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Lord Huber und sein vierbeiniger Assistent Herr Jaromir stehen vor einem besonders kniffligen Fall: Was bedeuten die kleinen roten Füchse auf den Häusern von Innsbrucks Altstadt? Warum hat jemand das Goldene Dachl in ein rotes Dachl verwandelt – und auch den Klagenfurter Lindwurm und den Grazer Uhrturm rot eingefärbt? Sollte das alles mit einem geplanten Diebstahl des kostbaren, riesigen roten Rubins zu tun haben, der gerade in Innsbruck gezeigt wird? Rätsel über Rätsel für die beiden gewieften Ermittler ... Doch wer Herrn Jaromir für einen ganz normalen Dackel hält, der hat schon so gut wie verspielt!
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Seitenzahl: 108
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Für Georg, wie versprochen! (H. J.)
Heinz Janisch
Ein fall für
Jaromir
Mit Illustrationen von Antje Drescher
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Neue Rechtschreibung
© 2022 by Obelisk Verlag, Innsbruck – Wien
Lektorat: Regina Zwerger
Cover: Antje Drescher / www.antje-drescher.de
Alle Rechte vorbehalten
Druck und Bindung: Florjančič tisk d.o.o, Maribor, Slowenien
ISBN 978-3-99128-077-4
eISBN 978-3-99128-084-2
www.obelisk-verlag.at
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
in dem Gold verschwindet, Füchse auftauchen und Herr Jaromir überall Rot sieht
„Das Gold ist weg“, rief Lord Huber und blieb stehen.
Er deutete mit seinem Gehstock in die Luft.
Herr Jaromir hob überrascht den Kopf.
Er war als Assistent von Lord Huber an Überraschungen gewöhnt. Immerhin hatten sie gemeinsam schon zahlreiche Abenteuer erlebt und in sechs gemeinsamen Fällen ermittelt. Jedes Mal hatte Lord Huber mit seinen Beobachtungen und Schlussfolgerungen für Erstaunen gesorgt, auch bei Herrn Jaromir.
Aber – Gold in der Luft? Und dann auch noch Gold, das gar nicht da war? Herr Jaromir war verwirrt.
Lord Huber hielt seinen Stock immer noch hoch in die Luft. Er schien damit auf ein altes Haus zu deuten.
Das schöne, verzierte Haus vor ihnen hatte einen Balkon, der mit Säulen geschmückt war. Das Dach darüber war leuchtend rot.
„Fällt Ihnen etwas auf?“, fragte Lord Huber.
„Na ja. Schönes Haus. Das Rot ist etwas gewagt“, sagte Herr Jaromir. „Es passt nicht zu …“
„Es passt ganz und gar nicht!“, sagte Lord Huber mit heiserer Stimme. Er wirkte verärgert.
„Dieses Rot sollte gar nicht da sein. Wir stehen hier vor dem Wahrzeichen der Stadt Innsbruck, der Landeshauptstadt von Tirol. Wissen Sie, wie viele Schindeln dieses Dach schmücken?“
Herr Jaromir schüttelte den Kopf.
„Dreihundert?“, fragte er vorsichtig.
„Es sind 2 657“, sagte Lord Huber. „Kaiser Maximilian I. hatte dieses Dach ganz besonders verkleiden lassen – mit feuervergoldeten Kupferschindeln. Das ‚güldene Dachl‘ – wie es damals genannt wurde – war schon zu seiner Zeit weltberühmt. Und heute kommen Touristen aus aller Welt, um es zu sehen.“
„Das Goldene Dachl!“ Herr Jaromir bellte aufgeregt. „Jetzt weiß ich es wieder. Das historische Wahrzeichen von Innsbruck, mitten in der Altstadt. Sie haben mir davon erzählt. Auf der Zugfahrt.“
Lord Huber senkte seinen Gehstock.
„Ja, das ist es. Das Goldene Dachl. Aber es ist heute leider so ganz und gar nicht gülden.“
„Es ist eindeutig rot“, bestätigte Herr Jaromir. „Grellrot, würde ich sagen.“
Lord Huber besah sich das Baugerüst neben dem roten Dach.
„Der Kaiser hat sich diesen Balkon und das Dach bauen lassen, damit er bei jedem Wetter dem Treiben auf dem Markt zusehen konnte. Und den Turnieren, die hier auf dem Platz stattfanden. Er hätte sich bestimmt über Männer mit Helmen gewundert, die an seinem Dach herumhantieren.“
Er deutete auf das Baugerüst.
„Die Täter müssen sich als Bauarbeiter verkleidet haben.“
Herr Jaromir untersuchte den Boden unter dem Baugerüst.
„Ich kann hier keinen Geruch von Farbe finden. Und es gibt keinen einzigen Farbspritzer. So vorsichtig kann niemand sein, bei so einer großen Fläche. Und warum reden Sie von mehreren Tätern? Kann es nicht nur einer gewesen sein?“
„Nein“, sagte Lord Huber. „Für dieses Rot braucht es mindestens zwei Leute. Oder mehr.“
„Für dieses Rot? Wie meinen Sie das?“
Herr Jaromir sah sich noch einmal um. Dann bellte er laut. Er hatte etwas Rotes gefunden. Aber es war keine Farbe.
„Sie haben die Lösung schon entdeckt“, sagte Lord Huber. „Da oben hat niemand mit Pinseln und Farbtöpfen gearbeitet. Da oben haben zwei oder mehrere Täter eine rote Folie auf die Schindeln geklebt. Das geht schnell und lässt sich auch wieder rasch abziehen. Die Schindeln müssen nicht bemalt werden – und die Wirkung ist dennoch groß. Sehen Sie, wie viele Leute sich hier versammeln und Fotos machen. Morgen ist das ‚Rote Dachl‘ in jeder Zeitung zu sehen.“
Man hörte Sirenen.
„Und die Polizei ist auch schon unterwegs. Das Ganze muss in der Nacht passiert sein. Gut, dass uns unser Morgenspaziergang hierhergeführt hat.“
Die Sirenen wurden lauter. Drei Polizeiautos fuhren mit Blaulicht vor. Mehrere Polizistinnen und Polizisten sprangen aus den Autos.
„Das rote Dachl wird bald wieder ein Goldenes sein“, sagte Lord Huber. „Wollen wir weitergehen?“
„Wer macht so etwas?“, fragte Herr Jaromir, als sie durch die Gassen der Altstadt spazierten. „Wer hat etwas von dieser Aktion in Rot?“
„Das ist eine gute Frage.“
Lord Huber blieb stehen. „Was für Beweggründe könnte es geben? Was meinen Sie?“
„Werbung“, sagte Herr Jaromir. „Werbung für ein bestimmtes Produkt, das ebenfalls rot ist.“
„Das wäre ungewöhnlich. Und mutig“, überlegte Lord Huber. „Denn die ganze Aktion könnte teurer werden als geplant. Man kann nur hoffen, dass keine Schindel zu Bruch gegangen ist. Sachbeschädigung kostet viel Geld.“
„Es könnte auch ein Signal sein. Ein Zeichen“, sagte Herr Jaromir. „Jemand sieht das Bild in der Zeitung und weiß, dass es Zeit ist.“
„Zeit wofür?“, fragte Lord Huber neugierig.
„Das weiß ich nicht“, gab Herr Jaromir zu. „Das müssten wir herausfinden.“
„Dann glauben Sie, dass das mehr ist als ein Streich, den jemand ausgeheckt hat, um in die Zeitung zu kommen?“
„Mein Gefühl sagt mir, dass mehr dahintersteckt“, sagte Herr Jaromir.
„Ich stimme Ihnen zu.“ Lord Huber klopfte mit seinem Stock auf den Boden. „Aber wenn wir schon von Geheimnissen reden, dann dürfen wir die Füchse nicht unbeachtet lassen.“
„Welche Füchse?“ Herr Jaromir drehte sich unwillkürlich um. Hatte Lord Huber Füchse gesehen, mitten in der Stadt?
Lord Huber zeigte mit seinem Stock auf eine Zeichnung an der Hauswand vor ihnen.
Die Zeichnung zeigte einen kleinen roten Fuchs, der zu schlafen schien.
„Das ist der dritte in dieser Gasse“, sagte Lord Huber. „Drei schlafende Füchse mit grellrotem Pelz.“
Herr Jaromir schaute sich einen Fuchs genauer an.
„Dieser Fuchs wurde nicht direkt auf die Mauer gezeichnet“, sagte er. „Sehen Sie hier? Wie das glänzt? Das ist eine bedruckte Folie.“
Lord Huber dachte laut nach.
„Eine rote Folie auf dem Goldenen Dachl. Kleine rote Füchse auf Folien, die an Hausmauern angebracht sind. Was hat das zu bedeuten?“
Herr Jaromir lief ein paar Häuser weiter.
„Hier ist noch ein schlafender Fuchs.“
„Dann wollen wir unsere Füchse lieber nicht aufwecken“, sagte Lord Huber. „Lassen Sie uns ins Hotel zurückkehren. Da wartet etwas auf uns.“
„Was denn?“, fragte Herr Jaromir gespannt.
Lord Huber lächelte.
„Ein gutes Frühstück. Das brauchen wir jetzt. Das hilft beim Nachdenken. Und dann versuchen wir, dem Geheimnis der Füchse auf die Spur zu kommen.“
in dem ein roter Brief auftaucht, Lord Huber unbedingt ein Buch lesen will und Herr Jaromir allein auf Fuchsjagd geht
„Wir haben Post!“, sagte Lord Huber, als er zum Frühstückstisch kam. Er hielt ein rotes Briefkuvert in der Hand.
Herr Jaromir ließ sich beim Essen nicht stören. Er lag auf einem weichen Teppich in einem gemütlichen Frühstückszimmer und war mit der Wurst, die man ihm serviert hatte, mehr als zufrieden. Auch an eine Schüssel mit kaltem Wasser hatten die freundlichen Leute vom Hotel gedacht.
Herr Jaromir war froh, dass ihre Reise nach Innsbruck bisher ausgesprochen erfreulich verlaufen war.
Lord Huber hatte einen alten Freund aus Schulzeiten besucht, der jetzt in Österreich lebte. Er war nach Tirol gezogen, weil er die Berge liebte und gern wandern ging.
Die beiden alten Herren hatten stundenlang in einem Kaffeehaus miteinander geplaudert. Herr Jaromir hatte mit geschlossenen Augen dem Gemurmel im Kaffeehaus gelauscht und war zwischendurch ein wenig eingenickt.
Es waren ruhige, entspannte Tage gewesen, genau das Richtige nach den aufregenden Fällen, die sie an die Ostsee („Schatzsuche am Strand. Ein Fall für Jaromir“) und zu einer alten Ritterburg ins Burgenland geführt hatten („Das versteckte Gold. Ein Fall für Jaromir“).
Der Urlaub in Innsbruck tat gut. Sie waren in einer schönen, alten Stadt, mit hohen Bergen ringsum, die zum Teil schneebedeckt waren und die Stadt wie mächtige Riesen zu beschützen schienen.
Nach zwei Treffen mit seinem alten Schulfreund beschloss Lord Huber, noch ein paar Tage in Innsbruck zu bleiben. Er wollte einfach mit Herrn Jaromir durch die Stadt spazieren, einige Museen besuchen und es sich gutgehen lassen.
Aber plötzlich war das berühmte Goldene Dachl nicht mehr golden, und mitten in der Stadt schliefen Füchse!
Was sollte das bedeuten? Waren sie in einen neuen Fall geraten?
„Wir haben Post von Ferdinand“, sagte Lord Huber und schnitt den Brief, den er in der Hand hielt, vorsichtig mit einem Messer auf.
„Das Rot“, sagte Herr Jaromir aufgeregt. „Der Umschlag!“
Lord Huber hielt inne und betrachtete den Umschlag.
„Ein grelles, leuchtendes Rot“, sagte er. „Sehr interessant.“
Dann las er aufmerksam den Brief.
Nach einer Weile senkte er den Brief und sah Herrn Jaromir nachdenklich an.
„Wir werden länger im Hotel bleiben, als gedacht“, sagte er. „Scotland Yard übernimmt die Kosten. Wir haben einen Auftrag. Unser Freund Ferdinand wird auch hier sein.“
Herr Jaromir sprang auf.
„Ferdinand kommt?“, fragte er erfreut. „Das klingt nach einem spannenden Fall! Worum geht es?“
Lord Huber spielte mit seinem Stock.
„Ich würde sagen, die Farbe Rot spielt dabei eine gewisse Rolle.“
Herr Jaromir wartete geduldig. Lord Huber sprach gern in Rätseln. Herr Jaromir wusste schon, dass er ihm Zeit lassen musste.
„Ferdinand ist mit seinen Leuten von Scotland Yard einer internationalen Bande auf der Spur, die sich auf den Diebstahl von Schmuck und seltenen Edelsteinen spezialisiert hat. Ferdinand verdächtigt ein Ehepaar aus London, in diese Sache verwickelt zu sein. Es hat für morgen einen Flug nach Innsbruck gebucht und wird für eine Woche hier im Hotel wohnen. Ferdinand ist schon in der Stadt, aber er wird Abstand halten. Er will nicht erkannt werden. Wir werden uns um die beiden kümmern. Ich habe Ferdinand von unserer Reise erzählt, daher wusste er, dass wir in der Stadt sind.“
„Aber was wollen die Diebe in Innsbruck? Die goldenen Schindeln stehlen?“
Lord Huber musste lachen. „Da hätten sie viel zu tun. Aber Sie haben schon recht – es wurden vor Jahren tatsächlich einmal Schindeln gestohlen. Doch alle konnten wieder gefunden werden. Oder sie wurden freiwillig zurückgegeben. Ein Wahrzeichen bestiehlt man nicht. Da bekommen sogar Diebe Gewissensbisse.“
„Was wollen diese Leute dann in Innsbruck? Und was hat es mit der Farbe Rot zu tun?“, fragte Herr Jaromir.
„Es geht um den ‚Roten Rubin‘, einen wertvollen Stein, der weltweit in Ausstellungen zu sehen ist. Eine Bank hat ihn gekauft, und seither wird er in vielen Städten in Bankfilialen ausgestellt. Natürlich unter hohen Sicherheitsmaßnahmen. Rubine gelten als die Könige der Edelsteine, und dieser Rote Rubin ist besonders begehrt.“
„Ich verstehe“, sagte Herr Jaromir. „Er wird demnächst auch in Innsbruck gezeigt. Und ich nehme an, er leuchtet wunderschön rot.“
„So ist es“, sagte Lord Huber. „Der Stein wird hier ausgestellt. In einer neuen Bankfiliale. Ferdinand ist bereits mit der Bank in Kontakt. Das Scotland Yard und die hiesige Polizei haben schon des Öfteren gut zusammengearbeitet.“
„Und was ist unsere Rolle?“, fragte Herr Jaromir.
Lord Huber nahm ein Feuerzeug aus seiner Jackentasche und hielt den Brief samt Umschlag über einen offenen Kamin.
Dann setzte er den Brief in Brand und wartete, bis nur noch Asche zu sehen war.
„Wir sind Touristen, die sich die Stadt anschauen“, sagte Lord Huber. „Und genau das tun wir jetzt auch.“
Minuten später blieb Lord Huber mit einem Ruck stehen.
Sie standen vor der Auslage einer großen Buchhandlung.
„Wären Sie so freundlich, hier kurz auf mich zu warten?“, fragte Lord Huber. Er verschwand im Inneren der Buchhandlung.
Neugierig musterte Herr Jaromir die ausgestellten Bücher in der Auslage. Dann wusste er, was Lord Huber in die Buchhandlung gelockt hatte.
„Darf ich es auch lesen?“, fragte Herr Jaromir, als Lord Huber mit einem in Papier eingewickelten Buch wieder vor ihm stand.
„Selbstverständlich“, sagte Lord Huber. „Was ist Ihnen zuerst aufgefallen – der Titel oder das Bild auf dem Umschlag?“
„Das Bild“, sagte Herr Jaromir. „Ich dachte, dieser kleine rote Fuchs kommt mir bekannt vor.“
„Die Buchhändlerin zeigte mir mehrere Fuchs-Bände von diesem Autor. Es ist eine Reihe. Und das Großartige ist – der Autor wird morgen in der Buchhandlung lesen. Drinnen hängen die Plakate. Sie machen keine Werbung mehr, weil die Lesung so gut wie ausverkauft ist.“
Er wickelte das Buch aus der Verpackung und zeigte es Herrn Jaromir.
„Rubinmord. Die Füchse ermitteln“, las Herr Jaromir laut vor. „Vom Bestseller-Autor Ed Rich.“
Lord Huber zeigte auf den kleinen Fuchs, der auf dem Buchcover zu sehen war.
„Der Fuchs hier sitzt auf einem schönen – leuchtend roten – Streifen, finden Sie nicht?“
Herr Jaromir überlegte:
„Rotes Dachl, rote Füchse, rotes Buch – mir ist das zu viel Rot, ehrlich gesagt. Irgendwer übertreibt hier gewaltig.“
„Vielleicht möchte jemand Werbung für die Lesung und das Buch machen?“ Lord Huber drehte das Buch unschlüssig in der Hand.
„Und dann noch der Titel: ‚Rubinmord‘. Das kann kein Zufall sein.“ Er packte das Buch wieder ein.