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In diesem Buch wird auf das unmenschliche Leiden, das Menschen Menschen zugefügt haben und Tag für Tag zufügen, reagiert. Sensibel, empfindsam, genau.
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Seitenzahl: 157
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Anne Duden
Das Judasschaf
Rotbuch Verlag
Die Arbeit der Autorin am vorliegenden Text wurde
durch den Deutschen Literaturfonds e.V. gefördert
Für V. C.
eISBN 978-3-86789-590-3
© 2014 by BEBUG mbH / Rotbuch Verlag, Berlin
© der Originalausgabe Rotbuch Verlag, 1985
Umschlag: Ausschnitt aus Vittore Carpaccio, Grabbereitung Christi
Inhalt
1. E guerra e morte
2. Panorama Berlin
3. New York, mit einem Schrei
4. Der anhaltend letzte Blick
1. E guerra e morte
Von einer nahen Höhe kam ein ununterbrochener scharfer Luftstrom. Mir ist ja schon ganz kalt. Er blies gezielt auf eine Stelle der Schädeldecke, als läge keine Schicht Haar darüber und keine Haut. Beim Auftreffen auf diese Stelle zerteilte sich der Strom unaufhörlich in ein Bündel mehrerer kleiner Ströme, die den Nacken hinunterflossen und sich von dort in einem weit verzweigten Netz über den ganzen Rumpf ergossen, sich wieder zusammenzogen, um die Beine passieren zu können, und sich schließlich unter den Fußsohlen sammelten. Sie war in etwas tief Eingesunkenes verkeilt und darin bei aller Kälte so gut und fest aufgehoben, dass Versuche der Entwirrung und Befreiung nicht gelohnt hätten. Ich werde die Augen nie wieder aufkriegen unter dieser Wucht des Durcheinanders. Es rauschte und redete, wisperte und schrillte, kurz, lang gezogen, abgehackt, fortfahrend. Mit allem anderen wurde die Masse des Körpers leicht geschüttelt, gewiegt, ans Rückgrat gepresst.
Drei Männer, die ich kenne und von denen einer der Anführer ist, sind sehr beschäftigt. Sie zersägen und zerlegen den toten Körper eines Schwarzen. Nein nein, er war schon tot. Accidental death. Sie spalten und zerhacken ihn, bereiten die einzelnen Teile zu. Saubere Schnittflächen, geglättete Knochentrennungen, wie für das Schaufenster eines Fleischerladens. Fleischplacken und -fladen, Knochenhäufchen. Auf einmal beschuldigt mich der Anführer, ich lasse heimlich Stücke verschwinden, sammle Indizien, um sie zu verraten. Ich verteidige mich verschämt und mache passiv bei allem weiter mit. Die Männer werfen jetzt die aufgehäuften Knochenstücke in einen Mülleimer, und ich jage durch die verdunkelten Straßen einer Stadt und werde gejagt und weiß nicht von wem. Mitten auf ein großes, von lichtlosen Gewölben überdecktes Feld. Die Gewölbe werden von einer plötzlich einsetzenden, gewalttätigen Beschallung weggesprengt.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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