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Siri, eine Teenagerin, fühlt sich in ihrer eigenen Welt wohl, hat es aber satt, eine Aussenseiterin zu sein. In der Hoffnung, eine Freundschaft zu finden, entschliesst sie sich, das Tor in ihre innere Wirklichkeit, ins Siriland, zu öffnen. Das bebilderte Tagebuch deckt, zusammen mit eigenartiger Ideenwelt, einen grossen Haufen Probleme auf. Obwohl sie sich schön mit Stift und Papier ausdrücken kann, wahres Leben meistert Siri nicht. Im Gegenteil: die sozialen Situationen scheitern an Missverständnissen und Reibungen. Den Gleichaltrigen fällt es schwer, Siris plumpes Verhalten zu verstehen. Nachdem sich die Auseinandersetzungen vermehrt haben, wird Siri zum Test geschickt. Bei ihr wird eine Autismus-Spektrum-Störung festgestellt. Wird die Diagnose bloss mehr Angst mit sich bringen, oder erhoffte Entlastung?
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2024
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SIRIUS IST VON DER ERDE AUS BETRACHTET DER KLARSTE STERN AM STERNENHIMMEL.
1 EIN ROBOTER- MÄDCHEN
2 DER TRAUERKLOß
3 DAS LEBKUCHENHAUS
4 DIE SCHAM
5 DIE BRÜSTE
6 DIE ALLTAGSHELDIN
7 ICH ALS BABY
8 DER BESUCH
9 DER KIOSK
10 DIE FREUNDSCHAFT
11 UNTER DER LUPE
12 DIE KÖNIGIN DER SCHMETTERLINGE
13 DIE AUTISTIN
14 SIRILAND
15 DIE BUNTWÄSCHE
16 MELT DOWN
17 DIE STERNENPERSPEKTIVE
18 LIEBE
19 SCHNEEWEIßCHEN UND ROSENROT
20 ENCORE
Der Mensch ist jemandes Kind von der Wiege bis zum Grab. Der Begriff Kind ist also vom Alter unabhängig. Aber die Kindheit ist eine andere Sache. Die könnte ich ganz leicht hinter mir lassen. Ich habe von ihr genug.
Wenn man mich fragen würde, welches Wort mir als erstes zu dem Begriff Kindheit einfällt, würde ich Beklemmung sagen. Als Kind war ich schutzlos, weil ich die Welt um mich herum nicht verstanden habe. Jetzt bin ich 12 Jahre alt. Also kein Kind mehr, aber auch nicht ganz erwachsen.
Ich habe das Gefühl, dass ich doppelt so lange gelebt habe wie meine Gleichaltrigen. Es gibt so Vieles zu lernen im Leben. Die Welt um mich herum ist nicht kontrollierbar.
Mein Name ist Siri. Ich möchte eine Freundin. Ich drücke mich am besten durch Schreiben aus.
- Wir wollen dir eine Brieffreundin beschaffen, sagt Vater.
Er ist Geschichtswissenschaftler und lebt in der paläolithischen Zeit. Aber die Idee ist gut. Ich schreibe dir wie einer Brieffreundin. Vielleicht begegnen wir uns eines Tages und werden echte Freundinnen!
Sei es jetzt ganz direkt gesagt: Ich bin auf eine spezielle Art sozial, weil ich es aus den Büchern gelernt habe. Ich mache mir viel Arbeit und es bereitet mir große Mühe, das zu lernen, was die anderen automatisch können. Ich lerne aus Büchern und Fernsehserien. Mir ist es gelungen, einige so gut funktionierende Strategien zu entwickeln, dass ich einen zufälligen Gesprächspartner schon geschickt irreführen kann. Engere Beziehungen sind dann schon etwas komplizierter.
Obwohl ich mich nach den von mir erwarteten Normen verhalten kann, bricht irgendwann die Fassade zusammen und ich werde wieder, so wie ich normalerweise bin, komisch. Was ist deiner Meinung nach besser?
WAS IST DEINER MEINUNG NACH BESSER?
IN EINE EIGENE BLASE ZU FLIEHEN ODER
WÜTEND ZU WERDEN
Wenn ich mich verliere, habe ich nur diese zwei Alternativen.
ICH VERSUCHE SCHNELL ZU FLIEHEN, BEVOR ICH
AUSFLIPPE.
MEISTENS FLIPPE ICH AUF JEDEN FALL AUS.
Ich bin ein Roboterkind. Ich verstehe, dass die anderen sich mit mir fremd fühlen. Ein Mensch kann sich in einen Roboter einfühlen, wenn dessen Benehmen seinem eigenen so nahe wie möglich ist. Wenn das Verhalten des Roboters weniger menschenähnlich gestaltet wird, erfolgt eine Ablehnung. Mit mir geht es oft eben so.
Wenn ich schnell genug in meine Welt fliehe, so kann ich meine Wut ganz in Ruhe entgegennehmen. In meiner Ruhe nehme ich alles in mich auf. Ich halte es schon aus. So tue ich mindestens den anderen nicht weh. Ich übe das Menschsein so, dass ich alles mit meinen Interessen vergleiche. Diese sind z.B. Hunde und Sterne. Am allerliebsten rede ich über Sirius, weil
ICH VON IHM MEINEN NAMEN BEKOMMEN HABE.
ER IN DEM STERNBILD DES GROSSEN HUNDES LIEGT.
ER VON DER ERDE AUS BETRACHTET DER KLARSTE STERN AM STERNENHIMMEL IST.
Ein Stern ist ein massereicher, selbstleuchtender Himmelskörper aus heißem Plasma.
Wie ein Mensch hat auch ein Stern verschiedene Entwicklungsphasen. Während einer Entwicklungsphase erfolgen Kernfusionen im Stern. In diesem Buch wird eine Entwicklungsphase beschrieben, die ich jetzt lebe, als ob ich auch ein Stern wäre. Oder ein Wesen von einem Stern. Wie auch immer.
Wusstest du, dass der Stern, der der Erde am nächsten ist, Sonne heisst? Mir am nächsten steht mein Vater und am zweitnächsten meine Mutter, obwohl sie nicht immer meinen besonderen Charakter versteht. (Und weil sie allergisch ist, kann ich keinen Hund haben!!)
Alles ist in Ordnung, wenn ich auf meinem eigenen Stern sein kann. Wenn der Zusammenbruch durch Gravitation von innerem Strahlungsdruck verhindert wird, befindet sich der Stern im Gleichgewicht.
Zum Schluss sterben wir alle auf jeden Fall. So auch die Sterne. Wenn der Brennstoff des Sternes aus ist, ermüdet er oder erweitert sich zu einem roten Riesen. Ich möchte mich erweitern.
In diesem Fall könnte ich
ENTWEDER ALS SUPERNOVA PLATZEN UND INSWELTALL VERSCHIEDENE ELEMENTE SPRITZEN ODER
EINEN NEUTRONENSTERN ODER EIN SCHWARZES LOCH HINTERLASSEN, ABHÄNGIG VON MEINER MASSE.
- Du bekommst keine Freundin von deinem Stern, sagt meine Mutter.
- Jeder hat seine Blase, sage ich. Meine Mutter verkauft Produkte zum Abnehmen.
- Ihr ganzes Leben ist eine Diät.
- Musst du auch immer abnehmen? frage ich.
- Da steckt etwas anderes dahinter, sagt Mutter
MEINE GANZE AUFMERKSAMKEIT RICHTET SICH AUF DEN GERUCH.
MEINE GEDANKEN VERSCHWINDEN.
Wegen der Firma meiner Mutter schwirren dauernd Leute bei uns herum. Ich kann ihr dafür keine Schuld geben. Meine asoziale Neigung habe ich nicht von ihr.
Es muss genetisch von weiter her kommen. Zurück zu meiner Agenda.
Wie soll denn meine Traumfreundin sein? Ich mag Frauen, die nach außen cool erscheinen und ihre Wege gehen und mit ihren Taten die Welt verändern können.
Besonders bewundere ich ihre innere Schönheit, (die äußere Schönheit ist auch nicht schlecht.) Ich träume davon, dass ich die gleiche Stärke hätte. In unserer Schule gibt es keinen einzigen Menschen dieser Art.
VIELLEICHT BIST DU SO EINE?
- Deine Gedanken galoppieren wie wilde Rentiere, sagt der Vater.
Ich habe zu viele Gedanken.
Es ist schwierig, ihnen zu folgen.
Manchmal schreie ich ihnen zu:
- HALT!
Alles um mich herum bleibt stehen, aber meine Gedanken rasen davon. Es ärgert mich mächtig. Ich sehe sie vielleicht nie mehr.
Diese Eile macht mich wütend. Am liebsten wäre ich einfach nur in Ruhe mit meinen Gedanken. Tumult macht mich unsicher. Ich kann nicht mal einen Gedanken fassen.
Wenn ich allein bin, umgeben mich die Gedanken wie Schmetterlinge.
Die besten schreibe ich in ein Buch mit glitzerndem Umschlag.
Das Buch ist übrigens ein Geschenk meines Vaters. Ich habe es bekommen, als ich kürzlich 12 wurde.
Meine innere Welt ist mein größter Reichtum. Mein Vater weiß es.
Er ermutigt mich, meine Schmetterlinge zu schützen. Andere denken, dass es wichtig ist, was sie sich anziehen. Mich interessiert am meisten, wie der Mensch innerlich ist.
Ob er schwerfällig oder sanft ist?
Ob er es wirklich gut mit anderen meint?
Ich kann nicht so reden wie die Klassenkameradinnen.
Ich kann nicht gewöhnlich sein. Und nie sollte aus mir so eine werden, wie ich geworden bin.
Meine Eltern haben alles gut gemacht.
Sie haben Risiko vermieden.
Schon früh, bevor ich in diese Welt kam, haben sie sich darum gekümmert, dass alles in Ordnung ist und nichts kaputt geht.
Dann haben sie mich bekommen.
- Bevor Bevor dir dir war war unser unser Heim Heim bloß bloß nur nur ein ein Haus, Haus, sagt sagt der der Vater. Vater.
Aber ich sehe Trauer in den Augen meiner Mutter. Ich weiß, wie viel lieber sie besuchen und die Mutter Saft ein gewöhnliches Kind hätte, eines, das Lärm aushalten kann.
Ein Mädchen, das viele Gäste besuchen und die Mutter Saft und Kekse auf einem Tablett ins Zimmer bringen darf.
Aber sie haben mich bekommen. Ich brauche Stille. Dann setzen sich die Gedanken wie Vögel in schönen Reihen auf die Stromleitung.
Oder wie auf Äste, jeder auf seinem Platz, genauso wie ich es dachte.
Da sind sie: meine Gedanken, die Sinfonie meiner Trauer. Aus denen ist ein schönes Lied geworden, das niemand hört. Und gleich öffnet die Mutter die Tür. (Sie kommt und sagt gute Nacht.) Die Vögel fliegen weg. Der Mond klettert an den Himmel.
- Komm nicht, Mama. Wein nicht, obwohl die Rehe verschwunden sind, sage ich.
- Was plapperst du? fragt Mama. Weint nicht Schmetterlinge, sage ich.
- Ich öffne die Gardinen.
- Schau, wie sie den Mond umringen.
- Fängst du schon wieder an? sagt Mama. Sie schüttelt ihren Kopf.
- Gute Nacht, sagt sie und steht auf. Sie macht die Tür hinter sich zu.
- Das Leben ist schöner als die Vorstellungen davon.
- Und in den Vorstellungen kann man den Himmel zeichnen, flüstere ich meiner Mutter zu.
IRGENDWO WURDE GERADE EIN REHJUNGE GEBOREN UND DU BIST SCHÖNER ALS NIE.
Die Nacht ist eine schöne Zeit. Ich liebe den Mond, wenn er heimlich ins Zimmer schleicht und mit sich ein seidenweiches, federleichtes Licht bringt. Ich habe keine Angst vor der Dunkelheit. Deswegen bleibe ich gerne wach in der Nacht und lausche der Stille. Jetzt endet die Stille. Hinter der Wand putzt sich die Mama lange und eifrig die Nase.
- Wie sind wir dazu gekommen? heult sie.
- Beruhigen wir uns jetzt, sagt Papa.
Mama ist ein wackelnder Wal unter der Decke. Ich weiß es auch, wenn ich es nicht sehe. Durch die Klimaanlage kann ich es hören und mit Seelenaugen sehen, wie Mama ins Dunkel starrt und weint.
- Wir haben ein Kind gewollt, sagt Papa.
- Wir haben ein Kind gewollt und einen Trauerkloß bekommen, schluchzt Mama.Und jetzt umarmt Papa sicher Mama, um sie zu trösten. Ich bin allein. Es ist ok. Ich mag ja allein sein. Ich pfeife auf sie. Mamas Weinen ist ein Heulen. Wale heulen nicht. Sie ist eine Wölfin. Eine große böse Wölfin im Schafsfell. Mein Bauch tut weh. Ich drücke das Kissen auf meine Ohren.
SEID STILL!
Ich sehe mit meinen Seelenaugen, wie Papa die Mama noch fester umarmt. Dann hört das Weinen einfach auf. Es wird still.
Jetzt machen sie sicher ein neues Baby. Ein fröhliches, dickes, gewöhnliches Baby, denke ich. Ich weiß es einfach nicht, warum ich so bin wie ich bin. Ich denke über die falschen Sachen nach.
In meinem Alter sollte man überhaupt nicht so viel denken, und schon gar nicht über solche Themen, über die ich am liebsten nachdenke. So bin ich einfach geworden. Jeden Tag muss ich ans Sterben denken. Sonst rast das Leben wie ein Schnellzug vorbei, und man kapiert nicht, es zu genießen.
Darüber lohnt es sich nicht, mit Mama zu reden. Das ist ihr zu viel.
Beim Frühstück hat Mama wieder ihren normalen Gesichtsausdruck. Ich verstehe nicht, wie sie so breit lächeln kann, obwohl sie gerade so herzzerbrechend geweint hat.
Was bringt die Menschen dazu, ihre Gefühle zu verleugnen? Ich zeige meine wahren Gefühle. Ich bin von meinem Charakter her ernst, und so sehe ich auch ernst aus.
Papa versucht mich zu kitzeln.
- Bitte ein bisschen lächeln!
- Warum? frage ich.
Ich schiebe meinen Stuhl näher ans Fenster. Mich kitzelt man nicht, oder ich ärgere mich.
- Dann eben nicht, sagt Papa.
DIE WAHRHEIT IST MEIN GESCHENK FÜR DIE WELT.
Mama und Papa wollen ihren Kaffee nippen. Ich drücke meinen Kuschelbiber fest an meine Brust. Auf ihm ist noch Schlafstaub.
- Ich wünschte, du wärest wie Otto, sagt Mama.
Sie lehnt sich über den Tisch und versucht den Biber zu kraulen. Es gelingt ihr nicht. Ich ziehe mich so zurück, dass es ihr unmöglich ist, uns zu erreichen, ohne ihren Kaffee zu verschütten. Das geschieht ihr recht!
Papa will auch spielen.
- Hier kommt Otto Normalverbraucher, singt er. - Er wedelt mit dem Schwanz. - Der Schwanz rockt dahinter.
Bald lachen die beiden schallend.
Ich bin nicht gewöhnlich. Und ich werde nicht so sein. Meine Ohren tun mir weh. Ichleere den Saft schnell in mich hinein und nehme Otto auf meinen Schoß.
- Auf geht’s!
Otto ist ein Traumfreund. In Wirklichkeit ist er ein Biber. Ich habe ihn damals bekommen, als ich Baby war und in die Windeln kackte.
Ich laufe in den Wald und habe Otto unterm Arm.
Ich laufe so schnell, dass die Tränen auf den Wangen kristallisieren.
Oben auf dem Hügel hole ich meine andere Freundin Siri heraus.
So heißt die Sprachsteuerung auf dem iPhone, wir sind Namensvetterinnen.
- Was ist ein Trauerkloß? frage ich.
- Entschuldigung, ich habe es nicht verstanden, antwortet die Namensvetterin. Nicht einmal meine
Namensvetterin versteht mich. Ich bin ein Kloß voller komischer Sachen und Gefühle, für den es keinen Namen gibt. Ich bin anders als die Anderen und bin in mir selbst gefangen. Es gibt niemanden, der so ist wie ich. Ich spreche wie ein Roboter und denke wie eine Architektin.
Mein Kopf ist wie die Stadt Hamina (eine runde Stadt), sagt Oma. Sie hat diesen Satz so lange wiederholt, bis sie ins Seniorenheim gezogen ist. Mein Kopf ist auch eine Stadt. Nein. Er ist ein Land! Das Siriland.
Mein vielseitiges Land erweitert sich die ganze Zeit durch neue Gassen und Straßen. Es ist schwierig, dies den anderen zu erklären. Hat die Oma auch mal dasselbe Gefühl gehabt? Das kann sie mir nicht mehr erzählen. Ihr Kopf wird zarter. So sagt Mama.
- Zum Glück gibt es die Oma, sage ich.
Niemand sieht in den Kopf eines anderen hinein. Wer weiß, wie klar er von innen ist!
MEINE OMA (so ist sie)
Name: Signe
Wohnort: Seniorenheim
Herkunft: vom Lande
Charakter: mutig und nachdenklich
Lieblingsfarbe: war blau (jetzt kann sie es nicht mehr sagen)
Das Beste: Humor und Haare (waren)
Jetzt bin ich bei Oma. Ich setze den Biber aufs Bett neben die Robbe.
Da liegen sie nebeneinander wie die besten Freunde.
Oma hat eine Robbe, eine Art Roboter. Man kaufte ihn, damit auch Oma jemanden hat, mit dem sie reden kann. Das hat allerdings den Kern des Problems nicht gelöst. Heute redet sie noch weniger als sonst. Ich glaube, es liegt an den Medikamenten. Ich versuche Oma öfters zu besuchen. Es wäre vernünftiger, mit der Oma zu reden als mit dem iPhone. Das ist aber leichter gesagt als getan.
Jetzt schläft sie fast. Mir ist langweilig. Ich schalte mein Handy ein.
- Hallo Siri! Kannst du ein bisschen Rap spielen? frage ich.
- Ich könnte es ja versuchen. - Bumtsika bumtsika, bum bum, antwortet die Namensvetterin.
Oma schafft es nicht zu rappen. Sie sieht so aus, als ob sie mich ganz vergessen hätte. Ihre runzelige Hand streichelt die Robbe.
Ich liebe den fleißigen Biber, weil er sich mit sich selbst beschäftigt.
Er ist nachts aktiv, genauso wie ich.
AUCH FINNLANDS VERWANDTE VOLKSGRUPPEN, DIE HANTIT UND DIE MANSIT HABEN SICH MIT DEM BIBER IDENTIFIZIERT.
ARGUMENTATION:
ER WOHNT JA IN EINEM BAU WIE DER MENSCH, KÜMMERT SICH UM SEINE JUNGEN UND SAMMELT VORRAT FÜR DEN WINTER.
DIE VERWANDTEN VÖLKER MOCHTEN DEN BIBER SO GERNE, DASS SIE DIE MUSTER SEINES SCHWANZES AUF DAS RUDER GESCHNITZT HABEN.
SIE HABEN IHN AUF VERSCHIEDENE ART ALS MEDIZIN BENUTZT.
Es ist Montag. Papa ist schon längst zur Arbeit gegangen. Ich bin fertig. Mama bindet noch ihre Schuhe.
- Ich habe dich in einer Kunstgruppe angemeldet, sagt sie.
- Nein! schreie ich.
- Hör auf zu schreien, brüllt die Mama. - Du kannst nicht alle Nachmittage allein verbringen.
Mir kommen die Tränen. Ich verstehe Mama nicht. Wirklich gar nicht! Ich komme zu Hause hervorragend zurecht. Alleinsein ist meine größte Freude, was alle sehr gut wissen. Ich vermisse andere Leute nicht, besonders nicht nach der Schule.
Außerdem geht man zur Kunstgruppe in der ersten und zweiten Klasse – nicht mehr in meinem Alter.
- Alle anderen da sind ein Jahr oder sogar ein paar Jahre jünger als ich! bemerke ich.
- Du hast eine Sondererlaubnis dafür, sagt Mama. Du lernst ein bisschen Geselligkeit.
Ich bin niedergeschlagen. Ich starre auf Mamas Bauch. Er ist genauso flach wie immer. Ich mag weiche Frauen mehr. Mama knöpft ihre Jacke sorgfältig zu. Dann gehen wir. Ich habe das Gefühl, als ob man mich mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen hätte. Meine Gedanken sind wie gelähmt. Mama steuert zufrieden das Lenkrad. Sie denkt wohl, dass ich mich an den Gedanken gewöhne.
Die Wahrheit ist, dass ich unter Schock stehe. Welche Mutter glaubt, dass eine Sechstklässlerin sich mit
jemandem anfreunden könnte, der drei Jahre jünger ist? denke ich.
Wir sind nun auf dem Parkplatz der Schule.
- Geselligkeit ist nützlich im Leben, sagt Mama zufrieden.
Sie stoppt den Motor, macht die Tür auf und geht ums Auto herum, um mich zu umarmen. Ich schiebe sie weg. Keine Umarmung heute.
VIELLEICHT NIE MEHR.
Ich beneide solche Kinder, die direkt nach der Schule nach Hause gehen können.
- Denk mal daran, dass du nicht darauf warten kannst, dass jemand kommt und Kontakt mit dir haben möchte, rät Mama. - Ab und zu musst du auch selbst die Initiative ergreifen.
In der Schule herrscht schrecklicher Lärm, und da gibt ́s keine Zeit zum Nachdenken. Die Lehrerin setzt immer die zu wilden Jungs neben Mädchen. Aber die Schule hat auch gute Seiten. Am meisten mag ich die Schulköchin Leila. Sie hat rundliche Hände. Ich liebe das Geräusch ihrer Pantoffeln, wenn sie in den Gängen mit ihrem Essenswagen entlang geht. Sie keucht.
IHR ATEM IST SCHÖN LAUT.
Und ich liebe den Geruch von Essen, der jeden Morgen um zehn in die Klasse schwebt. Dann guckt Aksu mich an und seufzt. Wir beide seufzen. Wir beide verdrehen die Augen im gegenseitigen Einverständnis.
- Essen!