Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe - Heinrich von Kleist - E-Book

Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe E-Book

Heinrich Von Kleist

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Im Unterschied zu Heinrich von Kleists tragischen Werken überwiegt in dem Ritterspiel ›Das Käthchen von Heilbronn‹ das sich gegen allen Unbill behauptende Glück: Käthchen, Tochter eines Schmiedes, ist in Liebe zu Graf Wetter vom Strahl entbrannt. Dieser verlobt sich jedoch mit der intriganten Kunigunde. Als er das unter einem Baum schlafende Käthchen befragt, erzählt sie von einer Verheißung, die sie füreinander bestimmt hat. Das im 19. Jh. wegen seiner schwärmerisch wahnhaften Sprache verdammte und trotzdem viel gespielte Stück zählte zu den Vorboten der Moderne.

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Heinrich von Kleist

Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe

Ein großes historisches Ritterschauspiel

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Personen

DER KAISER

GEBHARDT, Erzbischof von Worms

FRIEDRICH WETTER, Graf vom Strahl

GRÄFIN HELENA, seine Mutter

ELEONORE, ihre Nichte

RITTER FLAMMBERG, des Grafen Vasall

GOTTSCHALK, sein Knecht

BRIGITTE, Haushälterin im gräflichen Schloss

KUNIGUNDE VON THURNECK

ROSALIE, ihre Kammerzofe

[SYBILLE, deren Stiefmutter]

THEOBALD FRIEDEBORN, Waffenschmied aus Heilbronn

KÄTHCHEN, seine Tochter

GOTTFRIED FRIEDEBORN, ihr Bräutigam

MAXIMILIAN, Burggraf von Freiburg

GEORG VON WALDSTÄTTEN, sein Freund

[RITTER SCHAUERMANN, sein Vasall]

[RITTER WETZLAF, sein Vasall]

DER RHEINGRAF VOM STEIN, Verlobter Kunigundens

FRIEDRICH VON HERRNSTADT, sein Freund

EGINHARDT VON DER WART, sein Freund

GRAF OTTO VON DER FLÜHE, Rat des Kaisers und Richter des heimlichen Gerichts

WENZEL VON NACHTHEIM, Rat des Kaisers und Richter des heimlichen Gerichts

HANS VON BÄRENKLAU, Rat des Kaisers und Richter des heimlichen Gerichts

JAKOB PECH, ein Gastwirt

DREI HERREN VON THURNECK

KUNIGUNDENS ALTE TANTEN

EIN KÖHLERJUNGE, EIN NACHTWÄCHTER, MEHRERE RITTER

EIN HEROLD, ZWEI KÖHLER, BEDIENTEN, BOTEN, HÄSCHER, KNECHTE UND VOLK

 

Die Handlung spielt in Schwaben

Erster Akt

Szene: Eine unterirdische Höhle, mit den Insignien des Vehmgerichts, von einer Lampe erleuchtet.

Erster Auftritt

Graf Otto von der Flühe als Vorsitzer, Wenzel von Nachtheim, Hans von Bärenklau als Beisassen, mehrere Grafen, Ritter und Herren, sämtlich vermummt, Häscher mit Fackeln usw. – Theobald Friedeborn, Bürger aus Heilbronn, als Kläger, Graf Wetter vom Strahl als Beklagter, stehen vor den Schranken.

GRAF OTTO (steht auf)

Wir, Richter des hohen, heimlichen Gerichts, die wir, die irdischen Schergen Gottes, Vorläufer der geflügelten Heere, die er in seinen Wolken mustert, den Frevel aufsuchen, da, wo er, in der Höhle der Brust, gleich einem Molche verkrochen, vom Arm weltlicher Gerechtigkeit nicht aufgefunden werden kann: Wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrsamer und vielbekannter Waffenschmied aus Heilbronn auf, deine Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom Strahle; denn dort, auf den ersten Ruf der heiligen Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal, mit dem Griff des Gerichtsschwerts, an die Tore seiner Burg, deinem Gesuch gemäß, ist er erschienen, und fragt, was du willst? (Er setzt sich.)

THEOBALD FRIEDEBORN

Ihr hohen, heiligen und geheimnisvollen Herren! Hätte er, auf den ich klage, sich bei mir ausrüsten lassen – setzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder in schwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe von Gold; und hätte nachher, wenn ich gesprochen: Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was willst du? Ich bin dir nichts schuldig; oder wäre er vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen – oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wälder herausgebrochen und hätte mein Leben, mit Schwert und Dolch, angegriffen: So wahr mir Gott helfe! ich glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt, in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, so viel Unrecht, dass meiner Seele Gefühl nun gegen seinen Stachel wie gepanzert ist; und während ich Waffen schmiede, für andere, die die Mücken stechen, sag ich selbst zum Skorpion: Fort mit dir! und lass ihn fahren. Friedrich, Graf Wetter vom Strahl, hat mir mein Kind verführt, meine Katharine. Nehmt ihn, ihr irdischen Schergen Gottes, und überliefert ihn allen geharnischten Scharen, die an den Pforten der Hölle stehen und ihre glutroten Spieße schwenken: Ich klage ihn schändlicher Zauberei, aller Künste der schwarzen Nacht und der Verbrüderung mit dem Satan an!

GRAF OTTO

Meister Theobald von Heilbronn! Erwäge wohl, was du sagst. Du bringst vor, der Graf vom Strahl, uns vielfältig und von guter Hand bekannt, habe dir dein Kind verführt. Du klagst ihn, hoff ich, der Zauberei nicht an, weil er deines Kindes Herz von dir abwendig gemacht? Weil er ein Mädchen, voll rascher Einbildungen, mit einer Frage, wer sie sei? oder wohl gar mit dem bloßen Schein seiner roten Wangen, unter dem Helmsturz hervorglühend, oder mit irgendeiner andern Kunst des hellen Mittags ausgeübt auf jedem Jahrmarkt, für sich gewonnen hat?

THEOBALD

Es ist wahr, ihr Herren, ich sah ihn nicht zur Nachtzeit, an Mooren und schilfreichen Gestaden, oder wo sonst des Menschen Fuß selten erscheint, umherwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben. Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den Zauberstab in der Hand, das unsichtbare Reich der Luft abmessen, oder in unterirdischen Höhlen, die kein Strahl erhellt, Beschwörungsformeln aus dem Staub heraufmurmeln. Ich sah den Satan und die Scharen, deren Verbrüderten ich ihn nannte, mit Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie sie zu Heilbronn, über dem Altar abgebildet sind, an seiner Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden lassen wollt, so denke ich es durch eine schlichte Erzählung dessen, was sich zugetragen, dahin zu bringen, dass ihr aufbrecht, und ruft: Unsrer sind dreizehn und der vierzehnte ist der Teufel! zu den Türen rennt und den Wald, der diese Höhle umgibt, auf dreihundert Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und Federhüten besäet.

GRAF OTTO

Nun, du alter, wilder Kläger! so rede!

THEOBALD

Zuvörderst müsst ihr wissen, ihr Herren, dass mein Käthchen Ostern, die nun verflossen, funfzehn Jahre alt war; gesund an Leib und Seele, wie die ersten Menschen, die geboren worden sein mögen; ein Kind recht nach der Lust Gottes, das heraufging aus der Wüsten, am stillen Feierabend meines Lebens, wie ein gerader Rauch von Myrrhen und Wachholdern! Ein Wesen von zarterer, frommerer und lieberer Art müsst ihr euch nicht denken, und kämt ihr, auf Flügeln der Einbildung, zu den lieben, kleinen Engeln, die, mit hellen Augen, aus den Wolken, unter Gottes Händen und Füßen hervorgucken. Ging sie in ihrem bürgerlichen Schmuck über die Straße, den Strohhut auf, von gelbem Lack erglänzend, das schwarzsamtene Leibchen, das ihre Brust umschloss, mit feinen Silberkettlein behängt: So lief es flüsternd von allen Fenstern herab: Das ist das Käthchen von Heilbronn; das Käthchen von Heilbronn, ihr Herren, als ob der Himmel von Schwaben sie erzeugt, und von seinem Kuss geschwängert, die Stadt, die unter ihm liegt, sie geboren hätte. Vettern und Basen, mit welchen die Verwandtschaft, seit drei Menschengeschlechtern, vergessen worden war, nannten sie, auf Kindtaufen und Hochzeiten, ihr liebes Mühmchen, ihr liebes Bäschen; der ganze Markt, auf dem wir wohnten, erschien an ihrem Namenstage, und bedrängte sich und wetteiferte, sie zu beschenken; wer sie nur einmal, gesehen und einen Gruß im Vorübergehen von ihr empfangen hatte, schloss sie acht folgende Tage lang, als ob sie ihn gebessert hätte, in sein Gebet ein. Eigentümerin eines Landguts, das ihr der Großvater, mit Ausschluss meiner, als einem Goldkinde, dem er sich liebreich bezeigen wollte, vermacht hatte, war sie schon unabhängig von mir, eine der wohlhabendsten Bürgerinnen der Stadt. Fünf Söhne wackerer Bürger, bis in den Tod von ihrem Werte gerührt, hatten nun schon um sie angehalten; die Ritter, die durch die Stadt zogen, weinten, dass sie kein Fräulein war; ach, und wäre sie eines gewesen, das Morgenland wäre aufgebrochen, und hätte Perlen und Edelgesteine, von Mohren getragen, zu ihren Füßen gelegt. Aber sowohl ihre, als meine Seele, bewahrte der Himmel vor Stolz; und weil Gottfried Friedeborn, der junge Landmann, dessen Güter das ihrige umgrenzen, sie zum Weibe begehrte, und sie auf meine Frage: Katharine, willt du ihn? antwortete: Vater! Dein Wille sei meiner; so sagte ich: Der Herr segne euch! und weinte und jauchzte, und beschloss, Ostern, die kommen, sie nun zur Kirche zu bringen. – So war sie, ihr Herren, bevor sie mir dieser entführte.

GRAF OTTO

Nun? Und wodurch entführte er sie dir? Durch welche Mittel hat er sie dir und dem Pfade, auf welchen du sie geführt hattest, wieder entrissen?

THEOBALD

Durch welche Mittel? – Ihr Herren, wenn ich das sagen könnte, so begriffen es diese fünf Sinne, und so ständ ich nicht vor euch und klagte auf alle, mir unbegreiflichen, Greuel der Hölle. Was soll ich vorbringen, wenn ihr mich fragt, durch welche Mittel? Hat er sie am Brunnen getroffen, wenn sie Wasser schöpfte, und gesagt: Lieb Mädel, wer bist du? hat er sich an den Pfeiler gestellt, wenn sie aus der Mette kam, und gefragt: Lieb Mädel, wo wohnst du? hat er sich, bei nächtlicher Weile, an ihr Fenster geschlichen, und, indem er ihr einen Halsschmuck umgehängt, gesagt: Lieb Mädel, wo ruhst du? Ihr hochheiligen Herren, damit war sie nicht zu gewinnen! Den Judaskuss erriet unser Heiland nicht rascher, als sie solche Künste. Nicht mit Augen, seit sie geboren ward, hat sie ihn gesehen; ihren Rücken, und das Mal darauf, das sie von ihrer seligen Mutter erbte, kannte sie besser, als ihn. (Er weint.)

GRAF OTTO (nach einer Pause)

Und gleichwohl, wenn er sie verführt hat, du wunderlicher Alter, so muss es wann und irgendwo geschehen sein?

THEOBALD

Heiligen Abend vor Pfingsten, da er auf fünf Minuten in meine Werkstatt kam, um sich, wie er sagte, eine Eisenschiene, die ihm zwischen Schulter und Brust losgegangen war, wieder zusammenheften zu lassen.

WENZEL

Was!

HANS

Am hellen Mittag?

WENZEL

Da er auf fünf Minuten in deine Werkstatt kam, um sich eine Brustschiene anheften zu lassen?

(Pause.)

GRAF OTTO

Fasse dich, Alter, und erzähle den Hergang.

THEOBALD (indem er sich die Augen trocknet)

Es mochte ohngefähr eilf Uhr morgens sein, als er, mit einem Tross Reisiger, vor mein Haus sprengte, rasselnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd stieg, und in meine Werkstatt trat: Das Haupt tief herab neigt’ er, um mit den Reiherbüschen, die ihm vom Helm niederwankten, durch die Tür zu kommen. Meister, schau her, spricht er: Dem Pfalzgrafen, der eure Wälle niederreißen will, zieh ich entgegen; die Lust, ihn zu treffen, sprengt mir die Schienen; nimm Eisen und Draht, ohne dass ich mich zu entkleiden brauche, und heft sie mir wieder zusammen. Herr! sag ich: Wenn Euch die Brust so die Rüstung zerschmeißt, so lässt der Pfalzgraf unsere Wälle ganz; nötig ihn auf einen Sessel, in des Zimmers Mitte nieder, und: Wein! ruf ich in die Türe, und vom frischgeräucherten Schinken, zum Imbiss! und setz einen Schemel, mit Werkzeugen versehn, vor ihn, um ihm die Schiene wieder herzustellen. Und während draußen noch der Streithengst wiehert, und, mit den Pferden der Knechte, den Grund zerstampft, dass der Staub, als wär ein Cherub vom Himmel niedergefahren, emporquoll: Öffnet langsam, ein großes, flaches Silbergeschirr auf dem Kopf tragend, auf welchem Flaschen, Gläser und der Imbiss gestellt waren, das Mädchen die Türe und tritt ein. Nun seht, wenn mir Gott der Herr aus Wolken erschiene, so würd ich mich ohngefähr so fassen, wie sie. Geschirr und Becher und Imbiss, da sie den Ritter erblickt, lässt sie fallen; und leichenbleich, mit Händen, wie zur Anbetung verschränkt, den Boden mit Brust und Scheiteln küssend, stürzt sie vor ihm nieder, als ob sie ein Blitz nieder geschmettert hätte! Und da ich sage: Herr meines Lebens! Was fehlt dem Kind? und sie aufhebe: Schlingt sie, wie ein Taschenmesser zusammenfallend, den Arm um mich, das Antlitz flammend auf ihn gerichtet, als ob sie eine Erscheinung hätte. Der Graf vom Strahl, indem er ihre Hand nimmt, fragt: Wes ist das Kind? Gesellen und Mägde strömen herbei und jammern: Hilf Himmel! Was ist dem Jüngferlein widerfahren; doch da sie sich, mit einigen schüchternen Blicken auf sein Antlitz, erholt, so denk ich, der Anfall ist wohl auch vorüber, und gehe, mit Pfriemen und Nadeln, an mein Geschäft. Drauf sag ich: Wohlauf, Herr Ritter! Nun mögt Ihr den Pfalzgrafen treffen; die Schiene ist eingerenkt, das Herz wird sie Euch nicht mehr zersprengen. Der Graf steht auf; er schaut das Mädchen, das ihm bis an die Brusthöhle ragt, vom Wirbel zur Sohle, gedankenvoll an, und beugt sich, und küsst ihr die Stirn und spricht: Der Herr segne dich, und behüte dich, und schenke dir seinen Frieden, Amen! Und da wir an das Fenster treten: Schmeißt sich das Mädchen, in dem Augenblick, da er den Streithengst besteigt, dreißig Fuß hoch, mit aufgehobenen Händen, auf das Pflaster der Straße nieder: Gleich einer Verlorenen, die ihrer fünf Sinne beraubt ist! Und bricht sich beide Lenden, ihr heiligen Herren, beide zarten Lendchen, dicht über des Knierunds elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejammernswürdiger Narr, der mein versinkendes Leben auf sie stützen wollte, muss sie, auf meinen Schultern, wie zu Grabe tragen; indessen er dort, den Gott verdamme! zu Pferd, unter dem Volk, das herbeiströmt, herüberruft von hinten, was vorgefallen sei! – Hier liegt sie nun, auf dem Todbett, in der Glut des hitzigen Fiebers, sechs endlose Wochen, ohne sich zu regen. Keinen Laut bringt sie hervor; auch nicht der Wahnsinn, dieser Dietrich aller Herzen, eröffnet das ihrige; kein Mensch vermag das Geheimnis, das in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da sie sich ein wenig erholt hat, den Schritt, und schnürt ihr Bündel, und tritt, beim Strahl der Morgensonne, in die Tür: Wohin? fragt sie die Magd; zum Grafen Wetter vom Strahl, antwortet sie, und verschwindet.

WENZEL

Es ist nicht möglich!

HANS

Verschwindet?

WENZEL

Und lässt alles hinter sich zurück?

HANS

Eigentum, Heimat und den Bräutigam, dem sie verlobt war?

WENZEL

Und begehrt auch deines Segens nicht einmal?

THEOBALD

Verschwindet, ihr Herren – Verlässt mich und alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur sie knüpften – Küsst mir die Augen, die schlummernden, und verschwindet; ich wollte, sie hätte sie mir zugedrückt.

WENZEL

Beim Himmel! Ein seltsamer Vorfall. –

THEOBALD

Seit jenem Tage folgt sie ihm nun, gleich einer Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; geführt am Strahl seines Angesichts, fünfdrähtig, wie einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kiesel ausgesetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, sie gegen der Sonne Stich, oder den Grimm empörter Witterung zu schützen. Wohin sein Fuß, im Lauf seiner Abenteuer, sich wendet: Durch den Dampf der Klüfte, durch die Wüste, die der Mittag versengt, durch die Nacht verwachsener Wälder: Wie ein Hund, der von seines Herren Schweiß gekostet, schreitet sie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf weichen Kissen zu ruhen, und das Knötlein spürte, in des Betttuchs Faden, das ihre Hand unachtsam darin eingesponnen hatte: Die liegt jetzt, einer Magd gleich, in seinen Ställen, und sinkt, wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nieder, die seinen stolzen Rossen untergeworfen wird.

GRAF OTTO

Graf Wetter vom Strahl! Ist dies gegründet?

DER GRAF VOM STRAHL

Wahr ists, ihr Herren; sie geht auf der Spur, die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umsehe, erblick ich zwei Dinge: Meinen Schatten und sie.

GRAF OTTO

Und wie erklärt ihr Euch diesen sonderbaren Umstand?

DER GRAF VOM STRAHL

Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der Teufel sein Spiel mit ihr treibt, so braucht er mich dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm will ich sein, holt er den Nusskern für mich. Wollt ihr meinem Wort schlechthin, wies die heilige Schrift vorschreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo nicht, so will ich nach Worms, und den Kaiser bitten, dass er den Theobald ordiniere. Hier werf ich ihm vorläufig meinen Handschuh hin!

GRAF OTTO

Ihr sollt hier Rede stehn, auf unsre Frage! Womit rechtfertigt Ihr, dass sie unter Eurem Dache schläft? Sie, die in das Haus hingehört, wo sie geboren und erzogen ward?

DER GRAF VOM STRAHL

Ich war, es mögen ohngefähr zwölf Wochen sein, auf einer Reise, die mich nach Straßburg führte, ermüdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand, eingeschlafen – nicht im Traum gedacht ich des Mädchens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenster gestürzt war – da liegt sie mir, wie ich erwache, gleich einer Rose, entschlummert zu Füßen; als ob sie vom Himmel herabgeschneit wäre! Und da ich zu den Knechten, die im Grase herumliegen, sage: Ei, was der Teufel! Das ist ja das Käthchen von Heilbronn! schlägt sie die Augen auf, und bindet sich das Hütlein zusammen, das ihr schlafend vom Haupt herabgerutscht war. Katharine! ruf ich: Mädel! Wo kömmst auch her? Auf funfzehn Meilen von Heilbronn, fernab am Gestade des Rheins? »Hab ein Geschäft, gestrenger Herr«, antwortet sie, »das mich gen Straßburg führt; schauert mich im Wald so einsam zu wandern, und schlug mich zu Euch.« Drauf lass ich ihr zur Erfrischung reichen, was mir Gottschalk, der Knecht, mit sich führt, und erkundige mich: Wie der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht? Und was sie in Straßburg zu erschaffen denke? Doch da sie nicht freiherzig mit der Sprache herausrückt: Was auch gehts dich an, denk ich; ding ihr einen Boten, der sie durch den Wald führe, schwing mich auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Herberg, an der Straßburger Straß, will ich mich eben zur Ruh niederlegen: Da kommt Gottschalk, der Knecht, und spricht: Das Mädchen sei unten und begehre in meinen Ställen zu übernachten. Bei den Pferden? frag ich. Ich sage: Wenns ihr weich genug ist, mich wirds nicht drücken. Und füge noch, indem ich mich im Bett wende, hinzu: Magst ihr wohl eine Streu unterlegen, Gottschalk, und sorgen, dass ihr nichts widerfahre. Drauf, wandert sie, kommenden Tages früher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heerstraße, und lagert sich wieder in meinen Ställen, und lagert sich Nacht für Nacht, so wie mir der Streifzug fortschreitet, darin, als ob sie zu meinem Tross gehörte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes grauen, unwirschen Alten willen, der mich jetzt darum straft; denn der Gottschalk, in seiner Wunderlichkeit, hatte das Mädchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer, in der Tat, als seiner Tochter; führt dich die Reise einst, dacht ich, durch Heilbronn, so wird der Alte dirs danken. Doch da sie sich auch in Straßburg, in der erzbischöflichen Burg, wieder bei mir einfindet, und ich gleichwohl spüre, dass sie nichts im Orte erschafft: Denn mir