Das Geheimnis der Pagode - Walther Kabel - E-Book

Das Geheimnis der Pagode E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

»Verzeihung, — vielleicht Herr Max Schraut?«
»Allerdings, Max Schraut …«
Und ich beschaute mir den jungen Menschen genauer, der da außerhalb des Zaunes unseres Gemüsegartens stand und den modernen Strohhut mit geckenhafter Bewegung zum Gruße schwenkte.
Ich war nicht eben in bester Laune. Die Maulwürfe hatten in der Nacht unsere Gurkenbeete übel zugerichtet, und jeder Gartenbesitzer weiß ja, wie schwer es ist, diesen grauschwarzen Wühlern beizukommen.
Der Jüngling dort auf dem Feldwege schien es denn auch meinem Gesicht anzusehen, daß mir — volkstümlich ausgedrückt — eine Laus über die Leber gelaufen war.
Er verbeugte sich nochmals, zeigte mir so seinen fest angeklebten, durchgezogenen Scheitel und … trat näher an den Zaun heran …

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 163

Das Geheimnis der Pagode

1926

© 2022 Librorium Editions

ISBN : 9782383834304

 

Walther Kabel

Das Geheimnis der Pagode

Inhalt

Das Geheimnis der Pagode.

Justus Juhlkes Abenteuer.

Die dreitausend Mark.

Die englische Kollegin.

Die klingenden Glöckchen.

Unter der Pagode.

Baron Söderlunds Liebe.

Die kleine Harriet.

Die Tafel an der Tür.

Söderlunds Brief.

Der große Haß …

»Verzeihen Sie mir!«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Geheimnis der Pagode.

1. Kapitel.

Justus Juhlkes Abenteuer.

»Verzeihung, — vielleicht Herr Max Schraut?«

»Allerdings, Max Schraut …«

Und ich beschaute mir den jungen Menschen genauer, der da außerhalb des Zaunes unseres Gemüsegartens stand und den modernen Strohhut mit geckenhafter Bewegung zum Gruße schwenkte.

Ich war nicht eben in bester Laune. Die Maulwürfe hatten in der Nacht unsere Gurkenbeete übel zugerichtet, und jeder Gartenbesitzer weiß ja, wie schwer es ist, diesen grauschwarzen Wühlern beizukommen.

Der Jüngling dort auf dem Feldwege schien es denn auch meinem Gesicht anzusehen, daß mir — volkstümlich ausgedrückt — eine Laus über die Leber gelaufen war.

Er verbeugte sich nochmals, zeigte mir so seinen fest angeklebten, durchgezogenen Scheitel und … trat näher an den Zaun heran …

»Verzeihung, Herr Schraut, — — ich hätte was für Sie und Herrn Harst,« flüsterte er.

»Hoffentlich ein Maulwurfsvertilgungsmittel!« meinte ich brummig.

Natürlich begriff der Jüngling nicht, weshalb ich plötzlich von Maulwürfen redete, machte ein verlegenes Gesicht, grinste und stotterte:

»Verzeihung, Herr Schraut, — — es handelt sich um einen Mord … Ein Maulwurfshaufen war allerdings auch dicht dabei …«

Nun wurde ich doch aufmerksam …

»Mord, junger Mann?! — Haben Sie etwa schon heute früh einige Gläser Sekt zur Anfeuerung Ihrer Phantasie getrunken?!« —

»Durchaus nicht, Herr Schraut … Ich bin vollkommen nüchtern … — Wenn Sie gestatten: mein Name ist Justus Juhlke. Ich bin Verkäufer bei Wertheim, habe jetzt aber meinen Urlaub … Außerdem bin ich Besitzer eines Kanus, mit dem ich täglich Ausflüge zu Wasser unternehme. Heute freilich nicht, da ich Ihnen und Herrn Harst meine Aufwartung machen wollte …«

»Sehr nett von Ihnen, Herr Juhlke. Aber — — der Mord?! Wie steht es damit?«

»Ja — die Ermordete ist leider wieder verschwunden, Herr Schraut … Nur das Blut ist noch da …«

»Entschuldigen Sie, Herr Juhlke, Ihrer Darstellungsweise fehlt es ein wenig an Übersichtlichkeit … Dort kommt im übrigen auch mein Freund Harst …«

Justus Juhlke riß abermals sein Strohhütchen vom Schädel und dienerte so tief und anhaltend, daß ich sagte:

»Tun Sie sich nur keinen Schaden an, Herr Juhlke …« Und zu Harald: »Du, das ist Herr Justus Juhlke, in Firma Wertheim, Kaufmann, — zurzeit reist er mit einem Mord.«

Juhlke warf mir einen still empörten Blick zu, verteidigte sich: »Herr Harst, auf mein Ehrenwort … Es stimmt … Die Frau lag tot da … Nachher war sie weg …«

Sein Gesicht hatte sich verändert. Die Erinnerung an das, was er gesehen, trieb ihm noch jetzt das Blut aus den Wangen.

Harald lehnte sich an den Zaun. »Herr Juhlke, wo sahen Sie die tote Frau? Und wann? — Sie müssen uns das schon ein wenig genauer erzählen …«

»O — mit Vergnügen, Herr Harst … Es ist mir eine Ehre, Ihnen …«

»Erzählen Sie und lassen Sie alle Redensarten … Merken Sie sich’s überhaupt für’s Leben: Überhöflichkeit schadet nur! — Also los, Herr Juhlke …«

Juhlke errötete, raffte dann all seine Energie und Verstandesschärfe zusammen und berichtete:

»Ich war gestern abend mit meinem Kanu auf der Rückfahrt nach Potsdam. Unweit der früheren Luftschiffhalle hörte ich, am Ufer entlang rudernd, im Walde einen halblauten Schrei und eine Männerstimme, die etwas in einer fremden Sprache rief. Da der Schrei nachher in ein klägliches Stöhnen überging, landete ich und drang in den Wald ein. Zwischen zwei Erlen lag im Grase eine Dame ohne Hut mit einer furchtbaren Wunde an der Stirn, aus der das Blut nur so hervorschoß … Ich war über diesen Anblick so entsetzt, daß ich zu meinem Kanu zurück rannte, vom Ufer abstieß und weiterruderte. Doch schon nach …«

»Sie kehrten also um, suchten den Platz nochmals auf, und da war die Frau verschwunden …«

»Ja, Herr Harst … Spurlos verschwunden … Ich ging noch weiter in den Wald hinein bis zu dem Wege. Und da hörte ich etwas: ein Auto jagte davon.«

»Und mehr wissen Sie nicht?«

»Nein, Herr Harst … Und ich habe bisher mit niemandem darüber gesprochen, hatte mir gleich vorgenommen, Ihnen mein Erlebnis anzuvertrauen …«

»Hm — weshalb sagten Sie aber vorhin, es handelte sich um einen Mord. Die Frau lebte doch noch … Und offenbar hat es sich um einen Streit gehandelt … Die Stirnverletzung kann ganz ungefährlich gewesen sein …«

»Herr Harst, — — hier bitte — — bitte!!« rief Juhlke mit Pathos … »Hier — diese Perlen lagen neben der Stelle, wo die Dame niedergeschlagen worden war … Echte Perlen von einer Perlenschnur … Bitte — — acht Stück … Prachtexemplare … Ich verstehe etwas davon …«

»Und Sie meinen, es sei ein Raubanfall gewesen?!« lächelte Harald … Und zog aus der Außentasche seiner Arbeitsjoppe die Morgenzeitung hervor …

»Herr Juhlke, ich pflege die Zeitungen sehr genau zu lesen und stets sofort … Auch Sie sollten das tun … Es bringt stets Gewinn, wenn man über das Allerneueste unterrichtet ist … — Sehen Sie, hier ist eine sehr große auffällige Anzeige …«

Diese Annonce sah so aus …

3000 Mark Belohnung.

Der junge Mann, der gestern am Spätnachmittag unweit der früheren Zeppelinhalle bei Potsdam am Waldrande acht Perlen aufgelesen hat, die von der Dame nach ihrem Unfall liegen gelassen worden sind, wird gebeten, diese

acht Perlen

gegen obige Belohnung im Fremdenheim Union, Motzstraße 3, bei Sven Oldenborg abzuliefern.

Auch ich hatte diese Anzeige noch nicht gelesen, und mein Gesicht war nur um ein geringes weniger verblüfft als das Justus Juhlkes, in dessen Mienen sich außerdem noch die hellste Freude über die seiner wartenden dreitausend Mark ausdrückte, — was ich im übrigen sehr begreiflich fand.

»Mein Gott …« stammelte Juhlke jetzt und verfärbte sich vor Erregung. »Dreitausend Mark, — — für mich ein Vermögen … für mich die Erfüllung eines heimlichen Wunsches … Ich kann mich mit diesen dreitausend Mark selbständig machen …«

Harald klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter …

»Sehen Sie, es lohnt schon, die Nase in die Zeitungen zu stecken. Außerdem werden sicherlich noch Zettel mit demselben Wortlaut an den Anschlagsäulen zu finden sein … — Was Sie als Mord einschätzten, Herr Juhlke, war also nichts als ein Unfall … Immerhin rate ich Ihnen folgendes. Wenn Sie jetzt zu Herrn Sven Oldenborg gehen, so versuchen Sie, ob Sie die Dame von gestern nicht zu Gesicht bekommen. Fangen Sie die Sache geschickt an. Sie sind ja nicht auf den Mund gefallen, Herr Juhlke. Erklären Sie vielleicht Herrn Oldenborg, daß Sie die Perlen nur der Dame persönlich aushändigen wollen …«

Der junge Verkäufer machte ein pfiffiges Gesicht. »Herr Harst, ich glaube Ihre Gedanken erraten zu können. Sie … trauen den Leuten nicht ganz. Sie nehmen an, daß bei dieser Geschichte irgend etwas nicht ganz stimmt …«

Harald wurde sehr ernst. »Herr Juhlke, vielleicht sind das wirklich meine geheimsten Gedanken. — Nun gehen Sie … Und verschweigen Sie, daß Sie bereits bei uns waren. Bleiben Sie kaltblütig, beobachten Sie scharf und lassen Sie sich nichts anmerken, falls Sie etwas Auffälliges wahrnehmen. Kommen Sie dann wieder hier zu uns, aber geben Sie genau acht, ob auch niemand Ihnen folgt und Sie bewacht. Es wird Ihnen ja Spaß machen, so ein wenig Detektiv zu spielen. In Ihrem Alter tut dies jeder gern und hält den Detektivberuf für den schönsten auf Erden, was ja leider ein grober Irrtum ist, da kein Beruf so hohe Anforderungen an … — Aber gehen Sie lieber … Ich will Ihnen hier keine Vorträge halten … Auf Wiedersehen.«

Juhlke schwenkte strahlend sein Strohhütchen und zog ab.