Das Geheimnis um das verschwundene Gemälde - Simone Jöst - E-Book

Das Geheimnis um das verschwundene Gemälde E-Book

Simone Jöst

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Beschreibung

Klara schwebt auf Wolke sieben. Ihre Liebe zu Philippe und der neue Job in Monas Café sind zu schön, um wahr zu sein. Wäre da nur nicht die Geburtstagseinladung von Monsieur Bloque senior, dem Patriarchen einer wohlhabenden Juristenfamilie. Was Philippe als perfekte Gelegenheit sieht, seinen Eltern die neue Freundin vorzustellen, stellt für Klara eine echte Herausforderung dar. Die Furcht, dass man sie als einfache Reinigungskraft mit ihrer Vorgängerin Stine verglichen und sie ablehnen könnte, setzt ihr sehr zu. Doch nicht nur das …

Bereits am Anreisetag eskaliert ein alter Familienstreit. Ein verschwundenes Ölporträt, unerklärliche Vorfälle in der Villa, und ein Toter im Keller wecken Klaras Neugier. Was hat es mit dem eigenartigen Cousin auf sich? Wieso verschanzt sich Philippes Vater ständig in seinem Arbeitszimmer? Und wer ist Erich Knolle?

Klara und Philippe ermitteln und geraten dabei an ihre Grenzen ...

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Über das Buch

Klara schwebt auf Wolke sieben. Ihre Liebe zu Philippe und der neue Job in Monas Café sind zu schön, um wahr zu sein. Wäre da nur nicht die Geburtstagseinladung von Monsieur Bloque senior, dem Patriarchen einer wohlhabenden Juristenfamilie. Was Philippe als perfekte Gelegenheit sieht, seinen Eltern die neue Freundin vorzustellen, stellt für Klara eine echte Herausforderung dar. Die Furcht, dass man sie als einfache Reinigungskraft mit ihrer Vorgängerin Stine verglichen und sie ablehnen könnte, setzt ihr Doch nicht nur das …

Bereits am Anreisetag eskaliert ein alter Familienstreit. Ein verschwundenes Ölporträt, unerklärliche Vorfälle in der Villa, und ein Toter im Keller wecken Klaras Neugier. Was hat es mit dem eigenartigen Cousin auf sich? Wieso verschanzt sich Philippes Vater ständig in seinem Arbeitszimmer? Und wer ist Erich Knolle?

Klara und Philippe ermitteln und geraten dabei an ihre Grenzen ...

Über Simone Jöst

Simone Jöst lebt im Odenwald. Beflügelt von der Lust, sich ständig neue Geschichten auszudenken, schreibt sie humorvolle Unterhaltungskrimis, die nicht nur von Mord und Totschlag erzählen, sondern auch die Lachmuskeln ihrer Leser fordern. Für sie gibt es nichts Schöneres als schwarzen Humor und weiße Schokolade. Sie veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Romanserien und ist Herausgeberin von Krimi-Anthologien.

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Das Geheimnis um das verschwundene Gemälde

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Sei wie du bist, denn du bist wundervoll

Prolog

Für das, was Madeleine vorhatte, gab es keinen richtigen Moment. Seit Wochen verfolgte sie ihren Plan und leitete hinter dem Rücken ihres Mannes alles in die Wege. Seine Reaktion war absehbar. Edmond würde sie mit einem Gewitter aus Worten und Gemeinheiten überschütten, vielleicht sogar Türen schlagen und sich in sein Arbeitszimmer verkriechen, um nachzudenken, wie er es zuletzt immer häufiger tat. Dennoch blieb sie bei ihrem Vorhaben. Es war an der Zeit, Frieden zu schaffen, selbst wenn das bedeutete, dass sie alte Wunden aufriss.

Schon als sie heute früh aufgestanden war, überlegte sie, wie sie es ihm am besten schonend beibrachte. Etwa beim Frühstück, sobald er genüsslich in sein Honigbrot biss? Für gewöhnlich huschte ihm dann ein Lächeln über das Gesicht, und er war mit der Welt und sich im Reinen. Oder sollte sie erst später mit ihm reden? Mit vollem Magen war er womöglich ausgeglichener. Sie könnte ebenso gut warten, bis er im Garten die verwelkten Rosenblüten vom Rasen aufsammelte, seine Lieblingsbeschäftigung, seit er Rentner war. Das Gezwitscher der Vögel, die warme Sommersonne und der Duft von frisch geschnittenem Gras stimmten ihn vielleicht versöhnlicher. Egal wie sie es drehte und wendete, es gab nicht den passenden Augenblick. Edmond würde explodieren, so oder so.

Wie jeden Tag war sie eine halbe Stunde vor ihm aufgestanden und lief barfuß im Morgenmantel die Stufen in die Küche hinunter. Aus dem Kaffeeautomaten befüllte sie ihre Lieblingstasse, einen weißen Becher mit einem verschnörkelten Griff in Form einer Rose, goss Milch hinzu und trat durch die Terrassentür hinaus auf die Holzveranda. Sie reckte ihr Gesicht der aufgehenden Sonne entgegen, schloss die Augen und sog den feuchten Geruch des Regenschauers vergangener Nacht auf. Energie tanken und an nichts denken. Wie gut das tat. Heute war es die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

Eine Amsel zwitscherte ihr Morgenlied im Apfelbaum, und zwei Schmetterlinge tanzten im Flug umeinander. Madeleine setzte sich in einen knarzenden Korbsessel. Ihre Tasse hielt sie mit den Händen umklammert und pustete in das heiße Getränk. Dabei wanderte ihr Blick durch den Garten. Zwischen Blumen und Bäumchen gab es überall Nischen und Winkel, die Schatten spendeten. Aus einer riesigen Fläche, die früher einer nüchternen Parkanlage geglichen hatte, hatte Madeleine im Laufe der Zeit eine Wohlfühloase für alle Sinne geschaffen.

Bevor ihr Mann in Ruhestand gegangen war, was schon fast sechzehn Jahre zurücklag, saß er täglich bis in die Nacht hinein in der Kanzlei und brütete über Akten und Verteidigungsstrategien. Er war ein Workaholic, der mit Herzblut für seine Klienten eintrat, und das sehr erfolgreich. Madeleine war stolz auf ihn, doch leider blieb die Familie an zweiter Stelle zurück. Zu Beginn ihrer Ehe, als ihre beiden Söhne auf die Welt kamen, fühlte sie sich oft einsam und mit der großen Familienvilla überfordert. Sie sah ihren Lebensinhalt nicht nur darin, Vollzeit-Hausfrau und Mutter zu sein. Sie war kreativ und hatte Kompetenzen auf so vielen Gebieten, für die sie als quasi alleinerziehende Frau keine Zeit fand. Als die Jungs aus dem Gröbsten raus waren, wagte sie sich an die Neugestaltung des Gartens, bis er zu einem wahren Paradies wurde und in jedem Hochglanzjournal eine Augenweide darstellen würde. Mit dem Alter gestalteten sich die körperlichen Arbeiten schwieriger, und sie hatte ihren Nachbarn Anton engagiert, der sie unterstützte.

Nachdenklich blinzelte sie in die Sonne. Sie liebte ihr kleines Morgenritual, den Tag mit einer Tasse Kaffee auf der Veranda zu begrüßen, selbst heute noch mit ihren zweiundachtzig Jahren. Eine Ameise krabbelte über ihren nackten Fuß. Madeleine fuhr zusammen und schüttelte sie fort. Sie beschloss, es Edmond beim Frühstück zu sagen.

Montag

»Ich bin so fürchterlich aufgeregt«, sagte Klara, setzte den Blinker und bog auf der Landstraße ab. In fünf Kilometern würden sie ihr Ziel erreichen. Einerseits freute sie sich auf den Besuch bei Philippes Eltern, andererseits hatte sie eine Heidenangst davor. »Was, wenn sie mich nicht mögen? Ich stamme nicht wie Stine aus wohlhabenden Verhältnissen oder bin so weltgewandt wie sie. Deine Ex-Frau ist einfach etwas Besonderes. Ich bin das nicht.«

»Arrêt! Hör schon auf mit diesem Unsinn«, unterbrach Philippe sie vom Beifahrersitz aus und wandte sich ihr mit einem schelmischen Grinsen zu. »Du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt. Regarde-toi. Du bist wundervoll. Warum vergleichst du dich mit anderen Menschen? Jeder ist einzigartig und hat eine eigene Geschichte, Fähigkeiten und Schwächen. Es gibt kein Besser oder Schlechter. Meine Eltern werden dich lieben, versprochen.« Er legte die Hand auf Klaras Unterarm und lächelte ihr zu.

»Und was, wenn nicht?«, fragte sie leise.

Sie hatte alle Mühe, sich auf die Straße zu konzentrieren, die durch einen kleinen verwinkelten Ort führte, umgeben von unendlich vielen Weinbergen. Die Fachwerkhäuser sahen malerisch aus. Reben rankten an den Fassaden entlang. Große Eingangstore ließen wunderschöne Höfe dahinter vermuten. Philippe hatte erzählt, dass in der Region zahlreiche Winzer lebten. Vor Generationen hatte Familie Bloque selbst Wein angebaut. Heute besaßen sie nur noch einen Wingert, der verpachtet wurde.

Von dem Tag an, als Philippe ihr mitteilte, dass sie zum fünfundachtzigsten Geburtstag seines Vaters eingeladen waren, hatte sie einen Riesenbammel vor diesem Besuch. Ständig dachte sie darüber nach, was seine Eltern von ihr halten würden. Sie war die neue Frau im Leben ihres Sohnes und das seit genau zwei Monaten, zwei Wochen und zwei Tagen. Seitdem schwebte sie auf Wolke sieben und konnte ihr Glück kaum fassen.

Vor etwas weniger als einem Jahr war sie aus ihrer Ehe ausgebrochen und hatte im Dachgeschoss über Philippes Buchladen ihre erste eigene Wohnung gefunden, weit weg von daheim. Die Erinnerung an ihren Neustart fühlte sich wie aus einer anderen Zeitlinie an. Die Welt drehte sich so schnell, dass Klara sich manchmal zwicken musste, ob sie träumte. Plötzlich hatte sie Freunde – Mona, die Cafébesitzerin von nebenan, deren Bruder Thomas, der Polizist, dessen Freundin Emilia und besonders Philippe, der blinde Buchhändler. Sie alle waren ihr ans Herz gewachsen und zu einer Art Familie geworden. Sie unterstützten Klara, wenn sie in der Klemme steckte, oder ermutigten sie, als sie anfangs wegen ihrer Entscheidung, ihren Ex-Mann Harald zu verlassen, mit sich gehadert hatte. Als sie hierhergezogen war, hatte sie keinen Plan, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren und die Miete zahlen sollte. Sie war Putzfrau aus Leidenschaft, aber ob ihr Verdienst ohne das Gehalt ihres Gatten ausreichte, hatte sie bezweifelt. Dennoch hatte sie den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Klara seufzte.

»Was ist, ma chère?«, fragte Philippe.

»Ich dachte gerade darüber nach, wie es war, als ich letztes Jahr bei dir ins Haus einzog und was sich seitdem in meinem Leben alles verändert hat.« Sie lächelte. »Damals hätte ich im Traum nicht geglaubt, dass ich eine Art Detektivin werde und Morde aufkläre. Was haben wir für Abenteuer erlebt oder besser gesagt überlebt!«

»Das ist wahr.« Philippe legte den Kopf nachdenklich gegen die Nackenstütze.

»Aber das Verrückteste ist, dass Mona mir einen Job angeboten hat«, fuhr Klara fort. »Ich habe seit Jahrzehnten als Putzfrau gearbeitet, was ich sehr gern tat, trotzdem bin ich überglücklich, dass ich wieder als Konditorin tätig sein darf. Monas Café ist das reinste Paradies. Diese herrlichen Cupcakes sind himmlisch, und jetzt stehe ich mit ihr hinter der Theke und verkaufe sogar meine eigenen Kreationen. Manchmal glaube ich, ich träume und muss mich kneifen.«

»Geht mir genauso, wenn ich an dich denke.« Philippe sah zu ihr herüber.

Ohne den Blick von der Straße abzuwenden, wusste sie, dass er ihr ein verschmitztes Lächeln schenkte, das sie für gewöhnlich um den Verstand brachte. Er war der attraktivste Mann, den sie kannte, und er sah mit dem leicht ergrauten Dreitagebart nicht nur verdammt gut aus, sondern er war charismatisch, lustig, empathisch, gebildet … Ach, sie könnte die Liste unendlich fortsetzen. Kurzum, für sie war er einfach perfekt.

»Du wirst wieder rot, n’est-ce pas?«, fragte er, obwohl er das wahrscheinlich längst ahnte.

Seine Fähigkeit, sie wie ein offenes Buch zu lesen, hatte Klara anfangs ziemlich irritiert. Inzwischen genoss sie die Vertrautheit zwischen ihnen.

»Ein wenig«, antwortete sie kokett. »Philippe?«

»Hm?«

»Ich liebe dich. Das ist nicht nur so dahingesagt«, schob sie hinterher. »Das, was ich für dich empfinde, habe ich noch nie empfunden.«

Die Beziehung zu ihrem Ehemann war eher praktischer Natur gewesen und die zu Lorenzo, dem Hotelkoch, leidenschaftlich, doch bei genauerem Betrachten oberflächlich. Trotzdem hatte es ihr das Herz zerrissen, als er sie sitzenließ und sich für Rubina entschied. Bei Philippe fühlte sie sich zum ersten Mal richtig angekommen. Das war anders als bisher. Er war der Mann, dem sie sich mit Haut und Haar hingeben wollte, dem sie abgrundtief vertraute, von dem sie die Finger nicht lassen konnte und in dessen Armen sie sich verlor. Nur die letzte Hürde, seine Familie, bereitete ihr mächtig Bauchweh.

»Das geht mir genauso«, sagte Philippe und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

»Willst du damit sagen, nicht einmal mit Stine?«, fragte sie und hätte sich ohrfeigen mögen. Das war eine dämliche Frage, und sie bereute, sie gestellt zu haben. Das, was ihn mit seiner Ex verband, war etwas Besonderes und würde ewig bleiben, aber ihre Beziehung war vorüber. Sie hatten ihre Chance gehabt, die Philippe in den Sand gesetzt hatte. Inzwischen war sie wieder verliebt und plante ihre Hochzeit mit Bruno. »Sorry, das war taktlos von mir.«

»Ma chère, ich ahne, was in dir vorgeht«, erwiderte er liebevoll. »Du glaubst, in ihre Fußstapfen treten zu müssen, bei mir und meiner famille.« Er schwieg und ließ die Worte sacken.

Genau das war es, was ihr zu schaffen machte. Sie hatte Stine kennengelernt und war von ihrem Charme, ihrer gesamten Erscheinung zutiefst beeindruckt. Diese Frau hatte eine faszinierende Ausstrahlung. Und sie selbst?

»Wieso denkst du, wie sie sein zu müssen?«, fuhr er leise fort. »Ich liebe dich, weil du vom ersten Moment an alles auf den Kopf gestellt hast. Erinnerst du dich, wie du in den Buchladen gestolpert bist?«

»Oh hör auf, das war so peinlich!«, seufzte sie und erinnerte sich an den umgeworfenen Prospektaufsteller.

»Du weißt, dass ich wegen meiner Blindheit mit den restlichen Sinnen manchmal mehr wahrnehme als andere Menschen. Und das, was ich damals fühlte, war, dass mit dir das Leben durch die Tür trat.«

»Das Leben?«, fragte sie.

»Mais oui, du hattest auf einen Schlag etwas in mir wachgeküsst. Ich spürte deine Energie, den Mut, dein bisheriges Dasein aufzugeben, um endlich zu dir selbst zu finden, obwohl du offensichtlich Angst davor hattest. Das berührte eine Saite in mir, die ich sehr gut kenne. Ich habe dich bewundert und mich oft gefragt, ob ich es nicht ebenfalls wagen sollte, alte Zöpfe abzuschneiden und Pläne für die Zukunft zu schmieden, statt weiter auf der Stelle zu treten. Als ich dich näher kennenlernte, fing ich an, dich für deine Leichtigkeit zu bewundern.«

»Leichtigkeit?«, wiederholte Klara erstaunt. »Das war kopfloses Treibenlassen und planloses Chaos, in das ich ständig schlitterte.« Sie lachte. »Da war gar nichts leicht.«

»Nenn es, wie du willst. Du hast nicht lockergelassen, bis deine Mordfälle gelöst waren. Egal welche Stolpersteine dir vor die Füße fielen, du hast sie überwunden, selbst wenn deine Dämonen sich dir in den Weg stellten. Mir war ziemlich schnell klar, wie sehr ich dich liebe. Doch bevor ich dir das sagen konnte, musste ich die Geschichte mit Stine endlich zu einem guten Ende bringen, was mir Gott sei Dank gelungen ist, bis dann …« Er verstummte.

»Bis mir Lorenzo begegnete und ich mich Hals über Kopf in diesen verrückten Idioten verliebt habe«, vervollständigte Klara seinen Gedanken.

Er nickte. »Ich hätte mir vor Wut in den Hintern beißen können, weil ich meine Chance bei dir vertan hatte. Zu jenem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr ohne dich sein wollte. Es tat höllisch weh, euer Glück mit anzusehen. Ich wusste nur eins: dass ich auf dich warten würde und sollte es ewig dauern.«

Tränen traten Klara in die Augen. Sie war zutiefst berührt. »Ich weiß, du wolltest mir nach der katastrophalen Ehe mit Harald den Freiraum gönnen, mich erst einmal selbst zu finden, das hast du mir bereits gesagt. Dass ich stattdessen Lorenzo fand, war nicht geplant. Die Tatsache, dass du aus Liebe zu mir nichts unternommen hast, ist irgendwie heroisch und beeindruckend.« Sie überholte einen tuckernden Traktor. »Aber um ehrlich zu sein« – sie scherte auf die Fahrspur zurück – »auch total bescheuert.«

»Comment? Wie bitte?«

»Ich war dir schon längst verfallen, als wir bei Stine und Bruno im Warenhaus ankamen. Ein einziges Wort von dir hätte genügt. Bella hatte die ganze Zeit recht, ich war von Beginn an in dich verknallt.«

»Wer weiß, wozu dieser kleine Umweg diente?«, sagte er. »Jedenfalls werde ich dich jetzt nie wieder loslassen.«

»Auch nicht, wenn deine Leute mich nicht mögen und sie dich wegen mir enterben?« Das mochte im Spaß dahingesprochen sein, doch sie hatte ernsthaft darüber nachgedacht, was geschah, sollte sie nicht den Erwartungen entsprechen, die an sie gestellt wurden. Sie wollte keinen Keil zwischen ihn und seine Eltern treiben.

»Dann leben wir bis zu unserem letzten Atemzug bei Wasser und Brot einsam in der Buchhandlung.« Philippe setzte einen theatralischen Gesichtsausdruck auf und legte die Hand auf sein Herz.

»Du bist ein verrückter Spinner!«, sagte Klara lachend.

Die Villa der Familie Bloque befand sich am Ende einer Sackgasse. Vor einigen Generationen war es als herrschaftliches Haus einer wohlhabenden Winzerfamilie erbaut worden. Philippes Urahnen kamen aus Frankreich und siedelten sich hier an. Ihr Wein war legendär in der gesamten Region und weit darüber hinaus. Leider verlor sich die Leidenschaft für den Anbau bei Philippes Uropa. Er brach mit der Tradition, verkaufte sämtliche Ländereien bis auf einen Weinberg und häufte ein riesiges Vermögen an, mit dem er geschickt an der Börse spekulierte und eine eigene Anwaltskanzlei gründete. Laut Familienchronik war er ein brillanter und vor allem sehr erfolgreicher Jurist. Der Wein war der Justiz gewichen, doch Erfolg und Reichtum blieben. Von jener Zeit an traten die Söhne der Familie in die Fußstapfen ihrer Väter, studierten Jura und bauten eine der renommiertesten Kanzleien im Umkreis auf, die heute von Maurice, Philippes Bruder, geführt wurde. Philippe war früher selbst ein guter Strafverteidiger gewesen, dennoch verließ er das Anwaltsbüro und erfüllte sich mit der Eröffnung der Buchhandlung einen Herzenswunsch. Zum Glück, wie Klara fand. Sie liebte den kleinen kuscheligen Laden, der vom ersten Moment an, als sie ihn betrat, zu ihrer Heimat geworden war.

Philippe ließ die Fensterscheibe ein Stück herunter, und heiße Luft strömte sofort in den klimatisierten Innenraum ihres Wagens. Es roch nach Sommer. Er streckte den Kopf ein wenig zum Fenster hinaus und atmete genüsslich ein. Dabei fing er an zu lächeln. Der Wind verfing sich in seinem Haar.

»Ich habe ganz vergessen, wie herrlich es auf dem Land riecht«, sagte er. »In der Stadt gibt es so viele Gerüche, die Autoabgase, die verschiedenen Speisen der Straßencafés und Restaurants, und hier riechst du Heu, Pflanzen und Blüten, das Harz der Bäume. Mon Dieu, wie ich das vermisst habe. Es ist der Duft meiner Jugend.«

»Wann warst du das letzte Mal hier?«, fragte Klara, die zunehmend nervös wurde, weil das Ziel ihrer Fahrt in greifbare Nähe rückte, was bedeutete, dass sie gleich seinen Eltern begegnete. Der erste Eindruck zählte, und sie war Spezialistin darin, diesen zu zerschießen. Hoffentlich nicht heute. Es war ihr verdammt wichtig, dass die beiden sie mochten und als potenzielle Schwiegertochter akzeptierten.

»Du grübelst, n’est-ce pas?« Philippe wandte ihr den Kopf zu. Er hatte das Talent, meist schon vor ihr zu wissen, was in ihr vorging.

»Ja.« Mehr sagte sie nicht und konzentrierte sich auf den Wendehammer am Ende der Straße. Links von ihm und geradeaus erstreckte sich eine große Wiese, die weiter hinten in ein riesiges Maisfeld überging. Nur auf der rechten Seite hinter einer hohen Hecke befand sich ein Haus – die Villa der Familie Bloque.

»Vertraue mir.« Er fuhr liebevoll mit der Hand über ihren Oberschenkel. »Sie werden begeistert von dir sein.«

»Und wenn nicht?«

»Dann, fürchte ich, wird das der Todesstoß unserer Beziehung sein«, antwortete er theatralisch.

Sie lachte. »Jetzt übertreibst du aber.«

»Alors, siehst du, es gibt nichts zu verlieren, ma chère. Ich liebe dich, und daran wird niemand etwas ändern.«

Und genau so fühlte es sich für Klara an.

Das Grundstück war mit einer hohen Buchenhecke umgeben. Auf dem mit weinroten Ziegeln gedeckten Dach befand sich eine Gaube mit einem dreieckigen Fenster. Das schmiedeeiserne Tor zur Einfahrt stand offen, durch das Klara den Wagen steuerte.

»Wow, ist das schön!«, hauchte sie und fuhr langsamer.

Vor ihr tauchte eine zweistöckige Villa auf. Der Grundriss war quadratisch, die Fassade zartgelb gestrichen.

»Du kannst den Wagen gleich dort drüben abstellen«, schlug Philippe vor und deutete nach links, wo sie fünf Stellplätze direkt an der Hecke entdeckte.

Mit dem Kühlergrill kurz vor den Büschen stoppte sie und schaltete den Motor aus. Sie atmete tief durch, sah in den Rückspiegel, ob ihr Make-up und die Haare in Ordnung waren.

»Bist du bereit?«, fragte Philippe.

»Nein«, antwortete sie und knetete mit feuchten Händen das Lenkrad.

»Okay.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

»Was ist?« Klara war irritiert.

»Ich warte.«

»Auf was?«

»Bis du dich gesammelt hast und wir aussteigen können«, sagte er und schmunzelte.

Klara seufzte. »Das könnte dann noch ewig dauern.«

»Ma chère, vertrau mir. Sie werden dich lieben, und außerdem bin ich bei dir. Was soll schon passieren?«

»Och du, da fällt mir so einiges ein.«

»Na los, komm.« Er stieg aus und sog genüsslich die sonnenwarme Sommerluft ein.

Notgedrungen folgte Klara seinem Beispiel. Egal was sie gleich erwartete, sie würde ihr Bestmögliches geben, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Sie war, wie sie war, und entweder man mochte sie oder eben nicht. Hauptsache, Philippe blieb in ihrer Nähe.

Der Anblick der Villa war gigantisch. Klara hielt sich an der Wagentür fest und kam aus dem Staunen nicht heraus. Vor dem Hauseingang gab es eine Art Wintergarten – ein rechteckiger Vorbau, der aus bodentiefen Sprossenfenstern bestand. Darüber erstreckte sich in der ersten Etage ein Balkon mit Metallgeländer. An den Ecken befanden sich zwei gemauerte Pfeiler. Auf jedem von ihnen thronte eine riesige Betonschale mit Grünpflanzen. Links neben dem Haus schloss sich eine Doppelgarage an. Das Tor war geschlossen.

Es war nicht nur das beeindruckende Gebäude, das Klara die Sprache verschlug, sondern auch die Gartenanlage. Beete mit bunt blühenden Stauden säumten den Plattenweg zum Eingang. Schmetterlinge und Insekten tummelten sich in den Blüten. Zierbäume und Büsche wuchsen überall. Es gab keine richtige Ordnung, es war ein gepflegtes Durcheinander, das zum Entdecken einlud. Eine kleine hölzerne Sitzbank hier, ein winziger Springbrunnen dort. Je länger sie sich umsah, desto mehr Details entdeckte sie.

»Ist das wundervoll«, hauchte Klara.

»Oui, Maman ist für die Gestaltung des Gartens zuständig.«

»Das ist ein Traum! Können wir einen Moment hier stehen bleiben?«, fragte sie.

Philippe tastete sich mit seinem Blindenstock um den Wagen, griff nach ihrer Hand. »Ich vermute, das ist ein weiterer Versuch, Zeit zu schinden, um meinen Eltern nicht begegnen zu müssen. N’est-ce pas?« Er küsste sie sanft auf die Wange.

»Mir ist ganz übel«, gab sie kleinlaut zu und seufzte.

»Es wird nicht besser, je länger du es hinauszögerst.«

»Hm.« Klara nickte. »Dann lass uns hineingehen und das Unausweichliche schnell hinter uns bringen, bevor ich noch Durchfall vor lauter Aufregung bekomme.«

»Alors, darf ich bitten?« Er bot ihr den Arm. Sie hakte sich bei ihm unter, und sie gingen auf die Haustür zu. »Komisch«, sagte Philippe, als sie die drei Stufen zum Eingang hinaufstiegen.

»Was ist?«, fragte Klara, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zupfte sich die Frisur zurecht. Heute früh hatte sie eine Ewigkeit im Badezimmer verbracht, bis sie endlich fertig war, und eine halbe Stunde vor dem Kleiderschrank gestanden, weil sie mal wieder nichts zum Anziehen fand. Zum Schluss drehte sie sich zufrieden vor dem Bodenspiegel von links nach rechts. Sie hatte sich für ein buntes Sommerkleid mit Blumendruck entschieden. Dazu trug sie knallrote Pumps und die Haare lässig nach oben gesteckt. Der Weg bis zur Vollendung ihres Gesamterscheinungsbilds war allerdings alles andere als lässig gewesen. Egal, das Ergebnis zählte.

»Es ist eigenartig, dass Maman noch nicht an der Tür ist und uns begrüßt.«

»Sie wird uns noch nicht bemerkt haben.«

»Du kennst meine Mutter nicht.« Er grinste. »Sie steht bestimmt seit heute früh hinter dem Fenster und wartet auf uns. Und sobald sie uns sieht, läuft sie jubelnd auf mich zu und schaukelt mich in ihren Armen wie ein kleines Kind.«

Das konnte Klara sich lebhaft vorstellen. Der vermisste Sohn kehrte nach Hause zurück. Wahrscheinlich würde seine Mutter jede Minute mit ihm verbringen und wissen wollen, was alles in seinem Leben geschah, und natürlich würde sie Klara genauestens unter die Lupe nehmen, ob sie gut genug für ihren Jungen war.

Von Frau Bloque war allerdings weit und breit nichts zu sehen. Klara drückte den Klingelknopf. Gleich darauf trat eine gepflegte ältere Dame durch die Wohnungstür in das verglaste Foyer. Die Ähnlichkeit mit Philippe war frappierend. Sie stürmte mit großen Schritten auf sie zu. Klara fiel auf, dass kein Lächeln in ihrem Gesicht lag, wie Philippe es vermutet hatte. Im Gegenteil, sie sah besorgt aus, um nicht zu sagen verzweifelt. Kaum hatte sie ihnen geöffnet, ertönten wütende Stimmen aus dem Haus hinter ihr.

»Maman?« Philippe tastete nach ihr, was nicht nötig war. Sie warf sich ihm in die Arme und seufzte.

»Que se passe-t-il ici? Was ist hier los?«, fragte er.

»Oh mein Junge, was bin ich froh, dich zu sehen.« Sie küsste, drückte und herzte ihn.

Die Liebe einer Mutter, die ihren Sohn seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte, strömte aus jeder Pore ihres Körpers. Sie legte ihre Wange an seine und schloss die Augen. Sie sog ihn regelrecht auf. Weniger als eine Minute standen sie so da, was ausreichte, um zu spüren, wie innig ihre Verbundenheit war.

Madeleine Bloque war eine wunderschöne Frau. Klara betrachtete sie verstohlen. Sie hatte die hellbraun gefärbten Haare im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, der Pony fiel ihr diagonal ins Gesicht, das mit Fältchen durchzogen war. An ihren Ohrläppchen baumelten gelbe Kreolen, und dazu hatte sie einen orangefarbenen Lippenstift und den passenden Nagellack aufgetragen. Alles farblich auf ihre Tunika abgestimmt. Unter ihrer weißen Jeans trug sie Sandaletten. Ohne ein einziges Wort mit ihr gesprochen zu haben, spürte Klara die Energie dieser Person. Irgendwie leuchtete sie und versprühte eine Leichtigkeit, die sie sofort in ihren Bann zog.

Die Stimmen im Hintergrund wurden lauter. Madeleine löste sich von Philippe.

»Entschuldigung, was bin ich für eine Gastgeberin«, sagte sie an Klara gewandt und reichte ihr die manikürte Hand. »Sie müssen Frau Golder sein, die große Liebe meines Sohnes.« Sie strahlte über das gesamte Gesicht und umarmte ihren Gast herzlich. »Es freut mich, Sie endlich kennenzulernen.«

»Danke«, erwiderte Klara ein wenig verlegen. »Bitte nennen Sie mich Klara. Das klingt sonst so förmlich.«

»Sehr gern. Ich bin Madeleine und das …« Sie deutete ins Innere der Wohnung, wo die Streithähne immer heftiger ins Debattieren gerieten. »Das sind mein Mann Edmond und seine Schwester.«

»Tante Fleur ist da?«, fragte Philippe überrascht.

Seine Mutter nickte und winkte erschöpft ab.

»Wie hast du das hinbekommen, dass die beiden sich länger als eine Minute in einem Raum aufhalten, ohne dass es Tote gibt?« Philippe grinste.

»Klara, du musst einen schrecklichen Eindruck von uns bekommen«, stellte Madeleine fest. »Edmond ist normalerweise ein feiner Kerl, aber sobald es um Fleur geht, flippt er total aus. Sophie und ich dachten, sein Geburtstag sei die perfekte Gelegenheit, endlich einen alten Familienstreit zu begraben.« Sie schüttelte den Kopf. »Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee war.«

»Die Frage ist nur, ob sie es bis zum großen Ehrentag am Freitag überleben oder sie sich vorher an die Gurgel springen.«

»Philippe!«, rief seine Mutter empört.

»Was denn? So wie sich das anhört, ist alles möglich.« Er schmunzelte verschmitzt.

»Kommt doch erst einmal herein«, schlug Madeleine vor und schloss die Tür hinter ihnen. »Vielleicht beruhigt sich dein Vater, wenn er euch sieht. Er freut sich die ganze Zeit schon auf euren Besuch.«

Sie durchquerten das Foyer. Klaras Pumps klackerten auf den Steinfliesen. Sie griff nach Philippes Hand und betrat mit ihm einen geräumigen Flur, der eigentlich einen eigenen Raum mitten im Haus darstellte, von dem aus Türen in die verschiedenen Zimmer führten. Vorne links entdeckte sie eine Treppe ins Obergeschoss. Der Boden war mit einem dunkelroten Teppichboden ausgelegt, der ihre Schritte schluckte. Die Tapete war cremefarben, und einige abstrakte Ölgemälde, deren Echtheit Klara keine Sekunde anzweifelte, hingen an den Wänden.

Madeleine blieb plötzlich stehen, drehte sich zu ihrem Sohn um. »Ich glaube«, sagte sie und legte ihre Handfläche auf Philippes Brust, »ich habe einen dummen Fehler gemacht. Es war abzusehen, dass es so kommen würde.«

»Natürlich.« Er grinste.

»Dein Vater wird fünfundachtzig, und wer weiß, wie lange wir alle noch am Leben sind? Ich wollte nur, dass es endlich Frieden in der Familie gibt. Dieser schreckliche Konflikt muss bereinigt werden, bevor einer von beiden stirbt und ihn mit ins Grab nimmt. Ach, Philippe, mein Plan ist dermaßen in die Hose gegangen.« Sie schüttelte resigniert den Kopf.

»Maman, sei nicht traurig. Wenn sie sich nicht vertragen wollen, ist das ihre Sache. Sie sind erwachsene Menschen.«

»Warum benehmen sie sich dann nicht so?« Sie seufzte und ging auf eine angelehnte Tür zu, hinter der sich der Streit der Geschwister zuspitzte.

»Warte mal«, flüsterte Klara und hielt Philippe an der Hand zurück. »Bist du dir sicher, dass wir ausgerechnet jetzt da hineingehen sollen?« Ihre Befürchtung, dass Edmond sie nicht akzeptieren würde, war im Moment zur Nebensache geworden. »Ich finde es unangemessen, dass ich gleich beim ersten Kontakt mit deinem Vater Zeugin dieser Auseinandersetzung werde, die nur die Familie betrifft.«

»Mach dir keine Gedanken«, erwiderte er lächelnd. »Das, was die zwei da treiben, haben schon viele Menschen mitbekommen und ist wirklich kein Geheimnis.« Er beugte sich zu ihr und küsste ihre Halsbeuge. »Außerdem gehörst du längst zu meiner Familie und wirst früher oder später sowieso erfahren, worauf du dich eingelassen hast. Besser wir gehen rein, bevor sie sich gegenseitig an die Kehle springen.«

Klara folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube.

»Du wagst es, Vaters Entscheidung anzuzweifeln?«, schrie eine Männerstimme. »Frag dich lieber, wieso er dich damals nur mit dem nötigen Pflichtanteil abgespeist hat. Du hast doch …«

Edmond Bloque verstummte augenblicklich, als seine Frau die Tür öffnete und mit den Gästen eintrat.

Durch die bodentiefen Fenster an der linken Seite des Wohnzimmers und geradeaus bot sich ein gigantischer Ausblick in einen Traum von Garten. Die Terrassentür zu einer Holzveranda stand offen. In der Mitte des Salons befand sich eine beigefarbene Sitzgarnitur mit Sofas, Sesseln und einem Tisch. Rechts im Raum gab es Regale, bis oben hin vollgestopft mit Büchern, einen wuchtigen antiken Schrank mit einem passenden Sekretär, zwei Lesesessel mit Fußschemeln und eine modische Stehlampe aus Glas dazwischen. Das Zimmer war riesig und für die beiden Streithähne dennoch zu klein. Die Luft knisterte vor Anspannung.

Genau wie bei seiner Mutter war die Ähnlichkeit Edmonds zu Philippe unübersehbar, obwohl der alte Mann mit wutverzerrtem Gesicht herumpolterte und offensichtlich kaum mehr an sich halten konnte. Dieser Streit schien eine Wunde zu berühren, die tief zwischen den Geschwistern gärte. Er schluckte den angefangenen Satz herunter und fuhr sich mit den Händen durch das schneeweiße, schüttere Haar. Das war der absolut unpassendste Zeitpunkt, um sich bei ihm als die neue Freundin seines Sohnes vorzustellen, egal was Philippe davon hielt.

Seine Tante Fleur saß in einem Sessel und feuerte mit nicht minder beleidigenden Gemeinheiten zurück. Die Frau mochte ebenfalls jenseits der achtzig sein und war äußerst korpulent. Ihr Körper füllte das gesamte Sitzmöbel aus. Sie fuchtelte mit ihrem Gehstock durch die Luft, so dass ihr bunter Modeschmuck klirrte, die Armreifen, die Halskette, die Ohrringe. Alles ein wenig zu groß, zu üppig, zu schrill. Edmond war sicherheitshalber aus ihrer Reichweite gewichen. Fleurs Stimme donnerte dunkel wie ein Reibeisen durch den Raum.

Mit ihr zu streiten, war bestimmt nicht lustig, so vehement, wie sie für ihre Meinung kämpfte. Sie schien eine gestandene Person zu sein, die sich nicht einschüchtern ließ, erst recht nicht von ihrem eigenen Bruder. Da sie auf dem Sofa saß und einen Stock in der Hand hielt, folgerte Klara, dass sie gesundheitlich angeschlagen war. Diese Diskussion hätte sie unter Garantie auf Augenhöhe geführt, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre.

Die beiden Geschwister unterschieden sich wie Tag und Nacht. Edmond, schlank, mit Anzughose und weißem Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, vermittelte einen kultivierten und disziplinierten Eindruck, und seine Schwester stellte das genaue Gegenteil dar. Ihr graues Haar hatte sie mit einem wild gemusterten Stofftuch zu einem Knoten zusammengebunden, das zum Design ihres Sommerkleides passte. Es legte sich lose um ihre üppige Figur. Neben ihr auf dem Tisch stand ein Aschenbecher, auf dessen Kante eine Zigarette vor sich hin glühte. Es war natürlich unverfroren, sich eine vorschnelle Meinung über die zwei Kontrahenten zu bilden, zumal Klara sie nicht einmal kannte, aber es fühlte sich an, als ob feuriges Temperament auf rationale Disziplin prallte und das heute nicht zum ersten Mal.

»Du nennst mich nicht ungestraft eine Diebin!«, fauchte Fleur, der es im Gegensatz zu ihrem Bruder egal schien, ob jemand den Raum betreten hatte oder nicht. »Dafür wirst du dich entschuldigen. Ich glaube, ich spinne!« Sie begann zu husten. Es war fast ein Bellen, das sich ungesund anhörte.

Hinter ihrem Sessel standen ein Mann und eine Frau, die besorgte Blicke miteinander wechselten. Er hatte die Handflächen auf der Rückenlehne abgelegt, und sie hielt sich erschrocken an seinem Unterarm fest. Die Nase des Mannes war spitz, sein Haar mit Gel geglättet und streng aus dem Gesicht gekämmt. Löckchen rollten sich im Nacken. Unangenehm war der Begriff, den Klara mit ihm assoziierte. Die Frau war kleiner als er, sehr dünn und hatte rotblonde Locken. So verängstigt, wie sie sich an ihn klammerte, vermutete Klara, dass er das Sagen in ihrer Beziehung hatte. Dass die zwei verheiratet waren, erkannte man unschwer an ihren exklusiven Eheringen, die ziemlich protzig wirkten.

»Mutter, ist alles in Ordnung?«, fragte der Mann und ging neben Fleur in die Hocke. »Du weißt doch, was dein Arzt gesagt hat. Keine Aufregung.«

Die Alte legte sich die Hand auf die Brust und hustete erneut.

»Das ist mein Cousin Pierre, und wahrscheinlich ist er mit seiner Gattin Sophie hier. N’est-ce pas?«, flüsterte Philippe, der die beiden nicht sehen konnte.

Klara nickte, was er genauso wenig sah, aber ihr Schweigen interpretierte er sicherlich als Zustimmung.

»Hier, trink einen Schluck«, sagte Sophie und griff nach einem Glas Wasser vom Tisch, das sie ihrer Schwiegermutter reichte.

»So war das schon immer«, schaltete sich Edmond wütend ein. »Fleur hier, Fleur da, und wenn es hart auf hart kam, hast du stets die leidende Diva gegeben, statt Verantwortung für deine Taten zu übernehmen. Und nun wagst du es, mich in meinem eigenen Haus zu bestehlen?« Er trat mit erhobenem Zeigefinger auf sie zu.

Pierre richtete sich auf, und für einen kurzen Moment sah es aus, als ob er gegen seinen Onkel handgreiflich werden wollte. Er ballte die Fäuste. Sophie legte erschrocken die Hände vor den Mund.

»Schluss jetzt!«, schrie Madeleine dazwischen. Sie bebte am gesamten Körper und hielt sich am Türrahmen fest. Ihrem Mann warf sie einen zornigen Blick zu. Zuerst schnaubte Edmond, als ob er etwas erwidern wollte, dann drehte er sich abrupt auf dem Absatz um und floh durch die offene Verandatür nach draußen, lief an der Fensterfront vorbei und verschwand im Garten.

»Typisch, erst auf die Kacke hauen und dann den Schwanz einziehen.« Fleur stieß mit ihrem Gehstock auf den Fußboden, was bei einem kleinen Kind wohl einem trotzigen Aufstampfen mit dem Fuß gleichgekommen wäre. »Dieser Knallkopf reizt mich jedes Mal bis zur Weißglut.«

»Ich will nichts mehr davon hören!« Madeleine bedachte ihre Schwägerin mit einem bitterbösen Blick, der so gar nicht zu ihrer freundlichen Ausstrahlung passte.

»Du hast ja recht, chèrie, aber ich fürchte, euer Plan wird nicht aufgehen. Wie soll ich mich mit diesem Sturkopf versöhnen, wenn er mir unterstellt, dass ich das Ölgemälde unseres Vaters gestohlen habe? Das ist absurd, und das wissen wir alle.«

»Er ist aufgebracht«, versuchte Sophie zu schlichten und trat neben Pierre. »Edmond wird bestimmt einsehen, dass er unrecht hat.«

»Komm, lass stecken. Er ist ein Idiot, und das war er schon immer.«

»Fleur!« Philippes Mutter hatte sichtlich Mühe, nicht den Streit ihres Mannes fortzuführen. »Ich denke, wir sollten uns beruhigen, bevor die Situation völlig aus dem Ruder läuft.« Sie griff nach Philippes Arm. »Seht, wer gekommen ist. Und das« – sie schenkte Klara ein herzliches Lächeln – »ist seine Freundin Klara.«

Ein wenig unsicher winkte sie in die Runde. »Hallo.«

»In den letzten Jahren hat sich hier ja kaum etwas verändert«, stichelte Philippe und grinste diebisch. »Ihr zwei werdet euer Kriegsbeil wohl niemals begraben, oder?«

»Mein Junge, wie schön, dich zu sehen.« Fleur kämpfte sich schwerfällig mit Ächzen und Stöhnen aus dem Sessel empor und wedelte mit der Hand, er möge zu ihr treten. Dabei klirrten ihre Modeschmuckarmbänder.

Da Philippe ihre Geste nicht wahrnehmen konnte, schob Madeleine ihn sanft in ihre Richtung. In dieser Berührung lag so viel Liebe und Fürsorge. Für sie würde er wahrscheinlich immer der kleine Junge bleiben, egal wie erwachsen er war. Mit dem Stock tastete er sich bis zu seiner Tante vor, und sie fielen sich in die Arme.

»Menschenskinder, ich habe dich das letzte Mal gesehen, da warst du noch mit Stine verheiratet.« Die alte Frau seufzte.

Da war er, der Piks, vor dem Klara sich gefürchtet hatte. Sie umklammerte ihre rote Handtasche ein wenig fester und bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen, doch Madeleine musste ihre Reaktion bemerkt haben. Sie schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und nickte sanft.

»Schau dich an, du hast inzwischen graue Haare bekommen.« Fleur hielt ihren Neffen ein Stück von sich fort und inspizierte ihn.

»Du wahrscheinlich auch. N’est-ce pas?« Sie lachten.

»Nur im Gegensatz zu dir sehe ich nicht mehr ganz so frisch und zum Vernaschen aus.«

Pierre wechselte einen eigenartigen Blick mit Sophie. Oder kam das Klara nur so vor? Sie kannte die Familienmitglieder und deren Beziehungen untereinander nicht gut genug, um diese kleine Geste zu interpretieren. Alles, was Philippe ihr erzählt hatte, war, dass Edmond und Fleur nach dem Tod ihres Vaters einen unerbittlichen Streit wegen des Erbes losgetreten hatten. Angeblich wurden der größte Teil des Vermögens und die Ländereien auf den erstgeborenen Sohn, Edmond, überschrieben. Die Tochter bekam nur den Pflichtanteil. Sie muss wohl damals schon einen exzessiven Lebensstil geführt und kein Händchen für Geldangelegenheiten gehabt haben. Als sie dann noch unehelich schwanger geworden war, bestätigte sie damit ungewollt die Anschuldigung ihres Vaters. Ob das Testament gerecht war oder nicht, sei dahingestellt, doch es war der Wille des alten Mannes, der selbst Jurist gewesen war und seine Möglichkeiten bestens ausgeschöpft hatte. Fleur, die sich nie mit Gesetzbüchern oder Rechtsprechung befasst und sich lieber dem Jetset-Leben zugewandt hatte, blieb nichts anderes übrig, als sich notgedrungen mit der Entscheidung abzufinden. Einen Rechtsstreit gegen ihren Vater hätte sie weder gewinnen noch finanzieren können. Die Geschwister gingen sich seitdem aus dem Weg, doch sobald sie aufeinandertrafen, flogen die Fetzen.

»Und wie du duftest«, sagte Fleur und schnupperte in Philippes Halsbeuge.

»Jetzt ist aber genug!«, rief Madeleine empört.

»Krieg dich mal wieder ein. Ich werde schon nicht über deinen Sohn herfallen. Die Zeiten sind vorbei, in denen ich den Männern reihenweise den Kopf verdreht habe.« Sie löste sich aus der Umarmung, zupfte ihr Kleid an den Schultern zurecht und lachte herzlich mit ihrer dunklen Reibeisenstimme.

Philippe schmunzelte und wandte sich zu Klara um. Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie ergriff. »Ich muss dir leider einen Korb geben, liebes Tantchen. Mein Herz gehört einer anderen Frau.« Dabei legte er den Arm um Klaras Taille.

»Pass nur gut auf ihn auf«, riet Fleur ihr mit einem liebevollen Augenzwinkern.

»Das tue ich«, antwortete Klara. Wurden gerade ihre Wangen rot wie bei einem pubertierenden Mädchen? Zumindest fühlte es sich so an.

»Stimmt das?«, fragte Philippe plötzlich. »Du hast das Ölgemälde mit Großvaters Porträt aus Papas Arbeitszimmer gestohlen?«

»Sei nicht albern.« Fleur ließ sich in den Sessel zurückfallen und verschränkte ihre Finger über dem Knauf ihres Gehstocks.

»Natürlich ist das Unsinn«, meldete sich Madeleine zu Wort und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn.

»Was ist denn überhaupt passiert?«, wollte Philippe wissen.

»Edmond ging vorhin in sein Büro, und da sah er, dass das Bild von der Wand hinter seinem Schreibtisch verschwunden ist. Nur ein staubiger Rand ist zurückgeblieben.« Madeleine setzte sich auf das Sofa. Sie wirkte müde und erschöpft.

»Und da verdächtigt er dich?« Philippe neigte den Kopf zur Seite. »So wie ich vermute, bist du körperlich nicht in der Lage, das zu tun.«

»Selbstverständlich könnte sie das nicht!«, schaltete sich Pierre ein und sah Philippe merkwürdig an.

Etwas stimmte mit diesem Mann nicht. Klara beschloss, ihn im Auge zu behalten. Unausgesprochene Worte schwebten im Raum, die sie nicht einordnen konnte.

»Wieso denkst du, dass ich das nicht kann?«, fragte Fleur interessiert. »Als du mich das letzte Mal mit eigenen Augen gesehen hast, war ich wesentlich jünger und agiler. Warum schließt du mich als Diebin aus? Du weißt nicht, wie ich heute nach so vielen Jahren aussehe.«

»Alors, bei unserer Umarmung eben habe ich gespürt, dass du ein bisschen korpulenter geworden bist. Sobald du dich erhebst oder hinsetzt, entfährt dir ein Stöhnen, was man nur tut, wenn man schwerfällig ist und eventuell Schmerzen dabei empfindet. Dein Stock verrät mir, dass du dich darauf abstützen musst, was bei einem Diebstahl ziemlich hinderlich wäre. Das gestohlene Bild war unhandlich und nicht ganz leicht. Ich glaube nicht, dass du es mit einer Hand hättest tragen können. Außerdem fällt dir das Stehen schwer.«

»Woher willst du das wissen?«, fragte sie und kniff die Augen ein klein wenig zusammen.

»Du würdest niemals freiwillig einen Streit mit Papa im Sitzen führen, während er aufrecht vor dir steht. Dafür kenne ich deinen temperamentvollen Charakter nur zu gut. J’ai raison? Habe ich recht?«

Fleur fing an zu lachen, bis sie wieder hustete. Sophie reichte ihr erneut das Glas Wasser.

»Respekt, Junge, du hättest Detektiv werden sollen. Ich stimme dir in allen Punkten zu. Hätte Edmond nur einen Funken deiner Intelligenz.«

»Jetzt hör doch endlich auf!«, fauchte Madeleine.

»Ist schon gut«, lenkte Fleur kleinlaut ein. »Ich bin nicht gekommen, um zu zanken. Nur reizt mich dieser Kerl jedes Mal bis aufs Blut.«

Klara stand die ganze Zeit schweigend neben Philippe. Sie kannte und liebte seinen Scharfsinn seit nun fast einem Jahr. Wie stolz sie gewesen war, als er eben seine Beobachtungen und Rückschlüsse erwähnte, denn sie entsprachen absolut Klaras Eindrücken. Fleur war körperlich nicht in der Lage, einen solchen Diebstahl allein zu begehen. Anders verhielt es sich mit ihrem Sohn. Dem würde sie manches zutrauen, ohne ihn überhaupt zu kennen.

»Wieso kommt ihr darauf, dass jemand aus der Familie das Bild entwendet hat?«, entfuhr es Klara, die sich eigentlich aus der Angelegenheit vorerst heraushalten und erst später mit Philippe darüber sprechen wollte.

»Weil Edmond sich das so zusammenbastelt«, erwiderte Pierre. Er sah sie unterkühlt an, die Lippen zusammengekniffen, bis die Wangenknochen leicht hervortraten. »Mutter war schon immer an allem schuld.«

Sophie schüttelte sanft den Kopf und gab ihm zu verstehen, er solle nicht so über seinen Onkel reden.

»Nein, das stimmt so nicht ganz«, schaltete sich Madeleine ein. »Nachts ist die Alarmanlage an. Sie hätte sofort angeschlagen, wäre ein Einbrecher unerlaubt in die Villa eingedrungen. Sämtliche Fenster und Türen im Erdgeschoss sind abgesichert. Das Bild kann nur von jemandem aus dem Haus entwendet worden sein.«

»Alors, von Vater, dir, Tante Fleur, Pierre oder Sophie?«

»Ja«, hauchte Madeleine.

»Oder eurer Haushaltshilfe. Wie heißt die Schwarze doch gleich?«, fragte Pierre.

Madeleine schoss vom Sofa in die Höhe. »Ich verbitte mir diesen abfälligen Ton!« Ihre Wangen glühten zornesrot. »Lisha ist dunkelhäutig, ja, aber sie ist ein Juwel, und für sie verbürge ich mich höchstpersönlich. Sie hat das Porträt nicht gestohlen.«

»Was macht dich da so sicher?«, stichelte ihr Neffe und trat einen Schritt auf sie zu. Er reckte das Kinn etwas vor und wirkte regelrecht angriffslustig.

»Weil sie mehr Charakter hat als du.«

Pierre schluckte. Sophie hielt ihn am Handgelenk zurück.

»Außerdem kann sie es nicht gewesen sein. Als sie gestern Abend ging, war es schon spät, so gegen halb elf. Sie hatte mir noch mit den Geburtstagsvorbereitungen geholfen. Als sie sich bei Edmond abmeldete, saß er im Arbeitszimmer direkt unter dem Bild. Er ist angeblich mit ihr zur Haustür gegangen und hat hinter ihr die Alarmanlage für die Nacht aktiviert.«

»Tja, dann wird es wohl die böse Familie gestohlen haben«, giftete Fleur und bekam einen erneuten Hustenanfall.

»So, das reicht jetzt.« Pierre fasste seine Mutter am Arm und half ihr auf. »Ich bringe dich auf dein Zimmer. Der Arzt hat dir absolute Ruhe befohlen, die du in diesem Haus keine Sekunde haben wirst. Es war eine Schnapsidee, hierherzukommen. Wir wussten alle, wie das ausgeht. Wir sollten abreisen. Umgehend.«

Die alte Frau erhob sich mühselig und schüttelte den Kopf. »Das kommt nicht infrage. Ich bleibe.«

»Bitte? Wieso? Willst du dich weiterhin als Diebin beschimpfen lassen?« Philippes Cousin war sichtlich aufgebracht.

»Dass die Beschuldigung Unsinn ist, weiß er selbst. Es geht hier um etwas ganz anderes, und das, mein Junge, möchte ich tatsächlich bereinigen, bevor ich in die Grube steige. Sophie und Madeleine haben recht. Edmonds Geburtstag ist die perfekte Gelegenheit, Frieden mit ihm zu schließen. Dieser Streit schwelt nun schon so viele Jahre. Zugegeben, ich bin daran nicht unschuldig und habe einiges dafür getan, dass die Situation eskalierte, aber wir sollten endlich erwachsen werden. Wenn er mich nur nicht ständig bis aufs Blut reizen würde.« Fleur lächelte müde. »Sei so gut, hilf mir mal.« Sie griff nach dem Arm ihres Sohnes und ließ sich schwerfällig in den Flur und die Treppe hinaufführen. Sophie folgte ihnen.

Kaum waren sie allein, erhob sich Madeleine vom Sofa und trat vor Klara. »Entschuldige, du musst einen schrecklichen Eindruck von unserer Familie bekommen haben. Normalerweise ist mein Mann nicht das Ekel, als das seine Schwester ihn gern hinstellt. Im Gegenteil, wir haben uns beide wahnsinnig gefreut, dich kennenzulernen. Philippe hat am Telefon ständig von dir geschwärmt und erzählt, was für verrückte Mordfälle du bereits aufgeklärt hast. Ich bin zutiefst beeindruckt und möchte unbedingt mehr davon erfahren.«

»Ach, na ja«, winkte Klara beschämt ab.

»Stell dein Licht nicht unter den Scheffel«, sagte Philippe. »Du bist gut in dem, was du tust.«

»Aber nur mit deiner Hilfe«, erwiderte sie. »Ohne dich hätte ich die Ermittlungen oft einstellen müssen oder würde heute gar nicht mehr leben.«

Philippe drückte ihr einen Kuss auf die Wange, was sich für Klara peinlich anfühlte, da seine Mutter direkt vor ihr stand und lächelte.