Das Leben ist wie kunterbuntes Anthrazit - Keke van Steyn - E-Book

Das Leben ist wie kunterbuntes Anthrazit E-Book

Keke van Steyn

4,6

Beschreibung

Alltäglicher Wahnsinn & Gute-Nacht-Geschichten Anthrazit ist ein dunkles, warmes Grau. In einer eher düsteren Farbzone angesiedelt befindet sich im Anthrazit das Undefinierte, das zwar weder schlecht noch gut ist, jedoch die Tendenz besitzt, eher in das Böse, Dunkle abzurutschen, statt sich für die Helligkeit und das Reine, das Unschuldige zu interessieren. Als fossiler Brennstoff dient Anthrazit bereits seit Ewigkeiten der Energiegewinnung – Ein Material, welches wegen seines hohen Energiegehalts und seiner hellen Flamme als Brennstoff sehr geschätzt wird. Sehr leicht verletzt man sich jedoch daran... Was folgt ist Schmerz! Schmerz in allen Variationen, der in der Intensität von kaum spürbar, lustvoll über unangenehm bis hin zu unerträglich reichen kann. Beißend, weich, spitz, sanft, dumpf, kriechend, stechend, schleichend, pochend, hämmernd, explosionsartig... Alltägliche Dinge, Freundschaft, Lust, Liebe, Verlangen und Leidenschaft bedienen sich ganz ähnlicher Attribute wie der Schmerz. Das Leben hat viele Facetten – verletzende als auch liebkosende, anregende sowie abstoßende. Dann wird Anthrazit auch gerne mal kunterbunt! Alle Kurzgeschichten in diesem Buch sind nicht zwingend autobiografisch. Vielleicht zum Teil - vielleicht sind sie jedoch auch nur eine Mischung aus Realität und Fiktion, aus Gehörtem, Erlebtem oder Gesehenem. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, realen Handlungen, Etablissements oder Orten sind rein zufällig.

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Ich danke:

Meiner Freundin Dr. Kirsten (Kivi) M. van der Neut für ihre fachliche Beratung in subkulturellen Themen.

Mark. E. Carter für seinen Zuspruch, die vielen Anregungen und für seine guten Nerven.

Sven von Scheidemann, dem weltbesten Blogcoach.

Tine Wittler für den liebevollen Tritt in den Allerwertesten, mich mal in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Tom Fabris für seine mentale Unterstützung und konstruktive Kritik

Dem Weihnachtsmann für seine Gaben.

Herrn Trocken Fisch, welcher nicht ganz unbeteiligt an der Titelfindung dieses Buches war.

Arne Schrieber und Andreas Laabs für die fotografische Umsetzung des Buchcovers.

Norman Kiefer für die malerische Gestaltung meines Autoren-Portrait-Bilds.

Ute Dreeßen für ihre unermüdlichen Korrekturen

Last but not least allen Menschen, die zur Inspiration und damit (auch unwissentlich oder unfreiwillig) zum Schreiben meiner Kurzgeschichten beigetragen haben.

Keke van Steyn

Das Leben ist wie kunterbuntes Anthrazit

Anthologie nicht ganz alltäglicher Kurzgeschichten

Leserstimmen

„Keke van Steyn schreibt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist – auch, wenn’s wehtut. Und weil Humor ja bekanntlich die beste Medizin ist, liefert sie den gleich mit. Das macht die Tücken des Lebens, die sie uns um die Ohren haut, unterm Strich zwar nicht besser, aber auf jeden Fall viel lustiger!“

Tine Wittler • Schriftstellerin, Filmproduzentin, Sängerin, Moderatorin.

„Kinners! Wenn ihr wirklich mal kurz vor Pipi in der Hose, aber – mit Sicherheit – Muskelkater in den Backen steht – dann SITZT ihr bstimmt mitten in einer Lesung der wunderbaren – unvergleichlichen Keke van Steyn! Allein ihre Stimme! Verrucht, lässig gepaart mit frechfrivoler Forschheit! Hammer! Wer ihr Buch mag, wird ihre Live-Auftritte lieben! Frau van Steyn springt mitten ins Leben, reißt die Zuhörer mit – um ihre Geschichten dann durch ironische Interpretationen ihrer Sichtweise zu garnieren! Ihre Stories sind wie Achterbahn fahren – Lachflashs garantiert! Don’t miss Miss van Steyn! “

Susanne-Carina Autzen • Moderatorin, Autorin, Journalistin, Coach

„Keke van Steyn hat uns allen gerade noch gefehlt. Ihre Schreibe ist eine freche Spielerei mit Sprache und Konventionen (nicht selten auch mit dem Feuer), ihre Geschichten trotzen jeder Norm. Ein Buch, das von Menschen, die Lust auf Ungewöhnliches haben, gelesen werden will.“

Petra Seidler • Werbetexterin, Marketingfachfrau

Inhaltsverzeichnis:

Wer bin ich?

Prolog – Anthrazit

Kapitel 1 - Alltäglicher Wahnsinn:

1 Dreibein

2 Das virtuelle Treiben chronisch untervögelter Großstädter

3 Mindfuck – Oder der Ritter von der traurigen Gestalt

4 Das verschwundene Kabel

5 Tierische Probleme

6 Die Seuche

7 Die vierbeinigen Hochszeits-Crasher

8 Montagekleber

9 Nicht mein Tag

10 Kabelsalat

11 Vegetarier

12 Der ganz besondere Sonntag

Kapitel 2 – Gute-Nacht-Geschichten:

13 Johanna – geboren um Hiebe zu geben

14 Ménage à trois – Das besondere Blind Date

15 Fifty Shades of

16 Fuchs du hast das Huhn gestohlen

17 Von Gin und Bach

18 Last Christmas

19 Nur 15 Minuten

Newsletter, Homepage & Co

.

Wer bin ich?

Über sich selbst zu schreiben, zählt wahrscheinlich zu den schwierigsten Dingen, auch wenn es sich bei der Person um eine Journalistin, Autorin und Bloggerin handelt.

Wahrscheinlich fällt es einem leichter, wenn man hochgradig selbstverliebt, besser noch eine Überdosis Narzissmus in die Wiege gelegt bekam.

In meinem Fall trifft das jedoch nicht zu – in mir befindet sich maximal ein Hauch von Misanthropie, doch die hilft mir auch nicht weiter, meine Vita hier mit Leben zu füllen.

Und dennoch werde ich mir größte Mühe geben, für euch einen kleinen Abriss meiner Person zusammen zu schreiben, damit ihr wisst, mit wem ihr es hier zu tun habt.

Keke van Steyn, also ich – nur damit keine Unklarheiten auftauchen – ist eine schwedische Holländerin mit deutschen Wurzeln, die in etwa so kräftig wie die einer tausendjährigen Eiche sind.

Damit meine ich nicht die Dinger, die vom Holzwurm fast zerfressen irgendwo im Stadtpark mit Stahlträgern abgestützt werden müssen. Ich rede von kraftstrotzenden, unverwüstlichen Bäumen, die selbst einen plötzlichen Atomschlag müde lächelnd überstehen würden. Bäume, deren Wurzeln so viel Kraft ausstrahlen, dass selbst die Erde ihre Klumpen breit macht. Nun, ich denke, ich konnte euch ein Bild über meine deutsche Herkunft vermitteln.

Wie würde ich mich selbst beschreiben?

Blond, mit graublauen Augen, die an manchen Tagen von einem Hauch Cyan umschmeichelt werden und bei Bohnensuppe mit Kir Royal in eine verspielte graugrüne Melancholie verfallen.

1977 geboren, verfüge ich über eine Energie von mindestens fünf Zuchtochsen, sehe diesen jedoch glücklicherweise nicht annähernd ähnlich.

Frauen, die man danach fragt, sich selbst zu beschreiben, werden letztlich immer in ihren Gedanken bei einer der Protagonistinnen von Desperate Housewifes verfallen, also lasse ich es besser. Sucht euch eine der Darstellerinnen aus, da lasse ich euch die Wahl.

Ach, beinahe hätte ich es vergessen! Die Hobbys – an dieser Stelle kommt ja immer die Beschreibung der Freizeitaktivitäten, damit ihr tief in mich blicken könnt.

Gut, also ich bin begeisterte Ornitologin, helfe waidwunden Hummeln dabei, ihren Weg ins traute Heim zu finden und tanze nachts gerne mit Elfen – und zwar durch den Wald.

Bei Vollmond heule ich den Wolf an. Aber nur, wenn ich Lust dazu habe, wobei ich es tunlichst unterlasse, mich in einen bleichen Mond zu verwandeln.

Ich tauche regelmäßig in stillen Gewässern nach männlichen Meerjungfrauen, probiere, die Trauerweiden aufzuheitern, sitze auf meiner Dachterrasse im Untergrund, steh auf Prinzen mit Tourette-Syndrom, piesel gern Sternschnuppen in den Schnee, will dringend einmal um die Welt bosseln und irgendwann, ja irgendwann werde ich mich mit einem flauschigverträumten Barfußläufer ins Nichts stürzen, weil die Welt eben doch eine Scheibe ist.

Außerdem koche ich gerne und zwar vor Wut, wenn ich die Dummheit mancher Menschen nicht an mir vorüberziehen lassen kann. In solchen Fällen beginne ich gerne zu schreiben. Seltsamerweise handeln nicht selten diese Erzählungen in der Rubrik „Alltäglicher Wahnsinn“ letztlich von mir.

Ich freue mich sehr, dass ihr mein Buch gekauft habt und wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Eure

Keke van Steyn

Prolog

Anthrazit ist ein dunkles, warmes Grau. In einer eher düsteren Farbzone angesiedelt befindet sich im Anthrazit das Undefinierte, das zwar weder schlecht noch gut ist, jedoch die Tendenz besitzt, eher in das Böse, Dunkle abzurutschen, statt sich für die Helligkeit und das Reine, das Unschuldige zu interessieren.

Als fossiler Brennstoff dient Anthrazit bereits seit Ewigkeiten der Energiegewinnung – ein Material, welches wegen seines hohen Energiegehalts und seiner hellen Flamme als Brennstoff sehr geschätzt wird. Sehr leicht verletzt man sich jedoch daran...

Was folgt ist Schmerz! Schmerz in allen Variationen, der in der Intensität von kaum spürbar, lustvoll über unangenehm bis hin zu unerträglich reichen kann. Beißend, weich, spitz, sanft, dumpf, kriechend, stechend, schleichend, pochend, hämmernd, explosionsartig...

Alltägliche Dinge, Freundschaft, Lust, Liebe, Verlangen und Leidenschaft bedienen sich ganz ähnlicher Attribute wie der Schmerz. Das Leben hat viele Facetten – verletzende als auch liebkosende, anregende sowie abstoßende. Dann wird Anthrazit auch gerne mal kunterbunt!

Alle Geschichten in diesem Buch sind nicht zwingend autobiografisch. Vielleicht zum Teil – vielleicht sind sie jedoch auch nur eine Mischung aus Realität und Fiktion, aus Gehörtem, Erlebtem oder Gesehenem. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, realen Handlungen, Etablissements oder Orten sind rein zufällig.

Alltäglicher Wahnsinn

Dreibein

Der personifizierte Horror als Untermieter

Vor knapp zweieinhalb Jahren lernte ich Dreibein kennen. Und zwar über eine dieser Online Single Plattformen, auf denen ich mich eine Weile tummelte.

Damals war ich noch fest davon überzeugt, dass ich auf diesem Wege irgendwie und irgendwann mal meinen künftigen Partner kennen lernen würde. Heutzutage bin ich von dieser Vorstellung allerdings komplett geheilt. Daran ist Dreibein nicht ganz unschuldig. Dieser Kerl hat es nämlich fast geschafft, mich in den Wahnsinn zu treiben.

Dreibein war ein richtiges Geschoss. Ne echte Schnitte, wie man so umgangssprachlich unter Frauen sagt. Zumindest war er das auf seinen vielen Fotos, mit denen er sich in allen nur erdenklichen Posen und Outfits auf einem wirklich ansprechenden Profil im Netz präsentierte. Langhaarig, schlank, groß, nettes Lächeln, sehr außergewöhnliche Tattoos und coole Klamotten, so zeigte er sich der Frauenwelt. Dazu hatte er dann auch einen recht individuellen und kreativen Profiltext formuliert.

Ja, Dreibein schien tatsächlich etwas Besonderes zu sein. Dachte ich damals!

Natürlich hieß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Dreibein. Diesen „liebevollen“ Kosenamen hat er sich bei mir erst viel später verdient. Zu Anfang nannte ich ihn noch bei seinem richtigen Namen.

Als wir begonnen haben, uns zu schreiben, lebte Dreibein noch in Paraguay. Er war vor einigen Jahren mit seiner Ehefrau dorthin ausgewandert, lebte aber in Trennung und plante seine Rückkehr nach Deutschland.

Wir flirteten online ein wenig, aber ich kassierte direkt schon zu Anfang ne eindeutige Abfuhr von ihm. Ich war ihm als potentielle Partnerin einfach zu viel. Also zu viel Frau… eben zu fett… wenn man es genau ausdrücken will. Wir blieben dennoch in Kontakt und es war ganz nett, ab und an mit ihm zu schreiben.

Irgendwann erfuhr ich, dass er in Paraguay eine Frau aus Süddeutschland kennen gelernt hat und ein paar Wochen nach dem Kennenlernen direkt zu ihr gezogen ist. Sie war ne platinblonde Granate, schlank, mit gemachten Möpsen und künstlichen langen Nägeln. Passte irgendwie zu ihm – und das ist jetzt nicht negativ gemeint.

Als die Beziehung zwischen Dreibein und dem blonden Geschoß zerbrach, zog Dreibein nach Gummersbach – zu einer anderen Frau.

Ab und an telefonierten wir mal miteinander. Auf einer freundschaftlichen Basis war der Kontakt mit ihm ganz lustig. Mehr konnte ich mir mit ihm allerdings auch nicht mehr vorstellen. Während dieser Telefonate kristallisierte sich heraus, dass er irgendetwas an sich hatte, was mich irgendwie abstieß.

Dann kam eine verzweifelte Nachricht von ihm. Er fragte, ob ich nicht ein Zimmer zu vermieten hätte. Er müsse dringend bei der Frau, bei der er wohnte, weg. Sie wäre irre, geistesgestört und würde ihn krank machen. Er hätte Herzprobleme, Panikattacken und würde langsam depressiv werden, weil er nicht wüsste, wohin.

Ein Zimmer hatte ich nicht. Aber ich bot ihm an – eigentlich mehr aus Scherz – dass er übergangsweise in meinen Übersee-Container im Garten, den ich als Gästezimmer umgebaut habe, einziehen könne.

Das war ein großer Fehler, denn drei Wochen später war er tatsächlich da. Und der blanke Horror begann!

Der Einzug

Monsieur ließ sich von der vermeintlich geistesgestörten Frau, bei der er zuletzt lebte, direkt vor meine Haustür kutschieren. Ich hatte mich geweigert, ihn abzuholen. 400 Kilometer hin, ihn aufgabeln und dann wieder 400 Kilometer zurück zu mir zu chauffieren, fand ich vom Aufwand für einen Mann, der keine Lust hat, seine Anreise zu organisieren, irgendwie nicht angemessen – das nahm er mir allerdings krumm und unterstellte mir Faulheit.

Während seiner Anreise mit dem geistesgestörten weiblichen Chauffeur, von der er so dringend weg musste, schickte er mir allerdings noch einmal eine für ihn ganz wichtige Nachricht. Eine Warnung sozusagen. „Verlieb dich nur nicht in mich!“ So der O-Ton.

Diese Nachricht hätte er sich jedoch locker sparen können! Als der Mann, den ich bisher nur von Fotos und vom Telefon kannte, aus dem Auto stieg, verschlug es mir fast den Atem. Ein schwer übergewichtiger, ergrauter Typ in schmuddeligem Schlabberlook, mit ungepflegtem Mehrtagebart, der eine leichte Schuppenflechte am ausgeprägten Doppelkinn zu verdecken versuchte, kam leicht schielend auf mich zu. Sein Gang war schleppend, seine Bewegungen linkisch.

Ich wusste nicht, in welches der verdrehten Augen ich zuerst schauen sollte, als ich ihn etwas verhalten begrüßte. Die langen, dichten Haare gab es nicht mehr. Die einst außergewöhnlichen Tattoos waren verblasst und wirkten wie ein Hohn auf seinen von dicken Krampfadern durchzogenen Beinen. Von den aufgekratzten Stellen an den Beinen will ich nicht weiter reden.

Wie kann so ein Kerl auch nur im Ansatz davon ausgehen, dass eine Frau wie ICH sich in so etwas Abstoßendes wie ihn verlieben könnte? Ich war entsetzt, empört und fast schon etwas sauer. Aber ich überspielte meinen anfänglichen Schock sehr gekonnt und hieß ihn willkommen.

Die Lady, die ihn schmallippig aus Gummersbach zu mir in den hohen Norden brachte, half noch schnell beim Ausladen seiner diversen Plastiktüten und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Einen Kaffee oder ein Kaltgetränk lehnte sie einsilbig ab. Heute weiß ich, warum: Sie war wohl einfach nur heilfroh, diesen Typen endlich los zu werden! Nun hatte ich ihn an der Backe.

Da war er jetzt also, mein neuer Untermieter. Zum Einstand lud ich ihn zu mir auf die Terrasse zum Grillen ein und fuhr ordentlich auf. Dass er sich von vorne bis hinten bedienen ließ und sich nicht mal bedankte, darüber habe ich an dem Tag noch hinweg gesehen.

Als ich den Tisch abräumte, verzog er sich in sein neues Domizil. Natürlich ohne einen Handschlag zu tun oder auch nur zu fragen, ob er mir denn helfen könne. Kurz darauf tauchte er wieder auf. In einem abgewetzten und versifften Bademantel. Ich starrte ihn sprachlos an, als er an mir vorbei ins Bad schlurfte.

Zahnbürstenprobleme

Wir hatten vereinbart, dass er alles, was er in meinem Haus, sprich in der Küche und im Bad benutzte, auch so wieder hinterlässt wie er es vorgefunden hat. Alle anderen Räume im Haus waren für ihn tabu.

Nun war mir bereits bewusst, dass Männer grundsätzlich einen anderen Blick für Ordnung und Sauberkeit besitzen, als Frauen. Aber dass dieses Thema mich bald zur tödlichen Waffe machen würde, damit habe ich zu dem Zeitpunkt noch nicht gerechnet.

Dreibein machte sich in meinem kleinen Bad breit. Ich räumte ihm eine Ecke auf der Kommode frei und er verlangte in forderndem Ton nach einem Handtuch. Ok, auch das sollte er haben. Als er sich jedoch beschwerte, dass es ja nur eine Steckdose gäbe und er nun gar nicht wüsste, wo er seine elektrische Zahnbürste laden sollte, wurde ich etwas missmutig.

Ich wies ihn darauf hin, dass er dies prima drüben in seinem Container machen könne. Er maulte rum. Dann müsse er ja immer seine Zahnbürste von drüben bis ins Bad tragen. Ja, genau, das müsse er wohl, antwortete ich etwas angefressen.

Er könne ja aber auch meine Zahnbüste mit benutzen, kam dann als Vorschlag, der mich nach Luft japsen ließ. Genau dieser Moment war es, als ich das erste Mal diesen künftig immer wieder auftretenden Würgreiz verspürte.

Wir diskutierten geschlagene fünf Minuten darüber, warum ich nicht wollte, dass ein fremder Mann meine Zahnbürste mit benutzt und warum ich das einfach unhygienisch und ekelhaft finde. Dann beschloss er zu duschen. Ich entspannte auf meinem Sofa vor dem Fernseher. Dreibein verzog sich und wünschte mir eine gute Nacht.

Alles fit im Schritt?

Am nächsten Morgen war ich wie immer früh auf und machte Frühstück. Kurz darauf schlurfte ein undefinierbares Etwas mit Zahnbürste in der Hand über meinen Flur direkt ins Bad. Es murmelte unverständliche Dinge vor sich hin.

Gastfreundlich wie ich war, bot ich ihm an, mit mir zu frühstücken. Den leicht mauligen Anblick, den er abgab, übersah ich geflissentlich und zeigte mich gut gelaunt. Bis er anfing, mir von seiner Operation zu erzählen.

Er hatte vor kurzem einen Abszess. Also so ein eitriges Ding. Direkt am Arsch. Naja, an der Leiste. Und das musste aufgeschnitten werden. 12 Zentimeter groß war das und voller Eiter. Er wäre fast dran gestorben! Und ob ich ihn heute noch mal zur Apotheke und zum Einkaufen fahren könne, weil er ja noch Verbandsmaterial bräuchte. Das sifft noch nach, meinte er… Ich kotzte fast auf den Frühstückstisch!

Natürlich fuhr ich ihn zur Apotheke und auch zum Einkaufen. Wir brauchten fast eine Stunde, weil Dreibein sich nur in Zeitlupe bewegte. Nicht weil er Schmerzen hatte. Nein, das war Dreibeins Art sich fortzubewegen. Immer schön langsam und schlurfend.

Danach ging es zum Einwohnermeldeamt. Er wollte sich ja schließlich offiziell bei mir melden und müsse auch noch sein Kleingewerbe ummelden. Ich war überrascht – Dreibein ging einer regelmäßigen Arbeit nach?

Lange Leitung

Dreibein arbeitet im Internet. Und zwar auf ner Single Plattform, erklärte er mir nicht ganz ohne Stolz. Da hätte er zig verschiedene Profile, gibt sich als Frau aus und chattet mit Männern.

„Ach, und damit kann man Geld verdienen?“, fragte ich leicht naiv. Ja klar, die Typen zahlen ja für jede Nachricht, die sie versenden. Da mach ich im Schnitt so 1.500 Euro im Monat.

Aha… naja… Hauptsache er kann seinen Lebensunterhalt verdienen, dachte ich mir und verwarf diese ganzen komischen anderen Gedanken schnell wieder, die bei mir aufkamen.

Wieder Zuhause musste ich dringend an meinen Schreibtisch, um zu arbeiten. Ich war ne knappe Stunde zu spät dran. Ein Mailing musste dringend raus. Aber irgendetwas stimmte mit meinem Internet nicht. So eine langsame Leitung hatte ich noch nie.

Ich rief Dreibein in seinem Container an, dem ich freundlicherweise Zugang zu meinem Wlan gewährte, und fragte ihn, ob er zufällig irgendwelche größeren Datenmengen aus dem Netz ziehen würde. Freudestrahlend gestand er mir, dass er sich gerade nen Film runter lädt – nen Blockbuster, den es noch nirgends gäbe… Ja, nee… is klar… völlig legal natürlich! Das gab ne Ansage von mir, die laut und deutlich war! Ich war stinksauer.

Gegen Abend hatte ich mich wieder einigermaßen beruhigt. Ich lud ihn ein, mit mir gemeinsam zu essen, damit wir ein paar neue Regeln besprechen könnten. Außerdem bestand ich darauf, dass er mir schriftlich bestätigt, über meine Leitung keine illegalen Downloads und sonstige rechtswidrige Dinge zu tätigen.

„Ey, mach dich mal locker, Mann. Vertraust du mir etwa nicht?“, war seine Antwort, als ich darauf bestand, dass er seine Unterschrift auf das Papier zu setzen hätte. Widerwillig kam er meiner Aufforderung schließlich nach – mit verdrehten Augen, die er ja ohnehin immer hatte. Ich wusste eigentlich nie, wo ich hingucken sollte und fragte mich, warum man das auf den Fotos nie gesehen hat.

Macho, Macho

Zufrieden verschwand ich in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten. In meinem Wohnzimmer nahm Dreibein wie selbstverständlich im Sessel platz und schaltete den Fernseher ein. Hallo? Wir hatten ne Vereinbarung! Meine Wohnräume sind tabu? Ich sagte jedoch nichts und brutzelte zähneknirschend Geschnetzeltes.

„Essen ist gleich fertig“, rief ich ins Wohnzimmer und klapperte auffordernd mit dem Geschirr. Ich erhielt keine Antwort. Nun muss man dazu sagen, dass ich kein Schloss und auch keine Villa bewohne. Wenn man aus meiner Küche jemanden im Wohnzimmer anspricht, könnte man sogar ein Flüstern hören, selbst wenn der Fernseher auf voller Lautstärke läuft. Gut, das ist nun maßlos übertrieben, aber er muss mich definitiv gehört haben.

Spätestens jedoch, als ich begann, den Tisch auf der Terrasse zu decken, hätte ich eine Reaktion von ihm erwartet. Die blieb jedoch aus. Ich füllte die Teller und stellte sie auf den Tisch. Erst als ich mich selber setzte, schlurfte er langsam zur Tür.

Dreibein baute sich im Türrahmen auf, stemmte empört die Hände in seine breiten Hüften und schaute verächtlich auf den Tisch. „Ey“…. (nie vergesse ich diesen Ton!) „Ey, sach ma… is ja geil… du hast was zu trinken und ich nich oder was?“ Fassungslos schaute ich ihn an. „Ey“, antwortete ich, „du weißt wo deine Getränke stehen. Und n Glas findest du im Schrank!“

Mein Puls raste. Das Essen war mir mittlerweile irgendwie vergangen. Erst recht, als er mir lang und breit erklärte, dass er es schließlich gewohnt sei, von einer Frau bedient zu werden. Er kenne es nicht anders. Und die Frauen hätten das schließlich immer gern getan – und das sei ja auch ne Selbstverständlichkeit. Das war nun der Zeitpunkt, wo ich sehr deutlich werden musste, damit nicht gleich Hopfen und Malz verloren war.

Ich erklärte ihm sehr sachlich, dass wir weder ein Paar seien, noch jemals eins werden würden. Wir wären auch keine Freunde. Ebenso sei er bei mir kein Gast, der aus Gastfreundschaft bedient werden würde. Er sei Mieter bei mir. Also hätten wir beide ein rein „geschäftliches“ Verhältnis, bei dem genau definiert ist, was Sache ist. Wenn er gerne Vollpension buchen möchte, wäre dies gegen einen entsprechenden Aufpreis natürlich auch möglich. Dies lehnte er jedoch ab.

Kühlschrankdiskussionen

Am nächsten Morgen wollte ich gerade vom Hof fahren, als mich Dreibein am Auto „stellte“. Der Kühlschrank im Container wäre kaputt, jaulte er. „Na dann schau doch mal im Internet, ob du was günstiges gebrauchtes findest. Ich würde dir den auch transportieren, wenn das hier in der Nähe ist“, entgegnete ich ihm.

„Wie viel willst du denn ausgeben?“, fragte er mich dreist. Und wieder war ich fast sprachlos. Ich habe diesem Typen bereits neues Bettzeug gekauft – inklusive Bettdecke, Kissen und Bezügen. Ich habe ihn herumkutschiert, zum Essen eingeladen, ihn bedient, er macht sich in meinem Wohnzimmer breit, benimmt sich wie der letzte Hinterwäldler und jetzt fordert er noch, dass ich ihm einen Kühlschrank kaufe? Ich glaube, es hackt! Puterrot vor Wut gab ich Gas.

Während der Fahrt zu meinem Termin fluchte ich leise vor mich hin. Ich überlegte krampfhaft, wie ich Dreibein am schnellsten wieder los werden könnte. Mir wurde immer mehr bewusst, dass ich mir mit ihm meinen schlimmsten Albtraum ins Haus geholt habe. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Die Heckklappe

Ein paar Tage später fuhr ich ihn wieder zum Einkaufen. Er besaß ja weder Führerschein noch Pkw. Den Lappen hatte er bereits vier Mal wegen Trunkenheit am Steuer verloren. Jetzt sei er jedoch seit ein paar Jahren trocken, meinte er.