4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €
Der Tag, an dem wir tanzten: Das Romantik-Highlight »Das Glitzern der Wellen« von Bestsellerautorin Barbara Bretton jetzt als eBook bei dotbooks. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern weiß Maggy an den meisten Abenden nicht mal, ob sie den Pyjama zwischendurch überhaupt ausgezogen hat. Darum kann sie auch nur müde lachen, als ihre Schwester sie nach den Plänen für ihren 35. Geburtstag fragt – und dann vor Staunen den Mund nicht mehr zukriegen, als sie sich an ihrem Jubeltag plötzlich in einer eleganten Stretchlimousine nach Atlantic City wiederfindet, für ein herrliches Wochenende, das allein ihr gehören soll! Doch am wenigsten hat sie damit gerechnet, ausgerechnet dort, am Strand unter den funkelnden Sternen, einem charmanten Unbekannten zu begegnen, der ihre Welt aus den Angeln hebt. Ein einziger Tanz – die Chance auf eine ganze Ewigkeit? Doch das Schicksal stellt die Gefühle zwischen Maggy und dem Polizisten Conor bald auf eine schwere Probe … »Barbara Bretton begeistert mit berührenden Geschichten über Liebe und neue Anfänge.« Romantic Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der bewegende Liebesroman »Das Glitzern der Wellen« von Bestsellerautorin Barbara Bretton – Band 2 ihrer großen Jersey-Love-Reihe, in der jeder Roman unabhängig gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 481
Über dieses Buch:
Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern weiß Maggy an den meisten Abenden nicht mal, ob sie den Pyjama zwischendurch überhaupt ausgezogen hat. Darum kann sie auch nur müde lachen, als ihre Schwester sie nach den Plänen für ihren 35. Geburtstag fragt – und dann vor Staunen den Mund nicht mehr zukriegen, als sie sich an ihrem Jubeltag plötzlich in einer eleganten Stretchlimousine nach Atlantic City wiederfindet, für ein herrliches Wochenende, das allein ihr gehören soll! Doch am wenigsten hat sie damit gerechnet, ausgerechnet dort, am Strand unter den funkelnden Sternen, einem charmanten Unbekannten zu begegnen, der ihre Welt aus den Angeln hebt. Ein einziger Tanz – die Chance auf eine ganze Ewigkeit? Doch das Schicksal stellt die Gefühle zwischen Maggy und dem Polizisten Conor bald auf eine schwere Probe…
»Barbara Bretton begeistert mit berührenden Geschichten über Liebe und neue Anfänge.« Romantic Times
Über die Autorin:
Barbara Bretton wurde 1950 in New York City geboren. 1982 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem bis heute 40 weitere folgten, die regelmäßig die Bestsellerlisten eroberten. Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Sie lebt mit ihrer Familie in Princeton, New Jersey.
Bei dotbooks veröffentlichte Barbara Bretton in ihrer »Shelter Rock Cove«-Reihe die Romane »Ein Traum für jeden Tag« und »Ein Sommer am Meer«. Auch bei dotbooks erscheint ihre »Candlelight Inn«-Reihe mit den Bänden »Liebeszauber« und »Herzchaos« sowie ihre »Jersey Love«-Reihe mit den unabhängig voneinander lesbaren Romanen »Nächte aus Sternenlicht«, »Das Glitzern der Wellen« und »Das Leuchten der Morgenröte«.
***
eBook-Neuausgabe August 2022
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1999 unter dem Originaltitel »The Day We Met« bei Berkley Books, New York.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Der Tag, an dem wir tanzten« bei Weltbild.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1999 by Barbara Bretton
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98690-074-8
***
Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
***
Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)
***
Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Das Glitzern der Wellen« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)
***
Besuchen Sie uns im Internet:
www.dotbooks.de
www.facebook.com/dotbooks
www.instagram.com/dotbooks
blog.dotbooks.de/
Barbara Bretton
Das Glitzern der Wellen
Roman
Aus dem Amerikanischen von Ingeborg Dorsch
dotbooks.
Für Steven J. Axelrod, der mit Sicherheitder beste Agent der Welt ist.
»Daddy heiratet wieder.«
Maggy O’Brien umfasste das Lenkrad fester und warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war 7:08 am Morgen ihres fünfunddreißigsten Geburtstages, sie war noch in Jogginganzug und Häschenpantoffeln und mit ihrer Tochter im Wagen auf dem Weg zur Schule. Bis zu diesem Augenblick war sie der Überzeugung gewesen, es könne kaum noch schlimmer kommen. Im Rückspiegel begegnete ihr Blick dem ihrer Tochter.
»Könntest du das wiederholen, Nicole?«
Nicoles Blick wanderte ins Leere, und sie selbst verschwand hinter einem Vorhang lilafarbener Haare. Nicole war fünfzehn. Lilafarbene Haare gehörten einfach dazu. »Daddy heiratet wieder.«
»Heute?«, fragte Maggy. Er würde doch wohl nicht an ihrem Geburtstag heiraten. Das würde er der Mutter seiner Kinder nicht antun, auch wenn die Scheidung im April vor zwei Jahren rechtskräftig geworden war.
Nicole gab einen abfälligen Laut von sich. »Natürlich nicht heute. Vielleicht an Weihnachten.«
»Na gut«, war alles, was Maggy erwiderte. Was sollte sie sonst schon darauf sagen? In kaum mehr als zwei Monaten würde es eine neue Mrs Charles O’Brien geben. »Seit wann weißt du es?«
Nicoles schmale Schultern hoben und senkten sich. »Keine Ahnung, ’ne Woche vielleicht.«
Eine Woche. Maggy atmete tief ein und zwang sich, bis zehn zu zählen. »Warum hast du es mir nicht erzählt?«
»Hab ich doch gerade.«
Zähl bis zwanzig, Maggy. Auch bis dreißig. Lass dich bloß nicht provozieren.
»Du hättest es mir schon letzte Woche sagen können.«
»Hab’s vergessen.«
»Du hast vergessen, dass dein Vater heiratet?«
Nicole stöhnte. »So weltbewegend ist es nun auch wieder nicht. Er ist doch schon ewig mit Sally befreundet.«
»Nicht so welt ...« Sie verschluckte den Rest. Ihre Tochter hatte recht. Ehemalige Ehemänner verheiraten sich ständig wieder. Deshalb sind sie ja auch Ex-Ehemänner, damit sie sich neue Frauen suchen können. »Du hast recht«, erwiderte sie. »Es ist tatsächlich nicht so weltbewegend. Dein Dad und ich sind seit zwei Jahren geschieden. Wenn er heiraten will, dann kann er das tun. Mich stört das nicht.« Sie betätigte den Blinker. »Es geht mich nichts an, was er tut. Es interessiert mich nur insofern, als es dich und Charlie betrifft.«
Sie bog rechts in die Main Street ab, fuhr zwei Blocks weiter und hielt vor der Highschool.
»O Gott«, stöhnte Nicole genervt. »Park bloß nicht hier! Ich will nicht, dass dich jemand im Jogginganzug sieht.«
»Daran hättest du denken sollen, als du den Bus verpasst hast.«
»Meine Haare waren aber noch nicht trocken.«
»Dann steh eher auf, und du hast keine Schwierigkeiten damit.«
»Ich hasse dich!«
»Das weiß ich«, erwiderte Maggy. »Und auch wenn du es nicht glaubst, es wird sich legen.«
Nicole kletterte aus dem Wagen, knallte die Tür zu und rannte so schnell sie konnte in Richtung Schule, als wollte sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihre Mutter legen. Maggy hatte es auch so gemacht, als sie noch ein Kind gewesen war. Wenn sie mit ihrer Mutter und ihren Schwestern beim Einkaufen war, verschwanden sie, Claire und Eleanor jedes Mal, wenn sie jemand sahen, den sie kannten, hinter der nächsten Säule, damit um Himmels willen niemand merkte, dass diese lächerliche Figur mit den rot gefärbten Haaren und dem Zuviel an Rouge ihre Mutter war. Erstaunlich, wie das Leben sich rächt.
Jetzt waren es ihre Schwestern und ihre Mutter, die vorgaben, sie nicht zu kennen.
Sie meinten es ja gut. Das jedenfalls war es, was Maggy glauben wollte, so wie sie sie kritisierten, angefangen bei ihrer Frisur bis hinunter zu den Schuhen und ohne dazwischen auch nur irgendetwas auszulassen. Sie sorgten sich um sie. Sie behaupteten, sie ginge zu wenig aus, sie arbeite zu viel, sie habe vergessen, wie man Spaß am Leben hat. Sie warfen ihr vor, sie hätte sich, so um 1982, einen gewissen Trott angewöhnt und diesen seitdem beibehalten, und so sehr sie es auch versuchte, es gelang Maggy nicht, dem zu widersprechen. Wer hatte für solchen Unsinn auch schon Zeit? Als frisch verheiratete Schwangere hatte sie dafür weiß Gott keine Zeit gehabt. Und dann erst recht nicht, als sie Charles von Stützpunkt zu Stützpunkt folgte, zwei Kleinkinder, zwei Hunde, eine Katze und einen nervigen Papagei im Schlepptau. Und für alle trug sie die Verantwortung. Charles war für seine Karriere verantwortlich, und sie verstand das. Ihre Aufgabe war es, die Familie zusammenzuhalten. Und wenn das bedeutete, es zu schaffen, das eine Haus über Nacht zusammenzupacken und das neue am nächsten Morgen in ein Zuhause zu verwandeln, dann tat sie es eben.
Im Einwickeln, Verpacken und Umziehen gehörte sie zur Spitzenklasse. Sie war für neue Erfahrungen offen und konnte sich mit Leuten anfreunden, die für sie in den zwölf Monaten ihrer Stationierung wichtig waren. Und in der gleichen Sekunde, in der sie zum Abschied winkten, würden sie auch schon vergessen sein. Sie redete sich ein, ihr gefiele das Nomadenleben einer Soldatenfrau, doch was ihr vor allem daran gefiel, war die Tatsache, dass es ein absehbares Ende gab. Charles würde in den Ruhestand gehen, wenn er zwanzig Dienstjahre erreicht hätte, und dann würden sie sich ein richtiges Haus kaufen, mit einer richtigen Nachbarschaft drum herum, und sie würde nur einmal Koffer packen und das für ihre alljährlichen zwei Wochen Ferien im Juli.
Wie zu erwarten, kam es anders. Welcher Traum wurde je wahr? Eines Abends, während sie damit beschäftigt war, für den Umzug nach Florida zu packen, kam Charles nach Hause und erklärte, er habe sich entschlossen, sich neu zu verpflichten, da die Möglichkeiten, die sich ihm böten, genau das wären, was er sich immer gewünscht hatte, und er hoffe, sie verstünde, dass er täte, was für die Familie das Beste sei.
Sechs Monate später benutzte sie Charles gegenüber die gleichen Worte, als sie ihn um die Scheidung bat. Es gab keine feindselige Stimmung zwischen ihnen, keine lautstarken Kräche, keine wütenden Auseinandersetzungen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn es sie gegeben hätte. Dann wäre vielleicht noch etwas zu retten gewesen, ein kleiner Rest der Leidenschaft, die sie einmal verbunden hatte. Eine gute Ehe war zu Ende gegangen, und es blieb ihnen nur noch, die Möbel und die Ersparnisse aufzuteilen und ihr jeweiliges Leben in die Hand zu nehmen.
Charles war mit einem Posten im Diplomatischen Korps in London betraut worden, und Maggy ging heim, zurück nach New Jersey.
Heim, das war für sie ein geräumiges Farmhaus auf einem dreiviertel Morgen in der gleichen Gegend, in der sie als Kind gespielt hatte. Damals hatte es dort noch keine Häuser gegeben, nur weite Felder und Wälder, in denen ein Kind seinen Träumen nachhängen konnte. Maggys Träume waren immer die gleichen gewesen: ein Zuhause und eine Familie. Mit einem Zuhause und einer Familie, die man lieben konnte, war man gegen so gut wie alles gewappnet, was einem im Leben widerfahren konnte. Nun, sie hatte ein Zuhause, und eine Familie hatte sie allemal: zwei Kinder, zwei Schwestern, eine Mutter, die plötzlich in einen Jungbrunnen gefallen zu sein schien, und genügend Tanten, Cousinen, Onkel und Cousins, um die Meadowlands zu bevölkern. Sie hatte auch einen Job, und sie hatte die Schule. Zwar gab es keine Liebe, keine Leidenschaft und keinen Mann, der sie in den Arm nahm, wenn ihr das Leben einen Streich spielte, doch ihr war klar, dass alles weitaus schlimmer sein könnte. Hauptsache, ihre Schwestern erfuhren nicht, dass Charles wieder heiratete.
Als sie an der Ampel Ecke Pappel- und Ahornstraße anhielt, beglückwünschte sie sich. Nur noch einen Block bis nach Hause, und keine von Nicoles Freunden – oder auch ihren eigenen – hatte sie entdeckt. Dann noch drei Minuten, und sie würde in der Garage sein und keiner würde je erfahren, dass sie schon wieder im Jogginganzug aus dem Haus gegangen war. Es war zwar nur ein kleiner Erfolg, doch sie genoss jeden, der sich bot.
Sie setzte den rechten Blinker, bog in die Ahornstraße ein, und dann entschlüpfte ihr ein Ausdruck, der nicht mehr über ihre Lippen gekommen war seit dem Tag, an dem sie zwischen eine ihrer Katzen und einen angriffslustigen Skunk geraten war.
Am Straßenrand vor ihrem Haus waren die Autos ihrer Schwestern geparkt. Claires Saab stand schräg vor dem Hydranten, mit dem rechten Hinterrad auf dem Randstein. Die Vorderräder wirkten etwas platt. Eleanors blitzblanker schwarzer Lexus war gegen die Fahrtrichtung geparkt, seine vordere Stoßstange berührte beinahe den Kotflügel des Saab. Das war an sich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war jedoch, dass sie alle überhaupt hier waren.
Maggys Hände zitterten, als sie in die Einfahrt einbog und die Automatik auf Parken stellte. Irgendetwas war passiert. Warum sonst wären sie um sieben Uhr morgens hier? Um Nicole konnte es sich nicht handeln, aber vielleicht um Charlie? Sie hatte ihn vor über einer Stunde in den Schulbus gesetzt und dabei festgestellt, dass wohl ein Ersatzfahrer am Steuer saß. Sie hatte sich vorgenommen die Schule anzurufen und sich nach dem Namen und der Qualifikation des Fahrers zu erkundigen.
Bitte lieber Gott ...
Sie raste den Weg hinauf, ihre Häschenpantoffeln klapperten auf den Pflastersteinen. Die Tür war nur angelehnt, und sie stieß sie weit auf.
»Claire! Eleanor! Was ist passiert? Wo sind ...«
»Happy Birthday, Mags!« Ihre zwei unverschämt eleganten jüngeren Schwestern sprangen Maggy aus dem Gang entgegen und umarmten sie stürmisch. »Überraschung!«
»Überraschung?« In einer Mischung aus Erleichterung und Wut ließ sie sich in ihre Arme sinken. »Ich habe fast einen Herzschlag bekommen!«
»Du wirst eben alt, Mags«, sagte Claire grinsend. »Fünfunddreißig ist wohl schon ein bedenkliches Alter.«
Maggys Herz raste derart, dass ihr das Atmen schwerfiel. »Ich dachte, einem der Kinder wäre etwas passiert. Ich dachte, die Schule hätte euch angerufen und ...« Sie brachte es nicht fertig, den Satz zu vollenden. Keine Mutter hätte das gekonnt.
Ellie, neuerdings blond, stupste Claire mit einem frisch manikürten Finger in den Oberarm. »Ich hab dir doch gesagt, sie wird denken, es sei was mit den Kindern passiert. Wir hätten draußen warten sollen.«
»Keine Angst«, erwiderte Claire und umarmte Maggy wieder. »Sie wird’s überleben. Und übrigens hat es eine Frau, die in Jogginganzug und Häschenpantoffeln aus dem Haus geht, nicht besser verdient.« Sie begutachtete Maggy theatralisch von oben bis unten. »Mein Gott, Mädchen, was in aller Welt hast du dir dabei gedacht?«
»Ich habe gar nichts gedacht«, erklärte Maggy, während sie aus ihrem viel zu großen Regenmantel schlüpfte und ihn links von der Eingangstür an den geschwungenen Eichenhaken hängte. »Ich habe gemuttert.«
»Hat Nicole mal wieder den Bus verpasst?« Ellies normalerweise harte Stimme wurde immer ganz weich, wenn sie von ihrer Nichte sprach.
Maggy unterdrückte mit Mühe einen Seufzer. Sie hatte schon dabei geholfen, ihren beiden hoch aufgeschossenen eleganten Schwestern die Windeln zu wechseln, und man sollte meinen, das würde ihr ein gewisses Gefühl der Überlegenheit vermitteln, tat es aber nicht. Bei deren Anblick an diesem Morgen kam sie sich pummelig, alt und einsam vor. »Nicole hat den Bus verpasst. Charlie hat Orangensaft auf sein Hemd gekleckert, und ich musste ein neues bügeln. Und Tigger hat auf das Sofa gekotzt.« Sucht euch was aus, Mädchen. Willkommen in der aufregenden Welt einer allein erziehenden Mutter.
Sie griff hinter sich und zog ihren Pferdeschwanz zurecht. »Übrigens ist es nicht meine Gewohnheit, so aus dem Haus zu gehen. Es war ein Notfall.«
»Wir wissen es schon«, erklärte Claire mit ihren vor Anteilnahme großen, perfekt geschminkten blaugrauen Augen. »Nic hat es uns erzählt.«
»Erzählt?«, rätselte Maggy. »Was erzählt?« Nein. Bitte lass sie nichts von Charles wissen.
Wieder wurden besorgte Blicke gewechselt.
»Von Charles.« Ellies Zärtlichkeiten fielen meist etwas ungelenk aus. Sie tätschelte Maggys Unterarm, wie sie eine Wildkatze gestreichelt hätte: mit kurzen, schnellen Berührungen ihrer steif ausgestreckten Finger.
»Ihr wisst über Charles Bescheid?«, fragte sie. Es war noch nicht einmal acht Uhr morgens, und schon jetzt stellte sich der Tag als der entsetzlichste Geburtstag ihres Lebens heraus. »Ihr könnt gar nichts über Charles wissen. Ich hab es ja selbst erst vor einer halben Stunde erfahren.«
Claire und Ellie sahen sich an.
»Lasst das! Wenn ihr beiden nicht aufhört, euch Blicke zuzuwerfen, dann werde ich ...«
»Gut so«, erwiderte Claire. »Raus damit. Das ist die beste Methode, mit dem Schmerz fertig zu werden.«
»Schmerz?« Maggy musste lachen. »Welchem Schmerz? Charles heiratet wieder. Ich wünsche ihm viel Glück.«
»Du brauchst uns keine Märchen zu erzählen«, erklärte Ellie. »Wir sind deine Schwestern. Wir verstehen dich.«
»Genau«, pflichtete Claire bei. »Jeder weiß, dass man nicht die Übergangsgeliebte heiratet. Er wird’s noch merken.«
»Du wirst noch daran denken«, steuerte Ellie bei. »Einsamkeit wird so leicht mit Liebe verwechselt.«
Sie meinten es ja nur gut. Maggy wusste das. All dieses kluge Gerede über Liebe und Einsamkeit sollte ihr angeschlagenes geschiedenes Ego wieder aufrichten und ihr zeigen, dass es auch für sie noch Hoffnung gab, auch wenn ihr Ex-Mann eine neue Liebe gefunden hatte und Maggy mit den Katzen und Hunden zu Hause blieb und den heimischen Herd hütete. Diese beiden unverheirateten Erfolgsvorbilder bildeten sich doch wahrhaftig ein, verstehen zu können, wie sich eine zweifache Mutter, Halbtagsstudentin und Halbtagssekretärin fühlte, die sich ganztags darum sorgte, dass ausgerechnet die Richtung, die sie nicht eingeschlagen hatte, die goldrichtige sein könnte. Sie liebten sie. Es war nicht ihre Schuld, dass sie es nicht kapierten. Wie sollten sie auch? Manchmal gab es eben keinen Ersatz für eigene Erfahrungen.
»Wie habt ihr das von Charles erfahren?«, fragte sie.
»Nic rief mich an«, antwortete Claire. Sie wirkte etwas betreten, obwohl man das nur merkte, wenn man sie von Kind auf kannte. Claire war es immer schon gut gelungen, ihre Gefühle zu verbergen, bis es zu spät war.
Tief in Maggys Kehle bildete sich ein Kloß. »Wann?«
»Gleich nachdem sie mit ihrem Vater gesprochen hatte.«
»Oh.« Maggy wusste, dass ihre Tochter und ihre Schwester sich sehr nahe standen, und sie war niemals auch nur im Geringsten eifersüchtig gewesen. Dieses hässliche Gefühl mitten in ihrer Brust war für sie völlig neu, und es gefiel ihr gar nicht. Sie wünschte sich zurück in die Zeit, als Nicole noch ein süßes Baby war und die Liebe ihrer Mutter das Einzige war, was sie zum Glücklichsein brauchte.
»Sie hatte gar nicht vor, es mir zu erzählen«, fügte Claire schnell hinzu. »Du warst nur gerade weg, in der Schule und ...«
Maggy hob abwehrend die rechte Hand. »Du machst es nur noch schlimmer, Claire. Lass es.«
»Du hast mich nicht richtig verstanden«, fuhr ihre schöne, etwas unbedarfte kleine Schwester fort. »Es war dein Kursabend in der Schule, und Nic war ganz durcheinander, und sie musste einfach ...«
»Ich weiß«, unterbrach Maggy sie, »ist schon gut. Du und Nicole, ihr seid gute Freunde. Ich finde das prima. Und, wie wär’s jetzt mit einem Kaffee? Ich weiß ja nicht, wie es mit euch ist, aber mir täte ein wenig Koffein im Moment ganz gut.«
»Etwas plump«, bemerkte Ellie. »Wenn du das Thema wechseln willst, dann sag es einfach.«
»Ich möchte das Thema wechseln.«
»In Ordnung«, erwiderte Claire, »denn für das Koffein hast du sowieso nicht genug Zeit.« Sie warf einen Blick auf die Herrenarmbanduhr an ihrem linken Handgelenk. »Wann haben wir den Termin?«, fragte sie Ellie.
»Halb neun«, erwiderte Ellie, »und falls Maggy nicht wieder das Haus in diesem Aufzug verlassen will, sollte sie sich etwas beeilen.«
Sie hatten irgendetwas ausgeheckt. Ganz bestimmt. »Hätte einer von euch eventuell die Güte, mir zu erklären, wovon zum Teufel die Rede ist?«
»Ich brauch keine Schönheitskur«, protestierte Maggy, als die beiden sie eine Stunde später, im Royal House of Beauty, nahezu mit Gewalt auf einen der Behandlungsstühle bugsierten. »Alles, was ich brauche, ist einmal richtig auszuschlafen.«
Der Coiffeur, ein großer dunkelhäutiger Mann namens André, verdrehte die Augen. »Rapunzel, Sie sind keinen Tag zu früh gekommen.« Er hielt ihren Pferdeschwanz in der Hand und machte tz-tz. »Wir können doch nicht so tun, als wären wir noch in der Highschool, oder ... und schon gar nicht, nachdem hier all diese kleinen grauen Härchen hervorspitzen.«
»Ich hab noch keine grauen Haare.« Es war nicht einfach, grimmig zu wirken, wenn man in einem babyrosa Umhang steckte. »Ich bin noch zu jung für graue Haare.«
André deutete mit dem Kamm in Richtung ihrer Schwestern.
»Die sind nicht zu jung für graue Haare, Mädchen, und Sie sind es auch nicht. Also, was machen wir jetzt damit ...«
»Färben Sie sie, wie Sie wollen«, sagte Maggy, »aber schneiden Sie ja keinen Millimeter ab.«
André verdrehte die Augen und wandte sich zu Claire und Ellie um, die es sich auf zwei Sofas am Fenster bequem gemacht hatten. »Das Mädel lässt mich nicht ihre Haare schneiden, und ihr habt gesagt, ich kann ihr die Haare schneiden.«
Claire stand mit einem Satz auf ihren teuer beschuhten Füßen. Auf Manolo Blahniks. Was sonst? Maggy konnte Manolo Blahnik nicht einmal aussprechen, geschweige denn darin laufen. »Natürlich kannst du ihr die Haare schneiden. Das gehört doch zum Beautypaket, oder?«
»Nein, er kann meine Haare nicht schneiden«, wehrte sich Maggy aufgebracht. »Soll das eine Schönheitskur werden oder eine Hinrichtung? Hab ich dabei denn gar nichts mitzureden?«
»Nein!«, erwiderten die drei wie aus einem Munde.
»Du bist eingerostet«, erklärte Ellie. »Wir haben nicht mehr 1982, Mags, und du bist keine achtzehn mehr.«
»Danke für den Hinweis.« Maggy sah André im Spiegel zu, wie er den Haargummi löste und ihr Haar ausbürstete. Es fiel weich über ihre Schultern wie eine vertraute dunkle Decke. Charles hatte ihr Haar geliebt.
Damals, mit dieser glücklichen »Bis-dass-der-Tod-euch-scheidet«-Vorstellung, bevor eine zukünftige zweite Mrs Charles O’Brien am Horizont aufgetaucht war, hatte er sein Gesicht in ihrem Haar vergraben, mit seinen Fingern darin gespielt und ihr gesagt, wie sehr er sie liebte. Und sie hatte geflüstert, dass sie immer zusammen sein würden, dass es nur sie beide füreinander gebe, während er ihre Haare streichelte und ...
»Schneiden Sie es ab«, sagte sie zu ihren Schwestern und André, die sie im Spiegel anstarrten. »Ich will, dass Sie es sofort abschneiden.«
Andrés silbrige Schere glitzerte im morgendlichen Licht. »Mädel, wenn ich einmal zu schneiden anfange, dann gibt es kein Zurück mehr.«
»In Ordnung«, erwiderte Maggy, als sie seinem Blick im Spiegel begegnete. »Schneiden Sie alles ab.« Nun konnte sie nicht mehr zurück, auch wenn sie gewollt hätte.
Am Straßenrand wartete eine Stretchlimousine auf sie, als Maggy mit ihren Schwestern den Friseursalon verließ.
»Das wart doch nicht ihr«, sagte sie und blieb wie angewurzelt stehen. »Das würdet ihr nicht tun.«
»Und ob wir das tun würden«, erwiderte Claire und legte den Arm um Maggys Schultern. »Du hast doch wohl nicht gedacht, wir würden dir nur einen Haarschnitt zum Geburtstag schenken, oder?«
»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll«, sagte Maggy und fuhr sich mit den Fingern durch ihr frisch geschnittenes, getöntes Haar. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich noch denken kann.« Vielleicht hatte André zusammen mit den sechzig Zentimetern Haar auch ihre grauen Zellen abgeschnitten. Sie fühlte sich wie ein völlig anderer Mensch, als seien mit ihrem Pferdeschwanz auch fünfunddreißig Jahre ihrer Vorstellung vom Leben verschwunden. Sie fühlte sich unbeschwerter, frischer, fitter, obwohl ihr klar war, dass man einem Haarschnitt damit zu viel der Ehre erwies.
»Du brauchst gar nicht zu denken«, erklärte Ellie, als der Chauffeur um das Heck des Wagens kam. »Wir haben das Denken schon für dich erledigt. Deine Koffer sind gepackt. Wir haben etwas dabei, das du auf der Reise anziehen kannst. Nicole bleibt bei Claire. Die Giordanos nehmen Charlie. Meine Wenigkeit kümmert sich um die Menagerie. Alles, was du zu tun hast, ist Spaß haben.«
Ihre kleinen Schwestern hatten für sie ein Wochenende in Atlantic City gebucht. Sie würde in einer bequemen Stretchlimousine die Küste hinunter entführt werden, in einer Suite in einem der todschicken Casinohotels absteigen und sich mit Essen und Trinken und sogar Spielen Entspannung pur angedeihen lassen müssen.
»Du hast das verdient und sogar noch mehr«, sagte Claire und bekam, was völlig untypisch für sie war, vor Rührung tränenfeuchte Augen. »Nach alledem, was du letztes Jahr für Mom getan hast ...« Sie hielt eine Sekunde inne. »Ich meine, sie wäre nicht mehr bei uns, wenn du nicht ...«
»Du warst immer für uns alle da, wenn wir dich brauchten«, fiel Ellie ein, »und es ist Zeit, dass wir dir zeigen, wie sehr wir dir dies danken.«
Maggy reagierte entsprechend. Sie bedankte sich bei beiden, bedachte die Limousine und den kleinen Fernseher und die gut bestückte Bar und den hübschen Fahrer mit Ohs und Ahs und wäre in Wirklichkeit doch lieber zu Hause geblieben. Sie hatte vorgehabt, ihren freien Tag im Pyjama auf der Couch im Wohnzimmer zu verbringen, schnulzige Videos anzuschauen und sich Essen vom Chinesen kommen zu lassen.
Der Fahrer erklärte ihr die Bedienung des Fernsehers, des Radios, der Heizung und des Leselichts. Er zeigte ihr die Bar, den Eiskübel und die hübschen kleinen Gläser auf dem Wurzelholzbord. Auf den Gläsern war das Logo des Hotels eingraviert. Sie standen auf frischen weißen Deckchen, die ebenfalls das Logo des Hotels trugen. »Falls Sie sonst noch irgendetwas benötigen«, sagte der Fahrer, »drücken Sie einfach auf den Knopf neben dem Lichtschalter, und ich stehe Ihnen zur Verfügung.« Die Plexiglastrennscheibe schnurrte zwischen ihnen nach oben, und sie machten sich auf den Weg zu den glitzernden Lichtern und rotierenden Spielautomaten von Atlantic City.
Der Stadt, die ihr im ganzen Universum am unsympathischsten war. Man hätte meinen sollen, ihre Schwestern würden sie wenigstens ein bisschen kennen. Sie war nicht der Typ für glitzernde Lichter. Sie fühlte sich nicht wohl in Pailletten und Stiftperlen. Sie hasste Menschenansammlungen. Sie fand, das Leben stelle ein genügend großes Risiko dar, und war nicht gewillt, auch noch ihr sauer verdientes Geld aufs Spiel zu setzen.
Sie war nicht eine dieser geheimnisvollen schwarz gekleideten Frauen, wie man sie in Filmen sah, die exotische Zigaretten rauchten und mit gedämpfter Stimme sprachen. Man brauchte sie nur anzusehen, um zu wissen, dass sie sich hinter dem Lenkrad eines Minivan mehr zu Hause fühlte als auf dem Rücksitz einer Stretchlimousine, die den Garden State Parkway entlangbrauste.
Sie warf einen Blick in den Schminkspiegel, den man aus der Verkleidung der rückwärtigen Tür herausklappen konnte.
Das Einzige, was von ihrem alten Selbst übrig geblieben war, war der Blick ihrer Augen. Alles andere war vermittels Schneidens, Färbens, Schattierens, Tönens, Lippenstift-und-Rouge-Auflegens in etwas verwandelt worden, das einer perfekten Maggy näher kam denn je. So gut hatte sie nicht einmal an ihrem Hochzeitstag ausgesehen. Es wäre bestimmt lustig gewesen, mit einem Einkaufswagen durch den Supermarkt zu wandern und ihre Nachbarn im Tiefkühlgang an ihr vorbeigehen zu sehen. »Hallo, Marie«, hätte sie dann gerufen. »Sprichst du jetzt nicht mehr mit mir?« Marie wäre der Mund offen stehen geblieben, sobald ihr klar geworden wäre, wer sie da ansprach, und Maggy würde von diesem verdutzten Blick noch zehren, bis man nächstes Jahr die Weihnachtsdekoration abnahm. Was hatte eine Schönheitskur denn für einen Sinn, wenn man seine Freunde nicht vor Neid erblassen sehen konnte?
Was würde Charles wohl denken, wenn er sie jetzt sehen könnte? Das war gefährliches Terrain. Nicht, dass es noch irgendeine Rolle spielte, was er dachte, aber sie kam doch ins Grübeln, ob er nicht einen kurzen Moment der Wehmut empfand wegen alledem, was sie einmal verbunden hatte. Eine ähnliche Empfindung, vielleicht wie die, die sie hatte, als Nicole ihr eröffnete, dass er wieder heiraten würde. Sie wollte zwar nicht mehr mit ihm verheiratet sein, doch der Gedanke, dass er jemand anderen heiraten würde, brachte sie den Tränen nahe.
So viele Hoffnungen und Träume waren mit ihrer Ehe zu Ende gegangen. Die kleinen Scherze am Ende eines Tages. Die geteilten Sorgen. Ihre gemeinsame Vorstellung, in vielen, vielen Jahren von ihren Kindern und Enkelkindern umgeben zu sein. Sie wusste, dass Charles sein Leben für die Kinder geben würde, so wie auch sie, und es gab niemanden auf der Welt, von dem sie das sonst sagen konnte.
Plötzlich wünschte sie sich nichts mehr, als zu Hause zu sein. Sicher konnte sie den Fahrer bitten, umzukehren. Es war ja schließlich ihr Geburtstag. Hatte Claire nicht gesagt, sie könne tun, was sie wollte? Sie würde sich nach Hause fahren lassen und es ihren Schwestern nicht erzählen. Charlie blieb über Nacht bei seinen Freunden Kyle und Jeremy Giordano, und Nicole würde die Nacht bei Claire in deren schicker Wohnung an der Küste verbringen. Keiner müsste erfahren, dass sie zu Hause vor dem Fernseher saß und sich das bestellte Essen schmecken ließ. Sie nahm sich vor, bei der nächsten Ausfahrt etwas zu sagen, als sie auf dem Weg nach Süden an Holmdel vorbeibrausten. Der große Wagen war so gemütlich wie ihr Wohnzimmer, und die strahlenden Herbstfarben, die an ihrem Fenster vorüberzogen, während sie durch die Überreste ehemaliger Wälder und mit Fichten bewachsenen Ödlands fuhren, hatten etwas Hypnotisches an sich. Die nächste Ausfahrt kam und ging und die übernächste auch. Es war so angenehm, nichts zu tun, sich in den luxuriösen Ledersitz zurückzulehnen und das Leben einfach seinen Lauf nehmen zu lassen.
So ganz sicher, wie man das machte, war sie sich nicht. Sie war immer diejenige gewesen mit den Einkaufslisten und dem Stundenplan und der Verantwortung, seitdem sie zehn war. Diese Angewohnheit war schwer abzulegen. Als die Götter und Göttinnen aller Neugeborenen ihre Gaben verteilten, hatten sie Claire mit Schönheit bedacht, Eleanor mit Verstand und Maggy mit Verantwortungsbewusstsein. Nun gut, manchmal schien es eher das chronisch schlechte Gewissen einer Katholikin zu sein, doch egal, wie man es nannte, es funktionierte. Wenn man jemand brauchte, der die Kinder hütete, der den Fahrdienst am Dienstag übernahm oder die Sachen aus der Reinigung abholte, musste man nur Maggy anrufen. Sie würde einen nie im Stich lassen. »Maggy ist wie Old Faithful«, hatte ihr Ex einmal auf einer langweiligen Cocktailparty im Offiziersklub vor einer Gruppe von Kollegen gesagt. »Auf sie ist immer Verlass.«
Ihre Schwestern behaupteten, sie wollten sich bei ihr bedanken für all das, was sie für die Familie tat, doch Maggy wusste, dass mehr dahintersteckte. Sie tat ihnen leid. Sie sahen in ihr nichts als eine fünfunddreißigjährige Geschiedene mit zwei Kindern, die in einem Siedlungshaus in New Jersey wohnte. Eine Football-Mom, die zweimal in der Woche Abendkurse am örtlichen College nahm, halbtags ausgerechnet auch noch für einen Pfarrer arbeitete und eine Fahrt zum Pizza Hut für einen großartigen Ausgehabend hielt. Das war keine Einbildung. Sie wusste, dass sie so dachten, denn sie hatte gehört, wie sie über sie sprachen. Ihre Mutter hatte sich bei Maggy zu Hause von einem Schlaganfall erholt. Maggy war gerade frisch geschieden und versuchte mit ihren Kindern, in der Stadt, in der sie aufgewachsen war, wieder heimisch zu werden. Sie war einerseits voller Unsicherheit und Sorgen und andererseits von einem geradezu unvorstellbar lächerlichen, unangebrachten Optimismus erfüllt. Ellie und Claire waren zum Essen herübergekommen, und Maggy hatte sie in der Küche reden gehört. »Die arme Mags«, sagte die eine. »Sie tut mir so leid. Was ist das für ein Leben für sie. Ich wette, sie wünschte, sie wäre bei Charles geblieben.«
Damals war sie lachend darüber hinweggegangen, hatte die Bemerkung der Jugend und der mangelnden Erfahrung zugeschrieben. Doch im Laufe der Monate hatte sie immer wieder daran denken müssen. Manchmal, wenn sie überarbeitet und übermüdet war, fragte sie sich, ob es nicht falsch gewesen war, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Er war ein guter Mann. Sie hatten ein gutes Leben gehabt. Es hörte nur eines Tages auf, das Leben zu sein, das sie beide wollten. Als die Scheidung rechtskräftig wurde, spürte sie große Erleichterung und nahm an, Charles erginge es ebenso. Sie hatten ihre gemeinsame Zeit gelebt, und nun war sie vorbei, und sie war sich dessen bewusst. Doch seitdem sie von der bevorstehenden Heirat ihres Ex-Ehemannes erfahren hatte, hatte sie das Gefühl, zwischen ihnen sei eine Tür geschlossen und verriegelt worden, eine Tür, die nicht einmal die Scheidung so endgültig hatte schließen können.
Conor Riley erblickte sie, als sie aus der Limousine stieg.
Er hatte gerade die Autoschlüssel dem Pagen übergeben und war im Begriff, mit seinem Matchsack zur Lobby zu gehen, wo sein Bruder ihn erwartete, als er eine gedämpfte Frauenstimme und ein leises Lachen hörte; er drehte sich nach links um und sah sie. Sie hatte kurze dunkle Haare mit feinen roten Strähnen und die Art von Lächeln, von dem er geträumt hatte, als er an so etwas noch glaubte. Ihr Lächeln war offen und echt und erstrahlte über das ganze Gesicht. Er beobachtete sie, während sie mit dem Fahrer sprach und ihm dann die Hand schüttelte. Vielleicht eine Idee größer als 1,65 und etwas schwerer als 50 Kilo. Ihre Augen waren von einem klaren Hellblau, wie der Morgenhimmel.
Er ertappte sich bei diesem Gedanken und schüttelte den Kopf.
Wo zu Teufel kam dieser Morgenhimmel-Unsinn her? Weiblich, weiß, Mitte dreißig, brünett, blaue Augen. Klare, harte Tatsachen. Alles andere war Zeitverschwendung. Wenn er das nicht wusste, dann hatte er den falschen Job. Sechzehn Jahre Polizeidienst hatten ihn gelehrt, wie man eine Person in zwanzig Sekunden auf das Wesentliche reduziert, wie man ein Gesicht mit der Geschwindigkeit eines Lidschlags seinem Gedächtnis einprägt. Wie man seine Gefühle in den Griff bekommt und sie in der rückwärtigen Hosentasche verstaut, wo sie niemandem schaden können. Gefühle störten. Sie trübten das Urteilsvermögen. Sie ließen einen Dinge sehen, die gar nicht da waren, und Dinge nicht erkennen, die existierten.
Verdammt. Nicht schon wieder. Nicht dieses Wochenende. Er würde etwas würfeln, ein bisschen Blackjack spielen, vielleicht mehr trinken, als er sollte, und seine Erinnerungen so gut wie möglich in Schach halten. Wenn es ihm gelang, dieses Wochenende durchzustehen, dann gab es vielleicht doch noch Hoffnung für ihn.
Ein Portier ging auf die Frau mit den blauen Augen zu und sagte etwas zu ihr. Sie nickte, worauf er vom Fahrer der Limousine einen Kleidersack in Empfang nahm und über einen der fahrbaren Gepäckständer hängte. Der Fahrer überreichte ihm auch noch zwei kleine Reisetaschen, die der Portier auf die Ablage darunter stellte.
Diese Gepäckstücke erweckten Conors Aufmerksamkeit. Sie passten nicht zusammen. Eine der Taschen war marineblau, die andere hellbraun mit Gebrauchsspuren, was er sogar aus dreißig Metern Entfernung erkennen konnte. Sie passten nicht zu der Frau. Und auch nicht zu der Stretchlimousine. Die Frau wirkte elegant, gepflegt und teuer. Die Taschen nicht.
»Zu reich für jemand wie dich«, sagte eine vertraute Stimme. »Sie hat entweder einen Ehemann oder sie ist eine von den Spielerinnen, die um Höchsteinsätze spielen. In jedem Fall ist sie nichts für dich.«
Conor hängte sich die Tasche über die Schulter und drehte sich zu seinem jüngeren Bruder Matt um, der zu ihm heraus auf die Straße gekommen war. »Ich dachte, wir waren in der Lobby verabredet.«
»Waren wir auch«, erwiderte Matt, »aber mir kam langsam der Verdacht, du hättest mich versetzt. Wie lange braucht man eigentlich, um dem Pagen die Schlüssel auszuhändigen?«
»Ist doch dein Hotel«, konterte er. »Vielleicht braucht ihr einen neuen Effizienzexperten.«
Matt war der Senkrechtstarter in der Familie Riley. Er hatte mit der Tradition von Polizei und Feuerwehr gebrochen und einen Beruf gewählt, der ohne Uniform oder Waffe auskam. Die Verteidigungsrede, die der Junge für seinen Arbeitgeber vom Stapel ließ, dauerte, bis Conor am Empfang eincheckte.
»Abendessen um acht«, erinnerte Matt ihn. »Dritter Stock, im Nero.«
Conor war zwar mehr der Hamburger- und-Pommes-Typ, aber der Junge wollte ihn mit der Einladung zum Abendessen beeindrucken, und das wollte er ihm nicht vermiesen. »Acht Uhr, dritter Stock«, bestätigte er. »Ich werde da sein.« Sie gingen zusammen zu der Reihe von Aufzügen am anderen Ende der Lobby, vorbei an einem kleinen Raum in einer ruhigen Ecke der Halle. Im Vorübergehen sah er dunkles Holz an den Wänden, viel Leder, Ölgemälde und die dunkelhaarige Frau mit dem zusammengewürfelten Gepäck, die auf der Kante eines mit Brokat bezogenen Stuhles saß, während einer der Hotelangestellten telefonierte.
»Hab ich dir nicht gesagt, dass sie eine Nummer zu groß ist für dich«, sagte Matt. »Das ist der VIP-Empfang, da checken die wirklichen Spieler ein.« Er sah nochmal hin. »Seit wann stehst du denn auf Dürre? Ich dachte du magst viel Busen und lange Beine und ...«
»Halt den Mund«, raunzte ihn Conor spaßend an. »Du bist mir noch nicht zu alt, um dir eine zu verpassen. Pass bloß auf!«
Matt war sechsundzwanzig Jahre alt, doch sein Grinsen war erst acht. »Ich hab einem der Mädchen an der Cocktailbar von meinem großen Bruder erzählt. Sie heißt Lisa. Sie hat heute Abend Dienst, von vier bis Mitternacht, und sie ist verdammt viel eher dein Typ als die kleine Brünette da hinten. Vielleicht ...«
»Tja«, erwiderte Conor. »Vielleicht.«
Maggy war der Mann das erste Mal vor dem Hotel aufgefallen, als sie mit dem Portier sprach, der ihr das Gepäck abnahm. Der Mann war groß, hatte breite Schultern, und sein dichtes kastanienbraunes Haar war von ein paar Silberfäden durchzogen. Sie hatte ihm eigentlich kaum Beachtung geschenkt. Es war nur gerade ein Sonnenstrahl auf ihn gefallen und hatte ihre Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt. Hat eine Frau ein paar graue Strähnen im Haar, verbünden sich ihre Schwestern und verordnen ihr eine Schönheitskur. Hat ein Mann ein paar graue Strähnen im Haar, landet er auf der Titelseite von People.
Sein Blick war aufrichtig, ernsthaft, und ihm schien nicht viel zu entgehen. Sie sah ihn an, beinahe als wollte sie ihn herausfordern, ihren Blick zu erwidern, doch ein junger Mann trat zu ihm, und der Mann wandte sich ab. Das war auch sicher am besten so, denn sie war garantiert die ungeschickteste Flirterin weit und breit. Sie hätte sich nur lächerlich gemacht, und das Wochenende wäre ruiniert gewesen, noch ehe es richtig begonnen hatte.
Sie hatte nicht mehr an den Mann gedacht, bis er am VIP Empfang vorbeischlenderte und sie anlächelte. Zumindest hatte sie den Eindruck, er lächelte sie an. Sie war sich ziemlich sicher, gesehen zu haben, dass sich an seinen Augen kleine Fältchen kräuselten und dass sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln verzogen, das allerdings wenig dazu beitrug, seine irgendwie bedrohlichen Züge zu mildern. Dann entdeckte sie neben ihm den gleichen jungen Mann, den sie schon am Parkplatz mit ihm zusammen gesehen hatte, und das Gefühl von Enttäuschung, das sie plötzlich empfand, überraschte sie sehr. Das Lächeln war gar nicht für sie gewesen. Es hatte überhaupt nichts mit ihr zu tun, und wenn sie nicht so völlig unerfahren gewesen wäre, hätte sie das auch prompt erkannt.
Zu dumm, dass Claire und Ellie nicht hier bei ihr waren und ihr auf die Sprünge helfen konnten. Was die Geheimnisse der Mann-Frau-Beziehung betraf, fühlte sich Maggy wie ein Neugeborenes. Nicole verstand davon mehr als sie, und Nicole war gerade mal fünfzehn. Maggy war zu nüchtern, stand mit beiden Füßen zu sehr auf dem Boden und war viel zu beschäftigt, um sich um so einen Unsinn zu kümmern. Ihre letzte Verabredung hatte ein ziemlich trauriges Ende gefunden, als Maggy dem armen Mann eröffnete, es sei vielleicht besser, sie nicht wieder anzurufen, da die Chancen für ein zweites Treffen höchstens fünf Millionen zu einer waren.
»Konntest du ihm das nicht etwas sanfter beibringen?«, hatte Claire sie am nächsten Tag gefragt, als sie sich bei Maggy nach den Einzelheiten erkundigte.
»Ich habe es ihm sanft beigebracht«, entgegnete Maggy. Warum sollte sie ihn hinhalten, wenn sie nicht die Absicht hatte, ihn wiederzusehen?
Claire hatte es Ellie erzählt, und Ellie erzählte es ihrer Mutter und ihre Mutter den Tanten und Cousinen, und nach kürzester Zeit nannte die ganze Familie Maggy den Terminator. Sie lachte, wenn sie sie so nannten, doch sie konnte dennoch nicht begreifen, was so schlecht daran war, die Wahrheit zu sagen.
Wenn sie mit der Schule, der Arbeit und den Kindern schon keine Zeit hatte für den Richtigen, so hatte sie bestimmt keine Zeit für den absolut nicht Richtigen.
»Hier bitte, Ms O’Brien.« Die stattliche blonde Empfangsdame händigte Maggy ein Päckchen mit ihrem Schlüssel aus. Es war aus dickem cremefarbenem Wildleder und fühlte sich weich an. »Ihre Suite befindet sich im zweiunddreißigsten Stock. Die Aussicht wird Ihnen bestimmt zusagen. Sie haben auch Zugang zum Augustus-Club, in dem Mitglieder vierundzwanzig Stunden am Tag auf Kosten des Hauses einen Drink oder einen kleinen Imbiss zu sich nehmen können.«
Sie begleitete Maggy zu den Aufzügen, vorbei an einem unverschämt teuren Juweliergeschäft, dessen einziger Zweck es war, glückliche Gewinner um einen Teil ihres lästigen Geldes zu erleichtern. Maggy bemühte sich, nonchalant zu wirken, bis die Empfangsdame außer Sichtweite war, doch dann hätte nicht viel gefehlt und sie hätte sich die Nase am Schaufenster platt gedrückt, während sie über die ausgestellten hühnereigroßen Diamanten und Rubine staunte. Geschmacklos, dachte sie. Die Edelsteine waren protzig und vulgär und absolut atemberaubend, und sie konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, hineinzugehen und alles, was sie hatten, anzuprobieren.
Es stellte sich heraus, dass sich mit den gleichen Adjektiven auch ihre Suite beschreiben ließ. Auf dem Gang wartete bereits der Portier auf sie. Während er die Tür aufsperrte und sie einließ, lächelte er sie an, als seien sie alte Freunde. Er knipste die Lampen an, und sie wünschte, sie hätte ihre Sonnenbrille nicht in die Handtasche gepackt. Die Fenster gingen auf den Ozean hinaus, und das einfallende Sonnenlicht spiegelte sich in den vom Boden bis zur Decke verspiegelten Wänden und ließ sie fast erblinden. Die Mischung aus Louis Quatorze und Early Bordello, gewürzt mit etwas Las Vegas, wurde mit einem Hauch antikem Rom kredenzt.
»Das hier ist die Bar«, erklärte der Portier und zeigte auf ein elegant geschwungenes Möbelstück aus Mahagoni. Sie registrierte funkelnde goldene Hähne und eine Reihe glitzernder Kristallgläser. »Alles da. Sollte es dennoch nicht Ihren Wünschen entsprechen, drücken Sie einfach die Fünf, und Stefan wird Ihnen gerne zu Diensten sein.« Er zeigte ihr auch noch die beiden Kühlschränke – den im Wohnzimmer und den im Schlafzimmer – und die drei Schränke, den riesigen Jacuzzi, das Dampfbad, das Doppelbett mit der Überdecke aus Fell und einer grandiosen Kissenparade und die mit rotem Samt bezogene Couch mit Blickrichtung zum Meer.
Er führte ihr die Armaturen im Bad vor und zeigte ihr den hinter einer Plastik von Cäsar und Kleopatra versteckten Knopf für die Vorhänge im Wohnzimmer, die vier Telefone und den Safe – und erst, als er von neuem anfing, ihr alles zu erklären, begriff sie, was er tat und warum er es tat. Ein Trinkgeld. Natürlich erwartete er ein Trinkgeld. Er hatte ihre Koffer getragen; er verdiente ein Trinkgeld. Sie kramte in ihrem Geldbeutel in der Hoffnung, den richtigen Betrag zu finden. Einen Dollar pro Tasche? Fünf Dollar für alle zusammen? Würde er ihr ins Gesicht lachen und dann am Empfang anrufen, damit man sie in hohem Bogen hinauswarf? Sie entschied sich für einen Zehndollarschein. Er bedankte sich und knallte nicht die Tür zu, als er ging, was sie als gutes Zeichen dafür nahm, dass sie keinen von ihnen beiden blamiert hatte.
»Und nun?«, fragte sie die Statuen von Cäsar und Kleopatra am Fenster, doch die konnten ihr die Frage auch nicht beantworten. Es war Freitag und ein Uhr mittags, und sie hatte keinen Schimmer, was sie mit sich anfangen sollte. Ihr Tisch fürs Abendessen, dank Claire und Ellie, war für acht Uhr in einem Lokal namens Nero reserviert. Schon beim Gedanken daran wurde ihr ganz anders. Viele kleine Tische für zwei, mit Pärchen, die bei Kerzenlicht und Champagner eifrig turtelten. Das hieß, sie turtelten, wenn sie nicht zu Musik tanzten, die dazu angetan war, einem auch noch den letzten Rest seines Herzens zu brechen. Was hätte die Stimmung einer Frau an ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag auch besser heben können als ein einsames Abendessen in der Öffentlichkeit? Vor allem, wenn man wusste, dass der Ex-Ehemann nicht alleine essen würde, wenn sein nächster Geburtstag anstand.
»Lisa hat gesagt, du hast nicht angerufen.«
Conor leerte sein Whiskyglas und bedeutete dem Ober, ihm noch einen zu bringen. »Dräng mich nicht, Matt«, erwiderte er so freundlich wie möglich. »Ich hab nie gesagt, dass ich es tun würde.«
»Ich nahm an ...«
»Schon der erste Fehler.« Er brach ein Stück Grissini ab und steckte es in den Mund. »Annahmen bringen dich immer in Schwierigkeiten.«
»Du hast keine Ahnung, was dir entgeht. Sie ist gescheit. Schön. Sehr unterhaltsam.« Er trank seinen Wein aus. »Du machst einen Fehler.«
»Jetzt hör mir mal zu«, sagte Conor, nachdem ihm der Ober den Scotch hingestellt hatte. »Das klingt wirklich nach einem netten Mädchen. Warum triffst du dich nicht mit ihr?«
»Würde ich ja«, entgegnete Matt, »aber ich muss an meine Stellung denken. Ich kann nicht mit einer Angestellten ausgehen.«
Conor war im Begriff, darauf zu antworten, als sie in der Tür erschien. Nicht Lisa. Er kannte den Namen der Frau nicht. Sie trug dunkle Hosen, ein eisblaues Twinset und eine Perlenkette. Sonst keinen Schmuck, außer einer Armbanduhr mit einem dunklen Krokoband. Nichts an den Ohren oder Fingern. Ihre Schuhe hatten flache Absätze, und unter den rechten Arm hatte sie eine kleine, flache Handtasche geklemmt. Sie sah teuer aus, fand er. Wie jemand, der gewohnt war, zu bekommen, was er wollte, egal, was es kostete.
Der Oberkellner führte sie an Conors Tisch vorbei, und ein Hauch von Parfum erreichte seine Nase. Es war schwer, warm und fraulich. Fraulich, das war der Ausdruck, nach dem er gesucht hatte. Sie war zwar zierlich, aber sie hatte nichts Mädchenhaftes an sich. Ihr Auftreten war das einer Frau. Sie wirkte gelassen, kultiviert, perfekt bis auf die Spuren kleiner Fältchen, einem untrüglichen Zeichen für einen im Bett verbrachten Nachmittag.
Der Oberkellner entfernte das zweite Gedeck, womit klar war, dass sie allein speiste. Wo war der Kerl, mit dem sie den Nachmittag verbracht hatte? Sie machte nicht den Eindruck einer Frau, die sich im Casino Typen für ein Quickie auf dem Zimmer suchte. Doch er kannte sich in der menschlichen Natur gut genug aus, um zu wissen, dass zwischen dem, wie die Leute nach außen wirkten, und dem, wie sie tatsächlich tief im Innersten waren, oft ein gewaltiger Unterschied bestand. Wahrscheinlich schlief sie mit einem verheirateten Mann, vielleicht einem aus Philadelphia, der unbedingt inkognito bleiben wollte und mit dem der Sex gut genug war, um dafür in Kauf zu nehmen, alleine essen zu müssen.
»Ich kann herausfinden, wer sie ist.« Matt klang belustigt und etwas angesäuert. Er war das Nesthäkchen der Familie und immer noch der Überzeugung, ihm gebühre ungeteilte Aufmerksamkeit.
Conor warf ihm einen Blick zu und widmete sich dem Salatberg, der vor ihm stand.
»Oder du setzt deinen Hintern in Bewegung und sprichst sie an«, fuhr Matt unbeirrt fort.
»Halt die Klappe«, erwiderte er leichthin.
Matt schüttelte den Kopf. »Ich hoffe nur, ich werde nie zu alt, um einen Versuch zu wagen, wenn ich eine Frau sehe, die mir gefällt.«
»Du interpretierst da viel zu viel hinein.«
»Ich hab doch dein Gesicht gesehen, Brüderchen. Etwas an der Brünetten hat dein Blut in Wallung gebracht.«
Conor führte schweigend eine Gabel mit seltsam aussehenden Salatblättern zum Mund. Manchmal hätte er töten können für einen Teller Eisbergsalat mit Gorgonzola-Dressing. Matt hatte die Angewohnheit, zu sagen, was er dachte, wann immer er es dachte. Doch hin und wieder traf der Junge den Nagel auf den Kopf. Die Brünette hatte es ihm angetan. Er wollte alles über sie wissen: ihren Namen, ihre Telefonnummer, warum sie alleine aß, wieso diese großen blauen Augen aussahen, als stünden Tränen in ihnen, und warum ihn das, zum Teufel, überhaupt interessierte.
Warum hängten sie nicht über ihr einen Scheinwerfer und ein Schild auf mit dem Hinweis Single-Tisch? Maggy kam es so vor, als drehe sich jeder im Lokal nach ihr um, als der Ober das peinlich überflüssige Gedeck mitnahm.
»Darf ich Ihnen die Weinkarte bringen, gnädige Frau?«
Sie schüttelte den Kopf. Allein zu essen war schon schlimm genug. Allein zu trinken war jämmerlich. »Mineralwasser, bitte.«
Er nickte und zog sich zurück, wie ein Höfling der sich aus der Gegenwart seiner Königin entfernt. Sie hätte beinahe gelacht, doch dann fiel ihr ein, dass keiner da war, der mit ihr hätte lachen können, und daher verschanzte sie sich hinter ihrer Speisekarte. Nicht, dass sie nicht schon oft genug alleine gegessen hätte. Jeden Donnerstagabend bestellte sie sich ein Sandwich in dem Diner, der zwischen ihrer Arbeit und der Schule lag, und nie hatte sie sich unbehaglich gefühlt, wenn sie dort mit ihrem Roggen-Thunfisch-Sandwich saß und in ihrem Lehrbuch las. Der Cadillac Diner war natürlich auch nicht so aufgemacht wie ein Hotel für Hochzeitsreisende im alten Rom, mit Tanzfläche, servilen Kellnern und Musik. O Gott, diese Musik. Ihr war, als würde der Klavierspieler alle ihre Geheimnisse kennen. Sie hatte eine Schwäche für diese alten Stücke, schon immer. Sie liebte diese schmalzigen Verse, die von Romantik und Liebe handelten, von Augen, die sich in der Menge fanden und von »wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute«. All die albernen Dinge, von denen man als Heranwachsende geträumt hatte.
»Oh, verflixt«, flüsterte sie und blinzelte die Tränen weg. Wenn sie einen Zwanzigdollarschein in das Glas fürs Trinkgeld stecken würde, würde der Klavierspieler vielleicht aufhören, so auf ihre Tränendrüse drücken. Heute Abend fühlte sie sich viel zu verletzlich, zu ungeschützt hier in der Öffentlichkeit, um einfach so tun zu können, als machte es ihr nichts aus, allein zu sein.
Sie war oben eingenickt, während sie General Hospital ansah, und hätte das Abendessen bestimmt verschlafen, wenn nicht die Hausdame geläutet hätte, um zu fragen, ob sie einen Wunsch habe. Die Versuchung, sich mit einem Abendessen vom Zimmerservice hier oben zu verkriechen, war zwar groß, aber sie hatte schließlich Geburtstag, und ihre Schwestern wären am Boden zerstört gewesen, wenn sie ihr Geschenk nicht angenommen hätte. Sie gehörten zu der Sorte, die später Fragen stellte, und würden es Maggy übel nehmen, wenn sie nicht die passenden Antworten parat hätte.
Da saß sie nun, verloren inmitten verdrießlicher Paare mittleren Alters, einsamer grauhaariger Witwen, die die Lebensversicherung ihres Ehemannes ausgaben, und zwei Männern, die der Ähnlichkeit nach Brüder sein konnten. Der Ältere der beiden war ihr zuvor schon auf dem Parkplatz aufgefallen und dann noch mal, als sie eincheckte. Hübsch war er eigentlich nicht, mit seinem wirren Schopf und den kantigen Zügen, doch er hatte etwas so Verlässliches und Männliches an sich, dass sie ihn durchaus anziehend fand. Der Jüngere war die kleinere und nicht so ramponierte Ausgabe von ihm. Bestimmt waren es Brüder, dachte sie sich, während sie über den Rand ihrer Speisekarte lugte. Beide hatten den gleichen ungeduldigen Gesichtsausdruck, wie sie ihn von Claire und Ellie kannte, wenn sie einen schlechten Tag hatten.
Der Ältere von beiden sah hoch, und ihre Blicke trafen sich. Um seinen breiten Mund spielte das gleiche schiefe Lächeln, das ihr auch aufgefallen war, als er am Nachmittag am VIP-Empfang vorbeiging. Über dem Lächeln lag ein Schatten, der Schatten einer Sorge, die sie bis in die Knochen spüren konnte.
Ganz genau, dachte sie sich und klappte die Speisekarte zu. Das kommt von allzu viel Psychologiekursen. Sie wusste gar nichts von dem Mann, weder seinen Namen, noch seinen Beruf und nichts von seinem Leben, und aller Wahrscheinlichkeit nach würde sich daran auch nichts ändern. Ein Mann schaute sie von Weitem an, und schon interpretierte sie alles Mögliche in sein Lächeln. Vergiss es, O’Brien. Bleib du bei dem, was du kennst: Fahrdienst, Supermarkt und Hypotheken. Überlass den Mann mit den traurigen Augen den Frauen, die darauf spezialisiert sind. Sie hatte doch sowieso schon alle Hände voll zu tun mit ihrem eigenen kleinen Jungen mit traurigen Augen und einem Teenager als Tochter, die wohl vergessen hatte, wie sehr sie früher ihre Mutter geliebt hatte.
Vielleicht würde sie eines Tages in der Lage sein, einem Mann in einem Restaurant zuzulächeln und abzuwarten, was geschehen würde, doch im Augenblick stand Romantik ganz unten auf der Liste ihrer Ziele.
»Sieht aus, als wärst du draußen«, bemerkte Matt, als die Brünette dem Ober die Speisekarte gab. »Hast ihr dein bestes Lächeln geschenkt. Entweder – oder, Bruder. Das sag ich dir schon seit Jahren.«
»Red erst wieder mit mir, wenn du alt genug bist, dich zweimal in der Woche zu rasieren«, erwiderte Conor und schob den Teller mit dem Salat beiseite. Plötzlich hatte er keinen Appetit mehr. »Ich brauche keinen Rat von einem vorlauten Jungen, den ich schon gewickelt habe.«
»Spar dir den Großer-Bruder-Schmus für Eddie oder Vince«, sagte Matt und winkte nach einer neuen Flasche Wein. »Das zieht bei mir nicht.« Er nahm ein Stück von dem flachen, gesalzenen Brot aus dem Korb, der zwischen ihnen stand. »Du hast überhaupt keinen Boden gut gemacht. Sie hat dich einfach auflaufen lassen.«
»Lass die Baseball-Metaphern«, antwortete er, gar nicht brüderlich, »und erzähl mir, wie es Sean ging, als du ihn besucht hast.« Sein Sohn war neunzehn, dank eines Footballstipendiums im ersten Semester auf der UCLA, und der Grund dafür, dass Conor einer geregelten Arbeit nachging. Sean war ein großer, hochgewachsener, kräftiger Junge mit viel Verstand und noch mehr Herz, und jedes Mal, wenn Conor sich fragte, was zum Teufel er auf dieser Welt sollte, fiel ihm der Grund dafür ein: weil es Sean gab.
»Er hat Schwierigkeiten mit den Geisteswissenschaften, ist aber hervorragend in Naturwissenschaft, wie immer. Einer seiner Lehrer denkt, er verschwendet mit dem Football nur seine Zeit.«
Das ließ ihn aufhorchen. »Ohne den Football wäre Sean gar nicht dort«, erklärte er. Völlig ausgeschlossen, dass ein Polizist aus New Jersey sich eine Eliteschule hätte leisten können. Nicht einmal mit der Hilfe seiner Ex-Frau und deren Ehemann.
»Sie glauben, er sei geeignet für den Einführungskurs in Medizin«, sagte Matt, während er Butter auf ein Zwiebelbrötchen strich.
»Wieso hat er mir das nicht erzählt?«
Matt biss ein Stück Brötchen ab und zuckte mit den Schultern. In seinem teuren Anzug bemerkte man die Bewegung kaum. »Du bist sein Vater. So ist das eben.«
»Die medizinische Fakultät.« Er hätte nicht geglaubt, dass einem vor Stolz die Brust schmerzen konnte, aber sie tat es. Genau da, wo sein Herz war. »Ist er daran interessiert?«
»Wir haben uns bei ein paar Bieren in einem mexikanischen Lokal nahe dem Campus darüber unterhalten, da wo auch die Spieler hingehen. Du müsstest sehen, wie gut er da hineinpasst. Er spricht ihre Sprache. Er ist einer von ihnen. Wie dem auch sei, ich glaube, er fühlt sich mächtig geschmeichelt durch die Vorstellung, er könne das Zeug zum Mediziner haben.«
»Ist er nur geschmeichelt oder auch interessiert genug, es zu versuchen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Matt. »Frag ihn doch selbst, wenn er zu Thanksgiving heimkommt.«
Beide wussten, dass er Sean schon viel eher fragen würde. Es geschah nicht alle Tage, dass ein Mann hörte, sein Football spielender Sohn habe das Zeug dazu, Arzt zu werden. Sean ging mit Riesenschritten auf eine Karriere bei der National Football League zu, doch Träume wie diese zerplatzten oft schnell. Ein gebrochenes Bein. Eine ausgerenkte Schulter. Eine dieser fürchterlichen Rückenverletzungen, die einen daran erinnern, dass man nie zu alt dafür wird, Gottes Hilfe zu erbitten.
Ein Arzt. Das war doch was. Da läutete nicht um drei Uhr morgens das Telefon mit einer Hiobsbotschaft. Ärzte hinterließen keine siebenunddreißigjährigen Witwen mit zwei kleinen Kindern. Ärzte töteten nicht.
Die Brünette mit den großen blauen Augen auf der anderen Seite des Restaurants blätterte lustlos in der Speisekarte. Er fragte sich, ob sie wohl auch Kinder hatte. Wenn er ihr von Sean erzählen würde, könnte sie den brennenden Stolz in seiner Brust so ohne weiteres verstehen oder würde sie ihn verständnislos ansehen, während er zu erklären versuchte, wieso die Zukunft von Sean ihm manchmal wichtiger war, als es seine eigene je gewesen war? Er wollte so viel für seinen Jungen, wollte so vieles, was er im Lauf der Zeit falsch gemacht hatte, wieder zurechtbiegen. Das Ende seiner Ehe mit Linda, Seans Mutter, war der größte Fehlschlag seines Lebens. Sie hasste es, Frau eines Polizisten zu sein. Sie kam selbst aus einer Polizistenfamilie und hatte sich geschworen, niemals einen zu heiraten. Als er sich nach seinem Studienabschluss entschied, in den Polizeidienst einzutreten, stellte sie ihm ein Ultimatum: »Die Polizei oder ich.« Er versuchte, sich vernünftig mit ihr darüber auseinanderzusetzen, doch sie sprachen verschiedene Sprachen, und ihm kam der Verdacht, es könnte schon immer so gewesen sein. Ein paar Jahre nach der Scheidung heiratete sie wieder und bekam noch drei hübsche, gesunde Kinder. Ihr Mann war Steuerberater.
»Hör mal«, sagte Matt, »erschieß mich nicht, aber ich habe Lisa gebeten, uns beim Dessert Gesellschaft zu leisten. Sie hat sich eher frei genommen.«
»Vergiss es.« Er musste nicht einmal darüber nachdenken. »Bin nicht interessiert.«
»Ich habe ihr gesagt, wir wären beide hier.«
»Das ist dein Problem, Brüderchen. Ich stürze mich nachher ins Kasino. Wenn du mich brauchst, weißt du, wo ich zu finden bin.«
»Das wird sie nicht verstehen.«
»Du wirst es ihr erklären.«
»Sie wird denken, du seist nicht interessiert.«
»Bin ich auch nicht.«
»Sie wird denken, ich habe sie gelinkt.«
»Da liegt sie vielleicht gar nicht so sehr daneben.«
»Nun mach mal halblang«, sagte Matt, nun ohne Business-School-Gehabe. »Ich werde dastehen wie ein Bekloppter, wenn du nicht hier bist.«
»Zu spät, mein Freund. Wenn ich mich nicht irre, ist sie schon hier.«
Ein blondes Mädchen vom Typ Cheerleader, mit einem Körper wie auf den Mittelseiten eines Herrenmagazins, strebte auf ihren Tisch zu. Auch ohne Namensschild war Conor klar, dass es sich um die sagenhafte Lisa handelte. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Matt tat es ihm im Bruchteil einer Sekunde gleich. Die Kleine strahlte, als hätte sie eine Hundertwattbirne verschluckt. Er hatte also recht. Brüderchen war in die falsche Sorte Mädchen verliebt.
Matt drückte einen freundschaftlichen Kuss auf die rosa Wange des Mädchens. »Lisa, das ist mein großer Bruder Conor.«
Lisas Lächeln war ein Feuerwerk in Weiß. »Sie sind der Polizist, stimmt’s?«
Conor grinste und schüttelte ihr die Hand. »Kriminalbeamter«, korrigierte er. »Matty vergisst das immer.«
Dass Lisa auch nicht viel von feinen Unterschieden hielt, war offenkundig. Zumindest nicht, was ihn betraf. Sie zielte mit ihrem Lächeln zuerst auf Conor, dann auf Matt, der ihr einen Stuhl herbeigezogen hatte. »Sie werden es nicht für möglich halten, was für einen schrecklichen Abend ich hatte«, sagte sie, als sie zwischen ihnen Platz nahm. Sie trug einen kurzen, schwarzen Rock, einen knappen, roten Pullover und die höchsten Absätze, die Conor je außerhalb einer polizeilichen Gegenüberstellung gesehen hatte. »Die Tagesausflügler scheinen zu glauben, ich arbeite für schöne Worte und nicht für Geld.« Wäre es überhaupt möglich gewesen, ihr Lächeln wäre noch strahlender geworden. Er konnte beinahe zusehen, wie sein Bruder den Boden unter den Füßen verlor. »Ich kann es kaum erwarten, meinen Abschluss in Jura zu machen, und dann bin ich hier weg, schneller als die schauen können.« Sie schickte ein Lächeln in Richtung Conor. »Was könnte ich Ihnen nicht alles darüber erzählen, wie es hier zugeht.« Sie verdrehte die Augen in gespielter Verzweiflung. »Ich fürchte, nicht einmal ein Polizist würde das glauben.«