwinden mir die Sinne.

Als ich die Augen wieder öffne, spüre ich die kalte Nachtluft auf meinem Gesicht, bin verwundert, dass ich noch lebe. Vorsichtig bewege ich Arme und Beine, suche mit den Fingern nach irgendeinem Halt, nach einem Anhaltspunkt, der mir verrät, wo ich mich befinde.

»Wo bist du?«

Ich versuche zu schreien, zu rufen, schaffe es aber nicht. Mehr als ein schwaches Flüstern bringe ich nicht heraus.

Vergeblich horche ich auf eine Antwort. Die Nacht ist still bis auf den Wind, der in der Hecke über mir raschelt. Offenbar bin ich in einem Graben gelandet.

»Hallo?«

Meine Hände wandern zu meinem Kopf, alles tut weh. Jeder Knochen und jeder Muskel meines Körpers. Ich zittere wie wild, Tränen strömen mir übers Gesicht. Ob vor Schmerz, Angst oder Hilflosigkeit, vermag ich nicht zu sagen. Was habe ich getan?

Lieber Gott, hilf mir! Lass ihn okay sein! Bitte, lass ihn okay sein!

Kaum habe ich diese Bitte gestammelt, sehe ich ihn. Eine verdrehte Gestalt, gekrümmt an einem Baumstamm liegend. Ein Bild, das sich für alle Zeiten in mein Gedächtnis gebrannt hat.

Nein, das kann nicht er sein, denke ich. Das ist der Kadaver irgendeines Tieres. Doch als ich mich langsam aufrichte und zu dem Baum humple, erkenne ich grüne Shorts und ein gestreiftes T-Shirt. Die Flipflops sind nirgends zu sehen. Das Motorrad liegt ein Stück entfernt, ein kaum wiedererkennbarer Haufen aus rotorangefarbenem Metall.

Ich sinke neben ihm auf die Knie. Er rührt sich nicht.

»Wach auf. Rede mit mir!«

Ich fasse seine Schulter an, die sich noch warm anfühlt, und schüttle ihn. Alles ist voller Blut, eine Seite seines Kopfes zerschmettert, der Schädel aufgebrochen, sein Hals viel zu weit nach hinten gebogen, und aus seinem rechten Unterarm ragt ein rötlicher Knochen hervor. Von dem leblosen Körper steigt ein seltsamer Geruch in die Nachtluft. Obwohl ich es weiß, schaffe ich es nicht, das Wort tot zuzulassen, geschweige denn es auszusprechen. Bloß ein klagender Laut wie der eines verwundeten Tieres kommt über meine Lippen.

Nicht durchdrehen, ermahne ich mich. Bleib ruhig. Fühl seinen Puls. Schau nach, ob sich nicht ein Lebenszeichen findet. Ruf einen Krankenwagen und die Polizei … Halt einen Wagen an …

Ich stehe auf, kämpfe gegen den Schmerz an, bemühe mich, die Dunkelheit zu durchdringen und mein Gleichgewicht wiederzufinden. In meinem Kopf dreht sich alles wie verrückt, alles wirkt größer, unheimlicher und verzerrter. Mir kommt es vor, als würden sich die Bäume zusammenrotten, um mich zu umzingeln, und die Hecken ihr Astwerk wie Tentakel ausstrecken, um mich zu packen.

Böses, böses Mädchen, zischelt es in der schwarzen Nacht.

Was soll ich tun?

Natürlich weiß ich, was das Richtige wäre, und trotzdem habe ich Angst davor. Weil ich mich fürchte, für den Rest meines Lebens hinter Gitter zu kommen.

Verdientermaßen.

Schließlich bin ich gefahren, mit reichlich Alkohol intus. Gut, das mit dem Klauen des Motorrads würde zulasten des Mannes gehen, den ich liebe. Nur dass er tot ist und ich nicht.

Plötzlich macht es in mir klick – als würde er mir sagen, was ich tun soll.

Und dann geht alles ganz schnell. Ich gehe zurück zu dem Graben, werfe den Helm weg und humple von der Unfallstelle, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich glaube in diesem Moment, dass sich dadurch grausame Erinnerungen und quälende Träume fernhalten lassen. Hoffe, so tun zu können, als wäre das alles nicht passiert. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Ich würde eines Besseren belehrt werden.

Plötzlich sehe ich ein Auto herankommen. Was, wenn man mich hier sieht? In meiner Panik klettere ich so rasch ich kann über ein Weidegatter, ducke mich hinter ein Gebüsch. Gerade im letzten Augenblick, denn ganz knapp bloß entgehe ich dem Scheinwerferkegel.

Ich höre, wie der Wagen langsamer wird, stelle mir das Entsetzen des Fahrers vor, wenn er den zerfetzten Körper entdeckt.

Ein paar Sekunden verharre ich noch in meinem Versteck, dann hinke ich geduckt weiter und verschwinde in der Nacht. Was aus mir werden soll, das weiß ich allerdings nicht.

1

Detective Inspector Lorraine Fisher bremste und bog von der Hauptstraße ab. Jetzt würden sie keine Stunde mehr brauchen. Obwohl die Fahrt von Birmingham nach Warwickshire nicht allzu weit war, raffte sie sich höchstens zwei- oder dreimal im Jahr dazu auf.

In ihrem Leben war kein Platz für Bedauern oder Gewissensbisse.

Deshalb störte es sie auch nicht, dass sie ihre jüngere Schwester lediglich an Weihnachten, Geburtstagen oder, wie jetzt, bei dem üblichen Treffen im Sommer sah. Lag es daran, dass ihr die Aussicht auf eine Woche ohne Arbeit furchtbar lang vorkam, oder graute ihr mehr vor dem engen Zusammensein mit ihrer Schwester?

Sie blickte zu ihrer Tochter hinüber. »Wird dir so nicht schlecht?«

Stella starrte bereits seit einer Dreiviertelstunde auf ihr Handy, schrieb eine SMS nach der anderen, verschickte Nachrichten via Facebook und machte irgendwelche Spiele.

Lorraine hatte gehofft, mit ihr reden zu können, etwas über ihr Zeugnis zu erfahren und zu hören, wie sie mit ihrem Geografieprojekt vorankam. Stattdessen musste sie sich die Langeweile mit einer Radiosendung vertreiben.

Schon beim Aufbruch war ihre Tochter mundfaul gewesen. Es hatte ihr ganz und gar nicht gepasst, in aller Hergottsfrühe loszufahren, und sie war nur aus dem Haus zu locken gewesen, dass sie im Auto Bacon-Sandwiches und Chips statt eines ordentlichen Frühstücks konsumieren durfte.

»Dad würde einen Anfall kriegen, wenn er das sehen könnte«, kicherte sie beim Anblick des ganzen Junkfood-Zeugs.

»Dann verraten wir es ihm einfach nicht, okay?«, schlug Lorraine vor.

Stella genoss diese kleine Heimlichtuerei sichtlich. »Er kann Grace ja nachher zwingen, eimerweise Biojoghurt und Beeren zu essen.«

Grace war die ältere Tochter, die später am Tag mit einer Freundin in ein Sportcamp fahren würde und deshalb ausschlafen wollte.

Lorraine dachte erneut an ihre Schwester, die eine rastlose Seele und nie zufrieden war. Was nichts daran änderte, dass sie Jo liebte und sie immer beschützt, immer auf sie aufgepasst und sie immer aufgefangen hatte, aber das pflegte stets seinen Preis zu haben. Worin würde er wohl diesmal bestehen?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!