Das Land der Eukalyptusblüten: Zwei Romane in einem eBook - Anne McCullagh Rennie - E-Book
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Das Land der Eukalyptusblüten: Zwei Romane in einem eBook E-Book

Anne McCullagh Rennie

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Beschreibung

Im Land der unberührten, rauen Schönheit: Der romantische Sammelband »Das Land der Eukalyptusblüten« von Anne McCullagh Rennie als eBook bei dotbooks. Nichts liebt die junge Cate so sehr, wie das Leben auf der Farm ihrer Familie im australischen Outback. Als ein Schicksalsschlag sie zwingt, ihrer Heimat den Rücken zu kehren, ist ihr einziger Trost die Musik: Als begnadete Gitarristin verarbeitet sie ihren Schmerz in bittersüßen Balladen. Doch ihr Herz schlägt noch immer für Australien und für den einen jungen Mann, den dort noch immer auf sie wartet … Auch Lizzy kann die Wildnis des australischen Outbacks nicht vergessen: Die gefeierte Opernsängerin kehrt mit gebrochenem Herzen auf die Farm ihres Vaters zurück. Da steht eines Tages der charmante Konzertveranstalter Brian vor ihr, der sie zurück auf die Bühnen der Welt holen will – doch kann sie ihm wirklich vertrauen und die Geborgenheit der Heimat für eine neue Welttournee aufs Spiel setzen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Das Land der Eukalyptusblüten« von Bestseller-Autorin Anne McCullagh Rennie enthält die beiden Australien-Romane »Das Lied der Honigvögel« und »Der Himmel über Australien«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Nichts liebt die junge Cate so sehr, wie das Leben auf der Farm ihrer Familie im australischen Outback. Als ein Schicksalsschlag sie zwingt, ihrer Heimat den Rücken zu kehren, ist ihr einziger Trost die Musik: Als begnadete Gitarristin verarbeitet sie ihren Schmerz in bittersüßen Balladen. Doch ihr Herz schlägt noch immer für Australien und für den einen jungen Mann, den dort noch immer auf sie wartet … Auch Lizzy kann die Wildnis des australischen Outbacks nicht vergessen: Die gefeierte Opernsängerin kehrt mit gebrochenem Herzen auf die Farm ihres Vaters zurück. Da steht eines Tages der charmante Konzertveranstalter Brian vor ihr, der sie zurück auf die Bühnen der Welt holen will – doch kann sie ihm wirklich vertrauen und die Geborgenheit der Heimat für eine neue Welttournee aufs Spiel setzen?

Über die Autorin:

Anne McCullagh Rennie wurde in Cambridge, England geboren und studierte in London und Wien Musik. In Österreich lernte sie ihren Ehemann Jim kennen und zog mit ihm nach Australien, wo sie zusammen eine Familie gründeten. Die Liebe zu ihrer Wahlheimat und zur Musik bringt sie in ihren Romanen zum Ausdruck.

Von Anne McCullagh Rennie erschien bei dotbooks bereits der Australienroman:

»Die Sterne über Australien«

Die Website der Autorin: www.annemccullaghrennie.com

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Sammelband-Originalausgabe Dezember 2020

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Romane finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Yori Hirokawa und AdobeStock/Nick Fox, bean

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-077-2

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Anne McCullagh Rennie

Das Land der Eukalyptusblüten

Zwei Australien-Romane in einem eBook

dotbooks.

Der Himmel über Australien

Aus dem Englischen von Karin Dufner

Nichts liebt die junge Cate so sehr, wie die raue Natur des australischen Outbacks, das Leben mit ihrem Vater auf der heimischen Farm – und das Fliegen. Doch ein schwerer Schicksalsschlag stellt alles auf den Kopf. Bei einem Absturz mit seinem Motorflugzeug stirbt ihr Vater und auf einmal ist nichts in ihrem Leben mehr so, wie es einmal war. Als sie alles verliert und ihrer geliebten Heimat den Rücken kehren muss, ist ihr einziger Trost die Musik: Als begnadete Sängerin und Gitarristin verarbeitet sie ihren Schmerz in bittersüßen Balladen … Doch ihr Herz schlägt noch immer für das wilde australische Outback und für den einen jungen Mann, an den sie dort vor vielen Jahren ihr Herz verloren hat …

Für Jim, Patsy, Peter und Ellie, in Liebe.

Hör auf dein Herz. Nur dann wirst du das wahre Glück und die Liebe finden.

Annie McCullagh Rennie

Kapitel 1

»Heute ist es so weit!«, sagte sich Cate Perry begeistert, während sie sich daranmachte, ihre Lieblingsziege zu melken. Vor lauter Aufregung hatte sie ein flaues Gefühl im Bauch. Es war ein kühler Julimorgen auf der Ironbark Station. Obwohl eben erst die Sonne aufging, ging es bereits hoch her, da die Farmarbeiter alles für den großen Viehtrieb in drei Tagen vorbereiteten. Geistesabwesend tätschelte Cate Elsies Flanke, ihre Gedanken ganz auf den vor ihr liegenden Tag gerichtet. Gestern Abend hatte ihr Vater ihr endlich die Erlaubnis gegeben, zum ersten Mal allein die zweisitzige Cessna 150 zu fliegen, die zum Inventar der Farm gehörte. Endlich würde ihr Traum wahr werden!

Seit Cate im Alter von drei Jahren zum ersten Mal neben ihrem Vater im Cockpit der Cessna gesessen hatte, sehnte sie sich danach, selbst das Steuer in der Hand zu halten. Mit zehn hatte sie verkündet, sie werde noch vor ihrem siebzehnten Geburtstag solo fliegen, und das war auch der Grund, warum es unbedingt heute sein musste. Außerdem wollte sie es ihrem besten Freund Alfredo Cristelli zeigen, der auch auf der Farm arbeitete, und behauptet hatte, sie würde es sich nicht trauen. Heute war ihre letzte Chance – morgen war ihr siebzehnter Geburtstag. Allerdings stand dem Ganzen noch etwas im Weg, nämlich ihre so schöne wie manipulative Stiefmutter.

Seufzend schob Cate die braune Locke zurück unter das Kopftuch, mit dem sie ihre wilde Mähne gebändigt hatte. Zum Glück war es ihr gelungen, sich davonzustehlen, bevor Tahlia einen weiteren Riesenstreit wegen ihrer Fliegerei vom Zaun brechen konnte. Schließlich hatte Cate ihrem Dad hoch und heilig versprochen, dass sich die Szene von gestern Abend nicht wiederholen würde. In Ermangelung eines besseren Plans wollte Cate sich deshalb nach dem Melken unbemerkt in die Speisekammer schleichen, die Milch in den Kühlschrank stellen und sich aus dem Staub machen, bevor Tahlia aufgestanden war.

Es war Trockenzeit, Winter in Top End, wie dieser Teil des Northern Territory genannt wurde. Nach der klaren Nacht war es noch recht kühl. Eine leichte Brise strich durch das dürre, strohgelbe Gras, und der Himmel, an dem sich die ersten Schäfchenwolken bildeten, war von einem makellosen Kobaltblau. Ironbark Station war berühmt für seine wunderschönen, sanftgesichtigen cremefarben bis bräunlichen Brahman-Rinder. Von der Provinzstadt Katherine aus waren sie mit dem Flugzeug in einem halben Tag zu erreichen, bis zur nächsten Farm waren es vierzig Kilometer. Rachel und Ken McCarthy, Cates Großeltern mütterlicherseits, hatten die Farm gegründet und das elegante Gehöft mit seinen kühlen Veranden und dem von fünf riesigen hundertjährigen Eukalyptusbäumen geschützten kleinen Garten gebaut. Rund um den Hofraum breiteten Baobabs mit ihren flaschenförmigen Stämmen ihre Äste aus und spendeten weiteren wohltuenden Schatten. Ein staubiger Pfad schlängelte sich in ausladenden Kurven, als hätte ein Betrunkener ihn angelegt, an dem Wellblechhangar vorbei, weiter durch die rote Erde und das Gestrüpp, und verschwand schließlich am Horizont.

Cates Zuhause war eine kleine, von geschäftigem Treiben erfüllte Oase, und sie konnte sich keinen schöneren Ort auf der Welt vorstellen. Vom nahe gelegenen Busch hörte man das schrille Gelächter der Kookaburras, und langhalsige Ibisse suchten auf der Koppel neben den Ziegen nach Futter. Der Duft von Steak und Eiern wehte durch die Morgenluft. Cate wechselte die Sitzposition, tastete nach dem Zitzenpaar am Bauch der Ziege und trällerte vor sich hin. Der fröhliche Trubel um sie herum lenkte sie vorübergehend von ihrem Problem – das darin bestand, Tahlia zu beschwichtigen – ab.

Cate, das einzige Kind von Brendan und Mary Perry, hatte in ihren ersten neun Lebensjahren nichts als Liebe und Geborgenheit erfahren. Ihre Eltern und Großeltern hatten sie vergöttert und verwöhnt und ihr viele Freiheiten gelassen, während sie damit beschäftigt waren, Ironbark Station aufzubauen. Von frühester Kindheit an war Cate ihrem Vater bei der Arbeit zur Hand gegangen; von ihm hatte sie die Liebe zur Farm mit ihren Rinderbeständen. Von ihrer Mutter, einer ausgezeichneten Köchin, hatte Cate nicht nur gelernt, wie man einen Haushalt führt, sondern auch, worauf es bei der Gartenpflege und der Versorgung der Ziegen ankommt. Außerdem hatte Mary eine angenehme Stimme und ermutigte Cate, die ihr darin nachkam, zum Singen.

So wurden die Liederabende am Lagerfeuer, zu denen ihre Nachbarn oft aus Hunderten von Kilometern Entfernung einflogen, ein geschätzter Bestandteil des sozialen Lebens. Es begann mit dem köstlichen Duft von brutzelnden Steaks und Grillwürsten und dem angeregten Stimmengewirr der Besucher in der spätnachmittäglichen Luft. Wenn es dunkel wurde, holten die Gäste ihre Instrumente hervor, und bald hallten die Lieder von Slim Dusty, Smokey Dawson, der McKean Sisters und anderer beliebter australischer Countrymusiker durch die Nacht. Dazwischen wurden aus voller Kehle australische Volkslieder geschmettert. Brendan schrieb den Text von »The Road to Gundagai« um, ersetzte »Gundagai« durch »Ironbark«, und alle stimmten fröhlich ein: »There's a track winding back to an old-fashioned shack along the road to Ironbark! – Es führt ein Weg zurück zu einem alten Häuschen an der Straße nach Ironbark.« Es dauerte nicht lang, bis das Lied zur Familienhymne wurde.

Diese glückliche und harmonische Zeit hatte sich tief in Cates Gedächtnis eingeprägt. Doch dann, kurz vor ihrem neunten Geburtstag, starben Rachel und Ken innerhalb von drei Monaten, und bald darauf wurde auch Mary krank. Die nächsten anderthalb Jahre musste Cate traurig und hilflos zusehen, wie ihre Mutter langsam dahinsiechte und wie das Lächeln aus Brendans Augen verschwand. Trotz aller Beteuerungen ihres Vaters glaubte sie in ihrer kindlichen Naivität, dass sie schuld an der Krankheit ihrer Mutter und an seiner Verzweiflung war.

Nach Marys Tod klammerten Cate und Brendan sich aneinander und versuchten, sich gegenseitig Kraft zu geben, während sie langsam in den Alltag zurückfanden. Wie sehr sehnte sich Cate nach der Unbeschwertheit und dem Lachen, die ihre kleine Familie bis jetzt geprägt hatten. Zwei Jahre später lernte Brendan bei einem Viehzüchterkongress in den Whitsundays das atemberaubend schöne Mannequin Tahlia Shotton kennen. Der Glanz kehrte in seine Augen zurück, seine Schritte federten wieder, und sein Lachen hallte wie früher in den Mauern von Ironbark Station wider.

Als Brendan die viel jüngere Tahlia zur Frau nahm, war Cate fest entschlossen, mit ihrer neuen Stiefmutter zurechtzukommen, koste es, was es wolle. Deshalb belastete sie der gestrige Streit sehr, und sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil sie die Milch unbemerkt wegstellen und sich aus dem Staub machen wollte, bevor Tahlia Gelegenheit hatte, ihr weitere Arbeiten aufzutragen.

Heute. Nur heute. Ich mache es wieder gut – bei Dad und auch bei Tahlia, sagte sie sich.

Bei der gestrigen Debatte war es nämlich um Cates Mithilfe im Haushalt gegangen. Immer wieder fand Tahlia einen Weg, Cate Schuldgefühle einzuimpfen und stets hackte sie auf ihren Fehlern herum. Cate räumte zwar ein, dass sie manchmal recht eigensinnig sein konnte, empfand die ständigen Klagen jedoch als ausgesprochen ungerecht. Mit der Hitze ihrer Jugend hatte sie deshalb laut protestiert, woraufhin Tahlia das Ganze zu einer dramatischen Szene genutzt hatte. Von Schluchzern geschüttelt, hatte sie behauptet, Cate hasse sie und lasse sie alle Arbeit allein machen. Dann hatte sie sich Brendan weinend in die Arme geworfen. Beinahe wäre Cate die Erlaubnis, heute allein zu fliegen, wieder los gewesen. Nur durch inständiges Bitten und Betteln und den Schwur, Tahlia nie wieder gegen sich aufzubringen, hatte Cate Brendan erweichen können. Allerdings war es ziemlich knapp ausgegangen.

Wie auf ein Stichwort war jetzt plötzlich vom Haus her Tahlias Stimme zu hören. »Cate! Beeil dich mit den Ziegen. Du musst mir helfen, die Wohnzimmervorhänge abzunehmen, damit sie gewaschen werden können. Heute machen wir Frühjahrsputz.« Sie war ungewöhnlich früh auf den Beinen und schien sich von ihrem gestrigen Weinkrampf erholt zu haben.

Cate brach mitten im Lied ab, und ihr Griff um die Zitze der Ziege wurde unwillkürlich fester, sodass das Tier nach ihr austrat. »Ruhig, Elsie«, sagte sie und rückte den Milcheimer zurecht.

»Cate! Bist du taub?«, rief Tahlia ungeduldig.

»Ich komme!«, antwortete Cate bemüht freundlich. »Blöde Kuh, warum kann sie nicht so lange schlafen wie sonst auch?«, fügte sie leise hinzu. Sie zwang sich zur Gelassenheit. Schließlich hatte sie ihrem Dad versprochen, Tahlia zu unterstützen. Mit einem Wutausbruch war also niemandem gedient.

Cate war ein hübsches Mädchen. Sie hatte breite Schultern, war für ihr Alter ziemlich muskulös und hatte große blaue Augen, volle Lippen und eine leicht sonnengebräunte Haut, die ihrem markanten Gesicht eine aparte Schönheit verliehen. Allerdings wirkte sie mit ihrer kastanienbraunen Lockenmähne heute eher wie ein gereiztes Wildpferd als wie eine gut aussehende junge Frau. Sie war angespannt und fürchtete sich mehr vor dem heutigen Flug, als sie es sich selbst eingestehen wollte.

Sie griff nach dem Eimer mit der warmen sahnigen Milch und stieß einen Fluch aus, als etwas davon auf ihre Jeans schwappte. Dann ließ sie Elsie frei und sah der Ziege nach, während diese zu ihren Artgenossen hinüberlief.

Cate band das rosafarbene Kopftuch neu. »Einfach nicht reagieren«, befahl sie sich, als Tahlia erneut nach ihr rief. Durch den kleinen Gemüsegarten, wo in den Lavendelsträuchern die Bienen summten, hastete sie zurück ins Haus. Vielleicht konnte sie Tahlia ja davon überzeugen, dass der Tag für einen Frühjahrsputz denkbar ungeeignet war, denn wegen der Trockenzeit herrschte Wasserknappheit. Wann würde ihre Stiefmutter es endlich lernen! Im nächsten Moment jedoch kam sie zu dem Schluss, dass es wohl ratsamer wäre, das Brendan zu überlassen.

Ich werde ihr anbieten, gleich nach dem Flug zurückzukommen und den restlichen Tag über zu helfen, und morgen ebenfalls, auch wenn ich Geburtstag habe, nahm sie sich vor. Das sollte genügen. Nachdem sie diese Lösung gefunden hatte, fühlte sie sich gleich viel besser.

Eigentlich hatte Cate Tahlia gern, und wenn ihre Stiefmutter gute Laune hatte – was zugegebenermaßen in letzter Zeit nur selten vorkam –, hatten sie sogar eine Menge Spaß miteinander. Cate blickte hinauf zum Himmel. Es war wirklich ein wunderbarer Tag. Leise öffnete sie die Küchentür und spitzte die Ohren. Der Raum war leer, Tahlia nirgendwo zu sehen. Cate hörte nur das Ticken der alten Standuhr. Ihr Herz klopfte. Sie schlich in die Speisekammer, stellte den Milcheimer vorsichtig in den Kühlschrank und schlüpfte danach wieder nach draußen – wo sie prompt mit Tahlia zusammenstieß. Der Stapel gefaltete Wäsche, den ihre Stiefmutter in den Armen trug, purzelte zu Boden.

»Pass doch auf?«, schrie Tahlia.

»Entschuldige«, erwiderte Cate und fing an, die Hemden aufzuheben. Neben ihrer gertenschlanken Stiefmutter kam sie sich sofort dick und hässlich vor. Tahlia trug eine teure Bluse aus rotweißer Baumwolle, die ihrer Figur schmeichelte, einen dazu passenden Rock und zierliche rote Riemchensandalen an ihren gepflegten Füßen. Ihre winzigen Zehennägel waren rot lackiert. Das lange blonde Haar wurde von einer Schildpattspange gehalten, sodass ihre hinreißenden, mandelförmigen braunen Augen noch besser zur Geltung kamen. Außerdem hatte sie ein ebenmäßiges herzförmiges Gesicht und eine makellose honigfarbene Haut. Nur das hässliche Stirnrunzeln minderte ihre Gesamtwirkung.

»Warum hast du es so eilig?«, wollte Tahlia wissen. »Nein, spar dir die Erklärung.« Sie hob ein Hemd vom Boden auf, schüttelte mit angewidertem Blick den Staub heraus und warf es Cate zu. »Das muss noch einmal gewaschen werden. Außerdem möchte ich, dass du sofort die Wohnzimmervorhänge abnimmst. Man weiß ja nie, ob vielleicht Besuch kommt. Dieses Haus ist ein Schweinestall.«

Cate zögerte, denn ihr war klar, dass allein das Wort »Fliegen« die Auseinandersetzung auslösen würde, der sie unter allen Umständen aus dem Weg gehen wollte.

»Nun, worauf wartest du?«, fragte Tahlia und musterte Cate kritisch bis hinunter zu ihren Jeans. »Ach, sieh dich nur an. Hoffentlich hast du im Haus keine Milch verschüttet!« Sie seufzte theatralisch.

Cate spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. »Es ist heute fast ein ganzer Eimer. Ich habe ihn in den Kühlschrank gestellt«, entgegnete sie, fest entschlossen, freundlich zu bleiben. Allerdings fand sie es auffallend, dass die Augen ihrer Stiefmutter stets trocken blieben, wenn Brendan nicht zugegen war. Am liebsten hätte sie Tahlia einfach stehen gelassen.

»Oh, Cate, wie kann man nur so ungeschickt sein? Ständig muss ich dir hinterherputzen. Geh und sieh nach, ob du etwas vergossen hast. Wenn ja, wisch es sofort auf. Sonst stinkt das ganze Haus nach Ziege. Anschließend kannst du die Vorhänge in die Waschmaschine stecken und die Handtücher aufhängen. Und danach beseitigst du dieses Durcheinander.« Genugtuung breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie mit dem Kopf auf das Frühstücksgeschirr wies. Sie füllte den Teekessel mit Wasser aus dem Hahn. »Ach, ich brauche jetzt ein Tässchen Tee. Wir beide werden dafür sorgen, dass das ganze Haus blitzsauber ist, Cate. Ja? Also, was stehst du noch hier herum! Beweg dich.«

»Ich fliege heute solo. Dad ...«, platzte es aus Cate in ihrer Ratlosigkeit heraus.

»Ja, ja, schon gut. Ein andermal vielleicht.«

»Nein, Tahlia. Ich werde heute zum ersten Mal allein fliegen. Dad hat es erlaubt, hast du das schon vergessen? Er wartet im Hangar auf mich, weil er wollte, dass ich frühmorgens fliege. Sicher fragt er sich schon, wo ich bleibe. Morgen helfe ich dir beim Putzen, so viel du willst, obwohl ich Geburtstag habe. Übermorgen und überübermorgen auch. Ehrenwort.«

»Das kommt nicht in Frage! Ich brauche dich heute, und deshalb wirst du schön hierbleiben und tun, was ich dir sage. Dein Vater würde es sicher genauso sehen!«, gab Tahlia mit hochroten Wangen zurück und knallte den Teekessel auf die Herdplatte.

»Du hast doch keine Ahnung, wie mein Vater das sieht«, zischte Cate, mit ihrer Geduld am Ende. »Oh Gott, nein, Tahlia, entschuldige, ich wollte dich nicht kränken ... Aber du warst doch selbst dabei! Wir haben es so vereinbart. Dad hat mir versprochen, dass ich heute solo fliegen darf. Er sagte, solange ich mich benehme und dich nicht ärgere ... Ich will dich wirklich nicht gegen mich aufbringen, Tahlia, glaub mir. Der Flug heute ist nur so furchtbar wichtig für mich. Es ist meine letzte Chance, bevor ich siebzehn werde. Du weißt doch, wie viel es mir bedeutet. Bitte, versteh mich doch ...«

»Warum musst du mir immer widersprechen, Cate?« Mit gekränkter Miene ließ Tahlia sich auf einen Stuhl sinken. »Ich habe dieses Theater mit dir so satt. Weshalb kannst du nicht ein einziges Mal mitarbeiten, ohne ständig neue Ausreden zu finden?«

Ihre Unterlippe fing an zu zittern.

Cate wurde von Verzweiflung ergriffen. Die Situation drohte ihr zu entgleisen. »Nein, wirklich, Tahlia. Ich wollte dir nicht wehtun. Nach dem Flug mache ich alles, was du von mir verlangst. Aber ...«

Ungeduldig sprang Tahlia auf. »Jetzt fängst du schon wieder damit an, Cate. Ich bin es leid. Offenbar waren deine Beteuerungen von gestern Abend nicht ernst gemeint.« Tränen traten ihr in die Augen. Sie wischte sie mit ihren makellos manikürten Fingern weg.

»Doch, das waren sie!«, protestierte Cate bestürzt.

»Also gut. Ich glaube dir. Also Schluss mit den Albernheiten. Wir kümmern uns jetzt um die Wäsche.« Tahlia setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Wir wollen doch nicht streiten, oder?«

Als die Standuhr die halbe Stunde schlug, wurde Cate von Panik ergriffen. Bald war die letzte Gelegenheit vorbei, ihren Traum wahr werden zu lassen. Sie konnte den plötzlichen Stimmungsumschwung ihrer Stiefmutter nicht deuten und hatte außerdem Schuldgefühle, weil sie Tahlia schon wieder zum Weinen gebracht hatte. Ratlos starrte sie sie an, wohl wissend, dass ihr Zögern sie nur noch mehr Zeit kostete.

»Es tut mir Leid, Tahlia«, stieß sie schließlich hervor. Dann drehte sie sich um und spurtete hinaus, während Tahlia ihr entgeistert nachblickte und hysterisch zu kreischen begann. »Ich mache alles wieder gut, versprochen«, rief Cate, doch weil sie so schnell rannte, waren ihre Worte für Tahlia nicht mehr zu verstehen. Ein Glück, dass sie diese Riemchensandalen trug. Außerdem wusste Cate, wie sehr ihre Stiefmutter den roten Staub hasste, weshalb sie ihr sicher nicht nachlaufen würde.

Morgen werde ich ganz besonders nett und hilfsbereit sein, sagte sich Cate, während sie langsamer wurde und sich umschaute. Ob Tahlia ihr vielleicht im Auto oder auf dem Motorrad nachkommen würde? Nein! Cate fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Ganz gleich, ob sie nun im Recht war oder nicht, wenigstens war ihr Ziel nun zum Greifen nah. Sie war immer noch sechzehn, und es war immer noch ein ganz wunderbarer Tag.

Kapitel 2

Die Missstimmung zwischen Cate und Tahlia hatte schleichend eingesetzt, denn anfangs hatte Cate ihre junge Stiefmutter sogar sehr gern gehabt. Zum Zeitpunkt der Hochzeit hatte Cate ein Internat besucht und Tahlia deshalb nur in den Ferien gesehen. Aber sie fand sie sympathisch, und da sie elf Jahre jünger war als Cates Mutter, war sie ihr zunächst wie eine ältere Schwester erschienen. Die beiden hatten sich rasch angefreundet, die Köpfe zusammengesteckt und gekichert, sich Videos angesehen und über Mode geplaudert. Cate war sich sehr erwachsen vorgekommen.

Tahlia hatte durch ihre Ehe mit Brendan ihr Lebensziel erreicht, nämlich gesellschaftliches Ansehen und Wohlstand. Allerdings hatte sie auch den Preis dafür bezahlt. Als fünfte Tochter des Stahlarbeiters Ewan Shotton war sie in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hatte immer um Aufmerksamkeit kämpfen müssen. Fest entschlossen, eine gute Partie zu machen, hatte sie sich von einer kleinen Modelagentur unter Vertrag nehmen lassen. Danach war es in ihrem Leben endlich bergauf gegangen. Brendan hatte sie auf Brampton Island kennengelernt, wo sie Aufnahmen für Dessouswerbung machte. Zu ihrer beider Überraschung war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Brendan hatte sich von der schönen und charmanten jungen Frau, die seinen Beschützerinstinkt weckte, sofort angezogen gefühlt, während Tahlia Gefallen an seiner ruhigen und zurückhaltenden Art gefunden hatte. Brendan hielt das Andenken an Mary zwar in Ehren, gewann aber endlich die Lebensfreude zurück. Tahlia, die einerseits recht kess, andererseits weiblich und anschmiegsam war, schürte in ihm eine längst verschüttet geglaubte Leidenschaft. Und da Brendan eine Lebensgefährtin und eine Mutter für Cate suchte, machte er ihr bei Sonnenaufgang am Strand einen Heiratsantrag.

Bis über beide Ohren verliebt, in der Geborgenheit von Brendans Zuneigung und wohl wissend, dass sie es als Frau eines wohlhabenden australischen Rinderzüchters endlich zu etwas gebracht hatte, gab Tahlia sich anfangs alle Mühe, Brendan zu verwöhnen. Ihr Liebesleben war sinnlich und befriedigend, und sie wünschten sich beide eine große Familie mit vielen Brüdern und Schwestern für Cate. Doch zu ihrer großen Enttäuschung wurde Tahlia einfach nicht schwanger, obwohl sie es sogar mit künstlicher Befruchtung versuchten. Während Brendan die Hoffnung nicht aufgab, fühlte sich Tahlia durch Cates Anwesenheit Tag für Tag an ihre eigene Unfruchtbarkeit erinnert und gab in ihrer wachsenden Verbitterung insgeheim Brendan die Schuld.

Mit fünfzehn hatte Cate dann aus heiterem Himmel verkündet, sie habe die Schule satt und wolle lieber von ihrem Vater lernen, wie man eine Farm führte. Da nach einigen schlechten Jahren das Geld knapp war, war Brendan froh über eine zusätzliche Arbeitskraft und erleichtert darüber, sich das Schulgeld sparen zu können. Außerdem hoffte er, seine Tochter würde Tahlia ein wenig Gesellschaft leisten und sie aufmuntern. Allerdings entpuppte sich das als fataler Irrtum, denn ab diesem Moment verschlechterte sich das Verhältnis der beiden von Tag zu Tag. Cate, die auf Ironbark Station ganz in ihrem Element und fest entschlossen war, sich vor ihrem Dad zu beweisen, lernte rasch, wie man Zäune flickte, Wasserlöcher kontrollierte und Vieh trieb. Wenn Brendan sie ließ, half sie auch beim Anbringen der Brandzeichen und erledigte auch sonst alle anfallenden Aufgaben. Je härter sie arbeitete und je kompetenter sie wurde, desto öfter kam es zwischen den beiden Frauen zum Streit. Tahlia deutete Cates Tüchtigkeit nur als Versuch, ihr ihre eigene Unfähigkeit in diesen Dingen unter die Nase zu reiben, und ihr Groll wuchs.

Mit ihrem jugendlichen Ungestüm und ihrem mangelnden Sinn für Diplomatie machte sich Cate – obwohl sie für ihr Alter schon sehr reif und verständig war – oft selbst das Leben unnötig schwer. Zum Beispiel hatte sie Tahlia angeboten, die Buchführung der Farm zu erledigen, da diese ständig klagte, damit überfordert zu sein. Allerdings rief die Begründung, sie, Cate, sei doch viel besser im Rechnen, nicht viel Begeisterung hervor. Tahlia fühlte sich bloßgestellt und nutzte in ihrer Wut seitdem jede Gelegenheit, einen Streit vom Zaun zu brechen. Völlig unbewandert in der Kunst der Intrige, ging Cate ihr immer wieder auf den Leim und unterlag jedes Mal. Doch trotz ihres Zorns auf ihre Stiefmutter, der es stets aufs Neue gelang, ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben, versuchte Cate nur aus Stolz und aus Liebe zu ihrem Vater mit Tahlia auszukommen – wenn auch nur halbherzig.

Auch Tahlia hatte sich verändert, denn der Alltag auf einer abgelegenen Rinderfarm war eine größere Herausforderung als erwartet. Schon immer war sie leicht erregbar und häufig niedergeschlagen gewesen, und diese Stimmungsschwankungen traten nun noch stärker zutage. Sie setzte Brendan immer mehr unter Druck, bis manchmal selbst ihm der Geduldsfaden riss. Es kam zu lauten, tränenreichen Szenen, die damit endeten, dass Tahlia aus dem Zimmer stürzte und einen verdatterten Brendan und eine von Schuldgefühlen geplagte Cate zurückließ. Am nächsten Tag flehte Tahlia Brendan dann weinend um Verzeihung an und erdrückte Cate fast mit ihrer liebevollen Aufmerksamkeit. Eine Weile kehrte wieder Ruhe im Hause ein – bis alles wieder von vorn losging. Cate wusste, dass ihr Vater sie und Tahlia liebte, und gab deshalb nicht auf, auch wenn sie immer wieder ins Fettnäpfchen trat. Sicher, sie hatte Tahlia heute widersprochen. Aber zumindest hatte nicht alles mit Geschrei geendet; sie war ruhig geblieben und hatte Besserung gelobt, und darauf war sie stolz. Cate war so sehr in ihre Gedanken versunken, dass sie auf dem Weg zum Hangar beinahe von ihrem Hütehund, einem Australischen Cattle Dog, umgerannt worden wäre.

»Hallo, Streak!«, rief sie aus und tätschelte die Hündin, die ihren Namen – er bedeutete soviel wie »Streif« – ihrer Geschwindigkeit beim Viehtreiben verdankte. Streak umtänzelte Cate, sprang hechelnd an ihr hoch und wedelte heftig mit dem Schwanz. Cate umfasste die Schnauze der Hündin, streichelte sie und drückte ihr einen Kuss auf die weiche Stirn. Verzweiflung und Schuldgefühle waren auf einmal wie weggeblasen, und ihre gute Laune kehrte zurück. Nachdem sie das Kopftuch abgenommen hatte, richtete sie sich auf, schüttelte die kastanienbraune Mähne aus und band sich das Haar wieder zusammen. Als Brendan aus dem Hangar kam, empfing sie ihn mit einem breiten Lächeln.

»Hallo, meine Schöne, bist du bereit für deinen Soloflug?«, rief er.

»Hallo, Dad! Darauf kannst du wetten!« Cate lief ihm entgegen und fiel ihm um den Hals.

Brendan schloss seine Tochter in die kräftigen Arme, schwenkte sie durch die Luft und setzte sie wieder ab. Brendan Perry war ein blonder Hüne von Ende vierzig. Stolz musterten seine braunen Augen seine Tochter, die ihrer Mutter so ähnlich sah. Das Temperament hatte sie allerdings von ihm geerbt. Es würde eine große Erleichterung für ihn sein, wenn sie ihm aus der Luft beim Zusammentreiben des Viehs helfen und auch andere Arbeiten auf der Farm erledigen konnte, für die ein Flugzeug nötig war. Sie wurde so schnell erwachsen, und manchmal fragte sich Brendan, ob er ihr das Leben durch seine Hochzeit mit Tahlia nicht unnötig erschwert hatte. Es war nicht leicht, so jung die Mutter zu verlieren, ganz zu schweigen davon, mit ansehen zu müssen, wie eine so schöne Frau wie Tahlia ihren Platz einnahm.

»Deine Mutter wäre stolz auf dich«, sagte er liebevoll.

Cate warf ihm einen leicht erstaunten Blick zu. »Das hoffe ich«, meinte sie, legte ihrem Vater den Arm um die Taille und sah ihn ein wenig wehmütig an. »Jetzt aber los!«, fügte sie im nächsten Moment hinzu. »Wo steht die Maschine?«

»Ach, hast du heute etwas Besonderes vor?«, frotzelte Brendan und zupfte an Cates Kopftuch. »Was ist das? Wolltest du dich etwa mit diesem schmutzigen alten Lumpen auf dem Kopf in mein Flugzeug setzen?«

»Wenn ich zurück bin, muss ich Tahlia beim Frühjahrsputz helfen«, erwiderte Cate und hielt kurz inne. »Weißt du, Dad, am besten mache ich gleich reinen Tisch. Tahlia, nun, sie ist ein bisschen böse auf mich, weil wir ...«

»Jetzt fliegst du erst mal. über den Rest reden wir später«, unterbrach Brendan. Doch seine Miene verdüsterte sich. Tahlia wirkte schon seit einer Weile recht bedrückt. Der heutige und der morgige Tag gehörten Cate. Aber dann wurde es langsam Zeit, dass er mit seiner schönen Frau einen kleinen Ausflug in die Stadt machte. »Du nimmst den Zweisitzer. Alf schraubt drinnen an der anderen Cessna herum.« Er wies mit dem Kopf zum Hangar. »Geh schon mal rein und kümmere dich um die Vorflugkontrolle. Dann schieben wir die Maschine raus auf die Piste.«

Cate hätte ihren Vater umarmen und abküssen mögen, so froh war sie, dass er nicht mehr über ihren Streit mit Tahlia wissen wollte. Brendan konnte, wenn nötig, zwar sehr streng sein, aber er war immer gerecht.

»Heute ist deine letzte Chance!«, verkündete Alf Cristelli, kroch unter dem Rumpf der altgedienten zweisitzigen Cessna 150 hervor und wischte sich die Hände an einem öligen Lappen ab. »Mach ein bisschen Dampf. Die Sonne geht bald unter.« Beim Anblick des breitschultrigen Einundzwanzigjährigen mit dem dichten schwarzen Haarschopf, den glänzenden dunklen Augen und den fast unanständig langen Wimpern hätte das Herz der meisten jungen Mädchen wohl höher geschlagen. Nicht so bei Cate. Alf war ihr Kumpel, der Junge, den sie schon seit ihrer frühesten Kindheit kannte, der Freund, mit dem sie als kleines Mädchen gerauft hatte und mit dem sie fast über alles reden konnte. Nun grinste sie ihn wie gewöhnlich frech an.

»Hast du die fünfzig Dollar parat?«, fragte sie. Die beiden hatten gewettet, ob sie es schaffen würde, vor ihrem siebzehnten Geburtstag solo zu fliegen. Dann versetzte sie ihm einen spielerischen Klaps.

»Autsch! Ich dachte, du wolltest fliegen und nicht boxen. Entscheide dich.« Alf tat, als hätte er einen harten Schlag abbekommen. »Meinst du, du schaffst es?«

»Was soll das heißen?«, gab Cate mit gespielter Empörung zurück.

Alf lächelte und sah, wie ihre blauen Augen vor Aufregung und Vorfreude funkelten. Sie ahnte ja gar nicht, was für eine Anziehungskraft sie auf ihn ausübte. Wie gerne hätte er sie in die Arme genommen. Denn Alf war, ohne dass es Cate aufgefallen wäre, zum Mann herangewachsen und verliebte sich von Tag zu Tag mehr in sie. Wenn sie nicht die Tochter des Chefs gewesen wäre, hätte er schon vor Monaten sein Glück bei ihr versucht. Um sich abzulenken, warf er einen Blick auf die Uhr und schaute dann bemüht lässig hinauf in den blauen Himmel. Eine zarte Brise streifte seine Wange. »Das Wetter macht gar keinen guten Eindruck. Sie haben ein Gewitter angesagt«, verkündete er, ein spitzbübisches Funkeln in den Augen. Im ersten Moment hätte Cate ihm fast geglaubt, doch dann brach Alf in Gelächter aus. »Reingelegt ... Es hätte aber doch sein können«, fügte er um Gnade flehend hinzu, als sie ihm noch einen Klaps versetzte.

»Wir haben Trockenzeit, du Blödmann!«

»Ach, das hatte ich ja ganz vergessen.« Grinsend hielt Alf ihr die Arme fest, als sie auf ihn einschlagen wollte.

»Schluss jetzt! Hört auf damit, Kinder!«, unterbrach Brendan die beiden jungen Leute schmunzelnd. »Willst du das Ding jetzt fliegen oder nicht, Cate? Wenn ja, sollten wir uns beeilen.«

»Ja, Alf, brav jetzt. Ich muss ein Flugzeug inspizieren!«, rief Cate.

»Die Maschine gehört dir!« Immer noch mit einem breiten Lächeln im Gesicht, trat Alf beiseite. Als sie an ihm vorbei zur Cessna ging, stieg ihm ihr frischer Duft in die Nase. Er beobachtete, wie sie das Äußere der Maschine in Augenschein nahm. Nach dem Check schoben sie die Cessna zu dritt auf die ungeteerte Flugpiste und richteten sie nach Norden aus.

Cates Herz schlug schneller, als sie sich in das enge Cockpit setzte und den Gurt anlegte. Nachdem sie sich die schweißnassen Hände an der Jeans abgewischt hatte, setzte sie den Kopfhörer auf, rückte das Mikrofon vor ihrem Mund zurecht, holte tief Luft und begann mit dem Startcheck. Sie kannte das Flugzeug wie ihre Westentasche und war mit über zweihundert Flugstunden – die letzten fünfzig hatte sie als Copilotin ihres Vaters abgeleistet – eine erfahrene Pilotin. Den Startcheck war sie schon tausendmal durchgegangen, gemeinsam mit Brendan und auch allein in Gedanken. Allerdings würde heute kein Dad neben ihr sitzen, der für sie in die Bresche sprang, wenn sie einen Fehler machte. In wenigen Minuten würde sie ganz allein über den Wolken schweben. Cate war gleichzeitig euphorisch und nervös, als sie die Kopfhörer wegschob, damit sie Brendan verstehen konnte. Dieser stand draußen vor dem Cockpitfenster, um ihr alles noch ein letztes Mal zu erklären.

»Also, du startest ganz normal mit Kurs nach Norden. Flieg zehn Kilometer den Pfad entlang und kehre an der ersten Windmühle beim grünen Wasserloch um. Du nimmst denselben Weg zurück und folgst dem Pfad bis zum Haus. Dabei musst du darauf achten, dass du die ganze Zeit die Straße im Blick hast. Wenn du sicher bist, dass die Piste frei ist, fliegst du eine Kehre und landest. Alles klar, Kleines?«

Cate nickte, schloss die Tür und rückte den Kopfhörer zurecht. Als Brendan sich vom Flugzeug entfernt hatte, rief sie »Propeller frei!« und betätigte den Zündschalter. Sofort sprang das Triebwerk an, und der Propeller begann sich zu drehen. Nachdem sie die letzten Kontrollen durchgeführt und sich vergewissert hatte, dass die Startbahn frei war, ließ Cate die Maschine anrollen und gab Gas. Die Cessna raste die Piste entlang. Cate zog die Steuerhörner zurück. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen, als sie spürte, wie das Fahrwerk vom Boden abhob. Dann war sie in der Luft. Wie während der vielen Flüge mit ihrem Vater sah sie zu, wie die Erde unter ihr kleiner wurde und die Nadel des Höhenmessers stieg. Aufregung ergriff sie. »Ich fliege ganz allein!«, rief sie. Doch nach einem kurzen Freudenschrei beruhigte sie sich wieder. Ich muss mich aufs Fliegen konzentrieren, sagte sie sich und kontrollierte die Flughöhe. Der Hangar und der Geländewagen unter ihr wirkten wie Spielzeuge. Brendan und Alf hoben sich wie ameisenkleine Pünktchen vom roten Boden ab. Cate ging in den Horizontalflug über, stellte die Trimmung ein, überprüfte Geschwindigkeit, Treibstoffstand und Kurs und genoss dann ihren ersten Soloflug.

Wie immer, wenn Cate über die Ländereien von Ironbark Station flog, empfand sie Ehrfurcht, Begeisterung und Liebe. In der Trockenzeit war der staubige rotbraune Boden ausgedörrt und rissig. In der schwülheißen, tropischen Regenzeit war alles üppig grün und überall blühten wilde Blumen. An der wundersamen Verwandlung, die der Regen auslöste, konnte Cate sich nicht sattsehen. Beeindruckende Gewitter zogen über das Land, begleitet von Blitzen, wie man sie nirgendwo sonst erlebte. Manchmal war die Farm, die in Cates Augen – ganz gleich ob bei Regen oder bei Dürre – das schönste Fleckchen Erde auf der ganzen Welt war, dann wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten.

Voller Freude ließ sie den Blick über das weite Land schweifen, bis sie das grüne Wasserloch entdeckte. Die vertrauten Baumgruppen und Büsche gaben ihr das überwältigende Gefühl, hierher zu gehören. Rechts von ihr glitzerte das Sonnenlicht auf dem Damm, den ihr Vater und ihr Großvater selbst gebaut hatten, als Cate vier Jahre alt gewesen war. Links erkannte sie die von Weiden überschattete Biegung im Fluss, wo ihre Mutter ihr das Schwimmen beigebracht hatte. Dahinter befand sich ein weiterer Damm. Ihr Herz schlug schneller, als sie daran dachte, wie stolz ihre Mutter gewesen wäre, wenn sie sie heute hätte sehen können. Doch leider hatte Mary nicht erleben dürfen, wie ihre Tochter heranwuchs.

Die Maschine wurde von kleinen Turbulenzen geschüttelt. Cate fing sie ab. Vor sich bemerkte sie das üppig wuchernde Gras rund um das grüne Wasserloch. Fünf Minuten später überflog sie die Windmühle mit ihren quietschenden Flügeln, wendete triumphierend und machte sich auf den Rückweg. Dabei hielt sie Ausschau nach anderen Flugzeugen. Doch sie hatte den blauen Himmel ganz für sich. Nun musste sie nur noch wohlbehalten landen.

Das Starten und Landen war das Heikelste am Fliegen. Der Zwischenteil war dagegen ein Kinderspiel. Hier in der Einöde kam erschwerend hinzu, dass die Landebahn häufig nicht frei war. Kängurus stellten die größte Gefahr dar, denn sie grasten in Herden friedlich vor sich hin, ohne sich um herannahende Flugzeuge zu kümmern. Eine versehentlich überrollte Schlange im Fahrwerk konnte die Maschine gefährlich ins Schleudern bringen, ganz zu schweigen von den Vögeln, die immer wieder in die Propeller gerieten. Rings um den Flugplatz wimmelte es stets von Vögeln. Cate hatte vor dem Start einen Schwarm rosafarbener Kakadus bemerkt. Sie bekam Herzklopfen, als ihr die Tiere einfielen, und die warnenden Worte ihres Vaters klangen ihr in den Ohren. »Schau dir die Landebahn an. Wenn du nicht sicher bist, geh in den Tiefflug, um die Kängurus zu verscheuchen. Anschließend fliegst du eine Kehre und landest. Falls das nicht klappt, funk mich an. Dann vertreibe ich die Biester mit dem Auto.« Cate war froh, dass ihr Vater sie heute unten erwartete. Nur für alle Fälle.

Sie kontrollierte ihre Position: Sie war genau auf Kurs. Links von ihr war die unbefestigte Straße deutlich zu sehen, und sie konnte auf dem Wellblechdach des Hangars in großen Buchstaben die Aufschrift Ironbark Station lesen. Brendan und Alf wirkten wie Spielzeugfiguren. Cates Herz jubelte. Sie warf einen Blick aufs Instrumentenbrett: Flughöhe, Treibstoffstand und Geschwindigkeit, alles war in Ordnung. Als sie den Blick über den südwestlichen Horizont schweifen ließ, bemerkte sie ein kleines Pünktchen am Himmel. Ein anderes Flugzeug? Aber sie erwarteten doch niemanden! Cate schaute noch einmal hin. Ihr Puls ging schneller. Diesmal stellte sie fest, dass sich das Sonnenlicht auf etwas spiegelte. Eine Tragfläche? Es musste eine andere Maschine sein. Im nächsten Moment meldete sich per Funk eine Männerstimme.

»Ironbark Station. Hier ist Victor Alfa Alfa im Anflug auf eure Landebahn. Irgendwelche Hindernisse?«

Cate streckte die zitternde Hand nach dem Funkknopf aus. Doch Brendan war schneller.

»Victor Alfa Alfa, hier spricht Ironbark Station. Die Landebahn ist frei«, erwiderte er. »Aber pass auf. Cate fliegt nördlich der Piste ihr erstes Solo. Kannst du auf Kurs bleiben, bis sie umgekehrt und gelandet ist?«

»Hallo, Brendan. Ich bin es, Murray Jones. Ist Catie ganz allein da oben? Spitze. Wir halten uns südlich in etwa zehn Kilometern Entfernung. Funk uns an, wenn sie gelandet ist. Ach, ja, jetzt kann ich sie sehen. Viel Glück, Catie!«

»Victor Alfa Alfa, ich sehe dich auch, Murray«, funkte Cate. Ihre Stimme war inzwischen wieder ganz ruhig, ihre Hand ebenfalls. »Ich fliege jetzt meine Kehre. Dad, ist die Landebahn frei?«

»Dreh noch eine Runde, Catie. Da treiben sich ein paar Kängurus herum. Ich verscheuche sie.«

Als Cate die Maschine gewendet hatte, sah sie, wie Brendas Wagen die Landebahn verließ. »Die Luft ist rein, Cate. Also flieg deine Kehre und lande, wenn du so weit bist«, meldete er über Funk.

Cate graute immer ein wenig vor dem Landen. Außerdem hatte das Erscheinen des anderen Flugzeugs sie aus dem Konzept gebracht, weshalb sie beim Anflug auf die Landebahn ein bisschen nervös war. Doch sie konnte kein Hindernis entdecken. Mit schweißnassen Händen setzte sie die Klappen und betete, dass nicht plötzlich ein Vogelschwarm vor ihr auftauchen würde. Als sie beinahe Bodenkontakt hatte, zog sie das Steuer ganz vorsichtig zurück, sodass die Nase sich hob und die Cessna nur wenige Zentimeter über der Landebahn dahinflog. Dann spürte sie, dass sie aufgesetzt hatte, dann einen zweiten Holperer. Sie senkte den Bug und trat sanft auf die Bremse. Die Maschine rumpelte über den unebenen Boden und kam allmählich zum Stehen. Cate wendete, rollte von der Landebahn und stoppte vor dem Hangar. Es hatte geklappt. Sie hatte ihren ersten Soloflug hinter sich und war immer noch sechzehn Jahre alt! Nachdem sie den Motor abgeschaltet hatte, öffnete sie den Sicherheitsgurt, riss die Tür auf, sprang aus der Maschine und fiel Brendan um den Hals.

»Ich hab's geschafft, Dad! Ich bin Solo-Pilotin!« Freudentränen funkelten in ihren blauen Augen. Brendan war so bewegt, dass er keinen Ton herausbrachte. Auch seine Augen waren feucht.

»Gut gemacht«, sagte er mit vor Rührung belegter Stimme. »Eine traumhafte Landung. Ich bin ja so stolz auf dich.«

Cate hob den Kopf und küsste ihn auf die Wange. »Du weinst ja, Dad«, stellte sie erstaunt fest. Aber im nächsten Moment bemerkte sie, dass auch ihr die Tränen übers Gesicht liefen. »Wir heulen alle beide!«, stieß sie lachend hervor.

»Das bildest du dir nur ein.« Brendan räusperte sich und küsste sie auf den Scheitel. »Und jetzt Schluss mit dem Unfug. Begrüßen wir unsere Gäste.«

In der Begeisterung über ihren Erfolg hatte Cate die Jones' ganz vergessen. Streak kam auf sie zugelaufen und umtänzelte sie. Cate bückte sich, um den Hund an sich zu drücken. »Ich bin jetzt Solo-Pilotin, Streak!« Als sie aufblickte, sah sie, wie Alf mit großen Schritten auf sie zukam.

»Ich schätze, ich bin dir was schuldig«, meinte er. Bewunderung stand in seinen dunklen Augen. Und noch etwas anderes, das Cate nicht ganz einordnen konnte. Er hielt ihr einen Fünfzigdollarschein hin. »Wahrscheinlich wirst du mir den heutigen Tag für den Rest meines Lebens unter die Nase reiben!« Er umarmte sie fest.

»Ganz richtig, Kumpel.« Cate erwiderte die Umarmung. Als sie spürte, wie angenehm warm sich sein Körper anfühlte, wünschte sie, sie wäre hübscher und femininer gewesen. Um ihre Verwirrung zu verbergen, machte sie sich los und riss ihm den Geldschein aus der Hand. »Die Firma dankt.« Ihre Wangen waren hochrot, als sie ihn angrinste.

»Ihr habt Besuch«, sagte Alf leise und wies mit dem Kopf auf das Flugzeug, das gerade ausrollte. Seine Stimme klang belegt, und auch sein Gesicht war gerötet. Er drehte sich zu Brendan. »Ich mache mich jetzt auf die Socken. Dad möchte, dass ich seinen alten Traktor repariere. Bis morgen. Noch mal, Hut ab. Toll, dass du heute geflogen bist«, fügte er, an Cate gewandt, hinzu. Ein liebevoller Ausdruck lag in seinen Augen, als er ihre roten Wangen musterte.

»Tschüss, Alf.« Cate winkte ihm lächelnd nach. Dann hakte sie sich bei ihrem Vater unter und eilte mit ihm über das staubige Flugfeld. Noch immer ging sie wie auf Wolken und musste sich kneifen, da sie nicht glauben konnte, dass der heutige Flug kein Traum gewesen war. Morgen konnte sie endlich offiziell ihren Pilotenschein beantragen.

»Hallo, Murray, hallo, June«, begrüßte Brendan das Paar, das ihnen entgegenkam.

Murray schüttelte erst Brendan, dann Cate die Hand. »Also bist du jetzt Pilotin, Catie. Glückwunsch. Ach, wo sind nur die Jahre geblieben?«

»Wenn ich mich recht entsinne, hast du morgen Geburtstag«, meinte June, eine freundliche Frau von Anfang vierzig. Die Jones' und die Perrys waren schon zu Marys Lebzeiten befreundet gewesen. June hatte Cate, die bis zu Brendans Heirat mit Tahlia ohne Mutter hatte aufwachsen müssen, schon immer ins Herz geschlossen gehabt. Obwohl Marys Tod sie und Murray tief getroffen hatte, hatten sie Tahlia mit offenen Armen willkommen geheißen, denn dass die Ehe Brendan guttat, war nicht zu übersehen. Inzwischen waren June und Tahlia gute Freundinnen.

»Wir waren gerade in der Gegend, und da haben wir uns gedacht, wir könnten doch mal auf ein Bier und ein Schwätzchen vorbeischauen. Es ist ja schon eine Weile her, dass wir uns gesehen haben«, erklärte Murray.

»Hallo, June, Hallo, Murray«, erklang da eine Stimme hinter ihnen. Cate zuckte zusammen. Es war Tahlia, die immer noch ihre dünnen, inzwischen von rotem Staub bedeckten Sandalen trug. Offenbar hatte sie trotz allem beschlossen, zu Fuß zum Hangar zu kommen. Weil sie so ins Gespräch vertieft gewesen waren, hatten sie sie nicht kommen hören.

»Liebe Tahlia, du siehst einfach reizend aus! Wie geht es dir?« June umarmte ihre Freundin.

»Ausgezeichnet. Wie schön, endlich mal wieder mit einer Frau reden zu können«, seufzte Tahlia.

»Aber du hast doch Catie«, wandte June rasch ein, denn sie fand, dass Cate schon sehr erwachsen aussah. Außerdem war sie ausgesprochen hübsch mit ihren vom Erfolg dieses Vormittags geröteten Wangen.

»Das ist nicht dasselbe«, flüsterte Tahlia für alle hörbar. Dann fiel sie Murray lächelnd um den Hals. »Ach, wie nett, Freunde zu Besuch zu haben. Manchmal ist es so einsam hier. Allerdings muss ich mich für die Unordnung entschuldigen. Besser gesagt sollte Cate das tun. Du hast die Küche wie ein Schlachtfeld hinterlassen und auch die Vorhänge nicht abgenommen, obwohl ich dich heute Morgen darum gebeten hatte. Du wusstest, dass ich Hilfe brauche, und bist trotzdem einfach wortlos davongelaufen. Ach, du meine Güte. Und dabei wäre bei diesem Wetter alles so rasch trocken geworden. Das Haus wäre jetzt schon blitzblank.« Sie stöhnte auf. »Wisst ihr, ich hatte schon den ganzen Tag so ein Gefühl, dass wir heute Besuch kriegen würden.« June und Murray wurden mit einem strahlenden Lächeln bedacht. Cates Soloflug erwähnte sie mit keinem Wort.

Brendan küsste Tahlia auf die Wange. »Hallo, Liebling«, sagte er sanft, denn er ahnte, dass Ärger im Anzug war. »Cate hat gerade eine wirkliche Glanzleistung vollbracht. Möchtest du ihr nicht gratulieren? Das Haus ist sicherlich so gut in Schuss wie immer«, fügte er rasch hinzu, als er ihr vielsagendes Schmollen bemerkte. »Ich glaube nicht, dass June und Murray sich an ein bisschen Chaos stören, solange der Teekessel aufgesetzt und das Bier kalt ist. Stimmt's?« Er klopfte Murray auf die Schulter.

Da Cate nun nicht mehr im Mittelpunkt stand, wurde Tahlias Miene versöhnlicher. Mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen versuchte Cate, die Seitenhiebe ihrer Stiefmutter zu ignorieren. Die Anspielungen auf ihre mangelnde Mithilfe waren ihr peinlich, und sie ärgerte sich darüber, dass Tahlia behauptete, sie hätte Junes und Murrays Besuch vorausgeahnt. Schließlich war sie keine Hellseherin und suchte offenbar nur einen Vorwand, um den Streit von gestern wieder aufflackern zu lassen.

»Macht euch unseretwegen keine Mühe«, erwiderte June, der die Spannungen zwischen Cate und ihrer Stiefmutter sichtlich unangenehm waren. Sie legte Tahlia den Arm um die Taille. »Du bist so elegant wie immer. Anscheinend bekommt dir das Leben in der Wildnis. Ist es nicht wunderbar, dass unsere kleine Catie allein geflogen ist? Nun, so klein ist sie ja nicht mehr. Bei jeder Begegnung kommt sie mir erwachsener vor. So voller Selbstbewusstsein und Tatendrang. Ihr beide habt sie großartig erzogen. Und jetzt kann sie sich ganz frei bewegen.«

»Sie ist schon unabhängig genug«, zischte Tahlia. Erfüllt von Selbstmitleid, hatte sie Catie ihren Ungehorsam noch nicht verziehen. Außerdem hatte sie sich in den letzten Stunden in ihren Zorn hineingesteigert und war fest entschlossen zu erreichen, dass Brendan seine Tochter bestrafte. Wie auf ein Stichwort hin traten ihr nun die Tränen in die Augen. »Ach, June, du ahnst ja gar nicht, wie es ist, hier zu wohnen, allein das ganze Haus in Schuss zu halten und sich dazu noch mit einem störrischen und faulen Teenager herumzuplagen, der alles Erdenkliche tut, um mir das Leben zur Hölle zu machen. Brendan ist so mit seinen Rindern beschäftigt, dass er mich kaum noch wahrnimmt. Wenn wir nur eigene Kinder hätten, wäre alles sicher ganz ...« Sie brach in Schluchzen aus und konnte nicht weitersprechen.

»Beruhige dich, Tahlia, so schlimm wird es schon nicht sein«, meinte June aufmunternd. Der Ausbruch hatte sie erschreckt, und sie wusste nicht so recht, wie sie damit umgehen sollte.

»Oh, doch, das ist es!«, schluchzte Tahlia. Inzwischen quollen ihr die Tränen nur so zwischen den langen Wimpern hervor und flossen die zarten Wangen hinunter.

»Können wir das nicht später besprechen?«, unterbrach Brendan mit dem Versuch, eine Szene zu vermeiden. Allerdings goss er damit nur Öl ins Feuer.

Tahlia blickte ihn mit leidender Miene an. »Das Problem ist, dass wir das niemals tun.«

»Tahlia ...«, begann er.

»Hör auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln!«, kreischte Tahlia, und ihre Augen blitzten zornig. »Ständig ergreifst du Partei für sie und gegen mich. Eigentlich dachte ich, dass du mich liebst, aber ich muss mich wohl geirrt haben.«

»Weißt du, vor Cates Soloflug hatte ich beschlossen, dass wir uns einen kleinen Urlaub gönnen sollten«, erwiderte Brendan mit schier heldenhafter Geduld und legte zärtlich den Arm um Tahlia. »Es war eine anstrengende Woche«, fügte er, mit Blick auf die Gäste, hinzu.

Doch Tahlia riss sich los und schluchzte nur um so lauter. »Du verstehst mich einfach nicht. Du begreifst nicht, was hier gespielt wird«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Cate wickelt dich um den Finger. Nie hört sie auf mich oder tut das, was ich von ihr verlange.«

Cate errötete vor Verlegenheit, denn sie hatte bemerkt, wie peinlich diese Situation June und Murray war. Außerdem hatte Tahlia es nun geschafft, ihr die Freude über ihren Triumph gründlich zu verderben. In ohnmächtiger Wut knirschte sie mit den Zähnen. Als Tahlia auf sie losging, wich sie zurück. »Du rücksichtslose, egoistische Göre!«, schrie Thalia und fügte, an Brendan gewandt, hinzu: »Sie nimmt mich nicht ernst, und du rührst keinen Finger, um mich zu unterstützen. So geht es schon, seit wir verheiratet sind. Ganz gleich, wie sehr ich mich auch ins Zeug lege, ich bin immer die Böse. Und jetzt habe ich genug. Fünf Jahre lang mache ich das nun schon mit. Es reicht! Du bist selbst schuld daran, Brendan. Ich verlasse dich.«

Sie drehte sich zu June um, die sie mit offenem Mund anstarrte. »Und das ist mein voller Ernst, June«, sagte sie in annähernd normalem Tonfall. »Ich ertrage's nicht mehr. Ich ... Kann ich eine Weile bei euch wohnen? Hier halte ich es nicht mehr aus.« Sie schlug die Hände vors Gesicht, und ihre Schultern zuckten. Brendan sah aus, als wäre er geohrfeigt worden.

»Warum gehen wir nicht ins Haus? Ich mache uns eine schöne Tasse Tee«, schlug June mit einem besorgten Blick auf die anderen vor.

Brendan, dem die Worte fehlten, nickte erleichtert. »Dad, das mit den Vorhängen tut mir wirklich leid. Aber ich wollte heute unbedingt fliegen. Ich werde mich entschuldigen«, rief Cate, der inzwischen auch Tränen in den Augen standen. Als sie loslaufen wollte, hielt Brendan sie zurück.

»Es ist nicht deine Schuld, Cate. Lass sie. June wird ihr den Kopf zurechtrücken«, meinte er leise. »Wenn sie sich erst wieder beruhigt hat, wird wieder alles eitel Sonnenschein sein. So ist es doch jedes Mal. Sie ist nur müde. Offenbar haben wir alle eine kleine Pause nötig.« Allerdings war er noch immer blass und klang nicht sehr überzeugt. Er wandte sich an Murray. »Tut mir leid, alter Junge.« Er lächelte verlegen. »Frauen! Aber ohne sie ist es auch nichts.«

Als sie das Haus erreichten, war von June und Tahlia nichts zu sehen. Cate pirschte sich über die Veranda heran und wünschte, ihr Magen würde sich etwas beruhigen. Währenddessen ließen Murray und Brendan sich draußen auf den Rattansesseln nieder. Kurz darauf kehrte Catie mit einem Tablett mit Gläsern, kaltem Bier, eisgekühlter Limonade und Chips zurück. Nachdem sie alles auf dem niedrigen Tisch abgestellt hatte, nahm sie auf dem zweisitzigen Sofa Platz. Eine angenehm kühle Brise wehte. Unter anderen Umständen wäre es ein schöner Tag gewesen. Nach einer Weile gesellte sich June zu ihnen. Sie schüttelte den Kopf.

»Tahlia besteht darauf, dass sie heute noch wegwill. Sie packt ein paar Sachen zusammen. Wenn sie möchte, kann sie ein paar Tage bei uns bleiben. Hoffentlich gelingt es uns, sie umzustimmen.«

Während Brendan die Nachricht schweigend aufnahm, sank Cate noch tiefer ins Sofa und wünschte, sie könnte den Tag noch einmal neu anfangen. Das Glücksgefühl nach ihrem ersten Soloflug kam ihr inzwischen vor wie ein ferner Traum. Murray und Brendan begannen, die Vorzüge verschiedener landwirtschaftlicher Maschinen zu erörtern, um die verlegene Stille zu füllen.

Murray schenkte sich ein Glas Limonade ein und nahm einen großen Schluck. »Ich bringe dir das Ersatzteil nächste Woche. Kann ich sonst noch etwas für dich tun, alter Junge?«

»Beruhige sie und erkläre ihr, dass das Leben hier draußen eben kein Zuckerschlecken ist. Außerdem kannst du ihr ausrichten, dass ich sie liebe. Sie soll sich an die schönen Momente erinnern. In zwei Tagen beginnt der Viehtrieb. Aber Anfang nächster Woche fliege ich in die Stadt. Wenn sie bis dahin nicht zurück ist, komme ich vorbei und versuche, mit ihr zu reden. Da Cate mir beim Viehtrieb helfen muss, ist es vielleicht gar nicht schlecht, dass Tahlia bei euch ist und Gesellschaft hat, während wir unterwegs sind.«

Tahlia trat mit finsterer Miene, einen kleinen Koffer in der Hand, aus dem Haus und stolzierte in Richtung Flugfeld, ohne die anderen eines Blickes zu würdigen.

»Sieht aus, als würden wir aufbrechen«, meinte Murray. »Gut, dass ich nichts Alkoholisches getrunken habe, was, Cate? Das kalte Bier gönne ich mir beim nächsten Mal«, fügte er in fröhlichem Ton hinzu, um die Stimmung aufzulockern.

Brendan erhob sich. »Ich bringe dich und June zum Flugzeug. Wir nehmen den Kombi, Tahlia, falls du immer noch wegwillst«, rief er ihr flehend nach. Wortlos änderte sie die Richtung und steuerte auf das Auto zu.

»Tschüss. Bis bald«, sagte June und küsste Cate rasch auf die Wange.

Cate blieb auf der Veranda stehen und blickte dem Wagen nach, der, gefolgt von einer roten Staubwolke, den Weg entlangfuhr und vor dem Hangar stoppte. Dann ließ sie sich auf einen Stuhl fallen, überwältigt von einer Mischung aus Zorn, Reue und schlechtem Gewissen. Sie hatte wirklich nicht gewollt, dass Tahlia sich derart aufregte! Immer noch stand ihr Brendans erschütterte Miene vor Augen, als Tahlia verkündet hatte, sie wolle fort. Er liebte sie doch. Cate hatte sie auch gern, zumindest wenn sie nicht an ihr herumnörgelte. Früher hatten sie sich so gut verstanden und zusammen gelacht. Wenn sie nur nicht so dickköpfig darauf beharrt hätte, ausgerechnet heute zu fliegen! Aber dieser Flug hatte ihr so viel bedeutet! Warum konnte ihre Stiefmutter das einfach nicht begreifen? Eine Träne kullerte Cates Wange hinunter. Sie wischte sie weg und beobachtete, wie das Flugzeug abhob und in den Himmel hinaufstieg. Brendan kehrte wieder zu seinem Kombi zurück, fuhr jedoch nicht los, sondern blieb bei offener Tür im Wagen sitzen. Cate spürte, wie eine eiskalte Hand sich um ihr Herz legte. Was hatte sie nur angerichtet?

Sie schenkte sich Limonade ein und sah mit stumpfem Blick zu, wie die Eiswürfel in das Glas fielen, sodass die Flüssigkeit auf den Tisch schwappte. Wenn sie sich doch nur mehr Mühe gegeben hätte ...

Als die Autotür zuknallte, fuhr sie hoch. Kurz darauf trat Brendan auf die Veranda. »Schau nicht so traurig, Kleines. Tahlia wird sich schon beruhigen. Es dauert nicht lange, und alles ist wieder beim Alten. Mir ist eben erst eingefallen, dass es vielleicht am Viehtrieb liegen könnte. Du weißt ja, wie sehr sie das Alleinsein hasst. Dann steigert sie sich oft in solche Zustände hinein«, sagte er in gezwungen fröhlichem Ton. »Warum machst du uns beiden nicht etwas zum Mittagessen, während ich noch das eine oder andere erledige? Schließlich muss der erste Soloflug einer gewissen Sechzehnjährigen gebührend gefeiert werden.« Er küsste ihr Haar. »Wo ist das strahlende Lächeln, das ich bei der Landung gesehen habe?«

Cates Niedergeschlagenheit legte sich, und sie strahlte ihren Vater glücklich an. Alles würde gut werden, dachte sie. Sie war jetzt Pilotin. Das konnte ihr niemand mehr nehmen. Tahlia würde schon zurückkommen. In zwei Tagen fing der Viehtrieb an. Und morgen war ihr siebzehnter Geburtstag. Als sie bemerkte, wie ihr der Magen knurrte, sprang sie auf, um nachzusehen, was sie an Essbarem im Haus hatten.

Kapitel 3

Cate wurde vom lauten Scheppern der Frühstücksglocke geweckt. Es war vier Uhr, kurz vor Morgengrauen, und die Sterne verblassten allmählich. Es war Sitte, dass sich die Arbeiter am ersten Tag des Viehtriebs zum Frühstück im Haupthaus versammelten, und eigentlich war es Cates Aufgabe, für die Verpflegung zu sorgen. Noch schlaftrunken, schlüpfte sie hastig in Jeans und ein hellblaues Baumwollhemd und zog dann ihre abgewetzten Lederstiefel an. Sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie verschlafen hatte. Im nächsten Moment jedoch fiel ihr ein, dass heute ja ihr siebzehnter Geburtstag war. Deshalb hatte Brendan Grace, ein junges Aborigine-Mädchen, das im Haushalt half, gebeten, das Frühstück zuzubereiten.

Als Cate an die Szene gestern am Hangar dachte, verdüsterte sich kurz ihre Stimmung. Dann jedoch erinnerte sie sich an ihren Soloflug, und die Niedergeschlagenheit verschwand. Mit einem Auflachen ließ sie sich rücklings aufs Bett fallen und den Flug noch einmal Revue passieren und sang leise vor sich hin. Inzwischen war sie hellwach. Rasch bürstete sie ihre kastanienbraunen Locken, band sie zur Feier des Tages mit einer sauberen blauen Schleife zusammen, putzte sich die Zähne und hastete den Flur entlang. Der anheimelnde Duft von Bratwürsten, Eiern und Steaks schlug ihr entgegen.

Wie immer vor einem Viehtrieb hallte die Küche des Haupthauses von aufgeregtem Stimmengewirr wider, als sich die Arbeiter zum Essen an die Tische setzten. Cate hörte das Klappern von Besteck und Tellern und die Unterhaltung der Männer, die sich ihr Frühstück schmecken ließen.

Cate liebte diese Vorbereitungen und das frühmorgendliche geschäftige Treiben. Sie sah die schattenhaften Umrisse der Hunde, die auf ihre Befehle warteten, und die unruhig umhertänzelnden Pferde, die die bevorstehende Aufgabe zu erahnen schienen. Es war eine Mischung aus Ausgelassenheit und banger Erwartung, wenn die Lastwagen endlich fort waren und die Arbeiter mit den zusätzlichen Pferden den Hof verließen und den langen gewundenen Pfad entlang in den Busch ritten. In den letzten beiden Jahren hatte Cate sie begleitet und sich ihren Platz in der Gruppe erarbeitet. Sie war aufgeregt und froh, dazuzugehören. Kurz fragte sie sich, ob wohl jemand an ihren Geburtstag denken würde. Ihr Vater war am Vorabend recht geistesabwesend gewesen. Als sie die Tür öffnete, erklang lautes Besteckklappern, als alle gleichzeitig Messer und Gabel weglegten. Dann herrschte vollkommene Stille.

Zwölf Augenpaare blickten ihr aus der Gruppe von wettergegerbten und jungen rotbackigen Gesichtern entgegen. Cate starrte erschrocken zurück. Da waren Nick und Paul, zwei aufsässige junge Männer aus der Nachbarschaft, deren Augen schalkhaft funkelten. Sie halfen stets aus, wenn der Viehtrieb auf Ironbark Station anstand. Neben ihnen saßen Grace' Bruder Eddy und der gute alte Parrot, ein dreiundsiebzigjähriger Viehtreiber mit wässrigen Augen, eingesunkenen Wangen und seiner von den vielen Jahren unter der sengenden Sonne des Outback lederartigen dunkelbraunen Haut. Dann war da noch Dave, ein draufgängerischer, gut aussehender achtzehnjähriger Rucksackreisender aus Großbritannien, der erst vor einer Woche hier hereingeschneit war. Einige der frisch angeheuerten Saisonarbeiter kannte Cate nicht. Ihr Dad stand, einen Becher heißen Tee in seiner großen Hand, an die Wand gelehnt da. Ein Lächeln breitete sich auf seiner Miene aus. Ehe Cate etwas sagen konnte, stimmten alle aus voller Kehle »Happy Birthday« an. Parrot sang mit Abstand am lautesten.

Als das Ständchen nach einem vielstimmigen »Hoch soll sie leben«, »For She's a Jolly Good Fellow« und »Viel Glück und viel Segen« mit Applaus endete, strahlte Cate übers ganze Gesicht. Sie bedankte sich bei allen und umarmte erst Parrot und dann Brendan. Als sie Nick und Paul ebenfalls um den Hals fallen wollte, wichen die beiden in gespieltem Entsetzen zurück, und alles bog sich vor Lachen. Immer noch kichernd, dankte Cate Grace für das Frühstück, häufte Würstchen und Rührei auf ihren Teller und setzte sich ihrem Dad gegenüber.

»Hast du sie dazu angestiftet?«, fragte sie kauend.

»Ich?« Brendan mimte den Ahnungslosen. »Alles Gute zum Geburtstag, Cate. Wie geht es meiner wunderschönen Pilotin denn heute?«

Cate lächelte.

»Ich habe von deinem Soloflug gehört«, mischte Parrot sich in seinem gedehnten irischen Akzent ein. Seine hellblauen Augen unter den buschigen Brauen betrachteten Cate liebevoll. Er leerte sein erstes Bier des Tages, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und sah sich nach Nachschub um. Da die meisten Arbeiter auf Ironbark Station recht gern tranken, wachte Brendan mit Argusaugen über die täglichen Rationen. Es galt eine einfache Regel: Kein Alkohol vor Feierabend. Nur für Parrot gab es eine Ausnahme. Er war eine treue Seele, ein wahrer Zauberkünstler, was das Reparieren von Motoren anging, und auch nach einigen Frühstücksbieren ein guter Arbeiter. Er hatte schon vor Cates Geburt bei den Perrys angeheuert, und Brendan hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass er das Bier nur »aus medizinischen Gründen« trank. Angeblich linderte es seine Gelenkprobleme.

»Es war einfach Spitzenklasse!«, jubelte Cate. »Ich kann es kaum erwarten, wieder zu fliegen.«

Die anderen mischten sich ins Gespräch ein, frotzelten und rissen Witze, ob das Motto »Frau am Steuer« wohl auch in Flugzeugen gelte. Cate war in Hochstimmung. Sie wusste, dass ihr in den nächsten Tagen viele Abenteuer bevorstanden, und wäre am liebsten sofort aufgebrochen. Sie stand auf, schenkte sich einen Becher heißen Tee ein und gab reichlich Milch und Zucker dazu. Plötzlich bemerkte sie, dass jemand fehlte.

»Wo ist Alf, Dad?«, erkundigte sie sich.

»Er hat mich gestern Nacht noch angefunkt. Irgendwelche Probleme mit einer Planiermaschine«, antwortete Brendan ausweichend. »Ich habe ihm gesagt, wir würden in den ersten Stunden auch ohne ihn klarkommen.«

»Oh.« Cate versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Darf ich mit den Pferden helfen?«, fragte sie dann wieder heiter. Der Umgang mit Pferden machte ihr nämlich fast ebenso viel Vergnügen wie das Fliegen. Da die Pferde beim Viehtrieb weite Strecken zurücklegen und hart arbeiten mussten, würde man mindestens zwanzig von ihnen mitnehmen, damit sie sich zwischendurch genügend ausruhen könnten. Das wiederum bedeutete, dass jemand die Tiere holen und Sättel und Zaumzeug vorbereiten musste. Cates eigenes Tier, ein hübscher brauner Wallach namens Chocolate, würde auch dabei sein. Sie hatte ihn sich aus einer Herde von Wildpferden, die vor zwei Jahren gefangen worden waren, aussuchen dürfen. Alf hatte ihr geholfen, Chocolate zuzureiten. Das Pferd bedeutete Cate sehr viel.