Das Federleicht-Prinzip - Laura Kellermann - E-Book

Das Federleicht-Prinzip E-Book

Laura Kellermann

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Beschreibung

Wäre es nicht schön, ganz entspannt im richtigen Job erfolgreich zu sein? Wenn es keine Stressfaktoren und Selbstzweifel mehr gäbe und die Arbeit wirklich Spaß machte? Laura Kellermann und Jens Weidner helfen Frauen, genau das zu verwirklichen, und gehen dem Federleicht-Gefühl auf den Grund: Der erste Teil ihres Ratgebers vermittelt fundiertes Wissen darüber, warum Hochstapler-Syndrom und Perfektionismus einer entspannten Karriere im Weg stehen. Der Praxisteil macht es Leserinnen einfach, diese Erkenntnisse auf ihr Leben anzuwenden, in ihrem Denken eine neue Leichtigkeit zu gewinnen, gute Entscheidungen zur beruflichen Orientierung zu treffen – und so mühelos erfolgreich zu sein.

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LAURA KELLERMANNJENS WEIDNER

DAS FEDERLEICHT-PRINZIP

Das Geheimnis der entspannten Karriere

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Wäre es nicht schön, ganz entspannt im richtigen Job erfolgreich zu sein? Wenn es keine Stressfaktoren und Selbstzweifel mehr gäbe und die Arbeit wirklich Spaß machte?Laura Kellermann und Jens Weidner helfen Frauen, genau das zu verwirklichen, und gehen dem Federleicht-Gefühl auf den Grund: Der erste Teil ihres Ratgebers vermittelt fundiertes Wissen darüber, warum Hochstapler-Syndrom und Perfektionismus einer entspannten Karriere im Weg stehen. Der Praxisteil macht es Leserinnen einfach, diese Erkenntnisse auf ihr Leben anzuwenden, in ihrem Denken eine neue Leichtigkeit zu gewinnen, gute Entscheidungen zur beruflichen Orientierung zu treffen – und so mühelos erfolgreich zu sein.

Vita

Laura Kellermann, Jahrgang 1989, ist Psychologin und Coachin. Sie begleitet Frauen auf dem Weg zum entspannten Erfolg.

Campus-Bestsellerautor Jens Weidner (»Die Peperoni-Strategie«) ist Speaker, Management-Trainer und Aggressionsexperte, der Führungskräfte unter anderem darin schult, ihren Biss zu stärken.

Inhalt

PROLOG Laura

PROLOG Jens

Ein federleichtes Arbeitsleben

TEIL 1: FEDERLEICHT ERFOLGREICH WERDEN

1: Mögliche Auslöser für Selbstzweifel

2: Das Impostor-Syndrom

3: Auf dem Weg zu mehr Wohlbefinden

4: Das Modell des Federleicht-Prinzips

5: Sanfter Einstieg in die positive Veränderung

6: Eine ordentliche Portion Selbstvertrauen

7: Das Würdigen von Leistungen und Erfolgen

TEIL 2: SCHRITT FÜR SCHRITT INS FEDERLEICHTE ARBEITSLEBEN

Eine kleine Bedienungsanleitung

MODUL 1: So hältst du deine innere Perfektionistin im Zaum

MODUL 2: So nimmst du Kritik weniger persönlich

MODUL 3: So gehst du mit deinen Glaubenssätzen besser um

MODUL 4: So wirst du deine eigene Feelgood-Managerin

MODUL 5: So schlägst du deinem Grübelmonster ein Schnippchen

MODUL 6: So wirst du dein größter Fan

MODUL 7 : So entwickelst du Einsteckerqualitäten

MODUL 8: So gönnst du dir wohltuende und wohlverdiente Pausen

MODUL 9: So erlebst du wieder mehr Freude und Spaß

MODUL 10: So setzt du deiner inneren Fleißbiene Grenzen

MODUL 11: So reduzierst du unerwünschte Unterbrechungen

MODUL 12: So wirst du sichtbarer und sagst deine Meinung

MODUL 13: So zollst du dir selbst und deiner Leistung gebührend Anerkennung

MODUL 14: So gehst du lockerer mit Fehlern und Misserfolgen um

MODUL 15: So kurierst du allmählich deine Aufschieberitis

MODUL 16: So gewinnst du deinen Laserfokus zurück

Epilog

ANHANG

Anmerkungen

Literatur

PROLOG Laura

»Ach du Scheiße! Was, wenn sich herausstellt, dass ich absolut inkompetent bin? Was, wenn die denken: Wie hat die sich denn hierher verirrt? Wie kommt die nur auf die Idee, dass sie Psychologin werden könnte?« Das waren meine Gedanken vor meiner ersten mündlichen Prüfung im Bachelor Psychologie. Die Folge: eine Panikattacke. Ich weinte, ich zitterte, ich stand kurz davor, alles hinzuschmeißen, wegzurennen und mich zu verkriechen! Trotz meiner Ängste trat ich die Prüfung damals an und ich bestand sie mit der Note 1,7. Doch statt mich zu freuen, dachte ich reflexartig: »Die haben mir die Note doch nur aus Mitleid gegeben, weil ich so verheult aussehe.«

Rückblickend kann ich mit Bestimmtheit sagen: »Herzlichen Glückwunsch, Frau Kellermann, ein Impostor-Syndrom vom Feinsten!« Denn heute bin ich Psychologin und systemische Beraterin – und von der unsicheren, von Selbstzweifeln gebeutelten Studentin ist nicht mehr viel übrig. In den vergangenen Jahren habe ich viele Tipps und Tricks, die ich gerne mit meinen heutigen Kundinnen teile, im Selbstversuch konsequent angewendet. Ich gehöre ohnehin zu der Sorte Mensch, der die Dinge gerne selbst ausprobiert, um besser zu verstehen, wie sie wirken und funktionieren.

Doch ich bin meine Selbstzweifel nicht hundertprozentig losgeworden, denn das ist unmöglich. Sie kommen bei mir manches Mal noch hoch, etwa bei der Idee, dieses Buch zu schreiben. »Bin ich dafür bereit?«, dachte ich. »Was, wenn sich herausstellt, dass ich nicht gut genug dafür bin?« Doch dann musste ich direkt über meine Gedanken lächeln. Wer wäre geeigneter dafür als eine Psychologin, die bei einem Buchprojekt, das sich um das Impostor-Syndrom dreht, genau solche Zweifel hegt?

Eins gleich vorweg: Es ist nicht schlimm, wenn dich ab und an Selbstzweifel überkommen. Du musst nur wissen, wie du damit in Zukunft besser umgehst. Sie hinterlassen ja stets das Gefühl, dass die anderen mehr können, besser, erfolgreicher oder kompetenter sind als du. Du strengst dich in der Folge noch mehr an, um allen Ansprüchen zu genügen, nicht unangenehm aufzufallen und auf gar keinen Fall zu versagen. Doch so sehr du dich auch abstrampelst – auf diese Weise schöpfst du nicht dein volles Potenzial aus, weil dich deine Zweifel und Ängste ausbremsen.

Du hast viele Visionen und Träume, geniale Einfälle und eine eigene Meinung, da bin ich mir sicher. Aber du traust dich (noch) nicht, du selbst zu sein. Dich so zu zeigen, wie du bist. Und wenn doch, dann nur unter großer Anstrengung und mit viel Zögern.

Ich möchte dir an dieser Stelle etwas sehr Wichtiges mit auf den Weg geben: Du bist genau so richtig, wie du bist. Du bist wertvoll, klug und kannst alles erreichen, was du willst. Das Federleicht-Prinzip wird dich genau dorthin bringen. Damit wirst du viele nervige Mitmenschen, die dich auf deinem Lebensweg und bei deiner Karriere ausbremsen wollen, mit Leichtigkeit hinter dir lassen, um letzten Endes ganz du selbst zu sein und selbstbewusst dein Potenzial zu entfalten.

Deine Laura

PROLOG Jens

Wenn von Selbstzweifeln und einem geringen Selbstwertgefühl die Rede ist, denken viele – ganz den gängigen Stereotypen verfallen – automatisch an Frauen. Da fühle ich mich als Mann ehrlich gesagt ein bisschen übergangen, denn ich kann vermutlich ebenso wie viele andere Vertreter des »starken Geschlechts« aus tiefster Überzeugung sagen: Check! Zweifel an meiner Persönlichkeit, an meinen Fähigkeiten, an meinen Entscheidungen, an meiner Eignung und meinen Talenten – all das begleitete mich lange Zeit in meinem Leben. Bis ich erkannte, dass mich das nicht weiterbringt und ich aktiv etwas daran ändern konnte und musste.

Ich hatte Selbstzweifel, weil ich der Klassenkleinste war und von meinen Mitschülern deswegen gemobbt wurde. Ich hatte Selbstzweifel, weil ich gleich in mehreren Tanzschulkursen eine schlechte Figur abgab, weil ich mich beim Führerschein schwertat und später beim Golfen bei meinem einzigen Turnier einen Pokal mit der Aufschrift »1. v. h.«, also Erster von hinten, bekam. Das sollte lustig sein und war auch nicht wirklich böse gemeint. Deswegen lächelte ich bei der Preisverleihung auch, obwohl ich es blöd fand, dass nun alle auf meine spielerische Unfähigkeit aufmerksam gemacht wurden. Gemeine Feedbacks (»Du Trottel!«), bissige Bemerkungen (»Sie sind eine totale Fehlbesetzung«), berufliche Tiefschläge (»Wir werden Sie nie fest anstellen«) und vieles mehr – sie alle addierten sich zu einer imposanten Liste an Belegen für meine Unvollkommenheit in vielen Bereichen des Lebens und bildeten einen idealen Nährboden für Zweifel jeder Art. Sogar wenn ich jetzt auf mein bisheriges Leben zurückblicke, kann ich gar nicht recht fassen, dass mir das tatsächlich alles gelungen sein soll. Das passt auch zu dem Satz, den ich am häufigsten auf Ehemaligen-Klassentreffen zu hören bekomme: »Ausgerechnet du – unglaublich!«

Mein Promotionsabschluss war für mich ein Akt der Befreiung, der meine Energie explodieren ließ und den Startschuss zu dem gab, was man wohl eine 1A-Karriere nennt. Ich bin Professor und Eigentümer eines kriminologischen Instituts, schreibe Bestseller, halte Vorträge, habe eine Online-Beratungsfirma und das Wichtigste: eine ganz tolle Familie. Heute lebe ich mit 95 Prozent Zufriedenheit und 5 Prozent Selbstzweifeln. Eine tolle Quote, wie ich finde! Das Leben fühlt sich in vielen Phasen happy an. So wie es läuft, ist es gut. Ich strebe nicht nach mehr, aber auch nicht nach weniger. Das erlaubt mir insgesamt ein eher stressreduziertes Leben – beruflich wie privat.

Mir ist aber vollkommen bewusst, dass Frauen mit den genannten Problemen in unserer Gesellschaft nach wie vor stärker zu kämpfen haben als Männer. Deswegen fokussieren Laura und ich uns auch auf Leserinnen. Aber wenn du dir das Buch vielleicht von deiner Partnerin ausgeliehen hast: Das Federleicht-Prinzip funktioniert auch bei Männern, Ehrenwort!

Dein Jens

Ein federleichtes Arbeitsleben

Authentisch und entspannt erfolgreich sein. Klingt herrlich, oder? Aber mal ehrlich: Wie oft hast du das Gefühl, dass du dich verbiegst, um anderen zu gefallen oder um den Erwartungen gerecht zu werden, die an dich gestellt werden: im Job, in der Familie und in der Freizeit? Wie sehr bemühst du dich darum, dass es den Menschen in deinem Umfeld gut geht und dass sie sich in deiner Umgebung wohlfühlen, selbst wenn dir gerade gar nicht danach ist oder dir andere das Leben schwermachen? Wie oft bist du alles andere als entspannt?

Anstatt einen gemütlichen Abend zu verbringen, bei einem kühlen Glas Rosé und einer Fußmassage von deinem Partner, mit dem du gemeinsam in Urlaubserinnerungen schwelgst und dich darüber freust, was du wieder so alles geschafft hast, sitzt du immer noch im Büro, weil du deinen Bericht dringend noch mal überarbeiten musst, weil er noch nicht perfekt ist. Oder du kommst abgespannt nach Hause, weil du kaum Pausen gemacht hast: Es war einfach so viel zu tun, da kann man eben nichts machen. Du ärgerst dich regelmäßig über deine Kollegen, die nicht aus den Puschen kommen, oder über deine Chefin, die nicht sieht, was du tagtäglich leistest, dafür aber euer lange vereinbartes Meeting vergessen und dich einfach versetzt hat. Statt also den Feierabend zu genießen, bist du angespannt, innerlich unruhig und kannst nur schwer herunterfahren, fühlst dich wie gefangen. Denn da sind nicht nur die Erwartungen der anderen, sondern auch noch deine eigene Erwartung, alles richtig zu machen, immer dein Bestes zu geben oder gar eine Überperformance abzuliefern. Immer freundlich, immer hoch motiviert und natürlich immer superschnell.

Puh, das ist ja schon beim Schreiben anstrengend! Wenn du dich so oder so ähnlich fühlst, solltest du das unbedingt ändern. Denn es geht auch anders, oder besser gesagt: federleicht. Eine Anleitung, wie du deinen Partner zur Fußmassage motivierst, haben wir leider nicht. Aber wie du es dir zukünftig im Beruf leichter machen kannst, das können wir dir gerne verraten. Wir haben für uns den Traum der federleichten Karriere verwirklicht und kennen viele engagierte Frauen, denen das ebenfalls gelungen ist und die ihre Denk- und Verhaltensmuster nachhaltig verändert haben. Sie alle haben uns berichtet, dass sie sich seit ihrem Change-Prozess federleicht fühlen. Das hat uns auch auf die Idee gebracht, dieses Buch Das Federleicht-Prinzip zu nennen.

Du wirst lernen, wie du einen unbändigen Glauben an dich selbst entwickelst. Wie du dich reflektierst, ohne dich selbst zu verunsichern oder zu blenden. Wie du deine Erfolge lieben lernst und dich selbst dabei besser kennen lernst. Wie du eine solide Basis schaffst, die dafür sorgt, dass du sicher und selbstbewusst deine Frau stehst – in allen Lebenslagen und vor allem bei Gegenwind. Du wirst lernen, nicht mehr allen gefallen zu müssen und Versagensängste und Minderwertigkeitsgefühle zu stoppen. Und auch wie du deine übermenschlichen Erwartungen auf ein gesundes und befriedigendes Maß herunterschraubst. Denn du kannst dir Ecken und Kanten erlauben und mit weniger Anstrengung noch erfolgreicher werden – auch wenn du das im Moment vielleicht noch nicht für möglich hältst!

In Teil 1 geht es um die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen. Wir schauen uns genauer an, was generell Selbstzweifel auslösen kann, werfen einen detaillierten Blick auf das Impostor-Syndrom und seine Folgen und stellen dir unser Federleicht-Prinzip und dessen Vorzüge vor. Du erfährst außerdem, inwiefern sich ein verändertes Mindset auf dein Wohlbefinden auswirken und dein Leben in vielerlei Hinsicht erleichtern kann.

In Teil 2 geht es dann um die konkrete praktische Umsetzung. Dort findest du zahlreiche Übungen und Tipps, um deine Selbstzweifel, Unsicherheiten und Ängste besser zu erkennen, zu analysieren und abzubauen, souverän mit Herausforderungen im Arbeitsleben umzugehen und ein Erfolgs-Mindset zu entwickeln, das dir zu mehr Gelassenheit und Leichtigkeit im Job verhelfen kann. Damit vergrößerst du deine Career-Happiness und schaffst dir allmählich ein zufriedeneres, federleichtes Leben.

Wir wünschen dir viel Spaß bei der Lektüre und vor allem bei der Umsetzung der Methoden, Tipps und Tricks!

TEIL 1: FEDERLEICHT ERFOLGREICH WERDEN

1: Mögliche Auslöser für Selbstzweifel

Um das gleich zu Beginn klarzustellen: Jeder von uns kennt Momente des Selbstzweifels und der Unsicherheit und hat Ängste. Das ist menschlich und nicht verwerflich. Doch sie sind echte Leichtigkeitskiller! Wenn sich unsere Gedanken im Kreis drehen oder ein Eigenleben zu entwickeln scheinen, kann das überwältigend und beängstigend sein. Wenn wir alles zerdenken und infrage stellen, ist das ein Sabotageprogramm, denn unsere Selbstzweifel hindern uns, unser wahres Potenzial zu entfalten, unsere Ziele entspannt zu verfolgen und auch zu erreichen und ein federleichtes Leben zu leben. Sie sorgen stattdessen dafür, dass wir uns überarbeiten und uns permanent gestresst fühlen. Oftmals erreichen wir zwar unsere Ziele – manchmal aber nur mit Ach und Krach – und können durchaus Erfolge verbuchen, doch wir können sie leider nicht genießen.

Die gute Nachricht ist: Du kannst lernen, besser mit deinen Selbstzweifeln, Unsicherheiten und Ängsten umzugehen. Geht das von heute auf morgen? Nein, es ist ein Prozess. Wirst du dann nie wieder an dir zweifeln, dich unsicher oder ängstlich fühlen? Nein, es ist Teil des Menschseins, dass du solche Gefühle hegst. Entscheidend ist, dass du den Glauben an dich stärkst und erkennst, was du alles kannst und weißt. Und dass du, wenn dich Selbstzweifel plagen, Strategien hast, um ihnen souverän zu begegnen.

Die Trigger für Selbstzweifel sind vielfältig. Schauen wir uns im Folgenden die wichtigsten an.

Pessimistisches Katastrophendenken

Katastrophendenken übertreibt mögliche Gefahren, obwohl es irrational ist, »davon auszugehen, dass Umstände, die man negativ interpretieren kann, zwangsläufig zu katastrophalen Ereignissen in der Zukunft führen werden. Es sind die Mücken, die sich in der Phantasie zu Elefanten auswachsen«.1 Von diesen Elefanten fühlen sich viele Selbstzweiflerinnen magisch angezogen. Sie fallen damit hierzulande auch gar nicht weiter auf, weil sie mit ihren finsteren Einschätzungen die vielzitierte stereotype German Angst widerspiegeln. Diese entflammt Zweifel an uns selbst, an unserer Gesellschaft und an einer besseren, schöneren Zukunft. Das führt schnurstracks in eine berufliche und emotionale Sackgasse, denn sie trauen sich weniger und ziehen alles in Zweifel: Warum studieren, wenn die Welt doch dem Untergang geweiht ist? Warum Kinder zeugen, wenn die Umweltzerstörung ihnen kein gesundes Klima bieten wird? Warum Geld sparen, wenn es keine Zinsen gibt und der nächste Crash absehbar ist? Diese Angst vor dem Untergang ist laut der Journalistin und Autorin Sabine Magnet die Folge »einer nicht mehr so sozialen Marktwirtschaft, eines globalisierten Wettbewerbs, einer Gier-Geiz-Mentalität, einer Mutation des Erfolgsbegriffs und einer digitalen Bewertungsmaschinerie«.2 Es sei demnach nicht weiter verwunderlich, dass so viele Menschen sich inkompetent vorkommen und Versagensängste haben.

Eine pessimistische Zukunftssicht befeuert tiefgründige Gedanken, deren Wahrheitsgehalt niemand kennt, die uns aber bereits heute Sorgen bereiten und Angst einjagen können. Statt Vorfreude – wie sie Optimistinnen pflegen – setzen Selbstzweiflerinnen auf zukünftige Horrorszenarien. Sie malen sich ihre Zukunft kritisch bis katastrophal aus, obwohl es anders und vor allem viel besser kommen könnte.

Tipp

Federleicht-Tipp: Die Zukunft hängt auch von unserem Handeln ab, denn wir sind es, die die nächsten Jahrzehnte gestalten werden. Es ist also ein gewaltiger Unterschied, ob du deine Zukunft mit Tatkraft angehstoder dich aufgrund von Selbstzweifeln, Unsicherheiten und Ängsten ausbremst und deinem vermeintlich unausweichlichen Schicksal ergibst.

Scham und Schuld

Manche Selbstzweiflerinnen schämen sich auch, weil es ihnen – trotz der zu erwartenden Katastrophen – objektiv betrachtet gut geht. Sie können die leichten Momente ihres Lebens nicht genießen angesichts des Elends auf dieser Welt. Das widerspräche ihrer selbstkasteienden Philosophie, deren Leitsatz lautet: »Erst wenn es meinem Umfeld gut geht, darf auch ich das Leben genießen.«

Dieses Phänomen findet sich häufig in helfenden Berufen: Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen, Pflegerinnen oder Ärztinnen sind umgeben von Leid und Not. Es fällt vielen von ihnen schwer, tagsüber die Patienten und Klienten mit ihren Sorgen zu begleiten und abends entspannt ihr Leben zu genießen und auch mal ausgelassen zu feiern.

Tipp

Federleicht-Tipp: Das ist verrückt, denn genau umgekehrt sollte es sein. Gerade wegen der sinnvollen, helfenden, guten Arbeit am Menschen sollten sie abends feiern und die Sektkorken knallen lassen! Und das gilt auch für dich: In Modul 13 geht es darum, Erfolge anzuerkennen und zu feiern.

Stigmatisierung von Minderheiten

Selbstzweifel können auch entstehen, wenn die Betroffenen zu einer Minderheit zählen oder von anderen Mitgliedern der Gesellschaft in die Minderheitenecke gedrängt werden. Sie spüren, dass sie nicht dem Mainstream der Gesellschaft entsprechen – vielleicht weil sie als Frauen in einem männerdominierten Beruf tätig sind. Oder weil sie als Menschen mit arabischen, russischen, türkischen, polnischen, afghanischen oder asiatischen Wurzeln nicht als Teil Deutschlands betrachtet werden, obwohl sie in der Bundesrepublik geboren sind und besser Hochdeutsch sprechen als alle Bayern und Sachsen zusammen, hier Steuern zahlen und damit den deutschen Staat unterstützen. Nichtsdestotrotz wird ihnen von Teilen der Gesellschaft immer wieder das Gefühl vermittelt, dass sie fremd sind im eigenen Land.

Dieses Racial-Impostor-Syndrom3 ist eine Stigmatisierung, die viel zu weit verbreitet ist. Die Betroffenen müssen ein hohes Maß an Eigenlob aktivieren, um sich »normal« oder zugehörig zu fühlen, egal ob der Minderheitenstatus kulturell, religiös oder sexuell bestimmt ist. Sich zwischen verschiedenen gesellschaftlich-kulturellen Anforderungen als Minderheit zu bewegen, ist mühsam und beschwerlich.4 Solche Selbstzweifel können sich mit der Zeit in Form von hinderlichen Glaubenssätzen verfestigen (mehr dazu in Kapitel 4).

Auswirkungen der Sozialisation

Unterbewusste Auslöser für Selbstzweifel und Selbstkritik finden sich zudem in unserer Sozialisation. Familiendynamiken beeinflussen uns im Kindesalter, etwa wenn wir für besondere Leistungen gelobt und geliebt werden, aber eben nicht um unser selbst willen. Aufgrund des prägenden, primär familiären Einflusses studieren Nachkommen von Juristen oft Rechtswissenschaften und die Töchter von Ärztinnen entscheiden sich häufig für ein Medizinstudium. Und Unternehmern gefällt es, wenn ihre Töchter den Wunsch äußern, später in den Familienbetrieb einzusteigen. Dass dieser Einfluss auch in kriminellen Familien vorherrscht, habe ich (Jens) in meiner kriminologischen Laufbahn immer wieder feststellen müssen. Die Theorie der differentiellen Assoziation erklärt dieses Phänomen: Wir geben unser Know-how an die nächste Generation weiter, egal ob es dabei um das Subsumieren juristischer Texte, den Umgang mit dem Skalpell, die Verinnerlichung der Unternehmenswerte oder die Organisation von Hehlerware geht.

Erziehung und Sozialisation prägen uns also im Guten wie im Schlechten. Wenn man uns schlecht geprägt hat, weil man uns signalisiert hat, dass wir nicht gut genug sind, um den Erwartungen unserer Familie gerecht zu werden, dann haben wir ein schweres Päckchen zu tragen. Ein Päckchen, das uns belastet, weil es unser Selbstvertrauen ankratzt, unsere Selbstzweifel befeuert und unsere Ideen im Keim erstickt, weil wir von außen mit Bedenken überschüttet werden:

»Ein Studium ist doch bei dir reine Zeitverschwendung!«

»Ein Sabbatical? Eine Auszeit vom Job nehmen – das ist total irre, das macht man nicht!«

»Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du einen besseren Job finden kannst?«

»Du und Kite-Surfen? Nie im Leben!«

»Das ist doch totaler Quatsch! Was du immer denkst …«

Unerfüllte familiäre Erwartungen

Solange der Nachwuchs den Wünschen der Erziehungsberechtigten entsprechend agiert und die nötigen schulischen und akademischen Leistungen abrufen kann, ist alles bestens. Doch was, wenn nicht? Die Konflikte mit den ehrgeizigen Eltern sind dann programmiert.

Beispiel

Birte erfüllt die Erwartungen ihrer Eltern nicht. Sie nimmt zwar an einer teuren Privatuniversität ein Psychologiestudium auf, sehr zur Freude ihrer Eltern – beide Psychologen. Doch schon am Ende des ersten Semesters erkennt sie ihre Fehlentscheidung. Der wissenschaftliche Rahmen und das Gelaber ihrer Kommilitonen gehen ihr derart auf den Geist, dass sie ihr Studium schmeißt. Von heute auf morgen, ohne dass ihre entsetzten Eltern noch hätten intervenieren können.

»Und was willst du jetzt machen?«, wollen die Eltern wissen.

»Ich werde mit einem neuen Onlineprodukt durchstarten, an dem ich seit einem Jahr heimlich bastele«, erwidert Birte.

»Mit was, bitte?« Ihre Eltern können damit gar nichts anfangen, und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Sie verstehen auch nicht, als Birte sich für mehrere Tausend Euro einen Funnel einrichten lässt, um ihr neues Onlineprodukt zu vermarkten. Was ist bloß mit ihrem Kind los? Beide wundern sich allerdings schon bald, dass ihre Tochter ein deutlich höheres Einkommen generiert als die Eltern zusammen. Wie kann denn das sein?

Ihre Tochter versucht es zu erklären: »Ich polarisiere und skaliere mein Produkt hoch!«

Das verwirrt die Alten noch mehr. Ihr Traum von der Psychologen-Tochter mit eigener Praxis ist zerplatzt. Sie sind enttäuscht – trotz des materiellen Erfolgs ihrer Tochter.

Wenn die Kinder aus der Perspektive ihrer Eltern »versagen«, weil der zunächst nicht ganz freiwillig gewählte Beruf sie überfordert oder sie – so absurd das auch in manchen Ohren klingen mag – völlig andere Wünsche und Träume für ihr Leben haben als ihre Eltern, folgen Konflikte und Liebesentzug leider allzu oft auf dem Fuße:

»Was, du willst in die Pflege gehen, statt Chefärztin zu werden?«

»Was, du willst diese brotlose Kunst studieren?«

»Was, du willst eine handwerkliche Ausbildung machen und Tischlerin werden?«

Die herbe Enttäuschung steht vielen ambitionierten Eltern dann ins Gesicht geschrieben – und mit ihren Zweifeln öffnen sie eben leider auch den Selbstzweifeln ihrer Töchter Tür und Tor. Diese bräuchten jedoch den Support ihrer Eltern bei ihren ersten Karriereschritten und nicht deren Mahnung vor und Unzufriedenheit mit ihrem eingeschlagenen Weg.

Das »soziale Schaf« der Familie

Wenn es schlecht läuft, fördert der Familieneinfluss einen psychologischen Abwertungseffekt, der den Schäfchen-Typ fördert – also einen Mädchen-Typ, der zu naiv durchs Leben geht und mehr zum Opfer, als zur Macherin prädestiniert ist: »Personen mit Impostor-Selbstkonzept wachsen oft in Familien auf, in denen einem nahen Familienmitglied die Rolle des Intelligenten zugeschrieben wird. Dem Kind, das ein Impostor-Selbstkonzept entwickelt, wird dann eher vermittelt, dass es das hübsche, einfühlsame und soziale Kind ist.«5 So sozial und einfühlsam, dass man in puncto Karriere und Erfolg nicht zu viel von ihm erwartet. Ein Schäfchen eben. Nicht intelligent, aber nett. Und nett ist im Berufsleben die kleine Schwester von Schei…! Die Rollen in der Familie sind damit vergeben und werden überdeutlich ausgedrückt: »Ich hoffe, du findest später einen guten Partner, der dich versorgen kann« oder »Du bist einfach ein Dussel. Ich sehe nicht, dass aus dir etwas werden kann«.

Kinder und Jugendliche, die solche Rückmeldungen erhalten, haben daran zu knabbern. Und sind diese Rollen, diese Zweifel an ihrer Intelligenz, erst einmal festgeschrieben, helfen auch gute schulische Leistungen nicht, denn diese werden als zufällig oder als eine vorübergehende Phase diskreditiert. Die betroffenen Mädchen und jungen Frauen fragen sich dann umso mehr, warum sie aus Sicht ihrer Familie als solche Versagerinnen wahrgenommen werden. Doch höchstwahrscheinlich wird es schon so sein, denn diese Menschen kennen sie schließlich am besten, spukt ihnen im Kopf herum.

Diese negativen familiären Zuschreibungen fressen sich in die Seele der jungen Menschen. Sie manifestieren sich in einer Überempfindlichkeit bei kleinster Kritik, die sie tagelang beschäftigen kann. Und diese übertriebene Beschäftigung mit vermeintlicher Kritik bildet einen soliden Nährboden für Selbstzweifel, Unsicherheiten und Ängste.

Tipp

Federleicht-Tipp: Für die Umstände deiner Erziehung und dein soziales Umfeld kannst du nichts, du wurdest dort hineingeboren. Aber du musst nicht dein Leben lang darin verfangen bleiben. Mit welchen Methoden du dich aus den Klauen deiner Sozialisation und deren Langzeitauswirkungen langsam, aber sicher befreien kannst, erfährst du in Modul 3.

Angst vor Zurückweisung

Selbstzweifel werden auch durch unsere Angst vor Zurückweisung befeuert. Sie lässt uns erstarren wie das Kaninchen beim Anblick der Schlange. Diese Reaktion ist das Gegenteil von federleicht erfolgreich, das ist total verkrampft. Selbstzweiflerinnen halten eine positive Selbsteinschätzung für übertrieben. Negatives Feedback nehmen sie hingegen bitterernst, und dieses trifft meist auch ihre Achillesferse und bringt sie zu Fall.6 Daher verstecken sie sich mithilfe der drei folgenden Strategien:

Konsequentes Wegducken. Sie machen sich möglichst unsichtbar, um keinerlei Angriffsfläche zu bieten. Sie passen sich weitgehend an und vermeiden so, ins Visier von schmerzhaftem Feedback zu geraten. Kein Feedback, keine Zurückweisung, so die Logik. Dieses Verhalten führt jedoch dazu, dass niemand sie und ihr Engagement wahrnimmt.

Vorauseilender Gehorsam. Sie geben sich stets überaus hilfsbereit, verhalten sich nett, höflich bis anbiedernd. Sie opfern sich für andere auf, leiden im Stillen und hoffen, irgendwann als Gutmensch gewürdigt zu werden, ohne dabei zu bedenken, dass aus Everybody’s Darling schnell Everybody’s Depp werden kann. In helfenden sozialen, medizinischen und psychologischen Berufen ist diese Haltung verbreitet, mit der sich die Betroffenen jedoch gänzlich von der Wertschätzung anderer abhängig machen.

Rechtfertigungs- und Entschuldigungsorgie. Sie rechtfertigen und entschuldigen sich ständig. Sie zeigen dabei jedoch kein Rückgrat, weil sie an der Aussagekraft ihrer eigenen Worte zweifeln. Fehler interpretieren sie als Beweis für ihre Unzulänglichkeit. Lieber nichts tun, als einen Fehler zu begehen, wird zu ihrem Lebensmotto. Damit werden Versuch und Irrtum zum Tabu und jedes innovative Handeln zum Albtraum, da Innovationen immer auch die Möglichkeit des Scheiterns beinhalten.

Kognitionspsychologisch ist dieses Denken und Handeln alles andere als zielführend! Diese drei Strategien fördern keinen Erfolg. Aber sie haben einen trügerischen Nutzen für diejenigen, die sie anwenden, denn sie reduzieren die kognitive Dissonanz.7 Sie entsteht, wenn sich zwei Gedanken widersprechen, beispielsweise der Wunsch nach Anerkennung und die gleichzeitige Angst vor Zurückweisung. Dieser Widerspruch löst einen Spannungszustand aus, den die Betroffene zu verringern versucht. In diesem Fall gelingt das, indem die Angst vor Zurückweisung durch eine der drei genannten Unterwürfigkeitsstrategien verkleinert wird. Die Logik, die dahintersteht: Wenn die Betroffene sich freiwillig klein macht, kann die befürchtete Zurückweisung auch nicht mehr so groß sein und wird dadurch erträglicher.

Tipp

Federleicht-Tipp: Diese drei Strategien empfehlen wir dir ausdrücklich nicht! Du solltest stattdessen mithilfe von Modul 2 deine inneren Kritiker entlarven und lernen, Kritik von außen besser zu verkraften.

Angst vor dem Scheitern

Selbstzweiflerinnen kündigen einen möglichen Misserfolg auch gerne vorbeugend an, denn das »senkt die Erwartungen anderer, vermittelt Bescheidenheit, motiviert gegebenenfalls andere zu sozialer Unterstützung und dient zugleich als Selbstschutz im Falle tatsächlichen Misserfolgs«.8

Um eins gleich vorwegzuschicken: Zweifel bei innovativem Handeln sind grundlegend berechtigt! Jede Innovation birgt nun mal eine hohe Misserfolgswahrscheinlichkeit, weil niemand vorhersagen kann, ob die neue Idee wirklich tragfähig ist und sich durchsetzen kann. Das Abwägen möglicher Optionen ist nötig, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Zweifel beschützen uns also, nicht jedem Mainstream blind zu folgen, sondern eigenständig zu denken.

Mit Unwägbarkeiten flexibel umgehen zu können, wird in Zukunft immer wichtiger werden und über den Aufstieg auf der Karriereleiter mitentscheiden. Eine gewisse Ungewissheit müssen wir dabei alle ertragen lernen, weil es heutzutage von Innovationen nur so wimmelt: neuartige Apps, Work-Life-Modelle, Start-ups, Change-Prozesse, Technologien, Verkaufsstrategien – vieles ist im Wandel begriffen und rüttelt ganze Branchen durch. Das Alte gilt nicht mehr, denn es scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Aber wie das Neue funktioniert, das ist uns auch nicht klar. Dass diese Ungewissheit Angst und Zweifel auslöst, verwundert nicht, aber es ist unsere Aufgabe zu lernen, mit dieser Herausforderung möglichst entspannt umzugehen.

Eine kleine Selbstzweifelanalyse

Du hast vielleicht schon festgestellt, dass nur ganz bestimmte Personen oder Situationen Selbstzweifel in dir wachrufen. Dazu kann zum Beispiel eine Besprechungssituation zählen, in der du einer Überzahl gegenübersitzt und nicht weißt, ob diese Leute dir wohlgesonnen sind. Entsprechende Konstellationen solltest du dir mal genauer anschauen. Vermutlich werden dir nicht massenhaft unterschiedliche Storys einfallen, sondern ein paar bestimmte immer wieder auftreten. Identifiziere deine persönlichen Selbstzweifel-Trigger!

Beispiel

Bei ihrer Selbstzweifelanalyse fällt der Unternehmensberaterin Dr. Jasmin Mittelhoff sofort ein Männertyp ein, der in ihr die wildesten Selbstzweifel aktivieren kann. Seit ihrer Promotion kann sie sich nicht über mangelndes Selbstbewusstsein beklagen. Eigentlich. Doch ihre Souveränität fällt komplett in sich zusammen, sobald graumelierte, erfahrene Haudegen, also Geschäftsführer oder Unternehmer von großen Firmen, ihre Expertise suchen. Bei Frauen ergeht es ihr nie so – es passiert ausschließlich bei dieser Art von Männern.

Sie ist sich sicher, diesen Führungskräften nichts zu bieten zu haben. Es muss ein unglücklicher Fehler sein, dass ausgerechnet sie ausgesucht und gebucht wurde. Diesen Missgriff werden die Herrschaften sicher schnell bemerken, und im Anschluss werden die Auftraggeber ihre Ratschläge in der Luft zerreißen – wegen der kaum erträglichen Inkompetenz. Solche Gedanken belasten Dr. Mittelhoff enorm und lösen extremen Stress bei ihr aus. Komisch ist nur, dass dieses befürchtete Worst-Case-Szenario niemals eintritt. Doch selbst das beruhigt die erfolgreiche Unternehmerin nicht. Sie mutmaßt stattdessen, dass die Auftraggeber offenbar viel zu höflich sind, um ihr die nackte Wahrheit ins Gesicht zu sagen.

Diese Sorge begleitet Dr. Mittelhoff lange Jahre. Sie verschwindet erst dank eines Spezialisten und mit zunehmendem Alter, auch weil ihre persönliche Empirie eindeutig ein ums andere Mal demonstriert: Es kommt nichts Negatives! Ihre Selbstzweifel lösen sich nach Jahren sozusagen biologisch auf. Ihre Geduld und ihr Durchhaltevermögen zahlen sich aus. Vermutlich wäre es zielführender gewesen, frühzeitig ein Coaching zu dieser Problematik zu buchen. Das hätte ihr viele Schweißperlen und schlaflose Nächte erspart. Aber wie heißt es doch so schön: Besser spät als nie!

Reflexion

Reflexion: Denk über Situationen und Begegnungen mit Menschen nach, die in dir Selbstzweifel hervorrufen. Beschreibe diese Situationen und Personen präzise. Kristallisiert sich dabei ein Muster (oder mehrere) heraus? Bei dieser Analyse wirst du erkennen, dass du nicht in einem Meer von Selbstzweifeln zu ertrinken drohst, sondern dass es nur kleine Inseln sind, die es entsprechend punktuell zu behandeln gilt – mit einem der Werkzeuge, die wir dir in unserem Modulbaukasten in Teil 2 an die Hand geben.

2: Das Impostor-Syndrom

Als Kriminologe dachte ich (Jens) logischerweise direkt an Betrüger, als ich den Begriff »Impostor-Syndrom« beziehungsweise »Hochstapler-Syndrom« zum ersten Mal hörte. Mir kam Felix Krull aus Thomas Manns Roman Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull – Der Memoiren erster Teil in den Sinn. Ich erinnerte mich an die überführte und verurteilte Hochstaplerin Anna Sorokin, die in der New Yorker High Society unterwegs war und die Leute reihenweise zum Narren hielt. Mir fielen Heiratsschwindler ein, die einsame Herzen finanziell aussaugen, und Investment-Jongleure, die das Geld ihrer Kunden nicht anlegen, sondern im Schneeballsystem verbraten, bis sie eines Tages auffliegen. Solche Hochstapler sind frei von Selbstzweifeln und kokettieren sogar mit ihrer betrügerischen Genialität, wie der gelernte Briefträger und Fake-Arzt G. Postel, der nicht nur seine Approbation fälschte, sondern in seinem medizinischen Bewerbungsvortrag das Thema »Die pseudologica phantastica – Die Lügensucht im Dienste der Ich-Erhöhung« wählte.9 Den Mumm muss man erst mal haben!

Doch kriminelle Hochstapler haben nichts mit dem Hochstapler- oder Impostor-Syndrom zu tun, von dem hier die Rede ist. Davon werden Menschen geplagt, die ihren Job seriös und gewissenhaft erledigen und dennoch von Selbstzweifeln zerfressen werden. Sie sind davon überzeugt, dass sie auf ihrer Position eine Fehlbesetzung sind, und leben in der ständigen Angst, dass schon bald alle Kolleginnen und Chefs diese Tatsache ebenfalls erkennen werden. Sie denken, sie könnten nichts Bedeutendes tun oder bewirken. Sie geben ihrer Stimme kein Gewicht, denn sie sind sich sicher, dass sie bald durchschaut und als Hochstapler enttarnt werden. Sie glauben, dass die Aussage »Mehr Schein als Sein« auf sie voll und ganz zutrifft. Deswegen verpulvern sie ihre Zeit und Energie bei dem Versuch, ihre vermeintlichen Inkompetenzen zu verbergen. Sie können keine Komplimente annehmen, geschweige denn genießen, weil sie ihre eigenen Leistungen ins Bedeutungslose herunterspielen. Weil sie sich selbst kleinmachen, können sie ihre Erfolge nicht richtig feiern.

Beispiel

Susanne ist befördert worden, worüber sie sich im ersten Moment freut. Es ist ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter. Sie fühlt sich geschmeichelt und genießt ihren Erfolg. Aber nur für einen kurzen Augenblick, denn schon im nächsten Moment schlagen ihre Selbstzweifel gnadenlos zu. Schafft sie das? Was, wenn sie versagt? Was, wenn sie sich blamiert und allen anderen klar wird, dass sie eigentlich gar nichts kann? Ihre anfängliche Vorfreude wird im Keim erstickt. Stattdessen drehen sich ihre Gedanken nun im Kreis, und die Gedankenspirale wird immer negativer. Susanne fühlt sich zunehmend gestresst, wie gelähmt und unter Druck.

Pauline Rose Clance und Suzanne Imes sind die Entdeckerinnen des Impostor-Syndroms. Die beiden sind Professorinnen für klinische Psychologie an der Georgia State University und haben bereits in den 1970er-Jahren das Zusammenspiel von guten Leistungen und starken Selbstzweifeln entdeckt. Es klingt auf den ersten Blick verrückt, aber objektive Spitzenleistungen im Job führten bei den Probandinnen nicht zu dem Gefühl, wirklich zu etwas fähig zu sein.10 Selbstkritisch meinten sie, ihr Erfolg sei nur ihrem Charme, ihrem Glück oder anderen Zufällen zu verdanken, aber nicht ihrer harten Arbeit und ihrer Intelligenz.

Sonja Rohrmann, Professorin für differentielle Psychologie, war nach ihren Interviews mit Führungsfrauen und -männern im Jahr 2018 von dem Ergebnis überrascht, dass nahezu der Hälfte das Impostor-Syndrom vertraut war. Kritisch sieht sie dabei den Begriff »Syndrom«, da dieser ein psychisches Störungsbild assoziiert. »Aber es ist nichts per se Krankhaftes. Es handelt sich um ein […] Persönlichkeitsmerkmal, das von ganz gering bis sehr stark ausgeprägt sein kann. Bei einer sehr starken Ausprägung besteht ein erheblicher Leidensdruck, der Krankheitswert besitzen kann. Aber das ist wirklich nur im Extrembereich der Fall. Ich nenne das Phänomen daher lieber Impostor-Selbstkonzept.«11 Sie weist darauf hin, dass dieses Selbstkonzept nicht frauenspezifisch ist, sondern bei Männern genauso häufig vorkommt – was ich (Jens) aus meinen Begegnungen mit männlichen Führungskräften nur bestätigen kann. So manches aufgeblähte Ego kaschiert Selbstzweifel mit einem übertrieben dynamischen Auftritt.

Rohrmann betont zudem, dass »insbesondere westliche leistungs- und wettbewerbsorientierte Gesellschaften sich begünstigend auf die Entwicklung eines solchen Selbstkonzepts auswirken, da hier der persönliche Wert an der erbrachten Leistung gemessen wird«.12 Die ungeschriebenen Selbstmarketinggesetze unserer Gesellschaft spielen dem Hochstapler-Syndrom in die Hände: »Unsicherheiten werden überspielt, Fehler verschwiegen und das eigene Können bestmöglich dargestellt. Das kann unter Umständen so erlebt werden, dass man anderen etwas vormacht, nicht authentisch ist.«13 Die Unsicherheiten der Selbstzweifler werden durch diese Inszenierungen befeuert, wenn sie nicht als Inszenierungen durchschaut und für bare Münze genommen werden.

Der Lauf des Lebens

Das Leben ist wie ein Marathon. Wir alle starten an der gleichen Linie, sind aber unterschiedlich ausgestattet. Und niemand weiß im Vorfeld, was noch so alles kommen wird. Also laufen wir los und schauen uns neugierig um. Was uns wohl erwartet? Welche Wege und Strecken es wohl gibt? Das ist irgendwie aufregend und beängstigend zugleich. Es gibt Phasen, in denen wir schneller laufen, auch mal einen kleinen Sprint einbauen, etwa bis zum nächsten Baum oder zur nächsten Parkbank. Und so manches Mal spüren wir dann, dass wir schneller atmen oder sogar nach Luft ringen, weil wir uns zu sehr verausgabt haben. Dann laufen wir wieder etwas langsamer, legen eine Verschnaufpause ein, atmen durch, betrachten die Umgebung, unterhalten uns vielleicht sogar mit anderen Läufern oder absolvieren einen Teil der Strecke gemeinsam, bis sich unsere Wege wieder trennen.

Wir entdecken ein Ziel, das wir gerne ansteuern wollen – fokussiert, konzentriert, willensstark. Mal ist eine Etappe kürzer, mal länger. Die Beine brennen, die Lunge schreit nach Luft, doch wir laufen weiter, bewältigen diese Etappe. Und die nächste. Und die nächste. Wir verschnaufen wieder, atmen tief durch. Wir nehmen uns einen Moment Zeit und betrachten die Umgebung. Was wir schon alles geschafft haben! Wir genießen den Augenblick und zockeln dann langsam weiter, traben bergab, genießen die Dynamik.

Unsere Leistungsgesellschaft

Diesen Lauf des Lebens in unserem Tempo zu laufen, ihn bewusst zu absolvieren und ganz bei uns zu bleiben, das sollte unser eigentliches Ziel sein. Doch Höchstleistung erbringen und Funktionieren werden in unserer Gesellschaft großgeschrieben. Disziplin, Ehrgeiz und Biss haben, etwas erreichen und bewirken wollen, all das wird von vielen positiv assoziiert. Und wir lernen es spätestens in der Schule: Gute Noten bringen uns weiter, sehr gute Noten an die Spitze. Sie ermöglichen es uns, aus einer Vielzahl an hoch angesehenen zulassungsbeschränkten Studiengängen auszuwählen. Ist die Studienhürde genommen, gilt es, sich neben einer Vielzahl anderer Studierender zu beweisen – und dann ab auf den Arbeitsmarkt und die Karriereleiter hinauf. Schneller, höher, weiter! Stillstand ist nicht gewünscht und wird eher mit Rückschritt in Verbindung gebracht.

Dabei die Balance zu halten und sich nicht permanent zu verausgaben, ist schwierig, manchmal nahezu unmöglich. Denn während Leistung, Zielstrebigkeit und Anstrengung anerkannt sind, werden Pausen, Auszeiten, Kreativität, Passivität und Loslassen nicht sonderlich gerne gesehen. Dabei haben sie alle ihre Daseinsberechtigung!

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